Über Augenerkrankungen der Tiere

BERICHT

über das akademische Jahr

1935/36

DRUCK: ART. INSTITUT ORELL FÜSSLI, ZÜRICH

INHALTSVERZEICHNIS Seite I. Rektoratsrede 3 II. Ständige Ehrengäste der Universität 24 III. Jahresbericht 25 a) Erziehungsdirektion 25 b) Dozentenschaft 25 c) Universitätsverwaltung 29 d) Organisation und Unterricht 29 e) Feierlichkeiten, Kongresse und Konferenzen . . . 33 f) Studierende 35 g) Promotionen und Prüfungen 36 h) Preisaufgaben 38 i) Fonds und Stipendien 40 k) Kranken- und Unfallkasse der Universität . . . . 41 l) Witwen-, Waisen- und Pensionskasse der Professoren der Universität 42 m) Zürcher Hochschulverein 44 n) Stiftung für wissenschaftliche Forschung 46 o) Jubiläumsspende für die Universität 51 p) Julius Klaus-Stiftung 55 IV. Schenkungen und Vermächtnisse 59 V. Nekrologe 61

I. FESTREDE DES REKTORS PROF. DR OSKAR BÜRGI

gehalten an der 103. Feier des Dies academicus der Universität Zürich
am 29. April 1936.

Über Augenerkrankungen der Tiere.

Als der Rechtsanwalt und spätere Tierarzt Claude Bourgelat im Jahre 1763 in seiner Geburtsstadt Lyon die erste und zwei Jahre später in Alfort bei Paris die zweite tierärztliche Unterrichtsanstalt der Welt gründete, wurden diese Schöpfungen mit Begeisterung begrüsst. Er brachte damit in Frankreich eine allgemeine Ansicht der philosophisch orientierten Zeit zur Verwirklichung.

In seiner "Histoire naturelle générale" hatte Buffon schon 10 Jahre früher lebhaftes Interesse für den Gedanken bezeugt. Auch Voltaire beglückwünschte Bourgelat, indem er ihm schrieb: "Les animaux, nos confrères méritent plus de soins surtout depuis que le Seigneur fit un pacte avec eux, immédiatement après le déluge."

Die Kriege des 17. und 18. Jahrhunderts hatten enorme Pferdeverluste verursacht. Alle Viehbestände der europäischen Staaten waren durch die mit grosser Heftigkeit auftretende Maul- und Klauenseuche, die Rinderpest und Lungenseuche in hohem Masse dezimiert. So ist es verständlich, wenn die neugeschaffenen Institute bald auch ausserhalb von Frankreich grosse Beachtung fanden. Überall machte sich das Bedürfnis nach theoretisch und praktisch ausgebildeten Tierärzten geltend. Deshalb gab das initiative Vorgehen von Bourgelat in den folgenden zwei Jahrhunderten in der ganzen Welt den Anstoss zur Errichtung weiterer Institute, in denen durch systematischen

Unterricht über Anatomie, Physiologie, Pathologie und die Wirkung von Arzneimitteln für die Entwicklung der wissenschaftlichen Tierheilkunde allmählich eine feste Basis geschaffen worden ist.

In der Schweiz ging Bern im Jahre 1806 voran und 1820 folgte Zürich nach, gestützt auf einen Beschluss des Kleinen Rates vom 25. Jenner, mit der Begründung, es sei nötig, junge Leute nach den Regeln der Wissenschaft, Vernunft und Erfahrung ohne Vorurteil und Aberglauben tierärztlich handeln zu lehren.

Aus naheliegenden Gründen fanden zunächst zur bessern Ausbildung von Militärtierärzten die wichtigsten Erkrankungen des Pferdes und zum Schutze der Landwirtschaft die Tierseuchen in Unterricht und Forschung Berücksichtigung. Spezialgebiete sind den Unterrichtsprogrammen erst im weitern Verlaufe des Ausbaus der Lehranstalten beigefügt worden. Dazu gehörten auch die Augenerkrankungen der Tiere, die als Anhängsel der Chirurgie lange recht stiefmütterlich berücksichtigt worden sind. Einlässlichere Literatur über dieses Gebiet findet sich erst vom Beginne des 19. Jahrhunderts an in Frankreich, Italien, Deutschland und der Schweiz vor. Die Erfindung des Augenspiegels durch von Helmholtz um die Mitte des 19. Jahrhunderts brachte auch für die Erkennung der Augenkrankheiten der Tiere einen wesentlichen Aufschwung. Recht bezeichnend schreibt er darüber an seinen Vater, dass bis anhin eine Reihe der wichtigsten Augenkrankheiten unter dem Namen schwarzer Star eine Terra incognita bedeutet habe, weil die Veränderungen in den hintern Augenabschnitten unerkannt geblieben seien. Das traf nicht nur für den Menschen, sondern auch für die Tiere zu. Ihre Augenerkrankungen werden zwar nie nur annähernd die Bedeutung derjenigen des Menschen erlangen. Namentlich kann auch die Behandlung in operativer Richtung nicht Schritt halten. Und doch spielen die Augenleiden für den tierärztlichen Praktiker keine unbedeutende Rolle, denn akute Zustände beschäftigen ihn nicht selten. Chronische, das Sehvermögen beeinträchtigende Prozesse können aus Gründen der Gebrauchs- und Wertbeeinträchtigung

namentlich bei Pferden zu Rechtsstreitigkeiten Anlass geben. Anderseits stehen gewisse Augenveränderungen zu Allgemeinerkrankungen der Tiere in Beziehung und fallen für ihre Erkennung, Beurteilung und Behandlung in Betracht. Deshalb ist der stete Ausbau auch dieses Gebietes der Pathologie eine Notwendigkeit und die Übermittlung der Kenntnisse an die Studierenden in Vorlesungen und Kursen unumgänglich. Wir wenden ihm in Unterricht und Forschung besondere Aufmerksamkeit zu.

Es dürfte von dieser Stelle aus nicht unangebracht sein, den Fragen der hauptsächlichsten Erkrankungsursachen und ihren Wirkungen auf die Tieraugen näher zu treten, um zugleich auf Probleme der Behandlung zu verweisen. Dabei kann es sich im Rahmen eines Vortrages natürlich nur um eine kursorische Schilderung der Verhältnisse handeln.

