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FEIER DES 450-JÄHRIGEN BESTEHENS DER UNIVERSITÄT BASEL

FESTBERICHT

ERSTATTET IM AUFTRAGE E. E. REGENZ DER UNIVERSITÄT VON DEM

REKTOR

PROF. DR. KARL VON DER MÜHLL
BASEL
KOMMISSIONSVERLAG VON HELBING & LICHTENHAHN 1911

Feier im Münster.

Das Orchester der Allgemeinen Musikgesellschaft unter der Leitung von Herrn Kapellmeister Hermann Suter eröffnete die Feier im Münster durch den Vortrag der Ouvertüre in D von G. F. Händel. Dann bestieg Herr Professor D. Eberhard Vischer die Kanzel und hielt folgende Rede:

Hochansehnliche Versammlung!

Wenn wir heute festlich des Tages gedenken, an dem unsere Universität gestiftet worden ist, so feiern wir die Gründung der höchsten Lehranstalt, die unsere Stadt ihr eigen nennt, und wollen uns dankbar in Erinnerung rufen, was Basel von ihr an geistiger Förderung im Laufe der Jahrhunderte empfangen hat. Wir begehen aber zugleich auch das Jubiläum einer Stätte wissenschaftlicher Arbeit, der von Anfang an ein höheres Ziel gestellt war, als bloss für die nächsten Bedürfnisse des Gemeinwesens zu sorgen, die ihre Hörsäle den Gliedern aller Nationen zu denselben Bedingungen öffnet, und die durch zahlreiche Bande mit Schwesteranstalten innerhalb und ausserhalb unseres Landes verbunden ist. Und wir fragen uns, was unsere Universität als Glied dieser grossen Familie zur Erforschung der Wirklichkeit und zur Erkenntnis der Wahrheit beiträgt.

Wie sehr auch die Universitäten seit der Gründung unserer Hochschule ihre Gestalt geändert haben, so ist ihnen doch bis auf den heutigen Tag etwas von dem universalen Charakter geblieben, der sie bei ihrer Entstehung ausgezeichnet hat. Und wie die Wissenschaft eine ist und. keine nationalen Schranken kennt, so sind auch die Formen, in denen sie auf den Universitäten gelehrt wird, wenigstens innerhalb des deutschen Sprachgebietes, immer noch in einem solchen Masse dieselben, dass Lehrer und Schüler in raschem Wechsel von

einer Hochschule zur andern ziehen können, ohne den ihnen vertrauten Boden zu verlassen. Trotzdem haben von jeher die einzelnen hohen Schulen bei all dem vielen, das ihnen gemeinsam war und noch immer ist, doch auch ihre Eigenart besessen. Und jede lebt neben der allen gemeinsamen Geschichte, die sich mit der der Wissenschaft deckt, zugleich auch ihre individuelle, die uns zeigt, wie die Aufgaben allgemeiner Art an den einzelnen Sitzen der Wissenschaft eine dem Geiste und den Bedürfnissen der verschiedenen Länder entsprechende Lösung gefunden haben. Sie erhebt die einzelnen Universitäten über die Bedeutung einer blossen Nummer, macht sie zu Individualitäten und verleiht jeder, auch der kleinsten, Vorzüge, die sie mit keiner andern teilt.

Vielleicht ist keine einzige Universität allmählich so sehr mit dem Boden, von dem aus sie ihre Wirksamkeit entfaltet, verwachsen wie die, deren Jubiläum wir heute feiern. Ja es hat Zeiten gegeben, wo die Geschichte der Basler Hochschule fast vollständig in der Geschichte der Stadt unterging. Aber selbst in der Periode ihres tiefsten Niederganges hat es ihr nicht an Männern gefehlt, die die Verbindung mit der grossen, internationalen Gelehrtenrepublik aufrecht hielten und in der Geschichte der Wissenschaft mit Ehren genannt werden. Auch damals hat sich das Bewusstsein, dass die Universität ihr Leben nach ihren eigenen Gesetzen führen müsse, dass die Wissenschaft nur in der Luft der Freiheit gedeiht, geregt, allerdings vornehmlich in starrem Festhalten an alten Gebräuchen und in unfruchtbaren Streitigkeiten um überlieferte Rechte. Wenn wir jedoch heute das 450jährige Bestehen der Hochschule feiern, so dürfen wir es tun im Bewusstsein, dass sie schon längst aus dem engen Kreise lokaler Interessen und Gesichtspunkte, in den sie sich nicht zu ihrem Heile eingesponnen hatte, herausgetreten ist, und wir empfinden die mannigfachen Bande, die sie und die Stadt verknüpfen, lediglich als ein Gut, das wir nicht missen möchten.

Die Universität verdankt der Initiative der Stadt und ihres Rates die Gründung. Der Wunsch, einen Ersatz zu schaffen

für das, woran man sich während des Konzils gewöhnt hatte und was man ungern vermisste, hatte den Gedanken hervorgerufen, Basel zu einem Mittelpunkte wissenschaftlicher Arbeit zu machen. Und schon bei der Geburt der Hochschule sehen wir die Geister des Ortes tätig, die im Laufe der Jahrhunderte über ihrer Geschichte gewaltet haben, und zu denen ein Verhältnis zu gewinnen und sich doch zugleich ihre eigene Art zu wahren und den Blick ins Freie offen zu halten, die nicht immer leichte Aufgabe war. Man sagt, es liege im Basler Charakter, nur bedächtig und nach reiflicher Erwägung der Gründe, die für und gegen eine Sache sprechen, das Neue zu ergreifen, das einmal Erfasste aber mit Entschiedenheit und Liebe festzuhalten, es mit Zähigkeit und Klugheit in schwierigen Zeiten zu verteidigen und dabei auch vor grossen Opfern nicht zurückzuschrecken. So liess man sich, bevor man an die Verwirklichung des Planes herantrat, von Sachverständigen eingehende Gutachten geben, auch eine Rechnung darüber aufstellen, was die Studentenschaft voraussichtlich der Stadt einbringen werde. Dann aber hielt man sich entgegen den Bedenken allzu vorsichtiger Leute, die auch damals nicht fehlten, an die immer noch beherzigenswerten Worte der Gelehrten, die meinten, wohl könne jede Unternehmung gut oder schlimm ausfallen. Sache einer tapfern Regierung aber sei es, ein so löbliches und gemeiner Christenheit tröstliches Gut nicht um menschlicher Furcht willen zu unterlassen, sondern ihm mit Gottes Hilfe redlich nachzugehen und möglichen Widerwärtigkeiten mit guten Ordnungen und tapferer Handhabung dieser Satzungen zu begegnen.

Ging auch der Gedanke, in Basel eine Universität zu errichten, von der Stadt aus, so konnte er doch nicht verwirklicht werden, ohne dass das Haupt der Christenheit seine Bewilligung gab. Damit kam zum Ausdruck, dass die neue Schule etwas anderes sein sollte als eine städtische Einrichtung mit dem Zwecke, die lokalen Bedürfnisse zu befriedigen, dass vielmehr, wie die Stiftungsbulle bestimmte, dort ein Quell der Wissenschaft sprudle, aus dessen Fülle alle schöpfen mögen,

die in die Schriften der Gelehrsamkeit eingeweiht zu werden wünschen. Und vor allem bezeugten es die Freiheiten, die ihr der Papst verlieh, aber auch der Rat ihr feierlichst zusicherte, und der Vertrag, den die Universität mit der Stadt schloss, und durch den ihr Verhältnis zum Gemeinwesen geregelt wurde.

