reden.arpa-docs.ch Rektorats Reden © Prof. Schwinges
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Von der Stellung

Wenn, nach einer alten, löblichen Sitte, alljährlich der Vorstand der ersten wissenschaftlichen Anstalt dieser Stadt öffentlich zu reden hat vor den vom Staate geordneten Aufsehern und Pflegern der wissenschaftlichen Anstalten, vor den Lehrern und Schülern und allen, welche an der Pflege der Wissenschaften und der Erziehung der Jugend Antheil nehmen: so mag die Wahl des Redners bald auf Allgemeines, bald auf Besonderes fallen, bald auf das, was die Wissenschaften und deren Studium überhaupt betrifft, bald auf die besondern Angelegenheiten der Lehranstalt, welcher der Tag gilt, bald auf das Studium desjenigen Faches, welchem der Redner selbst angehört; immer aber soll eine zweckmässige öffentliche Mittheilung geschehen, wodurch der Geist, der die Lehranstalt und ihre Lehrer belebt, sich ausspreche, wodurch ein Lebenszeichen von ihr gegeben, und das Band, das sie mit ihren Vorgesetzten, Schülern und Freunden verknüpft, enger gezogen werde: die Universität soll durch ihren Vorstand gleichsam selbst einmal sich öffentlich aussprechen, von ihrem Streben zeugen, ihren Sinn und Geist kund thun. Wenn ich nun mit meiner Wahl auf das Allgemeinste gefallen bin, und von der Stellung der Wissenschaft

P. P.

im Gemeinwesen zu reden gedenke; so wird es mir doch nicht an fruchtbaren Beziehungen auf unsern Staat, unsre Hochschule und auf die dieser und ihren Lehrern gesellte Aufgabe fehlen, und ich darf hoffen, die Aufmerksamkeit meiner hochgeehrten Zuhörer nicht vergeblich in Anspruch zu nehmen.

Es sey mir vergönnt, zuerst die Wissenschaft in Beziehung auf den einzelnen Menschen zu betrachten, und dann zu ihrer Bedeutung für das Gemeinwesen überzugehen. Von der richtigen Kenntniss des Menschen an sich, seiner Fähigkeiten, Bedürfnisse und Zwecke, und der Beziehung des Gemeinwesens auf ihn hängt die richtige Auffassung des Zweckes des letztern ab: nur dann wird man davon eine ächt menschliche Ansicht fassen, wenn man nicht vergisst, dass es allein für den Menschen da ist, und das menschliche Leben in ihm zur vollkommenen, allseitigen Erscheinung kommen soll; wo hingegen jene kalte, mechanische Ansicht sich einstellt, nach welcher man dein Staate eine Art von Zweck an sich zuschreibt, und die Bürger desselben als Maschinen betrachtet, welche, sey es gern oder ungerne zu ihrem Wohl oder Weh, diesem Zwecke dienen müssen.

Der Mensch hat von Natur einen unvertilglichen Trieb zum Wissens einen Triebe, die Dinge um ihn her, ihre Gesetze und ihren Zusammenhang und ihre Beziehung auf ihn selbst zu erkennen. Aufmerksam richtet er den Blick auf jede neue Erscheinung, um sie in das Ganze seiner Erfahrung einzureihen, und die Grösse und Lage, die Verhältnisse und Gesetze des

Gegenstandes zu erforschen. Begierig ergreift er jede Gelegenheit, seine Kenntnisse zu erweitern, Neues zu sehen und zu hören. Gern horcht er der Erzählung des vielerfahrnen, weitgereisten Mannes, der ihm berichtet, was er selbst noch nie gesehen und vielleicht nie sehen wird. Die Kenntniss der Welt und der Dinge um ihn her ist dem Menschen, so wie in gewissem Grade jedem Thiere, nothwendig, um sich gegen die Natur zu behaupten, sich gegen ihre verderblichen Einflüsse zu schützen, seine Nahrung und seine übrigen Lebensbedürfnisse zu finden und zu bereiten, und überhaupt um das, was er treibt und schafft, zu leiten und auf den gehörigen Zweck zu richten. So wie wir des Auges bedürfen zu allem, was wir vornehmen, so auch der mannigfaltigsten Kenntnisse, welche gleichsam das höhere Licht sind, das unser Thun erhellet. Der Fischer und Jäger, der Hirt und Ackersmann, der Handwerker und Künstler bedürfen alle die zu ihrem Geschäft geeigneten Kenntnisse, ausser der Geschicklichkeit der Hand, womit sie ausführen, was sie verstehen. Die Bedürfnisse nun sind es, die den Menschen am ersten antreiben, seine Erkenntnisskraft zu üben und zu bilden. Der Schöpfer gab uns einen nackten Körper und eine zarte, vielbedürftige Natur, und wies uns dadurch an, den schweren Weg der betriebsamen Erfindsamkeit, des Nachdenkens und der Bildung zu wandeln, und uns so alles, was wir bedürfen und wünschen, selbst zu schaffen, während das Thier fast alles, was es bedarf, schon bereitet findet und mit einer geringen Betriebsamkeit seine Zwecke erreicht. Daher sind

