Über Augenerkrankungen der Tiere
BERICHT
über das akademische Jahr
1935/36
DRUCK: ART. INSTITUT ORELL FÜSSLI, ZÜRICH
INHALTSVERZEICHNIS Seite
I. Rektoratsrede 3
II. Ständige Ehrengäste der Universität 24
III. Jahresbericht 25
a) Erziehungsdirektion 25
b) Dozentenschaft 25
c) Universitätsverwaltung 29
d) Organisation und Unterricht 29
e) Feierlichkeiten, Kongresse und Konferenzen . . . 33
f) Studierende 35
g) Promotionen und Prüfungen 36
h) Preisaufgaben 38
i) Fonds und Stipendien 40
k) Kranken- und Unfallkasse der Universität . . . . 41
l) Witwen-, Waisen- und Pensionskasse der Professoren
der Universität 42
m) Zürcher Hochschulverein 44
n) Stiftung für wissenschaftliche Forschung 46
o) Jubiläumsspende für die Universität 51
p) Julius Klaus-Stiftung 55
IV. Schenkungen und Vermächtnisse 59
V. Nekrologe 61
I.
FESTREDE
DES REKTORS PROF. DR OSKAR BÜRGI
gehalten an der 103. Feier des Dies academicus der Universität Zürich
am 29. April 1936.
Über Augenerkrankungen der Tiere.
Als der Rechtsanwalt und spätere Tierarzt Claude Bourgelat
im Jahre 1763 in seiner Geburtsstadt Lyon die erste und zwei
Jahre später in Alfort bei Paris die zweite tierärztliche Unterrichtsanstalt
der Welt gründete, wurden diese Schöpfungen mit
Begeisterung begrüsst. Er brachte damit in Frankreich eine
allgemeine Ansicht der philosophisch orientierten Zeit zur Verwirklichung.
In seiner "Histoire naturelle générale" hatte Buffon schon
10 Jahre früher lebhaftes Interesse für den Gedanken bezeugt.
Auch Voltaire beglückwünschte Bourgelat, indem er ihm schrieb:
"Les animaux, nos confrères méritent plus de soins surtout
depuis que le Seigneur fit un pacte avec eux, immédiatement
après le déluge."
Die Kriege des 17. und 18. Jahrhunderts hatten enorme
Pferdeverluste verursacht. Alle Viehbestände der europäischen
Staaten waren durch die mit grosser Heftigkeit auftretende
Maul- und Klauenseuche, die Rinderpest und Lungenseuche in
hohem Masse dezimiert. So ist es verständlich, wenn die neugeschaffenen
Institute bald auch ausserhalb von Frankreich
grosse Beachtung fanden. Überall machte sich das Bedürfnis
nach theoretisch und praktisch ausgebildeten Tierärzten geltend.
Deshalb gab das initiative Vorgehen von Bourgelat in den folgenden
zwei Jahrhunderten in der ganzen Welt den Anstoss zur
Errichtung weiterer Institute, in denen durch systematischen
Unterricht über Anatomie, Physiologie, Pathologie und die
Wirkung von Arzneimitteln für die Entwicklung der wissenschaftlichen
Tierheilkunde allmählich eine feste Basis geschaffen
worden ist.
In der Schweiz ging Bern im Jahre 1806 voran und 1820
folgte Zürich nach, gestützt auf einen Beschluss des Kleinen
Rates vom 25. Jenner, mit der Begründung, es sei nötig, junge
Leute nach den Regeln der Wissenschaft, Vernunft und Erfahrung
ohne Vorurteil und Aberglauben tierärztlich handeln zu
lehren.
Aus naheliegenden Gründen fanden zunächst zur bessern
Ausbildung von Militärtierärzten die wichtigsten Erkrankungen
des Pferdes und zum Schutze der Landwirtschaft die Tierseuchen
in Unterricht und Forschung Berücksichtigung. Spezialgebiete
sind den Unterrichtsprogrammen erst im weitern Verlaufe des
Ausbaus der Lehranstalten beigefügt worden. Dazu gehörten
auch die Augenerkrankungen der Tiere, die als Anhängsel der
Chirurgie lange recht stiefmütterlich berücksichtigt worden sind.
Einlässlichere Literatur über dieses Gebiet findet sich erst vom
Beginne des 19. Jahrhunderts an in Frankreich, Italien, Deutschland
und der Schweiz vor. Die Erfindung des Augenspiegels
durch von Helmholtz um die Mitte des 19. Jahrhunderts brachte
auch für die Erkennung der Augenkrankheiten der Tiere einen
wesentlichen Aufschwung. Recht bezeichnend schreibt er darüber
an seinen Vater, dass bis anhin eine Reihe der wichtigsten
Augenkrankheiten unter dem Namen schwarzer Star eine Terra
incognita bedeutet habe, weil die Veränderungen in den hintern
Augenabschnitten unerkannt geblieben seien. Das traf nicht nur
für den Menschen, sondern auch für die Tiere zu. Ihre Augenerkrankungen
werden zwar nie nur annähernd die Bedeutung
derjenigen des Menschen erlangen. Namentlich kann auch die
Behandlung in operativer Richtung nicht Schritt halten. Und
doch spielen die Augenleiden für den tierärztlichen Praktiker
keine unbedeutende Rolle, denn akute Zustände beschäftigen
ihn nicht selten. Chronische, das Sehvermögen beeinträchtigende
Prozesse können aus Gründen der Gebrauchs- und Wertbeeinträchtigung
namentlich bei Pferden zu Rechtsstreitigkeiten
Anlass geben. Anderseits stehen gewisse Augenveränderungen
zu Allgemeinerkrankungen der Tiere in Beziehung und fallen
für ihre Erkennung, Beurteilung und Behandlung in Betracht.