Trotzdem jedoch so die Universität als eine Freistätte für Angehörige aller Nationen mit Rechten ausgestattet war, die sie fast zu einem Staate innerhalb des Staates machten, zeigte sich sofort, wie sehr ihr Gedeihen von dem Verhalten der Stadt und ihrer Behörden abhing. Denn von Anfang an fiel dem Rat die Aufgabe zu, für die finanziellen Bedürfnisse der Hochschule zu sorgen. Wohl hatte man von Pius II. auch das Recht erbeten und erhalten, nach der damals üblichen Weise die Lehrer mit geistlichen Pfründen zu dotieren. Aber man konnte es nur innerhalb des städtischen Machtbereichs ausüben. So musste die Stadt sofort aus ihren eigenen Mitteln an die Kosten der Universität beisteuern. Sie tat es zuerst mit grosser Freigebigkeit. Und noch besitzt die Hochschule in dem Szepter, das ihr der Rat damals verehrte, und dem Kollegiengebäude, das er ihr erwarb, zwei sichtbare Beweise der damaligen landesväterlichen Fürsorge. Weil die Behörden zunächst auch vor beträchtlichen Ausgaben nicht zurückschreckten, gelang es, sofort bedeutende Männer von Ruf nach Basel zu ziehen und mit ihnen auch rasch eine ansehnliche Zahl Studierender. Als dann aber allmählich infolge mannigfacher Umstände der Eifer zu erkalten begann, und der Rat keine weitern Opfer bringen wollte, hing es wesentlich damit zusammen, dass die Anstalt nach einer Zeit hoher Blüte, in der sie eine führende Stellung eingenommen hatte, mit Beginn des 16. Jahrhunderts rasch von ihrer Höhe herabsank, mochten auch andere Ursachen wie Kriege, verheerende Seuchen, innere Zwistigkeiten, nicht zuletzt auch die Gründung neuer Universitäten in Gebieten, aus denen viele Schüler gekommen waren, ebenfalls auf den Zufluss der Studenten ungünstig einwirken.

Jedoch nicht nur als Nährvater blieb der Staat mit der Universität in dauernder Verbindung. Auch in ihre innere

Entwicklung sah er sich genötigt zuweilen einzugreifen und auch dadurch einen Einfluss auf ihre Geschichte auszuüben. Von Anfang an hatte man im Bewusstsein, dass die Stadt allen Ländern wohlgelegen sei, als Ziel ins Auge gefasst, an der neuen Schule die grossen Nationen, die sich zum Konzil zusammengefunden hatten, zu gemeinsamer wissenschaftlicher Arbeit zu vereinigen. So finden wir unter den Lehrern der ersten Zeit neben Gelehrten aus der Nachbarschaft nicht bloss Männer aus den verschiedensten deutschen Ländern, sondern auch Pariser Doktoren und Magister, Spanier, Holländer. Und vor allem versuchte man, durch Berufung italienischer Juristen einen grossen Teil derer, die sich bisher jenseits der Berge die Kenntnis des römischen Rechts zu holen pflegten, in Basel festzuhalten. Indem es auf diesem Wege in der Tat gelungen war, der Universität einen internationalen Charakter zu geben und ihre Frequenz sofort in erfreulicher Weise zu heben, hatte man aber zugleich Verfassungskämpfe hervorgerufen, war die Frage brennend geworden, ob die Organisation und vor allem die Wahl des Rektors nach dem Brauche der italienischen Universitäten vorgenommen werden sollte, der den Studenten einen grossen Einfluss einräumte, oder nach dem Vorbilde Erfurts; denn an dieses hatte man sich bei der Gründung gehalten trotz der päpstlichen Bulle, die der Universität die Freiheiten Bolognas verlieh. Nicht ohne Beteiligung des Rates wurden schliesslich die Anhänger des italienischen, demokratischen Prinzips immer mehr zurückgedrängt und die Leitung der Anstalt auf den Kreis der Lehrer beschränkt. Triumphierte in dieser und in andern Fragen der Zunftgeist der Professoren, nicht zu gunsten der Frequenz, so verhalf in dem Streit zwischen den beiden Richtungen der Scholastik, den Nominalisten und Realisten, der auch die Basler philosophische Fakultät aufregte, der Rat der weitherzigern Auffassung zum Siege, wonach die Anhänger beider Parteien zugelassen werden sollten. Dieser Entscheid wurde damit begründet, dass die Stadt, an der Grenze mehrerer Völker gelegen, keine Gelehrten abweisen solle, und dass durch Vergleichung verschiedener

Dinge ihr wahrer Wert um so besser erkannt, auch der menschliche Geist durch Verschiedenheit der Richtungen geschärft werde. Mochte dieser Eingriff auch nicht im Einklang stehen mit den Privilegien, die jeder Fakultät das Recht erteilten, sich selbst ihre Statuten zu geben, so waren doch die Grundsätze, nach denen er erfolgte, von einem tiefen Verständnis für das Wesen der Wissenschaft getragen. Und der Aufschwung, den die Fakultät und mit ihr die Universität entgegen den Befürchtungen der Regenz nahm, bewies, dass der Rat zu ihrem Heile in ihre Selbständigkeit eingegriffen hatte.

In jener ersten Blütezeit der Universität zeigte sich auch für den, der nur mit sichtbaren Werten rechnete, wie das Gedeihen der hohen Schule und das der Stadt miteinander verbunden waren und sich gegenseitig förderten. Was Basels Namen damals weit in alle Lande hinausgetragen hat, waren neben seinen Gelehrten, die Bücher schrieben, seine Drucker, die das Geschriebene vervielfältigten. Gerade das Basler Buchgewerbe verdankte jedoch seinen Aufschwung und seine Bedeutung nicht zum kleinsten Teile hervorragenden Universitätslehrern wie Heynlin und Brant. Umgekehrt führten dann wieder die Druckereien Gelehrte wie Erasmus nach Basel, hielten sie Künstler wie Holbein in seinen Mauern fest, deren Namen für immer mit der Stadt verbunden sind. Und wenn diese Männer zum Teil auch nur in loser oder gar keiner Verbindung mit der Universität standen, so war doch durch diese Basel zu einem Mittelpunkte geistigen Lebens geworden. Und auch dieser zweite Kreis von Humanisten, der sich in mancher Beziehung von dem ältern unterschied, vor allem auch durch die kritischere Stellung, die er nicht bloss zur Scholastik, sondern auch zur kirchlichen Ueberlieferung und zu den kirchlichen Einrichtungen einnahm, war nicht ohne Vertreter unter den Lehrern der hohen Schule. Ich erinnere nur an den Geographen und poeta laureatus Glarean, an den Juristen Bonifatius Amerbach, den Freund des Erasmus, und den von seinen Schülern Zwingli und Leo Jud hochgepriesenen Thomas Wyttenbach. Freilich viele Professoren verhielten sich ablehnend

gegen die neue Richtung, und noch weniger vermochte sich die Mehrzahl mit den einschneidenden Folgerungen zu befreunden, die manche aus den humanistischen Anschauungen zogen, und sich für eine gründliche Umgestaltung und Erneuerung der Kirche zu begeistern, die seit den zwanziger Jahren auch in Basel immer dringender verlangt wurde. So war es nicht anders möglich, als dass die Universität bei dem neuen Geiste, der sich in der Stadt immer lebhafter regte, in Konflikte verwickelt wurde, denen sie, ohnehin bereits geschwächt, nicht gewachsen war. Und schon bevor 1529 die Bürgerschaft von dem zaudernden Rate eine durchgreifende Aenderung in Kirche und Staat erzwang, und die Professoren mit wenigen Ausnahmen Basel verliessen, war die Hochschule in vollständiger Auflösung begriffen.

