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Ansprache bei Eröffnung des Studienjahres 1904/1905 am eidgen. Polytechnikum in Zürich.

17. Oktober 1904.

von

Prof. Dr. R. Gnehm,

Direktor des eidgen. Polytechnikums.

Hochgeachtete Versammlung!

Nach altem Herkommen liegt mir zunächst die Pflicht ob, die Namen derjenigen Aspiranten zu verkünden, welche auf Grund der reglementarischen Vorschriften, sei es als Inhaber von Maturitätszeugnissen der uns durch Vertragsverhältnis nahestehenden Mittelschulen oder anderer als ebenbürtig anerkannter Ausweise, sei es in Würdigung der Ergebnisse unserer Aufnahmeprüfung, neu in den Verband unserer Hochschule eintreten.

Oktober 1904 1903 1902 1901 1900
Gesamtanmeldungen 437 473 451 422 375
Zurückgezogen 26 24 21 12 19
Von den verbleibenden . . . . 411 449 430 410 356

könnten ohne weiteres aufgenommen werden . . . . 268 295 276 281 236

Es mußten sich der Aufnahmeprüfung ___________________________
unterziehen 143 154 154 129 120
Davon hatten Erfolg . . . . . 101 105 97 94 97
Gesamtzahl der Neuaufgenommenen 369 400 373 375 333

(Folgen die Namen der Neuaufgenommenen.)

Nach Erledigung des geschäftlichen Teiles ergreife ich gerne die Gelegenheit, Ihnen beim heutigen Anlasse im Namen der Behörden

und des Lehrerkollegiums freundlichen Gruß zu entbieten und Ihnen für Ihre Anwesenheit und das Interesse, welches Sie damit unserer Hochschule bezeugen, den Dank auszusprechen.

Mit froher Zuversicht blicken wir auf die Jungmannschaft, deren Eintritt unserem Kreise eine ansehnliche Verstärkung bringt. Seien Sie uns alle herzlich willkommen, Sie, deren Wiege in unserem engeren Vaterlande gestanden, und nicht minder auch Sie alle, die Sie aus fremden Landen in unserem gastlichen Heim zusammenströmen!

Mit froher Zuversicht, sage ich, aber nicht ohne Sorge — muß ich beifügen — ruht unser Blick auf Ihnen; werden wir uns dabei doch sofort all der Pflichten bewußt, die uns durch Ihre Aufnahme in den Verband der Studirenden erwachsen.

Es wird nicht leicht sein, diese in vollem Umfange zu befriedigen. Überall türmen sich Schwierigkeiten auf: Überfüllung der Hörsäle; Platzmangel in den Zeichnungs- und Konstruktionssälen, in den Laboratorien; Überlastung der Professoren.

Da bedarf es besonderer Energie und verständnisvollen, allseitigen Entgegenkommens, um der kombinirten Hindernisse Herr --zu werden.

Auf die bewährte Hingabe des Lehrerkollegiums, auf dessen kraftvolle Unterstützung Ihrer Bestrebungen dürfen Sie mit Sicherheit zählen.

Dieses Bewußtsein soll Sie aber nicht über eine Tatsache hinwegtäuschen: der Erfolg hängt nicht nur vom Lehrer, sondern ebensosehr vom Studirenden ab. Was das bedeutet, ist Ihnen, das setzen wir voraus, wohl in vollem Umfange und der ganzen Tragweite nach bewußt.

Wir vertrauen Ihrer Einsicht, Ihrem Pflichtgefühl, in der Erwartung, daß der Geist ernster Arbeit und ehrlichen Strebens, der zu einem Ehrentitel unserer Studirenden geworden ist, auch in Ihnen fortlebe und gute Früchte zeitige.