Deshalb ist der stete Ausbau auch dieses Gebietes der Pathologie
eine Notwendigkeit und die Übermittlung der Kenntnisse an
die Studierenden in Vorlesungen und Kursen unumgänglich.
Wir wenden ihm in Unterricht und Forschung besondere Aufmerksamkeit
zu.
Es dürfte von dieser Stelle aus nicht unangebracht sein, den
Fragen der hauptsächlichsten Erkrankungsursachen und ihren
Wirkungen auf die Tieraugen näher zu treten, um zugleich auf
Probleme der Behandlung zu verweisen. Dabei kann es sich im
Rahmen eines Vortrages natürlich nur um eine kursorische
Schilderung der Verhältnisse handeln.
In erster Linie werden Tieraugen nicht selten von akuten
mechanischen Schädlichkeiten in Form von Quetsch- und Risswunden
der exponierten durchsichtigen Hornhaut betroffen.
Sie kommen gewöhnlich an ihrer höchsten Vorwölbung beim
Pferd und Rind durch Geschirrteile, Futterhalme und andere
Einwirkungen zustande, während Hunde und Katzen häufiger
Kratzwunden aufweisen. Die Beschädigungen sind stets mit den
Schmerzreaktionen Lichtscheu und Tränenfluss verbunden, denn
Gefühlsnerven gehen in grosser Zahl bis in die vordersten
Schichten der Hornhaut. Trübungen der Wundstelle und ihrer
Nachbarschaft, Erweiterung der normal nur am Rande vorkommenden
Blutgefässe, Neubildungen von Kapillaren mit
Tendenz zur Ausbreitung gegen die Reizstelle bilden weitere,
mehr oder weniger ausgesprochene Erscheinungen. Ihrer Übersichtlichkeit
wegen werden sie bekanntlich zum Studium des
Entzündungsproblems viel verwendet. Im allgemeinen ist die
Heilfähigkeit dieser Wunden bei Tieren gross. Allerdings können
Aussehen und Sehfähigkeit störende Fleckbildungen als bleibende
Hornhauttrübungen die Folge sein. Selbst perforierende Verletzungen
heilen häufig unter pigmentierter Narbenbildung mit
Erhaltung des Auges. Dabei erweisen sich der Abfluss des Kammerwassers
durch Abschwemmen von Fremdkörpern und Bakterien,
sowie der Wundverschluss durch die vorfallende Iris
als sehr vorteilhaft. Gefährlich ist die Hornhautmitte, weil der
letztere Vorgang da ausbleibt. Auch Perforationen am Rande
können zu Entzündungen der Regenbogenhaut und des Ziliarkörpers
mit allgemeiner Infektion des Auges führen. Besonders
schwerwiegend ist das Vordringen des Glaskörpers, denn eine
Durchspülung der Wunde findet dann nicht statt. Auch besitzt
er keine Fähigkeit, Schutzstoffe gegen Bakterien und ihre Gifte
zu bilden. Deshalb haben Infektionen der hintern Augenabschnitte
meist allgemeine eitrige Entzündung zur Folge.
Beim Menschen sind bekanntlich besonders perforierende
Augenwunden und das Eindringen von Fremdkörpern wegen
der Möglichkeit des Entstehens einer eigenartigen Entzündungsform
gefürchtet. Dabei treten unter bindegewebiger Verdickung
in der Aderhaut Infiltrate mit Riesenzellen auf, Veränderungen
wie sie sonst der Tuberkulose eigen sind. Aber der bei dieser
Infektion auftretende Vorgang der Verkäsung fehlt und Tuberkelbazillen
können nicht nachgewiesen werden. Hingegen geht der
Prozess früher oder später auf das andere Auge über. Das ersterkrankte
wird als das sympathisierende, oder Sympathie
erregende, das zweite als das sympathisierte, oder Sympathie
leidende bezeichnet, und der ganze Vorgang stellt die sympathische
Augenentzündung dar. Alle Augen, welche Verletzungen
erlitten und zu Aderhautentzündungen geführt haben, sind beim
Menschen fähig, sympathisierend zu wirken.
Die Art der Entstehung der Entzündung im unverletzten Auge
ist nicht abgeklärt. Am naheliegendsten erscheint die Hypothese,
es könnte sich um die Verschleppung einer unbekannten Erregerart
oder unbekannter Bakteriengifte handeln, die nur im
Auge krankmachend wirken. Auch ist die Resorption von
Gewebsstoffen der Aderhaut des ersterkrankten Auges schon
beschuldigt worden, die am bisher gesunden andern Sehorgan
eine Überempfindlichkeit der mittlern Augenhaut erzeugen sollen,
worauf die geringste Störung dort eine Entzündung auszulösen
imstande wäre.
Interessanterweise versagt das Tierexperiment, wie denn
derartige tuberkelähnliche Veränderungen der Aderhaut nach
Augenverletzungen bei den Haustieren auch nicht vorkommen.