die Wissenschaften aus den ökonomischen und mechanischen Beschäftigungen hervorgegangen; und die Sternkunde, die jetzt eine der schwierigsten Wissenschaften ist, in welcher der menschliche Geist sich zu der umfassendsten Erkenntniss des Weltgebäudes erhoben, und eine Höhe erstiegen hat, auf welcher ihm selbst schwindelt, diente in ihren ersten Anfangen der Landwirthschaft und der Schiffahrt. Ausser den leiblichen Bedürfnissen entstehen für den Menschen, der in der Gesellschaft lebt, noch andere höhere, sittliche und geistige Bedürfnisse: das gesellschaftliche Leben bedarf der Ordnung und Leitung, der Fürsorge für manche gemeinsame Angelegenheiten; und die Befriedigung dieser Bedürfnisse wird nur durch mannigfaltige Erfahrungen, Kenntnisse und Geschicklichkeiten möglich, welche durch Studium und Uebung gewonnen werden müssen, und den grössten und edlern Theil der Wissenschaften nothwendig machen. Aber man würde eine der edelsten Anlagen des Menschen verkennen, wenn man seinen Wissenstrieb ganz abhängig machen wollte von seinen Bedürfnissen. Der Mensch will auch erkennen und erfahren, sehen und hören, nachdenken und erforschen, rein nur, damit er seinen Geist beschäftige und befriedige. Das Kind besinnnt den Vater mit Fragen der Wissbegierde ,wahrlich nicht, um die gewonnenen Kenntnisse zu etwas zu benutzen, sondern um sich derselben zu freuen, um ein inneres Bedürfniss des Geistes zu befriedigen. Der zurückkehrende Reisende versammelt um seine Erzählung aufmerksame Zuhörer, und keiner von ihnen denkt zunächst daran, etwas daraus zur Verbesserung

seines Zustandes zu lernen. In der reinen Wissbegierde liegt freilich noch ein sinnlicher Bestandtheil: es ist die Neugierde oder Unterhaltungssucht. Es beschäftigt den Geist, Neues zu erfahren; es unterhält und vergnügt ihn, neue Vorstellungen zu fassen und den Gedanken Anderer zu folgen: es beschäftigt, unterhalt und vergnügt ihn, weil er dadurch zur Thätigkeit erweckt wird und sein Leben Anregung und Nahrung erhält, weil er so mehr lebt, als wenn er in träge Unthätigkeit versinkt. Aber eben desswegen ist dieser Trieb nach Unterhaltung und Beschäftigung nur dann verwerflich, wenn er sich bloss durch den Reiz der Neuheit und durch die Aufnahme neuen Stoffes, nicht durch Selbstthätigkeit befriedigen will, wenn der Geist nur aufnehmen, nicht das Aufgenommene verarbeiten, wenn er bloss die Einbildungskraft, nicht auch den Verstand und die Urtheilskraft beschäftigen will. Selbst für die edlere Wissenschaft ist dieser Trieb der Neubegierde gewissermassen in Anspruch zu nehmen. Der Forscher ist auch neugierig und soll es seyn: er will und soll den Kreis seines Wissens erweitern, sehen, was Andere gedacht, erforscht und entdeckt haben, neue Entdeckungen begierig auffassen und unaufhaltsam weiter streben. Nur soll und wird er dabei die Selbstthätigkeit nicht scheuen, sondern in ihr gerade die edelste Befriedigung finden; es ist ihm vorzüglich darum zu thun, die gemachten Erfahrungen und Beobachtungen nach den Gesetzen des Verstandes zu ordnen und in Zusammenhang zu bringen, Gesetze der Einheit und Nothwendigkeit aufzusuchen, und so ein System des