In erster Linie werden Tieraugen nicht selten von akuten mechanischen Schädlichkeiten in Form von Quetsch- und Risswunden der exponierten durchsichtigen Hornhaut betroffen. Sie kommen gewöhnlich an ihrer höchsten Vorwölbung beim Pferd und Rind durch Geschirrteile, Futterhalme und andere Einwirkungen zustande, während Hunde und Katzen häufiger Kratzwunden aufweisen. Die Beschädigungen sind stets mit den Schmerzreaktionen Lichtscheu und Tränenfluss verbunden, denn Gefühlsnerven gehen in grosser Zahl bis in die vordersten Schichten der Hornhaut. Trübungen der Wundstelle und ihrer Nachbarschaft, Erweiterung der normal nur am Rande vorkommenden Blutgefässe, Neubildungen von Kapillaren mit Tendenz zur Ausbreitung gegen die Reizstelle bilden weitere, mehr oder weniger ausgesprochene Erscheinungen. Ihrer Übersichtlichkeit wegen werden sie bekanntlich zum Studium des Entzündungsproblems viel verwendet. Im allgemeinen ist die Heilfähigkeit dieser Wunden bei Tieren gross. Allerdings können Aussehen und Sehfähigkeit störende Fleckbildungen als bleibende Hornhauttrübungen die Folge sein. Selbst perforierende Verletzungen heilen häufig unter pigmentierter Narbenbildung mit Erhaltung des Auges. Dabei erweisen sich der Abfluss des Kammerwassers

durch Abschwemmen von Fremdkörpern und Bakterien, sowie der Wundverschluss durch die vorfallende Iris als sehr vorteilhaft. Gefährlich ist die Hornhautmitte, weil der letztere Vorgang da ausbleibt. Auch Perforationen am Rande können zu Entzündungen der Regenbogenhaut und des Ziliarkörpers mit allgemeiner Infektion des Auges führen. Besonders schwerwiegend ist das Vordringen des Glaskörpers, denn eine Durchspülung der Wunde findet dann nicht statt. Auch besitzt er keine Fähigkeit, Schutzstoffe gegen Bakterien und ihre Gifte zu bilden. Deshalb haben Infektionen der hintern Augenabschnitte meist allgemeine eitrige Entzündung zur Folge.

Beim Menschen sind bekanntlich besonders perforierende Augenwunden und das Eindringen von Fremdkörpern wegen der Möglichkeit des Entstehens einer eigenartigen Entzündungsform gefürchtet. Dabei treten unter bindegewebiger Verdickung in der Aderhaut Infiltrate mit Riesenzellen auf, Veränderungen wie sie sonst der Tuberkulose eigen sind. Aber der bei dieser Infektion auftretende Vorgang der Verkäsung fehlt und Tuberkelbazillen können nicht nachgewiesen werden. Hingegen geht der Prozess früher oder später auf das andere Auge über. Das ersterkrankte wird als das sympathisierende, oder Sympathie erregende, das zweite als das sympathisierte, oder Sympathie leidende bezeichnet, und der ganze Vorgang stellt die sympathische Augenentzündung dar. Alle Augen, welche Verletzungen erlitten und zu Aderhautentzündungen geführt haben, sind beim Menschen fähig, sympathisierend zu wirken.

Die Art der Entstehung der Entzündung im unverletzten Auge ist nicht abgeklärt. Am naheliegendsten erscheint die Hypothese, es könnte sich um die Verschleppung einer unbekannten Erregerart oder unbekannter Bakteriengifte handeln, die nur im Auge krankmachend wirken. Auch ist die Resorption von Gewebsstoffen der Aderhaut des ersterkrankten Auges schon beschuldigt worden, die am bisher gesunden andern Sehorgan eine Überempfindlichkeit der mittlern Augenhaut erzeugen sollen, worauf die geringste Störung dort eine Entzündung auszulösen imstande wäre.

Interessanterweise versagt das Tierexperiment, wie denn derartige tuberkelähnliche Veränderungen der Aderhaut nach Augenverletzungen bei den Haustieren auch nicht vorkommen. Die sympathische Augenentzündung ist deshalb bei ihnen gar nicht bekannt. Das deutet doch offenbar auf einen spezifischen arteigenen krankmachenden Stoff hin, der in Tieraugen nicht entsteht. Während es sich beim Menschen jeweilen darum handelt, ein Sympathie erregendes Auge zum Schutze des andern möglichst frühzeitig operativ zu entfernen, kommt der Eingriff in diesem Zusammenhange bei den Haustieren nicht in Frage.

Zudem entstünde dadurch eine derartige Verunstaltung des Patienten, wie sie ein noch so stark entartetes Auge nicht verursacht. Auch ist das Einsetzen und Wechseln einer Prothese bei einem ruhigen Tier wohl möglich, aber häufig führt die Prozedur zu so starker Abwehr, dass sie undurchführbar wird.

Zu den allmählich sich einstellenden mechanischen Störungen gehört ein Verhalten des Auges, das auf einem Missverhältnis zwischen Fassungsvermögen und Inhalt beruht. Die Augenhüllen umschliessen einen grösstenteils mit Flüssigkeit angefüllten Hohlraum. Der so entstehende Druck wird als der intraokulare bezeichnet. Er hängt vom Fassungsvermögen der Augenkapsel und ihrem Inhalt ab. Letzterer variiert nach dem Blutgehalt der mittlern Augenhaut und der Menge des Kammerwassers. Die Regulierung des intraokularen Druckes erfolgt so, dass unter normalen Verhältnissen Zu- und Abfluss der Augenflüssigkeit im Gleichgewicht stehen. Ihre Absonderung geschieht durch die vordem Abschnitte der mittlern Augenhaut, namentlich durch die Epithelien des Ziliarkörpers und der Vorderfläche der Iris. Dabei handelt es sich nicht um Lymphe im eigentlichen Sinne, denn das Kammerwasser enthält nur Spuren von Eiweiss und Salzen und gerinnt deshalb nicht. Dieser Vorgang ist nur bei pathologischen Verhältnissen möglich, wenn eine Erhöhung des sonst spärlichen Eiweissgehaltes eintritt. Das spezifische Gewicht und der Brechungsindex der unveränderten Kammerflüssigkeit weichen nur wenig vom reinen Wasser ab. Der Abfluss erfolgt hauptsächlich im Raume zwischen Hornhaut und Irisgrund,

Kammerbucht, Kammerwinkel genannt. Aus den Lücken des dortigen Gerüstwerkes tritt das Kammerwasser unter normalen Verhältnissen entsprechend der Absonderung durch ein Venensystem wieder aus dem Auge. Zum Teil mag dieser Vorgang auch durch die Iris selbst erfolgen. Der Flüssigkeitsaustritt in den hintern Augenteilen durch einen Raum ausserhalb der Aderhaut und einen Kanal in der Mitte des Glaskörpers ist von untergeordneter Bedeutung. Am gesunden Auge halten sich also Zu- und Abfluss des Kammerwassers das Gleichgewicht und der intraokulare Druck ist somit normal.