Der starke Zudrang, wie er sich auch heute, wenngleich in etwas vermindertem Maße gegenüber dem Vorjahre, manifestirt, bringt die Zahl der regulären Studirenden auf eine Höhe, die nicht ermangeln wird, die Kritik herauszufordern. Die bekannten Mahnrufe

nach Ergreifung von Maßregeln gegen Überproduktion, gegen die Schaffung eines Proletariates der technischen Berufsarten, werden wieder kräftiger und eindringlicher ertönen, ob mit besserem Erfolge als bisher, wagen wir kaum zu glauben.

Es fehlt an wirksamen Vorschlägen zur Abhülfe. Auch die jenigen, die aus uns nahestehenden Kreisen stammen, bilden keine Ausnahme.

Da wird mit Vorliebe auf unser Aufnahmeverfahren hingewiesen und als bestes Auskunftsmittel gegen Überfüllung das Begehren nach einer Umgestaltung desselben postulirt.

Am einen Orte wird verlangt, daß unsere Aufnahmeprüfung der Maturitätsprüfung gleichwertig gemacht oder abgeschafft werde, von anderer Seite kommt der Wunsch nach einer erheblichen Erhöhung der Aufnahmebedingungen.

Gestatten Sie mir, hochgeehrte Anwesende, an diese Kundgebungen einige Betrachtungen anzuschließen, nicht in der Absicht, jene in ihrer Bedeutung herunterzusetzen, noch weniger in der Meinung, damit eine Lösung der aufgerollten Frage zu bringen, sondern lediglich zu dem Zwecke, an bestehende und viel verbreitete Ansichten den Maßstab der Wirklichkeit anzulegen und durch Feststellen von Tatsachen die zukünftige Behandlung des Gegenstandes zu fördern.

Die erste Forderung zu erfüllen, ist die Prüfungskommission seit Jahren nach Maßgabe. ihrer Kräfte bestrebt; die Handhabung des Aufnahmeregulativs geschieht in der zulässig strengsten Form und garantirt die gewünschte Gleichwertigkeit, soweit von einer solchen mit Rücksicht auf die verschiedenartigen Verhältnisse überhaupt gesprochen werden kann.

Eine komparative Einschätzung der Prüfungen ist übrigens ungemein schwierig und hat in der Regel keinen dauernden Wert; subjektive Anschauungen und eingelebte Vorurteile gewinnen dabei nur allzuleicht Oberwasser. Dazu kommt, daß auch auf die Maturitätszeugnisse der verschiedenen Mittelschulen das Prädikat »gleichwertig« im strengen Sinne des Wortes nicht angewendet werden kann.

In einem Bericht, der Ende des vorigen Jahres dem schweizerischen Schulrats im Auftrage der Gesamtkonferenz der Lehrerschaft

des Polytechnikums erstattet wurde, ist diese Frage auch berührt. Es heißt dort unter anderm:

»Man ist vielfach geneigt anzunehmen, diese Aufnahmeprüfungen seien nicht strenge genug, die Anforderungen beschränken sich nur auf die notwendigste Vorbildung. Diese Auffassung ist unbegründet. Wir dürfen ohne Übertreibung behaupten, daß sich der von uns verlangte Kenntnisausweis qualitativ und quantitativ auf die gleiche Linie mit den Forderungen unserer schweizerischen Mittelschulen stellen darf. Wir geben zu, daß, da die kurze Zeit, innerhalb welcher notgedrungen diese Prüfung durchgeführt sein muß, sich die Lösung der Aufgabe für alle Beteiligten zu einer schwierigen und anstrengenden Arbeit gestaltet und daß es trotz aller Mühe nicht immer möglich ist, sich über das Wissen und Können und die Begabung des Aspiranten ausreichende Rechenschaft zu geben. In solchen Fällen wird nicht ausschließlich auf die Examenresultate abgestellt u. s. w. Daß trotz aller Mühe und Anstrengung auch etwa ein Entscheid getroffen werden kann, der sich später als unzutreffend herausstellt, das wird niemand in Abrede stellen wollen; das kommt aber auch, wie wir aus eigener Beobachtung wissen, anderswo vor.«

Diese Darstellung entspricht durchaus den seither gemachten Erfahrungen.