Wissens aufzustellen. Der menschliche Geist bedarf vor allen Dingen der Erfahrung, der sinnlichen Erkenntniss, damit er sich dadurch mit der Aussenwelt in vollständige Berührung setze: dann aber treibt es ihn, diesen Stoff zu ordnen, zu begreifen, zu erklären, in eine lichtvolle Einheit zu bringen. Seine Natur ist einfach, und er will Einheit in seiner Erkenntniss; er ist von Natur selbstthätig, und er will Alles ordnend und gestaltend durchdringen, mit Regeln beherrschen und mit den Gesetzen seines eigenen Wesens in Einklang bringen. Durch diese ordnende Thätigkeit in der Erkenntniss wird ihm ein unabweisliches Bedürfniss befriedigt, und eine seiner wesentlichsten Lebensäusserungen vollbracht; und es ist natürlich, dass damit ein befriedigendes, erfreuliches Gefühl verbunden ist. Jede Hemmung des Lebens erregt ein drückenden betrübenden Gefühl; jede Förderung desselben hingegen hebt, ermuntert und erfreuet. Edler, als die Freude über die Befriedigung des Erkenntnisstriebes in der ordnenden und begreifenden Thätigkeit des Verstandes, ist nur die Freude über die Erreichung eines sittlichen Zweckes, über / über die Vollbringung eines guten, der Menschheit wohlthätigen Werkes, über die Vollziehung eines Opfers der Liebe; auch diess ist eine geistige Freude, aber eine solche, die dem Herzen und dem göttlichen Gefühle der Liebe angehört, und darum die edelste und gottähnlichste.

Es ist des Menschen unwürdig, bloss um des Bedürfnisses und Nutzens willen Kenntnisse zu suchen und die Wissenschaft zu pflegen, so dass der Geist

wird von allen Edeln als eine Zierde des Menschen betrachtet, und es ist nicht nöthig, sie hier besonders zu empfehlen, obgleich die ihr entgegengesetzte handwerksmässige Gesinnung, vermöge deren man nur lernt und studiert, was zu einem Gewerbe oder Amte tüchtig macht, nur allzuhäufig den Geist der Jugend vergiftet. Jene reine Liebe zur Wissenschaft lebt in unsrer Zeit. Es gibt Freunde derselben, welche, durch ihr glückliches Loos über das Bedürfniss hinweggehoben, ihr in bequemer Musse aus reiner Liebe dienen; es gibt solche, die, mit Armuth und Mangel kämpfend, sich den Weg in ihr Heiligthum bahnen, um an dem Quell der Wahrheit ihren Durst zu löschen. Ehre dem Jünglinge, der mit begeisterter Liebe sich der Wissenschaft widmet! Ehre dem Manne, der bis ans Ziel seiner Laufbahn diesen Sinn bewahrt hat, und seiner Liebe nicht untreu geworden ist!

Einem jeden Menschen, wess Standes er sey, ist die Aufgabe gestellt, seinen Verstand in so weit zu bilden, dass er in der ihn umgebenden Welt kein Fremdling, und ihm die Bedeutung des Lebens nicht verborgen bleibe. Aber es gibt verschiedene Grade der Bildung, nach den verschiedenen Verhältnissen des Standes, und nicht Allen ist die gleiche Höhe der Wissenschaft zu ersteigen möglich. Einem Jeden wird im Leben eine Stelle angewiesen, die er auszufüllen hat. Die Menschen müssen das Leben gemeinschaftlich führen, und in dieser Gemeinschaft wird eine

das Lebens und dienen theils bloss zur tieferen Begründung, Erweiterung und Aufklärung der Berufswissenschaften, theils haben sie die noch edlere Bestimmung, die allgemeine Geistesbildung zu fördern, die Kenntniss des Menschen von der Welt und sich selbst zu erweitern, ihm das Bewusstseyn seiner Bestimmung zu geben, den Verstand zu erleuchten, überhaupt die Erkenntnissthätigkeit des menschlichen Geistes zu beschäftigen, zu leiten und zu erhöhen. Dahin gehören die geschichtlichen, mathematische, und philosophischen Wissenschaften, obschon einige dieser Zweige, ich meine die Mathematik und Naturkunde, selbst auch zur Beförderung der niedern Berufsarten des Nährstandes oder der mechanischen Gewerbe dienen, indem sie Regeln und Mittel zur bessern Hervorbringung und Bearbeitung der Naturerzeugnisse, welche zur Befriedigung der Bedürfnisse dienen, an die Hand geben. Denn die Wissenschaft wirst ihr Licht überall hin, in alle Gebiete des Lebens, und nichts ist, was nicht durch sie gefördert und vervollkommnet werden könnte.