Ein Komplex von Krankheitssymptomen, unter denen die Drucksteigerung im Vordergrund steht, wird von alters her als grüner Star, Meergrünauge oder Glaukom bezeichnet. Dabei mag gleich hervorgehoben werden, dass Linsentrübungen fehlen und der Vorgang mit Starbildung nichts zu tun hat. Am vorher gesunden, sehtüchtigen Auge tritt die Erkrankung beim Menschen als primäres Glaukom mit oder ohne Entzündung und als Sekundärglaukom im Anschluss an eine anderweitige Augenerkrankung auf. Im letztem Falle stellt also das Symptomenbild des Glaukoms die Komplikation eines andern Augenleidens dar. Während das primäre beidseitig auftritt, befällt das sekundäre Glaukom meistens nur ein Auge.

Die Erscheinungen bestehen bei mehr oder weniger erhöhter Spannung in Sehstörungen, Schmerzen, Pupillenerweiterung, Hornhauttrübung und Ausbuchtung des Sehnervenkopfes. Ohne rechtzeitige Behandlung tritt meist Erblindung unter allmählicher Entartung des erkrankten Auges ein.

Ursachen zu diesen Vorgängen bilden Hindernisse in den vordem Abflusswegen des Kammerwassers.

Glaukomerkrankungen kommen bei Tieren ebenfalls vor. So können Katzen und Kaninchen gelegentlich an primärem Glaukom leiden. Allerdings werden die Frühstadien selten konstatiert, da Sehstörungen erst zur Beobachtung gelangen, wenn sie schon ausgesprochen und auch die übrigen Erscheinungen deutlich geworden sind. Viel häufiger hingegen sind nach den Untersuchungen, die Grieder bei uns gemacht hat, sekundäre

Glaukoms. So können Produkte der entzündeten Iris den Kammerwinkel verlegen. Auch Änderungen in der Zusammensetzung der Augenflüssigkeit scheinen durch Erhöhung ihres Eiweissgehaltes den Filtrationsvorgang in der Kammerbucht zu erschweren. Verwachsungen der Pupillarränder unter sich oder mit der vordem Linsenkapsel führen zu Drucksteigerung in der hintern Augenkammer, zu napfkuchenartiger Vorwölbung und Verwachsung des Irisgrundes mit der Hornhaut und so ebenfalls zur Verlegung des Kammerwinkels.

Eine interessante Tatsache besteht darin, dass die Spannungszunahme im Tierauge selten mit Ausbuchtung des Sehnervenkopfes verbunden ist, während diese sich beim Menschen rasch geltend macht. Wir haben die Veränderung nur bei der Katze nachgewiesen. Nach andern Untersuchungen soll sie gelegentlich auch beim Hund vorkommen. Bei allen andern Haustieren jedoch ist die Widerstandsfähigkeit der Eintrittsstelle des Sehnerven ins Auge so gross, dass die Exkavation ausbleibt. Hingegen führt die Spannungszunahme nach und nach stets zur Vergrösserung, zur Augapfelwassersucht. Diese Veränderung soll am menschlichen Auge nur bei Kindern mit angeborenen Hindernissen für den Abfluss in die Kammerbucht auftreten.

Man sieht nicht selten Tiere mit einseitig stark vergrössertem Auge, getrübter Hornhaut, erweiterter starrer Pupille und verlagerter Linse. Das Rinderauge kann dabei typischen Langbau annehmen.

Während also bei glaukomatösen Erkrankungen der erwachsenen Menschen die Gegend des Sehnerveneintrittes schon frühzeitig dem gesteigerten intraokularen Druck nachgibt und sich ausbuchtet, ist diese Veränderung bei Tieren selten. Hingegen erweisen sich bei ihnen die Augenhüllen, speziell die äussere, wenig widerstandsfähig. Sie dehnen sich bei zunehmendem Druck, das Auge wird allmählich gross und entartet unter Aufhebung des Sehvermögens. Daraus muss gefolgert werden, dass die Widerstandsfähigkeit des Sehnervenkopfes am tierischen Auge grösser ist, als diejenige der Augenhüllen.

Die Glaukombehandlung, in der Förderung des Abflusses des

Kammerwassers unter Freilegung des Iriswinkels bestehend, kommt bei den Tieren wegen Nichtbeachtung der Frühstadien der Erkrankung meist zu spät. Auch operative Eingriffe, wie sie von Graefe im Prinzip im Jahre 1856 als Iridektomie eingeführt hat, spielen kaum eine Rolle. Das primäre Glaukom ist selten und beim Sekundärglaukom wäre der Erfolg der Entzündung und der grossen Infektionsgefahr wegen von vornherein fraglich.

Weitaus am häufigsten geben auch bei den Tieraugen bakterielle Ursachen, also Infektionen zu Erkrankungen Anlass. Dabei gelangen pathogene Bakterien entweder direkt ins Auge, oder sie sind anderswo in den Körper eingedrungen und das Sehorgan wird auf dem Wege der Blut- und Lymphbahn ergriffen. Im erstem Falle spricht man von ektogener, im letztem von endogener Infektion. Die Mikroben allein würden vom Auge ziemlich reaktionslos vertragen, wenn sie indifferent wären. Wie überall im Organismus, wirken sie auch hier zur Hauptsache durch die Erzeugung von giftigen Substanzen, Toxine genannt. Diese reizen örtlich, wie auch durch Diffusion in der Nachbarschaft und zufolge Beimischung zu Blut und Lymphe auf entfernte Organe.