Viel ernster und inhaltsschwer in ihren Konsequenzen ist die zweite Forderung: »Es sollen die Aufnahmebedingungen erheblich erhöht werden.«

Sie ist zu Handen des Polytechnikums gestellt, richtet sich aber indirekt an die Kantone, in deren Machtbefugnis das Volks- und Mittelschulwesen gehört.

Vor zirka einem Vierteljahrhundert ließen sich ähnliche Begehren vernehmen; sie stützten sich auf Klagen über den zu tief stehenden Grad allgemeiner Bildung bei einer Großzahl der Aspiranten und fanden namentlich in den Kreisen ehemaliger Polytechniker energische Verfechter.

Damals war der Ansturm begründet und hatte deshalb Erfolg. Heute ist die Sachlage eine wesentlich verschiedene. -.

Innerhalb der letztem 20 Jahre hat unser Mittelschulwesen eine durchgreifende Umgestaltung erlitten. Ohne auf Einzelheiten in der

lehrreichen Entwicklung dieser Reformbestrebungen einzugehen, sei hier auf deren wichtigste Ergebnisse hingewiesen. Die Mehrzahl der sogenannten Real- und Industrieschulen ist in ihrer Organisation und in ihrem Unterrichtsbetriebe den analogen bewährten ausländischen Anstalten, wie z. B. die preußischen Oberrealschulen, die österreichischen Staatsrealschulen u. s. w., nahe gerückt und dadurch zu zweckentsprechenden Vorbereitungsschulen für das Studium der technischen Wissenschaften umgeformt worden. Die meisten dieser werden von seite des Polytechnikums als solche anerkannt, womit durchaus nicht ausgesprochen ist, daß, überall der Gipfel der Vollkommenheit erreicht sei.

Das Verlangen nach Erhöhung der Aufnahmebedingungen hätte — wir können uns dieser Annahme nicht entschlagen — ohne Zweifel eine Reorganisation dieser Mittelschulen zur Folge und in welchem Sinne? Die Forderungen und Wünsche geben in ihrer allgemeinen Fassung keine Handhabe für eine bestimmte Antwort. Höchst wahrscheinlich schweben jenen Kreisen Reformen vor, die zu einer Erweiterung der Lehrpläne, zur Verlängerung der Schulzeit und damit zu einer Erhöhung des Eintrittsalters für die. Hochschule führen müßten.

Solche Postulate bekunden Anschauungen über Unterrichtsziele und Unterrichtsbetrieb, die eigentümlich kontrastiren mit den Mahnrufen, welche erfahrene Schulmänner, einsichtige Ärzte, Hygieniker und andere, seit langem, besonders eindringlich aber in neuerer Zeit, erheben.

»Abrüstung, fort mit der Schulüberbürdung«, lautet hier das Losungswort; »Einschränkung des Unterrichtsstoffes und Befreiung desselben von allem, ausschließlich das Gedächtnis beschwerenden Ballastes; Erhöhung des erzieherischen Erfolges durch bessere Berücksichtigung und Förderung der körperlichen Entwicklung und kräftigere Einwirkung auf die Bildung des Charakters; weise und mäßige Beanspruchung der geistigen und physischen Tragkraft; richtiges Ausmaß der Schulzeit in ihrem Verhältnis zur Gesamtdauer des menschlichen Lebens«.

In diesen Worten steckt die Grundlage für das Programm einer gesunden und zukunftssicheren Entwicklung unserer Jugendbildung und nicht in der Auffassung, die mit dem Ausspruch schließt:

»erhebliche Erhöhung der Aufnahmebedingungen für das Hochschulstudium«.

Es ist eine gute Vorbedeutung, daß gegenwärtig Anstrengungen gemacht werden, das Wort in die Tat umzusetzen.