Hatte die enge Verbindung mit der Stadt die Universität in ihrer bisherigen Gestalt fast zu gänzlichem Untergange geführt, so verhalf ihr das Gemeinwesen, das alle seine Verhältnisse neu ordnete, auch wieder zu frischer Blüte. Indem sich der Rat wiederum einen energischen Eingriff erlaubt und sich vorsorglich des Szepters und der Siegel bemächtigt hatte, als die Mehrzahl der Professoren weggezogen war, hatte er sich gegen eine Verlegung der Hochschule gesichert und damit nicht nur bewiesen, dass er die Bedeutung des ihm anvertrauten Gutes zu schätzen wusste, sondern zugleich auch den Willen kund getan, die Anstalt in neuer Form wieder aufleben zu lassen. Die Vorlesungen waren auch nie gänzlich eingestellt worden. Aber das Gymnasium Basiliense, das 1532 durch seinen Rektor die studierende Jugend davon in Kenntnis setzte, dass es keineswegs in der Reformation untergegangen sei, und sie in seine Hörsäle einlud, war wesentlich verschieden von dem, dessen Professoren 1529 in ihrer Mehrzahl Basel verlassen hatten, und vor allem war sein Verhältnis zur Stadt und deren Behörden ein anderes geworden. Wohl war auch die alte Universität mannigfach auf das Wohlwollen und die Unterstützung des Rates angewiesen und von ihm abhängig gewesen. Als Stiftung des Papstes hatte sie jedoch der Stadt und deren Regimente

als eine selbständige Korporation mit eigenem Rechte gegenüber gestanden. Nun aber hatte sich die Stadt von Rom losgesagt, erkannte sie die päpstliche Autorität nicht mehr an. Und indem der Rat zum Träger der obersten kirchlichen Gewalt geworden war, erschien es als selbstverständlich, dass er auch über die Universität sein Herrenrecht ausübte und sie in den Dienst der neuen in Staat und Kirche eingeführten Ordnung stellte und sich dabei zunächst nicht um die ihr verliehenen Freiheiten bekümmerte, die er einst selber bestätigt hatte. Auch nach der ersten Uebergangszeit, nachdem die hohe Schule wieder ein beträchtliches Mass ihrer Privilegien erlangt hatte und ihre Angelegenheiten wieder selber verwaltete, blieb doch der Rat die oberste Gewalt, die das, was sie gegeben hatte, auch wieder zurückziehen konnte.

Wenn es nach der päpstlichen Stiftungsbulle die vornehmste Aufgabe der Universität sein sollte, den katholischen Glauben zu verbreiten, so wurde sie nun als ein Glied der Kirche betrachtet, die man in Basel für die wahre hielt, und ihr das Ziel gesteckt, ihr sowie dem neuen Staatswesen die nötigen Diener auszubilden. Deshalb wurde bestimmt, dass niemand als ordentlicher Lehrer angenommen werden dürfe, der sich nicht zum Glauben der Stadt bekannte und an der öffentlichen Abendmahlsfeier teilnahm. Und wenn auch der Rat der Regenz überliess, gemeinsam mit seinen Abgeordneten, den Deputaten, die Professoren zu ernennen, so wachte er doch sorgfältig darüber, dass an der Forderung der Zugehörigkeit zur Landeskirche festgehalten wurde. Weil die Universität und speziell ihre theologische Fakultät die Pfarrer, deren man bedurfte, nach den Grundsätzen der Reformation schulen und den auseinanderstrebenden Meinungen den Damm einer festen Lehrautorität entgegenstellen sollte, wurde ihr die gesamte Geistlichkeit inkorporiert, «darmit» — wie die Statuten von 1539 es begründen — «dise facultet dester sterker sye allen dass ze furderen, das unser heyligen religion dienstlich, und ze fürkommen, was deren schädlich sin mochte». Um so merkwürdiger ist, dass der Bischof Kanzler der Universität blieb,

bis die französische Revolution am Ende des 18. Jahrhunderts wie so manchen andern Erbstücken einer ältern Zeit, die nicht mehr zu den veränderten Verhältnissen passten, auch diesem ein Ende machte. Mochten auch hauptsächlich politische Erwägungen den Rat bestimmen, den Bischof, von dem man immer noch abhängig war, nicht gänzlich zu umgehen, so gab doch dieser Schritt zugleich auch das Bestreben kund, die Universität nicht zur lokalen Anstalt herabsinken zu lassen, sondern ihr den universalen Charakter zu wahren, und die Einsicht, dass sie deshalb nicht vollständig mit ihrer Vergangenheit brechen dürfe. Von derselben Erwägung geleitet erhob der Rat die Forderung der Regenz zum Gesetze, dass auch in Zukunft wieder in der bisher üblichen Weise an allen Fakultäten Grade verliehen, und nur solche Männer angestellt werden sollten, die solche besassen oder sie förderlichst zu erwerben gewillt waren. Dadurch, dass der Rat entgegen dem energischen Widerstand einiger Wenigen auch hierin wie in der Forderung, die Geistlichkeit der Universität einzuverleiben, der Mehrheit der Regenz beipflichtete, trug er aufs wesentliche dazu bei, dass sich das Leben an der neuen Universität bald wieder in den alten Formen bewegte, und ihre Fakultäten auch nach der Erneuerung den zunftartigen Charakter beibehielten. Ein Bruch mit diesen Traditionen, den Einige wollten, hätte freilich die Hochschule der Gefahr ausgesetzt, sich selber aus dem Kreise ihrer Schwestern auszuschliessen, und jedenfalls ihre Frequenz in der bedenklichsten Weise beeinträchtigt.

Indem der Rat mit der in Staat und Kirche durchgeführten Reformation zur Universität in die Stellung eines obersten Herrn getreten war, fiel ihm noch mehr als vorher die Aufgabe zu, für ihre finanziellen Bedürfnisse zu sorgen. War die Hochschule bisher eine geistliche Stiftung gewesen, deren Lehrer, soweit sie überhaupt neben dem Ertrag ihrer Vorlesungen etwas erhalten hatten, hauptsächlich mit geistlichen Pfründen bedacht worden waren, so mussten die Professoren nunmehr vom Gemeinwesen besoldet werden. Diese Aufgabe wurde ihm freilich dadurch erleichtert, dass das Vermögen

der aufgehobenen Stifte und Klöster, das man für Unterrichts- und Kultuszwecke bestimmt hatte, auch zur Deckung der Universitätskosten herangezogen werden konnte. Auch die Bücherbestände der verschiedenen Klöster sowie des Domkapitels wurden noch im Laufe des 16. Jahrhunderts der Hochschule zugewiesen und brachten deren bisher sehr bescheidenen Bibliothek einen Zuwachs, der noch heute zu ihrem wertvollsten Besitz gehört.