Aber im Umfange dieser wissenschaftlichen Berufsarten gibt es eine bedeutende Abstufung. Ueber denen, welche die Wissenschaften praktisch anwenden, stehen diejenigen, welche sie allein für die Erkenntniss treiben und die praktischen Berufsarbeiter unterrichten: sie bilden den höheren Lehr- oder Gelehrten-Stand, und arbeiten an den Anstalten, die wir Hochschulen, Universitäten oder Akademien nennen. Sie sind gewöhnlich zugleich diejenigen, welche die Wissenschaften durch neue Entdeckungen und heilsame

niedere Verrichtungen zufallen, oder die sich bloss leidend verhalten. Bei den alten Völkern nahm die Gewohnheit, die so gewaltig unter ihnen herrschte, diese Unterschiede in Schutz, und die Pflege der Wissenschaften nebst der Gerechtigkeitspflege und Regierung, oder doch einem grossen Einflusse auf diese, fiel als erbliches Eigenthum der Priestercaste zu, während die andern Casten andere Berufsarten trieben . Diese Einrichtung aber hatte den Nachtheil, dass das Volk in Unmündigkeit erhalten wurde, und die Priester ihre geistige Ueberlegenheit zur Unterdrückung desselben missbrauchten; auch dass der lebendige Geist der Forschung bei der erbschaftlichen ueberlieferung der Weisheit keine Nahrung und Anregung fand. Bei den Griechen, welche keine Casteneinrichtung noch eigentliche Priesterherrschaft kannten, wurde die Pflege der Wissenschaft Privatsache. Die Sophisten trieben damit ein Gewerbe, bis der göttliche Geist des Sokrates seinem Volke die reine Liebe zur Wahrheit einhauchte und zugleich die Wissenschaft ins Leben einführte. Aber der Erwerbsgeist kehrte späterhin wieder, und er wird sich immer in die Pflege der Wissenschaft eindrängen, wenn ihre Diener nicht in eine vom Bedürfnisse unabhängige Lage versetzt werden. Erst unter den römischen Kaisern fing die Staatsregierung an, den Lehrern der Wissenschaft durch ausgesetzte Besoldungen eine sorgenfreie Lage zu sichern; aber ein Vorzug der neuern Staatsverwaltung ist es, dass dieses auf eine viel vollständigere und durchgreifendere Weise geschieht. Bei uns gilt es für eine eben so wichtige Pflicht der

die Seite zu stellen: so zeigt sich darin neben einem sehr achtungswerthen Gemeingeist eine Schwäche des aus alten Ueberlieferungen zusammengesetzten und durch mancherlei Hemmungen in sich gelähmten Staatsgebäudes von England, und keinesweges ein Vorzug, um welchen wir dieses Land zu beneiden hätten. Das Aufstreben nach dem Vollkommnern kann nicht dem freiwilligen Triebe des Volkes überlassen, sondern muss der geregelten Sorge der Bessern und Erleuchtetern anvertraut werden. In der Masse des Volkes wird immer die Richtung nach unten, der Trieb nach Erwerb und Genuss, die träge Eigensucht vorherrschen: sie bedarf daher der erziehenden Anregung und Leitung durch die an Geist und Einsicht Ausgezeichneten. Wenn es nun darf als Regel angenommen werden, dass diese in die Stelle der Gesezgeber und Machthaber hinauf rücken: so ist es eine vernünftige Forderung, dass die Regierung die Pflicht und die Macht habe, nützliche Einrichtungen für die Pflege der Wissenschaften, dem Geist und Bedürfniss der Zeit gemäss, zu treffen; und wir dürfen uns dazu Glück wünschen, dass bei uns sie es ist, die, wie für alles Andere, was zum Gedeihen des Gemeinwesens gehört, so auch für die wissenschaftlichen Anstalten Sorge trägt.