Ektogene Infektionen bilden bei einigen Tieren auffällig häufige Ursachen von Augenerkrankungen. Dabei entsteht nach Bindehautentzündung Stauung von Sekreten im Lidsack und Steigerung des Keimgehaltes. Die intakte Hornhaut in Verbindung mit dem Lidschlag verhindert zunächst das Eindringen der Bakterien. Wird jedoch das Hornhautepithel oberflächlich mazeriert und stellenweise abgestossen oder mechanisch beschädigt, so vermögen Mikroben auch dort einzudringen und mit ihren Toxinen Entzündungsvorgänge auszulösen. So beobachtet man bei Schafen und Ziegen eine ansteckende, seuchenhafte Bindehaut- und Hornhautentzündung. Sie befällt auch Steinböcke, Gemsen und vom Rindergeschlecht besonders Jungtiere, während ältere Rinder und Pferde des gleichen Bestandes durchschnittlich gesund bleiben. Schwellung der Lider, Lichtscheu, eitrige Sekretion, graugelbe, zentrale Trübungen

der Hornhaut mit anschliessender Geschwürsbildung, Randgefässerweiterung und Neubildung von Kapillaren gegen diese Stellen charakterisieren das klinische Bild. Die Infektion wird durch mit Sekret beschmutzte Fliegen, oder auf der Weide auch so übertragen, dass gesunde Tiere an durch Sekret verschmierten Sträuchern den Kopf reiben. Meistens erkranken alle Tiere eines Bestandes mehr oder weniger hochgradig an dieser auf die Wirkung eines stäbchenförmigen Mikroben zurückzuführenden Infektion. Währenddem sie allein auftritt, beobachtet man eine ähnliche als Begleiterscheinung einer Allgemeinerkrankung, die nur Ziegen und Schafe befällt.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts haben italienische Forscher zuerst darauf aufmerksam gemacht. Zufolge des Versiegens der Milch als Hauptsymptom und des seuchenhaften Charakters wegen wurde die Krankheit von ihnen Agalassia contagiosa benannt. Sie befällt allerdings Tiere beiderlei Geschlechts, weshalb die durchwegs gebräuchliche Bezeichnung infektiöse Agalaktie nicht absolut zutreffend ist. Da sie gelegentlich ganze Weidebestände der Kantone Graubünden, St. Gallen, Uri, Tessin, Wallis, Freiburg und Bern ergreift, ist sie anzeigepflichtig und wird durch seuchenpolizeiliche Massnahmen bekämpft.

Die infektiöse Agalaktie verursacht bei mehr oder weniger deutlichen Störungen des Allgemeinbefindens katarrhalische Entzündungen mit Schwund des Euters, Veränderungen der allmählich versiegenden Milch, sowie gelegentlich Erkrankungen der Gliedmassengelenke mit Lahmheit und Lymphdrüsenschwellungen. In ungefähr 13% der Fälle treten Augenerkrankungen hinzu. Diese beginnen wiederum mit Bindehautentzündung. Juckgefühl und Reiben des Kopfes geben zu nachheriger Beschädigung und Infektion der Hornhaut Veranlassung. Trübungen in der Lidspaltenzone, Geschwürsbildung und Hornhautperforation mit Vorfall der Regenbogenhaut können folgen. Unsere histologischen Untersuchungen haben ergeben, dass sowohl bei der alleinigen Hornhaut- und Bindehautentzündung, als auch bei derjenigen der infektiösen Agalaktie trotz Abzessbildung mit Nekrosen und Geschwüren konsekutive Entzündungen

der mittleren Augenhaut und des ganzen Bulbus relativ selten sind. Selbst hochgradige Prozesse heilen oft so ab, dass man klinisch nur geringe Hornhauttrübungen oder auch gar keine Veränderungen mehr nachweisen kann. Die Widerstandsfähigkeit und Heiltendenz der Augen sind somit bei den kleinen Wiederkäuern auffallend gross.

Bridré und Donatien wiesen im Milchfiltrat von an infektiöser Agalaktie leidenden Tieren einen zur Gruppe der Kugelbakterien gehörenden Mikroben nach. Sie haben ihn auf Nährböden züchten und mit Kulturen bei Ziegen und Schafen die Krankheit wieder hervorrufen können. Die natürliche Infektion erfolgt hauptsächlich von den Verdauungswegen aus, während die Übertragung der Erreger in den Bindehautsack durch Eutersekret geschieht.

Hunden und andern Fleischfressern ist bekanntlich eine sehr ansteckende Krankheit eigen, die als Staupe oder Sucht bezeichnet wird. Sie geht mit katarrhalischer Entzündung der Schleimhäute des Kopfes, des Atmungs- und Verdauungsapparates einher. Nervöse Erscheinungen und ein charakteristischer Hautausschlag können sich dazugesellen. Eine häufige Komplikation ist die Lungenentzündung, weshalb die Mortalität 50-60%beträgt. Der oder eventuell die Infektionserreger sind. bis jetzt nicht bekannt.

Die Augenerkrankungen können bei der Staupe allein, oder in Verbindung mit andern Erscheinungen zunächst als eitrige Bindehautentzündung auftreten. Nach der durch Mazeration oder Scheuern entstandenen Epithelschädigung dringen Erreger in die Hornhaut. Sie verursachen dort Infiltrate und Nekrose mit geschwürigem Zerfall. Bei reger Gefässneubildung heilt der Prozess ab, oder schreitet weiter unter Durchbruch der Hornhaut mit Irisvorfall und nachheriger Vernarbung. Tiefenkomplikationen führen zur Entartung des Auges.

Die Veränderungen sind bei uns durch Heusser einlässlich untersucht worden. Sie können neben Geschwürsbildung auch unter milchglasähnlicher Trübung und rasch entstehender Undurchsichtigkeit der Hornhaut einhergehen. Dieser auf endogener

Giftwirkung beruhende Prozess beginnt mit Entzündung der Iris und des Ziliarkörpers, auf die starke Hornhautquellung folgt. Er kann ebenso rasch wieder abheilen wie er aufgetreten ist.