Wohl empfand man schon damals wie auch später, dass Basel mit der Aufgabe, die Universität zu erhalten, eine Verpflichtung übernommen hatte, die zu erfüllen nicht immer leicht fiel. Und hätte man in der Handelsstadt, wo man doch allzeit wohl zu rechnen verstand, lediglich oder auch nur in erster Linie die Rücksicht auf den materiellen Gewinn sprechen lassen, dann hätten die zuweilen ertönenden, vereinzelten Stimmen, die meinten, dass der Erfolg die Opfer nicht rechtfertige, leichtes Spiel gehabt: Besonders wenn es galt, durch Errichtung neuer Lehrstühle und Institute die zuerst ziemlich unvollständige Anstalt auszubauen und mit den Anforderungen der Zeit Schritt zu halten, begegnen wir häufig einem Hinweise auf die schweren Zeiten, in denen dem gemeinen Wesen schon die Entrichtung der bisherigen Besoldungen Mühe bereite. Wir sehen auch etwa einen Gelehrten wegziehen, weil ihm anderwärts höhere Einkünfte winkten, als man ihm in Basel zu bieten in der Lage oder geneigt war. Aber der Aufschwung, den die Universität sehr bald nahm, zeigte, dass man nichts unternommen hatte, das über die Kraft der Stadt ging, trotz den mannigfachen Anforderungen, die gerade damals an sie gestellt wurden. Die hohe Schule erlebte eine neue Blütezeit, die der ersten um nichts nachstand und Basels Namen aufs neue in die weitesten Kreise trug.

Noch Oekolampad selber war es gelungen, mehrere Männer zu gewinnen, die zu den geachtetsten Gelehrten der Zeit gehörten und alle Eigenschaften besassen, die Universität nun wirklich in den Dienst der humanistischen Forderung zu stellen, dass es gelte, bei der wissenschaftlichen Arbeit zu den

Quellen zurückzukehren. Einen Simon Grynaeus, einen Paulus Phrygie, einen Sebastian Münster. Ihnen und andern tüchtigen Männern der ersten Zeit schlossen sich später ebenso hervorragende Professoren an, von denen in erster Linie Felix Plater zu nennen ist, durch den vornehmlich gegen das Ende des 16. und am Anfang des 17. Jahrhunderts die medizinische Fakultät in die Reihe der ersten medizinischen Schulen Europas emporgehoben wurde. Ferner Kaspar Bauhin, der Anatom und Botaniker, der nicht weniger zum Ruhm der Fakultät beitrug, Johannes Buxtorf, der grosse Hebraist und Kenner der rabbinischen Literatur, dessen Werke zum Teil noch heute nicht überholt sind. Er ist ein Beweis dafür, dass es Basel nicht nur gelang, grosse Gelehrte zu gewinnen, sondern auch, sie festzuhalten; denn er hat vorteilhafte Rufe nach Saumur und Leyden ausgeschlagen und in seinen Nachkommen seiner neuen Heimat eine Schar von Männern geschenkt, die sich auf den verschiedensten Gebieten, vor allem auch auf dem Arbeitsfelde ihres Stammvaters, ausgezeichnet haben. Zweimal im 16. Jahrhundert, 1534/1535 und 50 Jahre später, sind zwei hervorragende Basler Professoren, beide Male Theologen und beide Male merkwürdigerweise Glieder der Familie Grynaeus, nach süddeutschen Universitäten berufen worden, um an ihrer Reorganisation mitzuhelfen, der eine nach Tübingen, der andere nach Heidelberg. Aber beide Male wusste der Rat durch energisches Handeln die berühmten Männer wieder zu erlangen.

Mit dem Ansehen, das bedeutende Lehrer der Universität verliehen, wuchs auch allmählich wieder die Zahl der Hörer und erreichte ihren Höhepunkt in den letzten Jahrzehnten des 16. und den ersten des 17. Jahrhunderts. Nicht nur aus allen Gauen, in denen die deutsche Sprache herrschte, stellten sich Studenten ein, sondern auch Franzosen, Engländer, Schotten, Niederländer und Angehörige anderer Nationen, darunter manche Träger später berühmt gewordener Namen. Zur Zeit Platers und Bauhins galt es als eine Auszeichnung, in Basel den medizinischen Doktorhut erworben . zu haben. Und von

1586-1610 wurden gegen 500 Doktoren der Medizin kreiert. Nicht weniger begehrt war aber auch der juristische Grad. Samuel Grynaeus, der 1599 starb, der Sohn Simons, soll ebenso viele Doktoren und Lizentiaten juris promoviert haben, als das Jahr Tage zählt. In der zweiten Hälfte des 16. und in der ersten des 17. Jahrhunderts besass Basel den Ruf einer vornehmen Universität, wohin der deutsche Adel gerne zog. Wir finden unter den Studenten der damaligen Zeit manche Sprossen angesehener Geschlechter, nicht selten auch Angehörige regierender Häuser. Mit Freude kann der Theologe J. J. Grynaeus 1582 einem Freunde melden, dass die hohe Schule wunderbar blühe. Dabei zählt er mit Stolz die Reichsgrafen und Barone auf, die seine geschichtlichen Vorlesungen besuchen. Zugleich aber galt Basel als ein Ort, wo sich die Studentenschaft im Gegensatze zu der der meisten übrigen Universitäten durch verhältnismässig gute Sitten auszeichnete. Und wenn der Ruf Basels, eine vornehme Universität zu sein, längst an andere übergegangen ist, so hat sich unsere Hochschule, wie wir glauben, bis auf den heutigen Tag den Ruhm einer soliden, an der gearbeitet wird, zu bewahren gewusst. Und es hängt wohl damit zusammen, dass sich gerade die theologische Fakultät durch allen Wandel der Zeiten hindurch einer ziemlich gleich bleibenden Frequenz erfreuen durfte.

Auch die Geschichte unserer Universität lehrt, dass die Zahl der Hörer nicht bloss von der Tüchtigkeit der Lehrer abhängt. So kamen im 16. und 17. Jahrhundert der Hochschule äussere Verhältnisse zugute, die herbeizuführen oder festzuhalten, nicht in ihrer Macht stand. Noch immer fiel die günstige Lage der Stadt an der Grenze verschiedener Länder ins Gewicht, auf die man schon bei der Stiftung Hoffnung gesetzt hatte. Und obschon Basels Stellung zu seinen Nachbarn nicht bloss, durch die Reformation, sondern schon vorher durch den Eintritt in die schweizerische Eidgenossenschaft eine wesentliche Aenderung erlitten hatte, so war doch sein Verhältnis zum deutschen Reich, waren vor allem die Zustände im Reiche selber nicht derart, dass sie für den Zuzug deutscher

Studenten in die Schweizerstadt ein ernstliches Hindernis gebildet hätten. Neben der lustigen Lage der Stadt wurde ihr gesundes und angenehmes Klima gepriesen. Und wenn wir 1656 den Hofmeister eines norddeutschen Grafen neben diesen Vorzügen und der Bescheidenheit der Einwohner rühmen hören, dass das Frauenzimmer durch die Bank schön und beredt sei, so erkennen wir, wie vielgestaltig schon damals die Gründe waren, die bei der Wahl einer Universität den Ausschlag gaben.

Wohl verschonte die Pest, die öfters die Hochschulen für Monate ihre Auditorien zu schliessen nötigte, auch Basel nicht und forderte gerade in den Jahren 1563/1564, 1609/1610 und 1629/1630 besonders viele Opfer. Aber dieser Geissel entging man auch anderwärts nicht. Hingegen kam das Unglück anderer Basel zugute, das während der französischen Religionskriege des 16. Jahrhunderts und des 30jährigen Krieges im folgenden Vielen als friedliches Eiland winkte. Freilich, je länger dieser Krieg dauerte, desto mehr hatte auch Basel, obwohl es nicht direkt in ihn verwickelt wurde, darunter in mannigfacher Weise zu leiden. Und allmählich bekam auch die Universität in der abnehmenden Zahl der Studenten zu spüren, welche furchtbare Verheerung die entsetzlichen Kämpfe angerichtet hatten. Die Zeit der höchsten Blüte war vorüber. Und die Hochschule glitt zuerst langsam, dann aber immer rascher von der bisher behaupteten Höhe herab. Noch in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts sehen wir jedoch die Regierung sich nicht nur mit Erfolg bemühen, berühmte Gelehrte, auf die andere Staaten ihre Blicke richteten, festzuhalten, sondern auch für neue Bedürfnisse neue Lehrstühle zu schaffen. Von ganz besonderer Bedeutung für unsere Stadt war es, dass bei Anlass der zweiten Säkularfeier der Rat gemeinsam mit der Regenz die Amerbach'sche Sammlung ankaufte, die unter anderm den Nachlass Holbeins enthielt, und dass so der Grund zu den bedeutenden Sammlungen der Universität gelegt wurde. Sie sind für manchen eine unerschöpfliche Quelle der Erfrischung und der Belehrung, der

im übrigen zu der Hochschule kein Verhältnis hat. Bildeten die von den beiden Professoren Amerbach erworbenen Kunstschätze den Grundstock dieser Sammlungen, so kam als wertvoller Zuwachs, allerdings erst im 19. Jahrhundert, die Kollektion hinzu, die ein anderer Professor, der 1667 gestorbene Remigius Fäsch, unter bestimmten Bedingungen der Alma mater vermacht hatte.