Hierbei ist es nun allerdings zunächst das Bedürfniss und der Nutzen der Gesellschaft, der Vortheil der gemeinsamen höhern Angelegenheiten des bürgerlichen Lebens, was die Regierung zu berücksichtigen hat; es muss ihr vor allen Dingen daran liegen, dass für den öffentlichen Dienst in Staat und Kirche

um ihrer selbst willen, als eine Zierde reiner Menschlichkeit, achten, und ohne Rücksicht aus den Nutzen, aus reiner Achtung und Liebe, ihre Pflege fördern; sie soll es als eine ihrer heiligsten Pflichten und als einen Punkt der höheren Volksehre betrachten, dass inmitten des Gemeinwesens ein Heerd der Wissenschaft bestehe, auf welchem das göttliche Feuer der Wahrheit unterhalten werde; sie soll dafür sorgen, dass es ihrem Volke nie an Männern fehle, welche den Geist der Wissenschaft lebendig in sich tragen, ihr mit reiner Liebe dienen, und sie durch tief indringende Forschung fördern. Wehe dem Volke, dem Gemeinwesen, das keine solchen Priester der Wissenschaft in seiner Mitte zählt! Es kann nicht anders kommen, als dass es in Erstarrung und Verderbniss versinkt. Es ist ihm das Licht des Geistes erloschen; die thierische Kraft der Sinnlichkeit, die träge Macht der Gewohnheit, die dumpfe Bewusstlosigkeit hat in ihm das Uebergewicht gewonnen.

In einem Volke, dessen Geist lebendig ist, / werden sich freilich immer, auch ohne absichtliche Vorsorge, ohne Aufmunterung und Unterstützung, Liebhaber der Wissenschaft finden, die ihr aus freier Liebe dienen. Aber wenn in der Regierung das höhere Bewusstseyn des Gemeinwesens erscheinen soll, so ist es von ihr zu verlangen, dass sie das Edelste nicht dem Zufalle überlasse, dass sie die Geistesgaben und Neigungen für die Wissenschaft aufmuntere und unterstütze. In ihr soll sich die freie Liebe zur Wissenschaft, wie sie in einem edlen Menschen, in einem edlen Volke lebt,

aussprechen und bethätigen. Und wie wohlthätig wirkt es auf den Geist des Volkes, wenn es sieht, dass die Väter des Vaterlandes demjenigen Achtung beweisen, was zur Zierde und Würde des Menschen gehört! Diese Achtung wirkt mehr, als die dargebotenen Hülfs-Mittel und Belohnungen: dasjenige, dem die Edelsten und Besten huldigen, kündigt sich öffentlich als das Edelste und Beste an; der gute Geist des Volkes gewinnt in ihnen Bewusstseyn und Sprache, und ruft Allen zu: Habt Achtung vor dem, was Allen zum Heile dient, was dem Ganzen Licht und Leben verleiht!

Dieser edle Sinn hat die Gesetzgeber unsers Staates geleitet, als sie die veraltete Hochschule nach dem Geiste und Bedürfnisse der Zeit wieder herstellten, und durch eine zweckmässige Stufenfolge des Schulunterrichts für die nöthige Vorbildung der Studirenden sorgten. Sie waren augenscheinlich nicht bloss darauf bedacht, für die Befriedigung der unumgänglichsten Bedürfnisse, nämlich für die nothdürftige Bildung der öffentlichen Diener, zu sorgen, wozu es, streng genommen, einer Universität nach deutscher Art nicht bedurft hätte: sie wollten der Wissenschaft inmitten des Gemeinwesens eine Werkstätte aufrichten und der Stadt den alten Ruhm, die Pflegerin der Gelehrsamkeit zu seyn, erhalten. Wenigstens sorgten sie für die Bildung der Geistlichen, Schulmänner, Rechtskundigen und Aerzte auf eine freisinnige und freigebige Weise. Sie gaben nicht der

das ihm Versagte zu überlassen. Die kleinen Staaten der Schweiz haben nicht alle die Mittel, mithin auch nicht die Pflicht, für die Wissenschaft Alles zu thun; es ist für manche genug, wenn sie nur gute Vorbildungsschulen haben. Aber sie entbehren viel; sie entbehren gleichsam des geistigen Schwerpunktes, der geistigen Unabhängigkeit und Selbstgenügsamkeit. Sie gleichen einem Menschen, der für die höchsten Angelegenheiten des Lebens Einsicht und Rath von Andern borgen muss. Besonders entgeht ihnen ein wichtiger Vortheil. In einem Gemeinwesen sollen alle Berufsgaben nicht nur Aufmunterung und Unterstützung, sondern auch einen Wirkungskreis und eine Stelle im Leben finden. In jedem, auch dem kleinsten Staate, werden sich solche finden, welche durch Gabe und Neigung dazu berufen sind, eine Stelle im höheren Lehrstande einzunehmen und die Wissenschaft nicht nur praktisch als Geistliche, Schulmänner, Rechtsgelehrte oder Beamte und als Aerzte anzuwenden, sondern sie theoretisch zu treiben, und auch solche Fächer zu treiben, welche nicht zu den Berufswissenschaften gehören. Solche werden nun in einem Staate, der keine höhere Lehranstalt hat, entweder, wenn sie die Liebe zur Heimat zu Hause hält, der Wissenschaft entzogen, und wenigstens genöthigt, die Kraft und Zeit, die zu ihrer Pflege erforderlich ist, den praktischen Berufsarbeiten abzustehlen, oder sie suchen auswärts einen Wirkungskreis und eine würdige Stellungen und gehen so dem Vaterlande verloren. Auf die wenigen Ausnahmen, dass solche Freunde der Wissenschaft durch ihre häusliche .