Aus diesen Darlegungen geht hervor, dass die Augeninfektionen der kleinen Wiederkäuer und Karnivoren hauptsächlich ektogener Natur sind und namentlich zu Erkrankungen der vordem Abschnitte führen. Diesem Verhalten gegenüber sind die Augen der grossen Nutztiere, also des Pferdes und erwachsenen Rindes gegen diesen Infektionsmodus widerstandsfähig, jedoch erkranken sie nicht selten endogen. Dabei sind es bei den akuten Entzündungen nicht die Mikroben selbst, sondern ihre Toxine, welche die empfindliche mittlere Augenhaut reizen. So werden von den Einhufern besonders die Pferde der Händler und des Militärs gelegentlich von einer sehr ansteckenden Krankheit: Pferdestaupe, Pferdeinfluenza oder auch Pferdegrippe genannt, befallen. Sie hat mit der Grippe des Menschen nichts zu tun.

Ein filtrierbares Virus veranlasst Entzündungen der Schleimhäute der Atmungs- und Verdauungswege, sowie ödematöse Schwellungen des Kopfes und der Gliedmassen. Die Krankheit ist mit lebenswarmem Blut infizierter auf gesunde Pferde übertragbar. Eine ziemlich konstante und charakteristische Miterkrankung stellt diejenige der Augen dar. Das Virus entzündet die mittlere Augenhaut und veranlasst Kammerergüsse mit Blutungen. Rasch folgen Hornhaut- und Bindehautentzündungen, wobei letztere oft mit starker ödematöser Schwellung verbunden sind. Wie die übrigen Symptome, so verschwinden auch die der Augen in kurzer Zeit wieder und der Krankheitsverlauf ist deshalb ein gutartiger. Nur ausnahmsweise lässt die innere Augenentzündung Linsen- und Glaskörpertrübungen, sowie Netzhautveränderungen zurück.

Auch die Brustseuche, eine ansteckende Lungen- und Brustfellentzündung des Pferdegeschlechts kann metastatische Entzündungen veranlassen. Neben solchen der Sehnenscheiden kommen Augenentzündungen vor und zwar sowohl während der Primärkrankheit, als auch in ihrem Rekonvaleszenzstadium.

Wiederum werden ein- oder beidseitig durch die Wirkung von Bakterientoxinen namentlich die vordem Abschnitte der mittlern Augenhaut entzündet.

Während die Augenentzündung bei der Staupe der Pferde ein fast konstantes Symptom darstellt, ist sie bei der Brustseuche selten. Verwachsungen der Iris, Linsen- und Glaskörpertrübungen sind möglich, weshalb die Prognose sich hier ungünstiger gestaltet.

Akute endogene Entzündungen der Rinderaugen als Folgeerscheinungen einer Allgemeinerkrankung sind diejenigen des bösartigen Katarrhalfiebers, der bösartigen Kopfkrankheit, die durch katarrhalische und diphtheritisehe Entzündung der Schleimhäute des Kopfes und der Verdauungsorgane charakterisiert ist. Erkrankungen des Nervensystems und solche der Augen sind dabei häufig. Dieses in einzelnen Gegenden besonders frequent auftretende Leiden wird ursächlich den Infektionen zugezählt, wobei jedoch die Ansteckung von Nachbartieren fehlt und krankmachende Stoffe bis jetzt trotz vielseitiger Bemühungen nicht mit Sicherheit haben nachgewiesen werden können. Goetze und Liess wollen zwar das bösartige Katarrhalfieber mit Blut kranker Rinder auf gesunde überimpfen können. Sie halten Schafe für die Träger des Krankheitsstoffes, von denen durch Zusammenleben Rinder infiziert werden sollen.

Ackermann hat bei uns nachgewiesen, daß das Leiden in. der Schweiz in gebirgigen Gegenden mehr vorkommt als im Flachland. So ist es auch im Kanton Zürich im Albisgebiet und Oberland häufiger als im Unterland. Aus dem Kanton Graubünden erhält unsere Beobachtungsstation nicht selten Rinder mit bösartigem Katarrhalfieber.

Der Giftstoff der Krankheit, deren Mortalität bis zu 70% beträgt, zirkuliert im ganzen Organismus. Er verursacht nicht nur Entzündung der Schleimhäute der Atmungs- und Verdauungs-Wege, sondern auch solche der mittlern und innern Augenhaut mit Ergüssen. Anschliessend stellt sich Quellung der Hornhaut, besonders am Rande, ein. Ihr rascher brandiger Zerfall deutet auf eine besonders schwere, meist letal endigende Erkrankung hin.

Alle diese akuten verschleppten Augenentzündungen sind Begleiterscheinungen von Erkrankungen, die mehr oder weniger den gesamten Organismus in Mitleidenschaft ziehen.

Nun werden aber die Augen der Pferde auch allein auf endogenem Wege entzündet. Dabei handelt es sich um eine den Züchtern und Pferdekennern wohlbekannte schwerwiegende Erkrankung, die von der mittlern Augenhaut sich allmählich auch an den übrigen Organteilen auswirkt. Der Rückfälligkeit wegen heisst sie periodische Augenentzündung. Da ihr Entstehen früher ursächlich mit den Mondphasen in Zusammenhang gebracht wurde, sei auch die alte Benennung Mondblindheit erwähnt.

In jedem Alter vorkommend, befällt sie hauptsächlich jüngere Pferde. Die sich wiederholenden Entzündungen veranlassen häufig Trübungen und auch Verlagerungen der Linse, Veränderungen des Glaskörpers und der Netzhaut mit Sehstörungen bis zur Erblindung. Totale Entartungen mit Augenschwund sind keine seltenen Folgen.

Die Ursachen dieser in Intervallen von vier und mehr Wochen auftretenden Augenerkrankung sind nicht näher bekannt. Auffällig ist ihre Gebundenheit an gewisse Gegenden. In den Pferdezuchten des Nordens von Europa selten, tritt sie in einigen Gebieten von Deutschland, Frankreich, Italien und auch in Ungarn ziemlich häufig auf. So hat Papp bei ungarischen Pferdebeständen bis zu 10%Veränderungen von periodischer Augenentzündung nachgewiesen. Ursächlich wirken Niederungen und Flussgebiete mit lehmigem Boden besonders nachteilig. Das dort gewachsene Futter kann auch bei Pferden anderer Gegenden periodische Augenentzündung hervorrufen. Das Agens haftet somit am Boden und Futter und wahrscheinlich steht es auch mit dem Trinkwasser in Verbindung. Sanierung der Bodenverhältnisse vermag die Ortskrankheit zum Verschwinden zu bringen. Jungtiere bleiben, wenn sie vor der Erkrankung aus gefährdeten in ungefährdete Gegenden verbracht werden, gesund.