Auf Anregung eines bekannten, weitblickenden Pädagogen hat vor kurzem an einer unserer schweizerischen Mittelschulen ein Versuch mit reduzirter Lektionsdauer begonnen. An einem anderen Orte werden Klassenausflüge mit wissenschaftlichen Belehungen und Übungen als Mittel zur Durchführung einer Konzentration des Unterrichts erprobt.

Der Erfolg wird nicht ausbleiben, wenn Lehrer und Elternhaus verständnisvoll zusammenwirken.

Und wenn diese Versuche eine Fortsetzung erleben sollten, und dabei auch die Erfahrung englischer und amerikanischer Erziehung, soweit sie nachahmenswert ist, angemessene Beachtung findet, so gelangen wir hoffentlich zu Resultaten, vor denen das Wort eines Kenners unseres Schulwesens verstummen muß. Es lautet:

»Die Schüler ..... kommen gemeiniglich erst wieder zum Verstand, wenn sie die Hälfte des unter hydraulischem Druck angenommenen Wissens glücklich abgeschuppt haben. Wie viel leere Plage kehrt damit in den Staub zurück.«

Durch Zitirung dieses Ausspruches möchte ich keineswegs die Leistungen unserer Mittelschulen herabmindern, welche oft unter schwierigen Verhältnissen, aber im Banne der herrschenden Anschauungen, die von uns verlangte Vorarbeit nach Kräften zu leisten bestrebt sind. Wer die jetzigen Zustände mit den früheren vergleicht, wird den erzielten großen Fortschritt nicht verkennen und allen denen Dank wissen, die zur Erreichung desselben beigetragen.

Gälte es, auf Grund unserer Erfahrungen über die gegenwärtigen Zustände ein Urteil abzugeben, so würde dasselbe in summarischer Fassung etwa folgendermaßen lauten:

Die für den Eintritt in das Polytechnikum verlangten Requisite: geistige Reife, umfassende allgemeine Bildung, Fachkenntnisse, werden vermittelt durch unsere Realschulen in ihrem jetzigen Ausbau, sowie durch Gymnasien und Realgymnasien, sofern dort für ergänzenden Unterricht in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Disziplinen

und im Zeichnen, der zweiten Muttersprache des Technikers, hinreichend gesorgt ist. Dies anerkennen wir durch die Tatsache, daß Abiturienten solcher Schulen ohne weiteres zum Fachschulstudium zugelassen werden.

Und wie ist es mit dem übrigen Teil unserer Aspiranten bestellt?

Diese besitzen nicht jene Ausweise, die zum prüfungsfreien Eintritt in unsere Hochschule berechtigen. In diese Kategorie fallen Absolventen vieler fremdländischer Mittelschulen, die sich in ihrer Heimat ein Maturitäts- oder Reifezeugnis, eine Licenza erworben und die in der Regel auf Grund der Zeugnisse an auswärtigen Hochschulen ohne jede Schwierigkeit immatrikulirt werden könnten. Bei uns haben sie sich aber erst durch eine Prüfung über den Besitz der Vorkenntnisse zu legitimiren.

Die Zahl solcher Bewerber ist größer, als gewöhnlich angenommen wird, wie folgende Aufstellung beweist:

Examinanden mit Maturitätszeugnissen in %
1900 120 45 40
1901 129 44 34,1
1902 154 64 40,1
1903 154 . 51 33,1
1904 143 51 35,6

In jene Kategorie zählt auch regelmäßig eine Gruppe von Kandidaten, denen nicht an der Wiege gesungen wurde, daß auch sie einst an die Pforte der Hochschule klopfen werden. Wir finden darunter Leute, die häufig auf steinigem Pfade, unter mancherlei Entbehrungen und nach Überwindung ungezählter Mühsale dem Ziele nahe kommen. Nicht ein geregelter, korrekter Schulgang, der rauhe Kampf des Lebens, die praktische Tätigkeit hat sie zu reifen Männern gemacht. Solche als eine Parias zurückzustoßen, weil sie nicht in die Schablone passen, empfänden wir als ein Unrecht und als eine Unklugheit. Wir begaben uns damit auch manchen Vorteiles und manchen schönen Erfolges, denn gerade hier lernen wir Elemente kennen, die durch gereifte Lebensanschauung, durch würdigen Ernst gleich einem Sauerteig auf weiten Umkreis treibend wirken.