Unabhängigkeit in Stand gesetzt werden, für die Wissenschafl zu leben, darf man nicht rechnen; auch ist es nicht rathsam, dass der Gelehrte von aller Gelegenheit, seinen Mitbürgern nützlich zu seyn und seine Schätze mitzutheilen, entblösst sey. Die Wirksamkeit als Lehrer ermuntert zu Fortschritten, und gibt dem Geiste eine gesundere und kräftigere Richtung . Endlich wären unter solchen Umständen die Begabten aus der ärmern Klasse immer für die Gelehrsamkeit und das Gemeinwesen verloren, und hätten keine Aufmunterung, die schwere Bahn des wissenschaftlichen Berufes zu wandeln.

Dass Basel die Mittel hat, eine höhere Lehranstalt zu unterhalten, ist als ausgemacht anzunehmend, da die Gesetzgeber von dieser Ansicht ausgegangen sind: Basel wollte nicht unmündig und abhängig seyn in der Wissenschaft, es wollte und könnte einen wissenschaftlichen Mittelpunkt in sich haben. Ja, es wollte noch mehr, es wollte herrschen durch die in sich gepflegte Geisteskraft inmitten der eidgenössischen Staaten. Die Schweiz entbehrt einer wissenschaftlichen Gesamt-Anstalt, die sie nothwendig haben sollte, wenn sie auf eine Einheit Anspruch macht. Diese Lücke wollte Basel ausfüllen, und wenigstens für die kleinern Kantone einen wissenschaftlichen Vereinigungspunkt darbieten, wie denn seit alten Zeiten die studirenden Jünglinge dieser Kantone ihre Bildung hier gesucht und gefunden hatten. Es rechnete dabei grossmüthig nicht auf die dankbare Anerkennung der übrigen Kantons-Regierungen, noch weniger auf eine Unterstüzung von Seiten derselben;

es regnete nicht, wie dieser finanzielle Gesichtspunkt hie und da in Deutschland aufgefasst worden ist, auf eine den Bürgern der Stadt zu eröffnende Erwerbsquelle — denn was können im günstigen Falle ein Paar hundert fremde Studenten für das gewerbreiche Basel bedeuten? — ; es war eine uneigennützige Liebe zur Wissenschaft, ein edles Ehrgefühl, die edle Regung eines eidgenössischen Gemeingeistes, was die Gesetzgeber beseelte. Wie der edle Bürger Vieles thut, was nicht ihm selbst, sondern dem Gemeinwesen nützlich ist:: so soll auch das Glied eines Bundesstaates nicht bloss auf seinen eigenen Nutzen sehen, sondern für das Wohl und die Ehre des Ganzen sorgen. Aber je mehr solche edlere Regungen ein Gemeinwesen beleben, desto kräftiger und schöner wird es blühen, einen desto höhern Schwung wird das geistige Leben in ihm nehmen. Je mehr der eidgenössische Gemeingeist einen Kanton belebt, desto lebendiger wird der heimische Gemeingeist in ihm seyn. Denn das Gute und Edle belohnt sich immer, und die gute Gesinnung, die nach aussen gekehrt ist, wirkt segnend nach innen zurück.