Auch der Niedergang der Universität im 18. Jahrhundert war nicht derart, dass sie nicht auch jetzt tüchtige und mit Recht berühmte Lehrer besessen hätte. Der Theologe Samuel Werenfels z. B., der 1740 starb, war Ehrenmitglied englischer und deutscher Gesellschaften. Seine Schriften wurden in verschiedene fremde Sprachen übersetzt und allenthalben eifrig gelesen. Und soeben wird in einer deutschen juristischen Zeitschrift aufs neue darauf hingewiesen, dass eine Dissertation Joh. Rud. Thurneysens, der bei dem Jubiläum 1760 Rektor war, über den unerlaubten Büchernachdruck als eine bahnbrechende Arbeit über den Schutz des Urheberrechts bezeichnet werden muss. Es würde auch genügen, allein daran zu erinnern, dass von 1687-1790 die Professur der Mathematik durch Glieder der Familie Bernoulli versehen wurde, die alle ohne Ausnahme zu den ausgezeichnetsten Vertretern dieser Wissenschaft gehörten. Von. den acht berühmten Mathematikern, die dieses Geschlecht hervorgebracht hat, sind fünf im 18. Jahrhundert als Basler Professoren gestorben, und zwar sind drei von ihnen aus dem Auslande zurückgekehrt, sobald sich ihnen eine Türe an der Universität der Vaterstadt auftat. Auch damals besass somit die Hochschule eine Kraft, ihre bedeutenden Lehrer festzuhalten, die wir ihr heute vergeblich wünschen.

Aber trotz der Tüchtigkeit mancher Professoren befand sich die Anstalt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in offenkundigem Verfalle. Und wenn auch die Namen einzelner ihrer Vertreter mit Achtung, ja mit Auszeichnung genannt wurden, so führte sie doch als Ganzes ein Stilleben, von dem man ausserhalb Basels wenig Kenntnis mehr nahm. Der

Pomp, mit dem man die dritte Jahrhundertfeier beging, vermochte nicht darüber hinwegzutäuschen. Vielmehr wurde man sich gerade bei diesem Anlasse in den weitesten Kreisen darüber klar, dass die Jubilarin einer gründlichen Verjüngung bedürfe.

Schon längst bestand der Lehrkörper ausschliesslich aus Baslern. Das Recht, das die Regenz besass, in Gemeinschaft mit den Deputaten die Professoren zu wählen, hatte bei der beibehaltenen zunftmässigen Organisation ganz von selber allmählich dazu geführt; denn sobald es dem Kreise der Lehrer überlassen blieb, die entstandenen Lücken auszufüllen, besetzte er die Stellen mit denen, die nach den Statuten der Korporation sich die Grade erworben hatten und damit bereits das Recht besassen, an der hohen Schule zu lehren. Darunter befanden sich, solange die Fakultäten blühten, zahlreiche Ausländer. Deshalb finden wir auch unter den von der Regenz gewählten Professoren im 16. und 17. Jahrhundert eine ganze Anzahl Fremder, die der Ruf berühmter Lehrer nach Basel gezogen hatte. Je kleiner aber der Zuzug tüchtiger Studenten aus dem Auslande wurde, desto mehr kamen bei der Besetzung der Lehrstellen lediglich einheimische junge Gelehrte in Betracht Während so die Regentialen ihren Kreis immer enger zogen, waren sie doch zugleich angelegentlich darauf bedacht, ihre Rechte zu wahren, die sie als besondere Korporation scharf von der übrigen Bürgerschaft schieden, waren sie sich mit Stolz der Tatsache bewusst, dass sie im Unterschied von andern Universitäten beim Unterricht an der internationalen Gelehrtensprache, dem Latein, festhielten und so — wie der Festredner von 1760 ausspricht — nicht den Hauptzweck der Hochschulen gänzlich aus den Augen liessen, gemäss dem die akademischen Lehrstühle dem Besten aller Zuhörer, von welcher Zunge sie auch sein mögen, gewidmet sein sollen.

Auch der Rat, der freilich mehrfachen Versuchen der Regenz, ihre Privilegien zu vermehren und womöglich die einst vor der Reformation besessene Stellung wieder zu erlangen, entgegengetreten war, hielt auch seinerseits an der

Scheidung zwischen der Universität und der übrigen Bürgerschaft fest. Und es war bei dieser auf beiden Seiten herrschenden Auffassung nur konsequent, dass die Universität im Unterschiede von den Zünften keine Vertretung in der obersten gesetzgebenden Behörde des Freistaates besass, somit die Professoren, obwohl lauter Basler Bürger, doch von der Leitung des Gemeinwesens ausgeschlossen waren.

Und doch bildete die Hochschule, deren Regenz sich lediglich aus der kleinen Schar graduierter Basler ergänzte, das unverkennbare Gegenstück zu den schweizerischen Republiken des 17. und 18. Jahrhunderts, deren regimentsfähige Bürger sich immer mehr gegen neue Elemente abschlossen, und die allmähliche Verknöcherung auf dem einen Gebiet entsprach der auf dem andern. Es ist deshalb zum mindesten zweifelhaft, ob die Besetzung der Professuren anders ausgefallen wäre, wenn der Rat dieses wichtige Recht nicht der Universität abgetreten hätte. Hatte er doch schon 1544, als er sich die Bestätigung der Wahlen vorbehielt, den Wunsch ausgesprochen, dass ihm vornehmlich Basler, falls sie sich dazu geschickt erzeigen sollten, präsentiert werden möchten. Mit diesem Verlangen, an der Universität die Landeskinder berücksichtigt zu sehen, stand er freilich keineswegs allein da. Trotzdem war es ein Unikum, dass die Hochschule ihre Lehrstühle jahrhundertelang fast ausschliesslich mit Bürgern einer Stadt von etwa 20000 Einwohnern besetzte. Und noch merkwürdiger ist, dass man lange nicht schlecht dabei fuhr. Dass eine Professur sogar ein Jahrhundert lang von einer einzigen Familie mit ausgezeichneten Gelehrten besetzt wurde, habe ich bereits erwähnt. Aber auch ein anderer Lehrstuhl, der der hebräischen Sprache, wurde während eines noch längern Zeitraumes lediglich von Gliedern einer einzigen Familie versehen. Und wenn sich auch nicht alle Buxtorf in demselben Masse wie die Bernoulli durch ihre Leistungen hervorgetan haben, so haben doch auch die spätem keineswegs bloss von dem Ruhme ihres Stammvaters gezehrt. Neben den Bernoulli und Buxtorf finden wir aber die Grynaeus und Zwinger, die Wettstein,

Bauhin, Plater und andere Familien, aus denen nicht bloss eine ganze Anzahl Professoren hervorgegangen sind, sondern auch Gelehrte, die jeder Hochschule zur Zierde gereicht hätten, und die sich keineswegs bloss in Basel hoher Achtung erfreuten.