Die sympathische Augenentzündung ist deshalb bei ihnen gar
nicht bekannt. Das deutet doch offenbar auf einen spezifischen
arteigenen krankmachenden Stoff hin, der in Tieraugen nicht
entsteht. Während es sich beim Menschen jeweilen darum handelt,
ein Sympathie erregendes Auge zum Schutze des andern
möglichst frühzeitig operativ zu entfernen, kommt der Eingriff
in diesem Zusammenhange bei den Haustieren nicht in Frage.
Zudem entstünde dadurch eine derartige Verunstaltung des
Patienten, wie sie ein noch so stark entartetes Auge nicht verursacht.
Auch ist das Einsetzen und Wechseln einer Prothese
bei einem ruhigen Tier wohl möglich, aber häufig führt die Prozedur
zu so starker Abwehr, dass sie undurchführbar wird.
Zu den allmählich sich einstellenden mechanischen Störungen
gehört ein Verhalten des Auges, das auf einem Missverhältnis
zwischen Fassungsvermögen und Inhalt beruht. Die Augenhüllen
umschliessen einen grösstenteils mit Flüssigkeit angefüllten
Hohlraum. Der so entstehende Druck wird als der intraokulare
bezeichnet. Er hängt vom Fassungsvermögen der Augenkapsel
und ihrem Inhalt ab. Letzterer variiert nach dem Blutgehalt der
mittlern Augenhaut und der Menge des Kammerwassers. Die
Regulierung des intraokularen Druckes erfolgt so, dass unter
normalen Verhältnissen Zu- und Abfluss der Augenflüssigkeit
im Gleichgewicht stehen. Ihre Absonderung geschieht durch die
vordem Abschnitte der mittlern Augenhaut, namentlich durch
die Epithelien des Ziliarkörpers und der Vorderfläche der Iris.
Dabei handelt es sich nicht um Lymphe im eigentlichen Sinne,
denn das Kammerwasser enthält nur Spuren von Eiweiss und
Salzen und gerinnt deshalb nicht. Dieser Vorgang ist nur bei
pathologischen Verhältnissen möglich, wenn eine Erhöhung des
sonst spärlichen Eiweissgehaltes eintritt. Das spezifische Gewicht
und der Brechungsindex der unveränderten Kammerflüssigkeit
weichen nur wenig vom reinen Wasser ab. Der Abfluss
erfolgt hauptsächlich im Raume zwischen Hornhaut und Irisgrund,
Kammerbucht, Kammerwinkel genannt. Aus den Lücken
des dortigen Gerüstwerkes tritt das Kammerwasser unter normalen
Verhältnissen entsprechend der Absonderung durch ein
Venensystem wieder aus dem Auge. Zum Teil mag dieser Vorgang
auch durch die Iris selbst erfolgen. Der Flüssigkeitsaustritt in
den hintern Augenteilen durch einen Raum ausserhalb der Aderhaut
und einen Kanal in der Mitte des Glaskörpers ist von untergeordneter
Bedeutung. Am gesunden Auge halten sich also
Zu- und Abfluss des Kammerwassers das Gleichgewicht und der
intraokulare Druck ist somit normal.
Ein Komplex von Krankheitssymptomen, unter denen die
Drucksteigerung im Vordergrund steht, wird von alters her als
grüner Star, Meergrünauge oder Glaukom bezeichnet. Dabei mag
gleich hervorgehoben werden, dass Linsentrübungen fehlen und
der Vorgang mit Starbildung nichts zu tun hat. Am vorher
gesunden, sehtüchtigen Auge tritt die Erkrankung beim Menschen
als primäres Glaukom mit oder ohne Entzündung und als
Sekundärglaukom im Anschluss an eine anderweitige Augenerkrankung
auf. Im letztem Falle stellt also das Symptomenbild
des Glaukoms die Komplikation eines andern Augenleidens dar.
Während das primäre beidseitig auftritt, befällt das sekundäre
Glaukom meistens nur ein Auge.
Die Erscheinungen bestehen bei mehr oder weniger erhöhter
Spannung in Sehstörungen, Schmerzen, Pupillenerweiterung,
Hornhauttrübung und Ausbuchtung des Sehnervenkopfes. Ohne
rechtzeitige Behandlung tritt meist Erblindung unter allmählicher
Entartung des erkrankten Auges ein.
Ursachen zu diesen Vorgängen bilden Hindernisse in den
vordem Abflusswegen des Kammerwassers.
Glaukomerkrankungen kommen bei Tieren ebenfalls vor.
So können Katzen und Kaninchen gelegentlich an primärem
Glaukom leiden. Allerdings werden die Frühstadien selten konstatiert,
da Sehstörungen erst zur Beobachtung gelangen, wenn
sie schon ausgesprochen und auch die übrigen Erscheinungen
deutlich geworden sind. Viel häufiger hingegen sind nach den
Untersuchungen, die Grieder bei uns gemacht hat, sekundäre
Glaukoms. So können Produkte der entzündeten Iris den
Kammerwinkel verlegen. Auch Änderungen in der Zusammensetzung
der Augenflüssigkeit scheinen durch Erhöhung ihres
Eiweissgehaltes den Filtrationsvorgang in der Kammerbucht
zu erschweren. Verwachsungen der Pupillarränder unter sich
oder mit der vordem Linsenkapsel führen zu Drucksteigerung
in der hintern Augenkammer, zu napfkuchenartiger Vorwölbung
und Verwachsung des Irisgrundes mit der Hornhaut und so ebenfalls
zur Verlegung des Kammerwinkels.