Gesetzgeber, Regenten, Bürger Basels! bereuet nicht, was ihr für die Wissenschaften gethan, gebt nicht den Einflüsterungen einer engherzigen Klugheit Gehör, verharret und befestigt euch in der Achtung und Liebe für die Wissenschaft, die ihr so schön bethätigt habt! Bewahret den Ruhm, die Gesinnung zu beweisen, welche den Stellvertretern eines geistig lebendigen, von deutscher Liebe zur Geistesbildung durchdrungenen Volkes geziemt, bewähret euch als

die Weisen, in denen das höhere, bessere Bewusstseyn des Volkes sich herrschend ausspricht! Und so wie ihr die äussern Mittel, welche der Unterhalt der Lehranstalt kostet, nicht kärglich abgewogen und berechnet habt: so rechnet auch nicht ängstlich in Ansehung der Ausdehnung der äussern Wirksamkeit, welche diese Anstalten bisher gewonnen haben. Noch hat der Besuch der Universität durch Studirende aus andern Kantonen und aus Deutschland den Erwartungen nicht ganz entsprochen, wiewohl die unvollständige Besetzung der juridischen und medicinischen Facultät (welche letztere erst kürzlich ganz hergestellt worden) die Erfüllung dieser Erwartungen nothwendig verzögern musste, während die vollständige theologische Facultät eine hinreichende Zuhörer-Anzahl aufzuweisen hat. Nie wird unsre Universität an Frequenz mit den grössern Anstalten Deutschlands wetteifern, so wie sie auch in ihren alten blühendsten Zeiten nie sehr zahlreich besucht war. Es ist genug, dass für Basel eine Frei- und Werkstätte der Wissenschaft besteht, dass diese von der Regierung und dem Volke als ein wichtiger Lebenstheil des Ganzen gepflegt und geachtet wird, dass ihr Licht sich selbst ernährt, und auf das Ganze seinen belebenden Schein wirft. Und wenn Fremde kommen, an ihren Segnungen Theil zu nehmen, so wollen wir sie gern empfangen; und es soll uns freuen, das als Gemeingut benuzt zu sehen, was unser schönstes Besitzthum, unser Stolz und unsre Zierde

Allein wer in der Wissenschaft bloss das Nothdürftige und Nüzliche sucht, wird immer ein Stümper bleiben; nur wer mehr zu leisten sich bemüht, als streng genommen von ihm gefordert werden kann, der wird seine Pflicht erfüllen. Lehrer und Lehrlinge der Wissenschaften sollen nicht bei dem Nothwendigen stehen bleiben, sondern von begeisterter Liebe für ihr Studium getrieben, nach dem Vollkommensten und Höchsten streben, und die Wissenschaft um ihrer selbst willen pflegen. Nur so erfüllen sie die höhere Bestimmung, das Gebiet des Wissens zu erweitern, und den Geist der Wahrheit im Volke zu erwecken und wach zu erhalten: nur so erfüllen wir die Absicht der edlen Wiederhersteller unsrer Universität, welche der Wissenschaft in ihrer höchsten Würde und Bedeutung einen Tempel eröffnen wollten. So sey es denn das Ziel unsrer Bestrebungen, theuerste Amtsgenossen, dass von unsrer Mitte ein selbstgeschöpftes Licht ausgehe, dass wir als selbstständige Denker und Forscher Achtung verdienen, und das Gemeingut der Wissenschaft durch unsern Fleiss vermehren. Es gelte uns als die höhere Lehrerpflicht, dass wir die unsrer Leitung anvertrauten Jünglinge mit der uneigennützigen Liebe zur Wissenschaft entzünden, und einen selbstständigen Trieb in ihnen wecken. Es sey unser Stolz, nicht die Diener irgend eines untergeordneten oder gar unwürdigen Nutzens, sondern die freigesinnten, unabhängigen, begeisterten Pfleger der Wissenschaft zu seyn. Und ihr, theuerste Jünglinge! erkennet die Würde, Jünger

sei; besonders gilt dies von der Philosophie, der Alterthums- und Geschichtskunde, die oft so betrieben werden, dass man wohl den Scharf- und Tiefsinn der Bearbeiter bewundern, nicht aber absehen kann, welcher Gewinn daraus entspringen soll. Manche Gelehrte scheinen nur zu reden und zu schreiben, damit sie gehört und gelesen und angestaunt werden, nicht aber um zu belehren, zu erleuchten und anzuregen. Meistens liegt der Fehler in der Vortragsweise, die allzu technische schwerfasslich und unbeholfen ist. Manches freilich, das bloss der technischen Ausbildung der Wissenschaft angehört, und einzig für die Männer von Fach bestimmt ist, kann nur in dieser Form gegeben werden: aber es ist die Frage, ob die Kunstausdrücke nicht sollten einfacher, verständlicher und mehr aus der deutschen Sprache entlehnt seyn, als es gewöhnlich der Fall ist; namentlich ob das Kauderwelsch der philosophischen Sprache nicht mehr dem Ungeschmack und der Sucht, sich auszuzeichnen, als der Nothwendigkeit und Angemessenheit seinen Ursprung verdankt. Gewiss ist die Forderung im Allgemeinen höchst gerecht, dass die deutschen Gelehrten sich einer fasslichen, einfachern und gefälligern Sprache bedienen sollten, worin die Franzosen Muster sind. Die Einwendung, dass diese sich der Verständlichkeit auf Kosten der Gründlichkeit befleissigen, beruht gewiss oft auf der Täuschung, dass das Unverständliche als tief und das Fassliche als flach erscheint. Begriffe zerspalten, sich in ermüdende Erörterungen einlassen, ist noch