Nach Untersuchungen von Berrár und Manninger liegt kein

Beweis dafür vor, dass in erkrankten Augen irgend ein vermehrungsfähiger Infektionsstoff, Bakterium oder flitrierbares Virus vorhanden wäre. Das scheint eher darauf hinzudeuten, dass ein mineralischer oder pflanzlicher Giftstoff zu beschuldigen ist. Vererbte Dispositionen sind dabei nicht ausgeschlossen.

Von den chronischen endogenen Augeninfektionen endlich kommt nur die Tuberkulose in Betracht. Diese verheerende Seuche befällt bekanntlich von den Haustieren namentlich das Rind, Schwein und das Geflügel, während sie beim Pferd und Hund seltener ist. Als Teilerscheinung der generalisierten Erkrankung sind von Manleitner beim Rind in 5 und beim Schwein in 1 1/2%Veränderungen von Augentuberkulose gefunden worden, die alle die mittlere Augenhaut betrafen. Bei Katzen hat Veenendaal auch ektogene Augeninfektionen konstatiert. Unter den Vögeln ist die Tuberkulose der Konjunktiva und Lider der Papageien keine Seltenheit, während beim Hausgeflügel hauptsächlich Fütterungs- oder intestinal entstandene Tuberkulose vorkommt. Bei den in unserm Institut durch Ammann untersuchten Rinderaugen handelte es sich um endogen entstandene Tuberkulose. Dabei entwickelt sich die Entzündung langsam. Zudem werden an das Sehvermögen des Stallrindes geringe Anforderungen gestellt. Aus diesen Gründen bleiben die Anfangsstadien tuberkulöser Augenveränderungen meist unbeachtet.

Die durch die Blut- und Lymphwege verschleppten Bazillen können sich in allen Teilen der mittlern Augenhaut ansiedeln. Während die Aderhauttuberkulose lange symptomlos verläuft, verursachen tuberkulöse Veränderungen der Iris und des Ziliarkörpers oft Ergüsse.

Nur serologisch als zur Tuberkulose gehörende Augenentzündungen, wie sie beim Menschen offenbar durch Toxinwirkung entstanden vorkommen, haben wir beim Rind nicht beobachtet. Die unter der Bildung von Riesenzellen und Anhäufung von Lymphozyten entstehenden Knötchen haben fortschreitenden Charakter. Verkäsungs- und Verkalkungsvorgänge schliessen sich an, und innert Jahresfrist kann ein Rinderauge vollständig tuberkulös entartet sein.

Chemisch differente Substanzen wirken nicht häufig schädigend auf Tieraugen ein. Wohl vermögen Ätzungen durch Kalk, Ammoniak der Stalluft, etwa auch die zur Bekämpfung von Hautparasiten verwendete schweflige Säure und Rauch Entzündungen der vordem Abschnitte zu verursachen.

Naphthalin führt vom Darm von Kaninchen und Hunden aus zu Netzhautentzündung und Linsentrübung, offenbar nach Gefässveränderungen der mittlern Augenhaut.

Bei Waschungen von Tieren mit Tabaklauge kann Nikotin zu Erkrankungen der mittlern und innern Augenhaut, sowie des Sehnerven führen. Derartige Beobachtungen werden auch bei andern pflanzlichen Giften, wie z. B. beim Hund bei der Verwendung von Santonin zu Wurmkuren, gemacht. Quecksilber- und Kochsalzvergiftungen schädigen die Augen der Wiederkäuer in ähnlicher Weise.

Die Zuckerharnruhr des Hundes führt nach Gefässerkrankungen des Ziliarkörpers zu Linsentrübungen, während vom Ausfall der Schilddrüsenfunktion als Wirkung auf Tieraugen wenig bekannt ist. Hingegen veranlassen von Organerkrankungen herrührende Zellgifte, z. B. solche von Nierenentzündungen, Aderhaut- und Netzhautveränderungen. Auch gewisse Gehirnleiden des Pferdes können sich am Optikus und an der Retina geltend machen.

Von den physikalischen Ursachen ist eigentlich nur die Kältewirkung auf die Bindehäute hervorzuheben. Beeinflussungen der Tieraugen durch Röntgen- und Radiumstrahlen, Elektrizität und ultraviolettes Licht sind uns nicht bekannt.

Von den Folgen der Augenerkrankungen beschäftigen den Praktiker besonders die Trübungen der Hornhaut und Linse, des Glaskörpers und Veränderungen der Netzhaut.

Die hauptsächlich auf Verwundungen und sonstigen äussern, weniger auf innern Augenentzündungen beruhenden Hornhautflecken sind leicht zu erkennen. Schon schwieriger ist der Nachweis von Startrübungen, denen bei Untersuchungen auf Kauf und Werttaxation von Pferden grosse Bedeutung zukommt. Diese durch komplizierte Gewebsveränderungen entstehenden

Störungen der Durchsichtigkeit der Linse können gelegentlich nach Verletzungen als Wundstar auftreten. Aber beim Pferd sind sie in den meisten Fällen Komplikationen von innern Reizen, wobei besonders die periodische Augenentzündung zu beschuldigen ist. Dabei kann es zu Verklebungen der Regenbogenhaut mit der Linsenkapsel und zu pigmentierten Startrübungen kommen. Anderseits erfolgt die Zufuhr von Ernährungsstoffen am Linsenäquator vom Ziliarkörper aus. Entzündungen gefährden diese Vorgänge in der Linse. Auch der Glaskörper wird in gleicher Weise und durch Ergüsse betroffen. Trübungen beider Augenteile sind deshalb nicht seltene Entzündungsfolgen. Für die Degenerationen und Ablösungen der Netzhaut trifft das ebenfalls zu. Im weitern aber sind Linsentrübungen besonders beim Hund Folgen von Rückbildungsvorgängen als Alterserscheinungen.