Schon dieser wegen müßten wir die Abschaffung der Institution unserer Aufnahmeprüfung aufs tiefste bedauern.

Eine dritte Gruppe endlich setzt sich zusammen aus jungen Leuten, die Gesundheitsrücksichten halber oder durch andere Umstände — vom regulären Weg abgedrängt — Zuflucht zum Privatunterricht nehmen mußten.

Diese erhalten die Bewilligung zur Teilnahme an der Aufnahmeprüfung erst nach erbrachtem Ausweis über ausreichenden Schulbesuch.

Es findet also bereits in diesem Stadium des Aufnahmeverfahrens eine strenge Sichtung statt. Mit größter Sorgfalt, mit der zulässigen Strenge wird auch die übrige Arbeit zu Ende geführt. Belege hierfür sind ziffernmäßig zu erbringen.

Es sind als ungenügend vorbereitet zurückgewiesen worden:

Von 120 Kandidaten im Jahre 1900 23 (19,1 %)
» 129 » » » 1901 35 (27,1 %)
» 154 » » » 1902 57 (37 %)
» 154 » » » 1903 49 (31,8 %)
» 143 » » » 1904 42 (29,3 %)

Wir glauben, durch diese Streiflichter zeigen zu können, daß eine Vertauschung der jahrelang geübten Aufnahmepraxis mit einem anderen Modus nicht notwendig und nicht wünschenswert ist und daß sich diejenigen einer Täuschung hingeben, welche ihren Reformprojekten einen wirksamen Einfluß auf die Eindämmung der Hochflut, auf die Verminderung der Frequenz beimessen.

Wenn aber diese Mittel versagen, gibt es nicht andere, von denen besserer Erfolg zu erwarten?

Von denjenigen, die häufig genannt werden, sollen zwei kurze Erörterung finden, nämlich: Einführung des Numerus clausus und Verbot der Aufnahme von Ausländern.

Untersuchen wir diese Fragen von ihrer praktischen Seite.

Schon die Umschreibung der Grundsätze für die Festsetzung von Grenzzahlen für die einzelnen Abteilungen wäre nicht leicht und würde eingehendes Studium erfordern; doch ließe sich dadurch wohl eine annehmbare Lösung finden.

Viel schwieriger aber gestaltete sich die Behandlung der Anmeldungsgesuche. Wem gebührt der Vorrang? Soll die Nationalität oder die Tüchtigkeit oder das Datum der Anmeldung oder alles zusammen berücksichtigt werden?

Die Einreihung nach Begabung und Leistungen verdiente als die naturgemäße Lösung unbestritten den Vorzug, doch würde deren gerechte Durchführung durch die Ungleichartigkeit der Zeugnisse unendlich erschwert, wenn nicht ganz unmöglich gemacht. Der einzige Ausweg bestünde, analog wie dies in Frankreich geschieht, in der Abnahme einer einheitlichen, von den gleichen Organen geleiteten Prüfung, deren Ergebnisse ausschließlich für die Rangordnung maßgebend würden.

Daß eine solche Institution bei uns Anklang fände, glaubt im Ernste wohl niemand. Sie wäre praktisch kaum durchführbar.

Bleibt noch ein Fall: Erschwerung oder Verbot der Zulassung für Ausländer, die bei uns in den Jahren 1901/02 33.5 %, 1902/03 34,6 %, 1903/04 36,1 % der Gesamtstudirenden betragen, gegenüber 48,9 % 1892/93, 51 % 1891/92, 55 % 1890/91, 58,7 % 1889/90.