Angesichts dieses einzigartigen Reichtums, der der Stadt ermöglichte, auch noch an das Ausland Forscher ersten Ranges abzutreten, wird man nicht mehr von einem Zufalle sprechen dürfen, der sie zur Mutter so vieler ausgezeichneter Gelehrten gemacht hat. Es muss etwas in den Verhältnissen gelegen haben, das bewirkte, dass Liebe zur Wissenschaft und erfolgreiche Betätigung auf ihren verschiedenen Arbeitsfeldern in Basel jahrhundertelang heimisch war. Und schon allein dadurch, dass die Stadt und. ihre Universität den Boden bildeten, ohne den wir uns manche hervorragende Professoren auch der neuem Zeit gar nicht denken können, ich erwähne nur den einen Jakob Burckhardt, haben sie Anspruch darauf, in der Geschichte der Wissenschaft mit Achtung genannt zu werden.

Trotzdem musste sich schliesslich die Konsequenz, mit der man freiwillig auf die Erneuerung des alten Körpers durch frisches Blut verzichtete, an der Universität genau so wie an dem bürgerlichen Gemeinwesen rächen. Es war wenigstens zum Teil eine Folge der Gewohnheit, die Lehrstellen lediglich Einheimischen zu übertragen, dass wir in Basel die Dozenten besonders häufig von einer Professur zur andern vorrücken sehen, und dass die Lehrstühle der philosophischen Fakultät noch mehr als an andern Orten das Sprungbrett bildeten, mit Hilfe dessen man sich auf eine Professur der höhern Fakultäten schwang. Mit Recht hob aber schon 1691 der grosse Jakob Bernoulli den Nachteil dieser Sitte hervor, die zur Folge hatte, dass öfters weniger Befähigte den Geeigneten den Platz vorwegnahmen, und die Lehrer verhinderte, sich in ein Gebiet richtig einzuarbeiten. Ja, als man 1718 infolge schlimmer Erfahrungen zu dem verzweifelten Mittel gegriffen hatte, durch Einführung des Loses bei Besetzung der Staatsämter den Einfluss

einzelner Familien zu bekämpfen, dehnte man diese Wahlart auch auf die Professoren aus. Nachdem aus den Bewerbern um eine Stelle die drei Geeignetsten ausgelesen worden waren, musste das Los die letzte Entscheidung geben. Dieser Beschluss war folgerichtig, vielleicht geradezu notwendig, nachdem auch in die Regenz niemand mehr gewählt werden konnte, von dem nicht bereits ein paar Vettern darin sassen. Er war trotzdem nicht weniger verhängnisvoll. Und wenn man auch nicht selten klug genug war, da, wo die Befähigung einer bestimmten Persönlichkeit besonders in die Augen sprang, eine Ausnahme zu machen, so fehlt es doch nicht an Beispielen, dass hervorragende Männer durch das Los ausgeschlossen wurden. Auch musste schon allein die Tatsache dieser Bestimmung, die dadurch geschaffene Unsicherheit des zu erreichenden Zieles, hemmend wirken.

Jedenfalls trat in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts immer deutlicher zu Tage, dass die Universität nicht mehr ihrer Aufgabe entsprach. Und nachdem die dritte Säkularfeier die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt, und bei diesem Anlasse der an der Hebung des geistigen Lebens unermüdlich, arbeitende Isaak Iselin Vorschläge zu ihrer Verbesserung gemacht hatte, kam ihre Reorganisation mehrfach im Schosse der Behörden zur Sprache. Dabei, zeigte sich freilich, dass von der gelehrten Körperschaft selbst vorerst keine Antwort zu erwarten war, wie man den in weiten Kreisen gefühlten Mängeln wirklich abhelfen könne, ja dass nur ein energischer Eingriff der staatlichen Behörden wirkliche Hilfe bringen konnte.

Nicht nur für unsere Universität war das Ende des 18. Jahrhunderts eine kritische Zeit. Und in der grossen Revolution, die mancher morsch gewordenen Einrichtung verhängnisvoll wurde, sind verschiedene alte deutsche Hochschulen zusammengebrochen. Auch in Basel führte sie eine gründliche Umgestaltung der Verhältnisse herbei. Und nun wurde endlich die Neueinrichtung der Universität tatkräftig an die Hand genommen. 1813 wurde der entscheidende Schritt

getan. Man hob ohne Rücksicht auf die Vorstellungen der Regenz sämtliche Privilegien und Statuten der Universität auf, stellte die Hochschule wie die übrigen Lehranstalten unter die unmittelbare Leitung der Regierung und überliess einem weitern Gesetze, zu bestimmen, in welcher Form dies geschehen und die Anstalt zweckmässig eingerichtet werden solle. Noch in demselben Jahre wurde auch der Unterricht an der theologischen Fakultät, die einer Reform besonders bedürftig war, neu geordnet, und in einer Anhangsbestimmung der Verfassung von 1814 den Professoren mit Ausnahme der Theologen das Recht erteilt, in die gesetzgebende Behörde des Kantons gewählt zu werden. Es war zunächst für die Stadt von grosser Bedeutung, dass die bisherige Scheidung der Gelehrten von der übrigen Bürgerschaft aufgehoben war; denn in den kommenden schweren Zeiten haben ihr Professoren in leitender Stellung die wertvollsten Dienste geleistet. Es kam aber auch der Universität selber zugute; denn in den Jahren, wo Männer aus ihrer Mitte an der Spitze des Erziehungswesens standen, hat sich besonders deutlich gezeigt, dass es gründlicher Sach- und Personenkenntnis möglich ist, auch für kleinere Universitäten ausgezeichnete Lehrkräfte zu gewinnen.

Die Kriege von 1814 und 15 schoben die endgültige Neugestaltung noch einmal hinaus. 1818 aber konnten die Gesetze beschlossen werden, die der Universität eine neue Organisation gaben, ihr die Ordnung der innern Angelegenheiten, die Aufsicht über die akademischen Anstalten und die Verwaltung ihres Vermögens überliessen, die oberste Leitung jedoch zwei neuen Behörden, der Kuratel und dem Erziehungsrate, übertrugen.

Diese Umgestaltung der Hochschule war einschneidender als die, welche sie in der Reformationszeit erlitten hatte. Und mit ihr beginnt die Periode ihrer Geschichte, in der wir noch heute stehen.