In der Tier- und Pflanzenreihe wird bekanntlich der Lebensabschluss durch verschiedene Merkmale des Seniums eingeleitet. Gewisse Organteile haben ihre Rolle ausgespielt, bevor der Gesamtorganismus stirbt. Knochen werden brüchig, Gelenke und Muskeln zufolge von Altersveränderungen steif. Früher oder später lassen auch die Sinnesorgane solche erkennen.

Wegner unterscheidet lang- und kurzlebige Organe und Organteile. Dabei diktiert nach Vogt nicht die Zahl der Jahre, sondern die schon im Keimplasma erblich angelegte Vitalität das Senium. Das Keimplasma entscheidet nicht nur über die Lebensdauer des Individuums, sondern auch über diejenige seiner Organe und Organteile. Unter den Haustieren altert das Auge des Hundes besonders früh. Die meisten Rassen, vielleicht mit Ausnahme der Wolfs- und Windhunde, gehören nach Zell als Nasentiere zu den schwachsichtigen Geschöpfen. Sie sind nicht wie der normalsichtige Mensch imstande, Einzelheiten in der Ferne zu erkennen. Überhaupt ist die Sinnesschärfe der Tiere ganz verschieden. Alle scharfsehenden wie Katzen und Vögel wittern nicht gut, und alle feinnasigen wie Pferde, Rinder und Hunde sehen relativ schlecht. Auch befallen die durch das Senium bedingten Degenerationen mit Vorliebe die wenig beanspruchten

Organe, was für die Augen der Tiere absolut zutrifft. Funktionelle Reize sind für die Erhaltung eines Organs von Bedeutung. Deshalb sehen wir Alterstrübungen der Linse beim Hund, bei dem das Auge ein Nebensinn ist, häufig, während sie bei katzenartigen Tieren viel seltener vorkommen. Bei fast allen Hunderassen sind Startrübungen im höhern Alter konstant. Nach den Untersuchungen von Jakob beginnt diese Starart beim Hund, der mit zwölf Jahren ein Greis ist, ungefähr mit dem neunten Altersjahre. Sie bildet ein zuverlässigeres Merkmal für die Altersschätzung, als die Abnützung des Gebisses und die grauen Haare am Kopf. Dabei sind die Linsenveränderungen denen des senilen Stars des Menschen ähnlich. Sie treten nach Vogt bereits in einem Zeitpunkt auf, in dem sich die menschliche Linse noch nicht auf der Höhe der Entwicklung befindet.

Stef/an fand bei Pferden von ungefähr 15 Jahren an 34% Trübungen der Linse. Aber hier handelt es sich ebenfalls hauptsächlich um Starbildungen als Komplikationen von innern Augenentzündungen, während Altersdegenerationen selten sind.

Anschliessend dürfte eine kurze Erörterung der Staroperationen angezeigt sein, wobei aus naheliegenden Gründen nur Pferd und Hund in Frage kommen. Die meisten Linsentrübungen des Pferdes stellen als Begleitveränderungen von rückfälligen Augenentzündungen im Vergleich zu den Schädigungen der Aderhaut und Retina fast eine Nebensache dar. Abgesehen von der praktischen Unmöglichkeit einer Brillenkorrektur wäre die Netzhaut nicht mehr fähig, die nach Entfernung der Linse auf sie fallenden Bilder zu perzipieren. Aber auch die technischen Schwierigkeiten einer Staroperation sind beim Pferd zufolge der starken Augenmuskulatur, der dadurch entstehenden Gefahr des Glaskörpervorfalls und der Infektion gross. Infolgedessen spielt dieser Eingriff hier keine Rolle.

Etwas anders liegen die Verhältnisse beim Hund. Er leidet an Altersstar, bei dem die Voraussetzungen zu etwelcher Korrektur des Sehvermögens durch Schaffung eines linsenlosen Auges gegeben sein können. Staroperationen wurden deshalb schon durchgeführt und ein vorher blinder Hund war imstande, seinem

Herrn wieder zu folgen. Aber das Sehvermögen ist bei vielen Altersstaren noch derart, dass die Hunde sich in Verbindung mit ihren hervorragenden Fähigkeiten als Nasentiere ohne Operation genügend orientieren können.

Die Trübungen des Glaskörpers sind nach Nieland bei ältern Pferden in ungefähr der gleichen Häufigkeit vorhanden, wie diejenigen der Linse. Dabei wies er bei männlichen Kastraten und Kaltblütern eine etwas grössere Frequenz nach, als bei Hengsten und Vollblütern. Füchse, braune Pferde und Rappen haben ungefähr den gleichen Hundertsatz, nämlich 29-30, während er bei Schimmeln bis zu 47 beträgt. Namentlich das Hellwerden der Färbung bedingt somit beim Pferd eine Schwächung der Konstitution, die sich im Auge durch Trübungen auswirkt. Auch mit fortschreitendem Alter macht sich ein Ansteigen der Häufigkeit geltend.

Glaskörpertrübungen können unangenehme Sehstörungen verursachen, die aber ganz besonders bei Degenerationen und Ablösungen der Netzhaut oft bis zur Erblindung führen.

Besonders bei in hohen Gangarten verwendeten Pferden kommt nicht selten abnormes Benehmen vor, das auf schlechtes Sehen zurückgeführt und als Scheuen bezeichnet wird. Darunter versteht man Ausdrücke der Furcht als Folgen der Angst vor Gefahr. In erster Linie scheuen junge und temperamentvolle Pferde häufiger, als alte und gemeine. Hengste sind mutiger als männliche Kastraten und Stuten. Die Reaktionen beim Scheuen bestehen im Seitwärtsspringen, Kehrtmachen, Durchbrennen, oder sonstigen Versuchen, sich der Führung des Reiters oder Fahrers zu entziehen. Das dressierte Pferd gehorcht besser als das rohe, wie denn überhaupt die Angewöhnung an eine bestimmte Arbeit die Lenksamkeit erhöht.

Pferde scheuen vor am Boden liegendem Papier, besonders wenn es vom Wind bewegt wird, vor einem Wassertümpel, Wehrstein, dem eigenen Schatten, vor Möbelwagen, Automobilen und der Eisenbahn.