Eine interessante Tatsache besteht darin, dass die Spannungszunahme
im Tierauge selten mit Ausbuchtung des Sehnervenkopfes
verbunden ist, während diese sich beim Menschen rasch
geltend macht. Wir haben die Veränderung nur bei der Katze
nachgewiesen. Nach andern Untersuchungen soll sie gelegentlich
auch beim Hund vorkommen. Bei allen andern Haustieren jedoch
ist die Widerstandsfähigkeit der Eintrittsstelle des Sehnerven
ins Auge so gross, dass die Exkavation ausbleibt. Hingegen
führt die Spannungszunahme nach und nach stets zur Vergrösserung,
zur Augapfelwassersucht. Diese Veränderung soll am
menschlichen Auge nur bei Kindern mit angeborenen Hindernissen
für den Abfluss in die Kammerbucht auftreten.
Man sieht nicht selten Tiere mit einseitig stark vergrössertem
Auge, getrübter Hornhaut, erweiterter starrer Pupille und
verlagerter Linse. Das Rinderauge kann dabei typischen Langbau
annehmen.
Während also bei glaukomatösen Erkrankungen der erwachsenen
Menschen die Gegend des Sehnerveneintrittes schon frühzeitig
dem gesteigerten intraokularen Druck nachgibt und sich
ausbuchtet, ist diese Veränderung bei Tieren selten. Hingegen
erweisen sich bei ihnen die Augenhüllen, speziell die äussere,
wenig widerstandsfähig. Sie dehnen sich bei zunehmendem Druck,
das Auge wird allmählich gross und entartet unter Aufhebung
des Sehvermögens. Daraus muss gefolgert werden, dass die
Widerstandsfähigkeit des Sehnervenkopfes am tierischen Auge
grösser ist, als diejenige der Augenhüllen.
Die Glaukombehandlung, in der Förderung des Abflusses des
Kammerwassers unter Freilegung des Iriswinkels bestehend,
kommt bei den Tieren wegen Nichtbeachtung der Frühstadien
der Erkrankung meist zu spät. Auch operative Eingriffe, wie
sie von Graefe im Prinzip im Jahre 1856 als Iridektomie eingeführt
hat, spielen kaum eine Rolle. Das primäre Glaukom ist
selten und beim Sekundärglaukom wäre der Erfolg der Entzündung
und der grossen Infektionsgefahr wegen von vornherein
fraglich.
Weitaus am häufigsten geben auch bei den Tieraugen bakterielle
Ursachen, also Infektionen zu Erkrankungen Anlass.
Dabei gelangen pathogene Bakterien entweder direkt ins Auge,
oder sie sind anderswo in den Körper eingedrungen und das
Sehorgan wird auf dem Wege der Blut- und Lymphbahn
ergriffen. Im erstem Falle spricht man von ektogener, im letztem
von endogener Infektion. Die Mikroben allein würden vom Auge
ziemlich reaktionslos vertragen, wenn sie indifferent wären.
Wie überall im Organismus, wirken sie auch hier zur Hauptsache
durch die Erzeugung von giftigen Substanzen, Toxine genannt.
Diese reizen örtlich, wie auch durch Diffusion in der Nachbarschaft
und zufolge Beimischung zu Blut und Lymphe auf
entfernte Organe.
Ektogene Infektionen bilden bei einigen Tieren auffällig
häufige Ursachen von Augenerkrankungen. Dabei entsteht nach
Bindehautentzündung Stauung von Sekreten im Lidsack und
Steigerung des Keimgehaltes. Die intakte Hornhaut in Verbindung
mit dem Lidschlag verhindert zunächst das Eindringen
der Bakterien. Wird jedoch das Hornhautepithel oberflächlich
mazeriert und stellenweise abgestossen oder mechanisch beschädigt,
so vermögen Mikroben auch dort einzudringen und
mit ihren Toxinen Entzündungsvorgänge auszulösen. So beobachtet
man bei Schafen und Ziegen eine ansteckende, seuchenhafte
Bindehaut- und Hornhautentzündung. Sie befällt auch
Steinböcke, Gemsen und vom Rindergeschlecht besonders
Jungtiere, während ältere Rinder und Pferde des gleichen Bestandes
durchschnittlich gesund bleiben. Schwellung der Lider,
Lichtscheu, eitrige Sekretion, graugelbe, zentrale Trübungen
der Hornhaut mit anschliessender Geschwürsbildung, Randgefässerweiterung
und Neubildung von Kapillaren gegen diese
Stellen charakterisieren das klinische Bild. Die Infektion wird
durch mit Sekret beschmutzte Fliegen, oder auf der Weide auch
so übertragen, dass gesunde Tiere an durch Sekret verschmierten
Sträuchern den Kopf reiben. Meistens erkranken alle Tiere eines
Bestandes mehr oder weniger hochgradig an dieser auf die Wirkung
eines stäbchenförmigen Mikroben zurückzuführenden Infektion.
Währenddem sie allein auftritt, beobachtet man eine
ähnliche als Begleiterscheinung einer Allgemeinerkrankung,
die nur Ziegen und Schafe befällt.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts haben italienische Forscher
zuerst darauf aufmerksam gemacht. Zufolge des Versiegens der
Milch als Hauptsymptom und des seuchenhaften Charakters
wegen wurde die Krankheit von ihnen Agalassia contagiosa
benannt. Sie befällt allerdings Tiere beiderlei Geschlechts, weshalb
die durchwegs gebräuchliche Bezeichnung infektiöse Agalaktie
nicht absolut zutreffend ist. Da sie gelegentlich ganze
Weidebestände der Kantone Graubünden, St. Gallen, Uri,
Tessin, Wallis, Freiburg und Bern ergreift, ist sie anzeigepflichtig
und wird durch seuchenpolizeiliche Massnahmen bekämpft.