Die Hauptsache freilich war, dass nun auch die Stellen mit Männern besetzt wurden, die bereit waren, im Geiste der neuen Organisation zu wirken, und imstande, ihre Forderungen zu erfüllen. Aber man brach nun auch insofern entschlossen

mit dem bisherigen System, als man die tüchtigen. Leute da holte, wo sie zu finden waren, und nicht an den Grenzen des Landes oder gar der Stadt Halt machte. Und auch dabei ist man bis auf den heutigen Tag zum Nutzen der Universität geblieben. Man hat schon der Schweiz vorgehalten, dass sie, gleichwie sie keine eigene klassische Literatur habe, auch die Lehrstellen an ihren Hochschulen vorzugsweise mit Deutschen oder in Deutschland Gebildeten besetzen müsse. Aber so töricht der eine Vorwurf ist, so unverständig ist der andere. Ebenso wie unsere besten Dichter, die auch Deutschland zu den seinen rechnet, den Gedanken einer schweizerischen Nationalliteratur als Verirrung abgewiesen haben, so betrachten wir es als ein Gut, das wir mit Sorgfalt hegen, dass auf dem Gebiete der Wissenschaft die politischen Grenzen keine Bedeutung haben. Und gleichwie wir manche unserer schweizerischen Gelehrten zwar mit dem Bedauern, dass wir sie nicht zu halten vermochten, einem Rufe an eine auswärtige Universität folgen sehen, aber selbstverständlich finden, dass sie von Staaten mit grössern Mitteln an ihre Hochschulen gezogen werden, so werden wir uns durch solche törichte Urteile die Freude an der Tatsache nicht rauben lassen, dass wir seit der Erneuerung unserer Universität eine grosse Zahl hervorragender deutscher Gelehrter, sei es für kürzere Zeit, sei es dauernd, unter unsern Professoren zählen dürfen. Und wenn an diesem festlichen Tage ein Wunsch laut werden darf, so ist es der, dass unsere Kollegen jenseits des Rheines auch in Zukunft eine Wirksamkeit an unserer Schule nicht als eine Verbannung betrachten.

Schon in der Reformationszeit hatte der Walliser Thomas Plater, der in Basel eine neue Heimat gefunden hatte und in seinem Sohne Felix der Universität einen ihrer berühmtesten Professoren schenkte, den Rat gegeben,, man solle die Unruhen in Deutschland dazu benützen, berühmte Männer für die Hochschule zu gewinnen. Jetzt, etwa 300 Jahre später, brachten es die Verhältnisse jenseits der Grenze wiederum mit sich, dass sich mancher hervorragende Gelehrte gerne in der

Schweiz eine neue Wirkungsstätte suchte. Und die Basler Behörden machten von dieser günstigen Gelegenheit Gebrauch. Sie riefen dadurch freilich Beschwerden auswärtiger Mächte hervor. Aber die Festigkeit, mit der die Regierung unseres kleinen Freistaates gegenüber den Drohungen von aussen und den Vorstellungen der besorgten eidgenössischen Stände auf ihrem Rechte beharrte, gehört zu den erfreulichsten Erscheinungen in der Geschichte unserer Stadt und unserer Universität. Noch einige Male ist seither unsere Hochschule bedeutenden Männern, für die die Heimat keinen Raum hatte, zu einer Freistätte geworden, wo sie ungestört ihre Bahnen gehen durften. Auch diese Tatsache ist ein charakteristischer Zug in dem Bilde unserer Universität und darf genannt werden, wo von ihren Verdiensten um die Wissenschaft die Rede ist.

Auch damals und später fehlte es übrigens der Hochschule nicht an tüchtigen Professoren aus einheimischen Familien. Und bis auf den heutigen Tag besitzt sie unter ihren Lehrern eine ganze Anzahl Sprossen alter Basler Geschlechter, darunter selbst ein paar, die nicht bloss die Söhne, sondern zugleich die Enkel, ja Urenkel Basler Professoren sind. Trotzdem der Redner selber einer von diesen ist, darf er doch vielleicht die Behauptung aussprechen, dass wir in dieser Tatsache kein beunruhigendes Rückfallssymptom zu wittern brauchen, sondern uns ihrer als eines Bandes freuen dürfen, das auch in Zukunft Bürgerschaft und Universität zu gegenseitigem Gewinne miteinander verbinden möge.

Nur allmählich freilich wurde die Neuordnung in den zwanziger Jahren durchgeführt. Und bevor sie vollendet war, traf die Stadt und mit ihr die Universität ein solcher Schlag, dass die hohe Schule aufs neue in schwere Gefahr geriet. Nachdem Wirren den Kanton längere Zeit beunruhigt hatten, sprach die Eidgenössische Tagsatzung im August 1833 die Trennung der Stadt von der Landschaft aus, und ein Schiedsgericht bestimmte, dass auch das Universitätsgut in die Teilung gezogen werden, und der Landschaft zwei Drittel des Gesamtwortes zufallen sollten.

Aber auch in dieser trüben Zeit hielt die Stadt an ihrer Universität fest. Ja niemals war man sich so sehr dessen bewusst, was man an ihr besass, trat ihre enge Verbindung mit dem Gemeinwesen schöner zu Tage als damals. Gleichwie ein Vierteljahrhundert vorher Preussen im Augenblicke seiner tiefsten Erniedrigung — nach den Worten seines Königs — den Verlust an physischer Kraft durch geistige zu ersetzen bestrebt gewesen war und in seiner Hauptstadt eine Universität ins Leben gerufen, und damit eine Stätte geschaffen hatte, an der sich seine grössten Männer zusammenfanden und an der Wiedergeburt des Staates arbeiteten, so war man sich in den leitenden Kreisen Basels bewusst, dass es nach dem erlittenen materiellen Schaden und der Isolierung, in die man geraten war, um so mehr eine Lebensfrage für die schwer geprüfte Stadt sei, ihre geistigen Güter hoch zu halten und sie nach Kräften zu mehren und fruchtbar zu machen. Und merkwürdigerweise stand einer von den hervorragenden Gelehrten, die einst an die neugegründete Berliner Universität berufen worden waren, W. M. L. de Wette, nun auch in Basel in der Reihe derer, denen in erster Linie zufiel, in viel kleineren Verhältnissen doch eine ähnliche Aufgabe zu erfüllen. Ihnen haben wir wesentlich zu danken, dass diese schwere Zeit doch zugleich zu den schönsten gehört, die unsere Universität erlebt hat. Es erfüllt uns mit Bewunderung und Rührung, zu sehen, wie diese bedeutenden Männer mit unermüdlicher Treue in den bescheidensten Verhältnissen wirkten, durch Vortragszyklen den Gedanken der niedergebeugten Bevölkerung eine höhere Richtung gaben und neben ihrer ausgebreiteten, vielgestaltigen Tätigkeit für das Gemeinwesen Zeit fanden zu wissenschaftlichen Werken von bleibendem Werte. Gingen doch z. B. aus dem bescheidenen Laboratorium im Falkensteinerhofe die Epoche machenden Arbeiten Schönbeins über das Ozon und die Schiessbaumwolle hervor, welche die Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Welt auf Basel lenkten und bewiesen, was auch mit den geringsten Mitteln zu leisten war.

Mit den Anstrengungen der Professoren vereinigten sich. die der Behörden und der Bürgerschaft in der schönsten Weise. Und wenn auch die erlittenen Verluste nötigten, mit den öffentlichen Mitteln zurückzuhalten und einzelne Fakultäten vorerst unausgebaut zu lassen, so bemühte man sich trotzdem mit Erfolg, Mängeln der bisherigen Organisation abzuhelfen. Und vor allem traten damals die Freunde der Universität in der freiwilligen akademischen Gesellschaft zusammen. Ihr, die 1835 ins Leben gerufen wurde, und die durch ihre Mitgliederbeiträge und zahlreiche Stiftungen in den Stand gesetzt ist, bei Berufungen und. Errichtung neuer Lehrstühle die Anstrengungen der Behörden wirkungsvoll zu unterstützen, reihten sich zum Teil sofort, zum Teil erst später, weitere ähnliche Gesellschaften an, denen allen die Hochschule und ihre Anstalten die mannigfachste Förderung verdanken.