keine Tiefe, und schlagend und lichtvoll die Hauptsachen herausheben keine Flachheit. Aber es sei, dass wir es besser zu machen haben, als die Franzosen: so sollen wir es wirklich besser machen, und den dringenden Anspruch, den die Nichtgelehrten, aber die Gebildeten und Freunde der Wissenschaft an uns machen, fasslicher zu seyn, die Ergebnisse der Forschung in angemessenem Gewande zur allgemeinen Theilnahme hinzustellen, endlich befriedigen. Lösen wir die allerdings schwere Aufgabe, Tiefe mit Fasslichkeit, Ernst mit Lebendigkeit, Gründlichkeit mit Geschmack zu verbinden! Das Rüstzeug der Wissenschaft ist für die Schulen ihre Ergebnisse aber gehören dem Leben an: soll es nun nicht möglich seyn, diese Allen, die denken und fühlen können, fasslich zu machen; wird das Licht, das zur Erleuchtung des Lebens bestimmt isi, von keinem gesunden Auge gefasst werden können? Solches zu behaupten, wäre anmassliche Thorheit, hinter welche sich Unfähigkeit oder Trägheit versteckte. Wir zumal, die wir inmitten eines freien bürgerlichen Gemeinwesens stehen, müssen uns befleissigen, Alle für die Wissenschaft zu gewinnen, dadurch dass wir ihnen darbieten, was zur gemeinsamen Geistesnahrung dient. Schon seit mehrern Jahren macht sich hier das Bedürfniss mancher Gebildeten geltend, einen oder mehrere Winterabende wöchentlich durch wissenschaftliche Unterhaltung zu verschönern. Lasst uns diesem Geschmacke, als einem schönen Zeichen der Liebe und Achtung für die Wissenschaft, freundlich entgegenkommen,

die dankbare Anerkennung seiner Verdienste und die herzlichsten Wünsche zum langen Genusse seiner wohlverdienten Ruhe mit sich genommen. Seine Stelle hat ein jüngerer Mitarbeiter, der sich schon längst als tüchtig erprobt und ausgezeichnet hatte, nach unser aller Wunsch eingenommen. Durch die unausgesetzte, aber umsichtige Sorge unsrer trefflichen Curatel ist die medicinische Facultät nunmehr vollständig besetzt, und das Studium der Arzneikunde nach ihrem ganzen Umfange möglich gemacht, indem dadurch zugleich ein uns allen höchst werther Lehrer der Botanik der Universität bleibend gesichert worden ist. Bald wird das Gebäude unsrer Hochschule vollendet und dem hochverehrten Staatsmanne, den die Vorsehung zum Werkzeuge einer der wichtigsten Stiftungen Basels ersehen hat, der Ruhm gesichert seyn, sein schönstes Tagewerk vollbracht zu haben. Möge ihn uns Gott noch lange erhalten und ihm die wohlverdiente Freude gönnen, das Werk seiner Hände mit reichlichen Früchten gesegnet zu sehen!

Die Vergangenheit hat uns Verlust und Gewinn gebracht; mit Sorge zugleich und Hoffnung (mit Sorge wegen der bedenklichen Gesundheits-Umstände mehrerer Amtsgenossen) blicken wir in die Zukunft. Wie Alles im Menschenleben, so ist auch unsre Anstalt dem Wechsel der irdischen Dinge unterworfen, und keine menschliche Weisheit und Anstrengung vermag ihr Gedeihen zu befördern, wenn sie das Schicksal nicht begünstigt. Wohl uns, dass wir den Glauben an die Vorsehung eines weisen, väterlichen

Gottes, des Gottes des Lichtes und der Wahrheit, des Gebers aller guten Gaben, kennen! Zu ihm wollen wir vertrauensvoll aufblicken; der Gedanke an ihn beruhige und befestige das Gemüth, und erfülle es mit der freudigen Zuversicht, welche zu einem frischen, gedeihlichen Wirken Muth und Kraft verleiht. -