Die infektiöse Agalaktie verursacht bei mehr oder weniger
deutlichen Störungen des Allgemeinbefindens katarrhalische
Entzündungen mit Schwund des Euters, Veränderungen der
allmählich versiegenden Milch, sowie gelegentlich Erkrankungen
der Gliedmassengelenke mit Lahmheit und Lymphdrüsenschwellungen.
In ungefähr 13% der Fälle treten Augenerkrankungen
hinzu. Diese beginnen wiederum mit Bindehautentzündung.
Juckgefühl und Reiben des Kopfes geben zu nachheriger
Beschädigung und Infektion der Hornhaut Veranlassung.
Trübungen in der Lidspaltenzone, Geschwürsbildung und Hornhautperforation
mit Vorfall der Regenbogenhaut können folgen.
Unsere histologischen Untersuchungen haben ergeben, dass
sowohl bei der alleinigen Hornhaut- und Bindehautentzündung,
als auch bei derjenigen der infektiösen Agalaktie trotz Abzessbildung
mit Nekrosen und Geschwüren konsekutive Entzündungen
der mittleren Augenhaut und des ganzen Bulbus relativ
selten sind. Selbst hochgradige Prozesse heilen oft so ab, dass
man klinisch nur geringe Hornhauttrübungen oder auch gar
keine Veränderungen mehr nachweisen kann. Die Widerstandsfähigkeit
und Heiltendenz der Augen sind somit bei den kleinen
Wiederkäuern auffallend gross.
Bridré und Donatien wiesen im Milchfiltrat von an infektiöser
Agalaktie leidenden Tieren einen zur Gruppe der Kugelbakterien
gehörenden Mikroben nach. Sie haben ihn auf Nährböden
züchten und mit Kulturen bei Ziegen und Schafen die Krankheit
wieder hervorrufen können. Die natürliche Infektion erfolgt
hauptsächlich von den Verdauungswegen aus, während die
Übertragung der Erreger in den Bindehautsack durch Eutersekret
geschieht.
Hunden und andern Fleischfressern ist bekanntlich eine sehr
ansteckende Krankheit eigen, die als Staupe oder Sucht bezeichnet
wird. Sie geht mit katarrhalischer Entzündung der
Schleimhäute des Kopfes, des Atmungs- und Verdauungsapparates
einher. Nervöse Erscheinungen und ein charakteristischer
Hautausschlag können sich dazugesellen. Eine häufige
Komplikation ist die Lungenentzündung, weshalb die Mortalität
50-60%beträgt. Der oder eventuell die Infektionserreger sind.
bis jetzt nicht bekannt.
Die Augenerkrankungen können bei der Staupe allein, oder in
Verbindung mit andern Erscheinungen zunächst als eitrige
Bindehautentzündung auftreten. Nach der durch Mazeration
oder Scheuern entstandenen Epithelschädigung dringen Erreger
in die Hornhaut. Sie verursachen dort Infiltrate und Nekrose
mit geschwürigem Zerfall. Bei reger Gefässneubildung heilt der
Prozess ab, oder schreitet weiter unter Durchbruch der Hornhaut
mit Irisvorfall und nachheriger Vernarbung. Tiefenkomplikationen
führen zur Entartung des Auges.
Die Veränderungen sind bei uns durch Heusser einlässlich
untersucht worden. Sie können neben Geschwürsbildung auch
unter milchglasähnlicher Trübung und rasch entstehender Undurchsichtigkeit
der Hornhaut einhergehen. Dieser auf endogener
Giftwirkung beruhende Prozess beginnt mit Entzündung der
Iris und des Ziliarkörpers, auf die starke Hornhautquellung folgt.
Er kann ebenso rasch wieder abheilen wie er aufgetreten ist.
Aus diesen Darlegungen geht hervor, dass die Augeninfektionen
der kleinen Wiederkäuer und Karnivoren hauptsächlich
ektogener Natur sind und namentlich zu Erkrankungen der
vordem Abschnitte führen. Diesem Verhalten gegenüber sind
die Augen der grossen Nutztiere, also des Pferdes und erwachsenen
Rindes gegen diesen Infektionsmodus widerstandsfähig,
jedoch erkranken sie nicht selten endogen. Dabei sind es bei den
akuten Entzündungen nicht die Mikroben selbst, sondern ihre
Toxine, welche die empfindliche mittlere Augenhaut reizen.
So werden von den Einhufern besonders die Pferde der Händler
und des Militärs gelegentlich von einer sehr ansteckenden
Krankheit: Pferdestaupe, Pferdeinfluenza oder auch Pferdegrippe
genannt, befallen. Sie hat mit der Grippe des Menschen
nichts zu tun.
Ein filtrierbares Virus veranlasst Entzündungen der Schleimhäute
der Atmungs- und Verdauungswege, sowie ödematöse
Schwellungen des Kopfes und der Gliedmassen. Die Krankheit
ist mit lebenswarmem Blut infizierter auf gesunde Pferde übertragbar.