Noch mehrfach durfte die Universität im verflossenen Jahrhundert erleben, dass gerade eine ihr drohende Gefahr Behörden und Bürgerschaft veranlasste, alle ihre Kräfte anzuspannen und schwer empfundenen Mängeln zu begegnen. So, als 1850 im Grossen Rate der Antrag, die Anstalt aufzuheben, gestellt und mit erdrückender Mehrheit abgelehnt worden war. Und in der Mitte der 50er und am Anfang der 60er Jahre, als die Befürchtungen, dass in. einer andern Schweizerstadt eine eidgenössische Hochschule gegründet werde, die Gemüter in Erregung versetzte. Jedesmal blieb es nicht bei den begeisterten Worten, in denen die Liebe zur Universität innerhalb und ausserhalb der Ratssäle zum Ausdruck kam, erkannte man vielmehr in der glücklich vorübergegangenen Gefahr einen deutlichen Wink, die Anstalt weiter auszubauen und leistungsfähiger zu machen. Durch das Gesetz vom 30. Januar 1866 wurde der propädeutische Charakter, den man notgedrungen 1835 einigen Fakultäten hatte geben müssen, endgültig beseitigt.

Auf der durch dieses Gesetz geschaffenen Grundlage wurde in den folgenden Dezennien weitergebaut. Und wenn. wir heute auf das hinter uns liegende halbe Jahrhundert zurückblicken,

so dürfen wir uns über die Fülle dessen freuen, was in dieser Zeit entstanden ist. Es hängt mit der allgemeinen Entwicklung der Wissenschaften und des Unterrichtes zusammen, dass neben der Kreierung neuer Lehrstühle vor allem der Ausbau bereits vorhandener Anstalten und Seminarien und die Gründung neuer für die jüngste Vergangenheit charakteristisch ist. Manche von ihnen haben auch, so in den letzten Tagen die chemische Schule, neue Wohnstätten erhalten, von denen das alte Mutterhaus am Rheinsprung seltsam absticht. Soviel geschehen ist, soviel ist freilich auch in Zukunft zu. tun, wollen wir mit den Bedürfnissen der Zeit Schritt halten. Um das zu erkennen, brauchen wir gar nicht einmal unsern Blick auf das zu lenken, was an andern Orten geleistet wird. Und wenn auch am heutigen festlichen Tage vor allem die Freude und der Dank zu Worte kommen soll, so darf doch auch hier nicht verschwiegen werden, dass wir alle Kräfte anspannen müssen, wollen wir unserer Universität ihre Stellung erhalten.

Wir können es in der Gewissheit tun, dass auch der äussere Erfolg nicht ausgeblieben ist. Zählt doch die Universität heute mehr als siebenmal soviele Studenten als vor 50 Jahren. Wohl ist diese Ziffer immer noch bescheiden, wenn wir sie mit denen anderer Universitäten vergleichen. Und solange wir nicht zugunsten der Frequenz die Qualität unserer Hörer herabsetzen wollen, werden wir heute, wo die kleine Schweiz mehr als ein halbes Dutzend Universitäten besitzt, und die Landesgrenzen in ganz anderm Masse als früher ein Hindernis für einen grössern Zuzug aus Deutschland bilden, auch niemals in diesem Stücke mit den Hochschulen grösserer Länder rivalisieren können. Ebenso werden wir stets damit rechnen müssen, dass unsere Mittel bescheiden bleiben im Vergleiche mit denen, die grosse Staaten ihren Universitäten zur Verfügung stellen können. Und manchem, der sich an den Grossbetrieb einer solchen wissenschaftlichen Metropole gewöhnt hat mag es schwer fallen, sich in unsere Verhältnisse zu finden. Es ist auch gar nicht zu leugnen, dass einzelnen Wissenszweigen allein Anstalten mit gewaltigen Mitteln den

Boden gewähren, auf denen sie sich richtig entfalten können, Aber so sehr das zuzugeben ist, so zeigt doch die Geschichte unserer Universität an manchem Beispiele, dass da, wo es ein Mann verstanden hat, durch seine Arbeit die Wichtigkeit bestimmter Aufgaben, die Fruchtbarkeit neuer Forschungen darzutun, dem von ihm vertretenen Fache schliesslich auch die nötigen Mittel nicht gefehlt haben. Und besonders die Sammlungen der Universität, an die sich oft in aller Stille ein neues Glied anschliesst, und die in solchem Masse wachsen, dass allenthalben die Räume nicht mehr genügen, sind ein sichtbarer Beweis dafür, was sich mit bescheidenen Mitteln leisten lässt, und wie da, wo mutig und opferfreudig ein Einzelner einen guten Anfang macht, ihm um die Fortsetzung nicht bange zu sein braucht.

Empfinden wir die Kleinheit unserer Verhältnisse zuweilen als ein Hemmnis, so hat sie doch auch wieder ihre Vorteile, indem sie uns erleichtert, dem Ideal einer Universitas im ursprünglichen Sinne des Wortes nachzustreben und eine Arbeitsgemeinschaft zu bilden, deren Glieder sich in lebendigem Austausche anregen und fördern. Und je mehr sich die Erkenntnis Bahn bricht, dass der Student noch viel mehr, als dies bereits jetzt geschieht, vom blossen Zuhören zum Mitarbeiten erzogen, und der Unterricht zu einem grossen Teil aus den Auditorien in die Arbeitsräume der Seminarien und Institute verlegt werden muss, desto deutlicher werden auch wieder, die Vorzüge hervortreten, welche die kleinem Universitäten mit der Möglichkeit eines persönlichen Verkehres zwischen dem Lehrer und jedem einzelnen Schüler vor denen besitzen, wo der berühmte Professor in unerreichbarer Höhe thront.

So brauchen wir uns, wenn sich unser Blick von der Vergangenheit in die Zukunft wendet, nicht trüben Gedanken hinzugeben, dürfen wir uns vielmehr getrost an das Wort des Basilius Amerbach halten: «Lasset uns unsere Pflicht tun, dann wird auch Gott nicht versäumen — wenn der Ausdruck erlaubt ist —, seine zu tun.»

Neben tüchtigen Lehrern, die mit wohlwollendem Verständnis für die Eigenart unserer Verhältnisse ihre Pflichten erfüllen, wird freilich die auch zu persönlichen Opfern bereite Liebe der Bürgerschaft zur Universität eine Grundbedingung ihres Gedeihens bleiben. Gleich Basel haben noch einige Städte einst unternommen, durch die Errichtung einer Universität mit Fürsten mächtiger Länder zu wetteifern. Aber Basel ist die einzige deutsche Stadt, die mit eigener Kraft ihre hohe Schule aus dem Mittelalter bis in die Gegenwart gerettet hat. Wir sehen, wie in unsern Tagen grosse Handelsstädte im Begriffe sind, Akademien zu gründen und damit auch in den Wettbewerb um die höchsten geistigen Güter einzutreten. Möge Basel um so eifriger an seiner hohen Schule festhalten, die es seit Jahrhunderten besitzt, und deren Geschichte mit der seinen aufs engste verbunden ist.

Als vor beinahe 400 Jahren Oekolampad Simon Grynaeus von Heidelberg nach Basel berief, schilderte er ihm all die Vorteile, die ihn hier erwarteten: das gesunde Klima, die angenehme Stadt, die friedfertige und einfache christliche Bevölkerung, die bequeme Nähe der Buchdrucker, die Berühmtheit des Ortes. Manche dieser Vorzüge fallen heute nicht mehr ins Gewicht. Mögen umsomehr die Worte stets wahr bleiben, mit denen er schliesst: «Das hat von jeher Basel gehabt, dass seine Bürgerschaft den Gelehrten besonders geneigt gewesen ist,» und möge sich diese Liebe zur Wissenschaft und der Universität, die sie pflegt, immer aufs neue auch durch Taten kund tun.