Der Praktiker wird gelegentlich vor die Aufgabe gestellt, die Ursache dieses abnormen Benehmens zu eruieren. Nun kann das

Scheuen in erster Linie durch ungenügendes Sehen als Folge von materiellen Augenveränderungen, also von Trübungen der durchsichtigen Medien und von Netzhauterkrankungen verursacht sein. Diese sind bei genauer Untersuchung am grossen Pferdeauge nachweisbar.

Schwendimann hat 59 scheue Pferde einlässlich ophthalmoskopisch geprüft. 27 oder 54%litten an den Folgen früherer Entzündungen, wie: Trübungen der Hornhaut, der Linse, des Glaskörpers und an Veränderungen des Augenhintergrundes.

22 weitere Pferde oder 44%jedoch hatten Sehstörungen zufolge von abnormen Brechungsverhältnissen, wobei wie beim Menschen in erster Linie die Kurzsichtigkeit hervorzuheben ist. Auch beim Pferd handelt es sich um Axenmyopie, bei der die Längsachse des Auges im Verhältnis zur Leistung seiner brechenden Medien zu lang ist. Das Bild entsteht vor dem Augenhintergrund und wird deshalb undeutlich. Es ist verständlich, dass Pferde gelegentlich aus diesem Grunde scheuen. Die Vererbung der Axenmyopie, deren hereditärer Charakter beim Menschen nach Vogt nicht zu verkennen ist, muss auch beim Pferd, Rind und Hund als feststehende Tatsache angenommen werden.

Anderseits verursachen abnorme Wölbungen, namentlich der Hornhaut, Astigmatismus oder Brennpunktlosigkeit genannt, bei Pferden gelegentlich Scheuen. Dabei ist der Brennpunkt in den verschiedenen Meridianen der Hornhaut und etwa auch der Linse ungleich, was wiederum undeutliche Bilder und schlechtes Sehen verursacht. Wir sind imstande, diese Brechungsabnormitäten ebenfalls einigermassen genau festzustellen.

Indessen gibt es eine ziemliche Zahl weiterer scheuender Pferde, bei denen die Augen normal befunden werden. Bei diesen kann in erster Linie Furchtsamkeit, Ängstlichkeit und Nervosität Schuld für das abnorme Benehmen sein. Das wilde Pferd ist nach Zell ein fliehender Pflanzenfresser und die Verwandlung zum Haustier hat es nicht mutiger gemacht. Auch bei ihm hat die Kultur entnervend gewirkt. Wir müssen Gerhardt zustimmen, wenn er sagt: ,,Le cheval est un animal essentiellement poltron, quoi qu'en disent ses panégyristes, et lorsque sa nature craintive

se complique d'une vue défectueuse, infirmité qui se rencontre malheureusement très souvent, il est fort difficile de le mettre en confiance et de le rendre parfaitement franc."

Rohe Behandlung und auch das Bemühen, ein Pferd mit Gewalt an einen Gegenstand heranzubringen, vor dem es Furcht hat, verschlimmern die Ängstlichkeit, ja es kann so direkt scheu und widersetzlich gemacht werden.

Andere Pferde haben Angst vor dem Schiessen, der Musik, dem Trommeln und Hundegebell. Das Rasseln eines Wagens kann sie ebenfalls zu abnormem Benehmen und Scheuen veranlassen. Man spricht in solchen Fällen auch von Gehörscheu. Abdeckereien, Gerbereien, Schlachthäuser und Menagerien können Geruchscheu verursachen.

Abnorme Empfindungen bei Belästigungen durch Wespen und Hornisse, das Aufstieben von Schnee und fehlerhaftes Verhalten des Reiters haben bei temperamentvollen Pferden Reaktionen zur Folge, die unter den Begriff des Scheuens zufolge unangenehmer Empfindungen kommen.

Bei allen diesen Untugenden hat wiederum die Heredität eine gewisse Bedeutung, denn nicht nur physische, sondern auch moralische Eigenschaften der Tiere werden vererbt. In der englischen Vollblutzucht gibt es Beispiele, wo ganze Familien mit der gleichen Untugend behaftet sind.

Bei der Panik, von der etwa ganze Gestütsherden befallen und zum blinden Davonstürmen veranlasst werden, kommt die Urnatur des Pferdes als Herdentier und seine ererbte Gewohnheit zur Flucht zum Ausdruck.

Wenn nicht in gleichem Umfange wie für den Menschen, so sind doch' die Möglichkeiten zum Entstehen von Augenerkrankungen auch bei den Haustieren mannigfaltig. Trotzdem der Bau ihres Sehorgans nicht wesentlich variiert, machen sich die Schädlichkeiten von Art zu Art verschieden geltend, wie das namentlich für die bakteriellen Reize zutrifft. Durch Schwächung der Konstitution wirkt sich auch hier die Domestikation nachteilig aus.

Von allen Nutztieren sind die Augenerkrankungen des Pferdes

von besonderer Bedeutung, dann an seine Sehfähigkeit werden die grössten Anforderungen gestellt. Dabei kommen bei der Beurteilung von abnormem Benehmen nicht nur erworbene Sehstörungen in Betracht, sondern auch psychische Affekte und hereditäre Faktoren müssen berücksichtigt werden.

Bourgelat hat bei der Gründung der tierärztlichen Unterrichtsanstalten dem Wunsche Ausdruck verliehen "que leurs portes soient sans cesse ouvertes à tous ceux qui, chargés par état de veiller à la conservation des hommes et des animaux, auront acquis par le nom qu'ils se seront fait le droit de venir interroger la nature, de chercher, des analogies et vérifier des idées dont la confirmation ne peut qu'être utile à l'espèce humaine."

Herr Kollege Vogt wies in seinem letztjährigen akademischen Aula-Vortrag daraufhin, naturwissenschaftliche Forschung sei in erster Linie Kleinarbeit und bedeute Suchen und Sammeln von Bausteinen, und wenn wir uns über degenerative Wirkungen der Domestikation auf den Menschen ein Bild machen wollen, müssen wir zunächst am Haustier lernen. Wir leisten mit solcher Arbeit gleichzeitig Arbeit im Dienste des Menschengeschlechts.

Diese Gedanken waren für die heutigen Darlegungen wegleitend.

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Rektorats Reden © Prof. Schwinges
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