Eine ziemlich konstante und charakteristische Miterkrankung
stellt diejenige der Augen dar. Das Virus entzündet
die mittlere Augenhaut und veranlasst Kammerergüsse mit
Blutungen. Rasch folgen Hornhaut- und Bindehautentzündungen,
wobei letztere oft mit starker ödematöser Schwellung verbunden
sind. Wie die übrigen Symptome, so verschwinden auch die der
Augen in kurzer Zeit wieder und der Krankheitsverlauf ist
deshalb ein gutartiger. Nur ausnahmsweise lässt die innere
Augenentzündung Linsen- und Glaskörpertrübungen, sowie
Netzhautveränderungen zurück.
Auch die Brustseuche, eine ansteckende Lungen- und Brustfellentzündung
des Pferdegeschlechts kann metastatische Entzündungen
veranlassen. Neben solchen der Sehnenscheiden
kommen Augenentzündungen vor und zwar sowohl während der
Primärkrankheit, als auch in ihrem Rekonvaleszenzstadium.
Wiederum werden ein- oder beidseitig durch die Wirkung von
Bakterientoxinen namentlich die vordem Abschnitte der mittlern
Augenhaut entzündet.
Während die Augenentzündung bei der Staupe der Pferde
ein fast konstantes Symptom darstellt, ist sie bei der Brustseuche
selten. Verwachsungen der Iris, Linsen- und Glaskörpertrübungen
sind möglich, weshalb die Prognose sich hier ungünstiger
gestaltet.
Akute endogene Entzündungen der Rinderaugen als Folgeerscheinungen
einer Allgemeinerkrankung sind diejenigen des
bösartigen Katarrhalfiebers, der bösartigen Kopfkrankheit, die
durch katarrhalische und diphtheritisehe Entzündung der
Schleimhäute des Kopfes und der Verdauungsorgane charakterisiert
ist. Erkrankungen des Nervensystems und solche der Augen
sind dabei häufig. Dieses in einzelnen Gegenden besonders
frequent auftretende Leiden wird ursächlich den Infektionen
zugezählt, wobei jedoch die Ansteckung von Nachbartieren fehlt
und krankmachende Stoffe bis jetzt trotz vielseitiger Bemühungen
nicht mit Sicherheit haben nachgewiesen werden
können. Goetze und Liess wollen zwar das bösartige Katarrhalfieber
mit Blut kranker Rinder auf gesunde überimpfen können.
Sie halten Schafe für die Träger des Krankheitsstoffes, von
denen durch Zusammenleben Rinder infiziert werden sollen.
Ackermann hat bei uns nachgewiesen, daß das Leiden in. der
Schweiz in gebirgigen Gegenden mehr vorkommt als im Flachland.
So ist es auch im Kanton Zürich im Albisgebiet und Oberland
häufiger als im Unterland. Aus dem Kanton Graubünden
erhält unsere Beobachtungsstation nicht selten Rinder mit
bösartigem Katarrhalfieber.
Der Giftstoff der Krankheit, deren Mortalität bis zu 70%
beträgt, zirkuliert im ganzen Organismus. Er verursacht nicht
nur Entzündung der Schleimhäute der Atmungs- und Verdauungs-Wege,
sondern auch solche der mittlern und innern Augenhaut
mit Ergüssen. Anschliessend stellt sich Quellung der Hornhaut,
besonders am Rande, ein. Ihr rascher brandiger Zerfall deutet
auf eine besonders schwere, meist letal endigende Erkrankung hin.
Alle diese akuten verschleppten Augenentzündungen sind
Begleiterscheinungen von Erkrankungen, die mehr oder weniger
den gesamten Organismus in Mitleidenschaft ziehen.
Nun werden aber die Augen der Pferde auch allein auf endogenem
Wege entzündet. Dabei handelt es sich um eine den
Züchtern und Pferdekennern wohlbekannte schwerwiegende
Erkrankung, die von der mittlern Augenhaut sich allmählich
auch an den übrigen Organteilen auswirkt. Der Rückfälligkeit
wegen heisst sie periodische Augenentzündung. Da ihr Entstehen
früher ursächlich mit den Mondphasen in Zusammenhang gebracht
wurde, sei auch die alte Benennung Mondblindheit
erwähnt.
In jedem Alter vorkommend, befällt sie hauptsächlich jüngere
Pferde. Die sich wiederholenden Entzündungen veranlassen
häufig Trübungen und auch Verlagerungen der Linse, Veränderungen
des Glaskörpers und der Netzhaut mit Sehstörungen bis
zur Erblindung. Totale Entartungen mit Augenschwund sind
keine seltenen Folgen.
Die Ursachen dieser in Intervallen von vier und mehr Wochen
auftretenden Augenerkrankung sind nicht näher bekannt. Auffällig
ist ihre Gebundenheit an gewisse Gegenden. In den
Pferdezuchten des Nordens von Europa selten, tritt sie in einigen
Gebieten von Deutschland, Frankreich, Italien und auch in
Ungarn ziemlich häufig auf. So hat Papp bei ungarischen Pferdebeständen
bis zu 10%Veränderungen von periodischer Augenentzündung
nachgewiesen. Ursächlich wirken Niederungen und
Flussgebiete mit lehmigem Boden besonders nachteilig. Das
dort gewachsene Futter kann auch bei Pferden anderer Gegenden
periodische Augenentzündung hervorrufen. Das Agens haftet
somit am Boden und Futter und wahrscheinlich steht es auch
mit dem Trinkwasser in Verbindung. Sanierung der Bodenverhältnisse
vermag die Ortskrankheit zum Verschwinden zu
bringen. Jungtiere bleiben, wenn sie vor der Erkrankung aus
gefährdeten in ungefährdete Gegenden verbracht werden,
gesund.