Vor einigen Jahren noch hätten wir eine ernste Diskussion eines solchen Vorschlages bei uns für unmöglich gehalten. Seither hat sich in manchen Kreisen eine merkwürdige Wandlung der Anschauungen vollzogen, wohl wesentlich veranlaßt und genährt durch entsprechende Vorgänge in Nachbarstaaten.

Wir betrachten sie als eine symptomatische Erscheinung, die vorüber gehen wird.

Wie wir die Ausländerfrage beurteilen, das deutet der, schon erwähnte frühere Bericht der Gesamtkonferenz an und wie man, an maßgebender Stelle vor Jahrzehnten darüber dachte, das ist in markiger Schrift einem berühmten Aktenstücke eingegraben. In einer der Reden, die bei der Feier. des 25jährigen Bestehens der Eidg. polytechnischen Schule gehalten wurden, heißt es:

»Wie das Inland hat auch das Ausland zu dieser Anstalt Vertrauen gewonnen und wir können uns dessen nur freuen. Gilt unsere Anstalt im Auslande nichts mehr, so ist zu fürchten, daß sie ihr Ansehen auch im Lande einbüßen würde. Wir Schweizer haben Jahrhunderte profitirt von der Wissenschaft und den Anstalten des Auslandes. Erhebend muß für uns der Gedanke sein, daß nunmehr auch von, unserer Seite und zwar in einer Richtung, in der wir gänzlich zurückstanden, einigermaßen wenigstens, zurückgegeben und vergolten werden kann. Welchen freundlicheren Gruß

könnte zudem das kleine Hochland Europas den großen umliegenden Völkerschaften zusenden, als wenn es ihnen alljährlich eine schöne Zahl tüchtig geschulter Söhne zurückgibt. Liegt doch der große Vorteil dieses Verhältnisses immer auf unserer Seite. Die. Mannigfaltigkeit und Vielseitigkeit jugendlicher Kräfte fordert Wetteifer und Scharfsinn kräftig heraus, schärft das prüfende und beobachtende Auge, bildet für Wissenschaft und Leben, läßt den Menschen als solchen in seinem eigensten Werte zur Geltung kommen. Arbeiten doch alle Völker an der Kulturarbeit, die durch die Wissenschaften gefördert wird; Trennung der Nationalitäten, kleinlicher Neid und Rassenhaß sollen am wenigsten in der Republik der Wissenschaften Geltung haben. Hier in der Tat tritt die wohl berechtigte internationale Seite hervor.«

Es wird erlaubt sein, die Geister von ehedem heraufzubeschwören, um damit den Geist des Kleinmuts und der Verzagtheit von heute zu bannen.

In Wahrheit besteht die Zukunft unserer Hochschule nicht darin, mit kleinlichen, ungenügenden oder gar verwerflichen Maßregeln die Zahl der Studirenden um einige Dutzend oder vielleicht 100 Köpfe zu vermindern, und dadurch vorübergehend der dringendsten Raumnot und anderer Mißstände zu entrinnen —nein, da bedarf es ganz anderer Mittel soll sie nicht heruntersteigen von dein Range, den sie während eines halben Jahrhunderts in Ehren behauptet.

Der unaufhaltsame Fortschritt in Wissenschaft und Technik verlangt die Pflege neuer Richtungen, neuer Disziplinen, denen wir eine wohnliche Stätte nicht versagen können.

Da liegt der Kernpunkt der Frage, durch deren Lösung, die der nächsten Zeit vorbehalten bleibt, auch die andere, die der Überfüllung, in glücklichster Weise geordnet werden kann.

Hierfür erhoffen wir die Unterstützung des Landes, die uns in heiteren und ernsten Zeiten nie gefehlt hat und die uns die oft erprobte Einsicht und Opferwilligkeit unserer Behörden auch fürderhin gewähren wird.

Ich erkläre das Studienjahr 1904/05 —— das 50. seit Bestehen des eidgenössischen Polytechnikums — für eröffnet.