Nach Untersuchungen von Berrár und Manninger liegt kein
Beweis dafür vor, dass in erkrankten Augen irgend ein vermehrungsfähiger
Infektionsstoff, Bakterium oder flitrierbares Virus
vorhanden wäre. Das scheint eher darauf hinzudeuten, dass ein
mineralischer oder pflanzlicher Giftstoff zu beschuldigen ist.
Vererbte Dispositionen sind dabei nicht ausgeschlossen.
Von den chronischen endogenen Augeninfektionen endlich
kommt nur die Tuberkulose in Betracht. Diese verheerende
Seuche befällt bekanntlich von den Haustieren namentlich das
Rind, Schwein und das Geflügel, während sie beim Pferd und
Hund seltener ist. Als Teilerscheinung der generalisierten Erkrankung
sind von Manleitner beim Rind in 5 und beim Schwein
in 1 1/2%Veränderungen von Augentuberkulose gefunden worden,
die alle die mittlere Augenhaut betrafen. Bei Katzen hat Veenendaal
auch ektogene Augeninfektionen konstatiert. Unter den
Vögeln ist die Tuberkulose der Konjunktiva und Lider der
Papageien keine Seltenheit, während beim Hausgeflügel hauptsächlich
Fütterungs- oder intestinal entstandene Tuberkulose
vorkommt. Bei den in unserm Institut durch Ammann untersuchten
Rinderaugen handelte es sich um endogen entstandene
Tuberkulose. Dabei entwickelt sich die Entzündung langsam.
Zudem werden an das Sehvermögen des Stallrindes geringe
Anforderungen gestellt. Aus diesen Gründen bleiben die Anfangsstadien
tuberkulöser Augenveränderungen meist unbeachtet.
Die durch die Blut- und Lymphwege verschleppten Bazillen
können sich in allen Teilen der mittlern Augenhaut ansiedeln.
Während die Aderhauttuberkulose lange symptomlos verläuft,
verursachen tuberkulöse Veränderungen der Iris und des Ziliarkörpers
oft Ergüsse.
Nur serologisch als zur Tuberkulose gehörende Augenentzündungen,
wie sie beim Menschen offenbar durch Toxinwirkung
entstanden vorkommen, haben wir beim Rind nicht beobachtet.
Die unter der Bildung von Riesenzellen und Anhäufung von
Lymphozyten entstehenden Knötchen haben fortschreitenden
Charakter. Verkäsungs- und Verkalkungsvorgänge schliessen
sich an, und innert Jahresfrist kann ein Rinderauge vollständig
tuberkulös entartet sein.
Chemisch differente Substanzen wirken nicht häufig schädigend
auf Tieraugen ein. Wohl vermögen Ätzungen durch Kalk,
Ammoniak der Stalluft, etwa auch die zur Bekämpfung von
Hautparasiten verwendete schweflige Säure und Rauch Entzündungen
der vordem Abschnitte zu verursachen.
Naphthalin führt vom Darm von Kaninchen und Hunden
aus zu Netzhautentzündung und Linsentrübung, offenbar nach
Gefässveränderungen der mittlern Augenhaut.
Bei Waschungen von Tieren mit Tabaklauge kann Nikotin
zu Erkrankungen der mittlern und innern Augenhaut, sowie des
Sehnerven führen. Derartige Beobachtungen werden auch bei
andern pflanzlichen Giften, wie z. B. beim Hund bei der Verwendung
von Santonin zu Wurmkuren, gemacht. Quecksilber-
und Kochsalzvergiftungen schädigen die Augen der Wiederkäuer
in ähnlicher Weise.
Die Zuckerharnruhr des Hundes führt nach Gefässerkrankungen
des Ziliarkörpers zu Linsentrübungen, während vom Ausfall
der Schilddrüsenfunktion als Wirkung auf Tieraugen wenig
bekannt ist. Hingegen veranlassen von Organerkrankungen herrührende
Zellgifte, z. B. solche von Nierenentzündungen, Aderhaut-
und Netzhautveränderungen. Auch gewisse Gehirnleiden
des Pferdes können sich am Optikus und an der Retina geltend
machen.
Von den physikalischen Ursachen ist eigentlich nur die Kältewirkung
auf die Bindehäute hervorzuheben. Beeinflussungen der
Tieraugen durch Röntgen- und Radiumstrahlen, Elektrizität und
ultraviolettes Licht sind uns nicht bekannt.
Von den Folgen der Augenerkrankungen beschäftigen den
Praktiker besonders die Trübungen der Hornhaut und Linse,
des Glaskörpers und Veränderungen der Netzhaut.
Die hauptsächlich auf Verwundungen und sonstigen äussern,
weniger auf innern Augenentzündungen beruhenden Hornhautflecken
sind leicht zu erkennen. Schon schwieriger ist der Nachweis
von Startrübungen, denen bei Untersuchungen auf Kauf
und Werttaxation von Pferden grosse Bedeutung zukommt.
Diese durch komplizierte Gewebsveränderungen entstehenden
Störungen der Durchsichtigkeit der Linse können gelegentlich
nach Verletzungen als Wundstar auftreten. Aber beim Pferd
sind sie in den meisten Fällen Komplikationen von innern Reizen,
wobei besonders die periodische Augenentzündung zu beschuldigen
ist. Dabei kann es zu Verklebungen der Regenbogenhaut
mit der Linsenkapsel und zu pigmentierten Startrübungen
kommen. Anderseits erfolgt die Zufuhr von Ernährungsstoffen
am Linsenäquator vom Ziliarkörper aus. Entzündungen gefährden
diese Vorgänge in der Linse. Auch der Glaskörper wird
in gleicher Weise und durch Ergüsse betroffen. Trübungen beider
Augenteile sind deshalb nicht seltene Entzündungsfolgen. Für
die Degenerationen und Ablösungen der Netzhaut trifft das
ebenfalls zu. Im weitern aber sind Linsentrübungen besonders
beim Hund Folgen von Rückbildungsvorgängen als Alterserscheinungen.
In der Tier- und Pflanzenreihe wird bekanntlich der Lebensabschluss
durch verschiedene Merkmale des Seniums eingeleitet.
Gewisse Organteile haben ihre Rolle ausgespielt, bevor der
Gesamtorganismus stirbt. Knochen werden brüchig, Gelenke
und Muskeln zufolge von Altersveränderungen steif. Früher oder
später lassen auch die Sinnesorgane solche erkennen.
Wegner unterscheidet lang- und kurzlebige Organe und Organteile.
Dabei diktiert nach Vogt nicht die Zahl der Jahre, sondern
die schon im Keimplasma erblich angelegte Vitalität das Senium.
Das Keimplasma entscheidet nicht nur über die Lebensdauer
des Individuums, sondern auch über diejenige seiner Organe und
Organteile. Unter den Haustieren altert das Auge des Hundes
besonders früh. Die meisten Rassen, vielleicht mit Ausnahme
der Wolfs- und Windhunde, gehören nach Zell als Nasentiere
zu den schwachsichtigen Geschöpfen. Sie sind nicht wie der
normalsichtige Mensch imstande, Einzelheiten in der Ferne zu
erkennen. Überhaupt ist die Sinnesschärfe der Tiere ganz verschieden.
Alle scharfsehenden wie Katzen und Vögel wittern
nicht gut, und alle feinnasigen wie Pferde, Rinder und Hunde
sehen relativ schlecht. Auch befallen die durch das Senium bedingten
Degenerationen mit Vorliebe die wenig beanspruchten
Organe, was für die Augen der Tiere absolut zutrifft. Funktionelle
Reize sind für die Erhaltung eines Organs von Bedeutung.
Deshalb sehen wir Alterstrübungen der Linse beim Hund, bei
dem das Auge ein Nebensinn ist, häufig, während sie bei katzenartigen
Tieren viel seltener vorkommen. Bei fast allen Hunderassen
sind Startrübungen im höhern Alter konstant. Nach den
Untersuchungen von Jakob beginnt diese Starart beim Hund,
der mit zwölf Jahren ein Greis ist, ungefähr mit dem neunten
Altersjahre. Sie bildet ein zuverlässigeres Merkmal für die Altersschätzung,
als die Abnützung des Gebisses und die grauen Haare
am Kopf. Dabei sind die Linsenveränderungen denen des senilen
Stars des Menschen ähnlich. Sie treten nach Vogt bereits in
einem Zeitpunkt auf, in dem sich die menschliche Linse noch
nicht auf der Höhe der Entwicklung befindet.
Stef/an fand bei Pferden von ungefähr 15 Jahren an 34%
Trübungen der Linse. Aber hier handelt es sich ebenfalls hauptsächlich
um Starbildungen als Komplikationen von innern
Augenentzündungen, während Altersdegenerationen selten sind.
Anschliessend dürfte eine kurze Erörterung der Staroperationen
angezeigt sein, wobei aus naheliegenden Gründen nur Pferd
und Hund in Frage kommen. Die meisten Linsentrübungen des
Pferdes stellen als Begleitveränderungen von rückfälligen Augenentzündungen
im Vergleich zu den Schädigungen der Aderhaut
und Retina fast eine Nebensache dar. Abgesehen von der praktischen
Unmöglichkeit einer Brillenkorrektur wäre die Netzhaut
nicht mehr fähig, die nach Entfernung der Linse auf sie fallenden
Bilder zu perzipieren. Aber auch die technischen Schwierigkeiten
einer Staroperation sind beim Pferd zufolge der starken Augenmuskulatur,
der dadurch entstehenden Gefahr des Glaskörpervorfalls
und der Infektion gross. Infolgedessen spielt dieser Eingriff
hier keine Rolle.
Etwas anders liegen die Verhältnisse beim Hund. Er leidet an
Altersstar, bei dem die Voraussetzungen zu etwelcher Korrektur
des Sehvermögens durch Schaffung eines linsenlosen Auges
gegeben sein können. Staroperationen wurden deshalb schon
durchgeführt und ein vorher blinder Hund war imstande, seinem
Herrn wieder zu folgen. Aber das Sehvermögen ist bei vielen
Altersstaren noch derart, dass die Hunde sich in Verbindung mit
ihren hervorragenden Fähigkeiten als Nasentiere ohne Operation
genügend orientieren können.
Die Trübungen des Glaskörpers sind nach Nieland bei ältern
Pferden in ungefähr der gleichen Häufigkeit vorhanden, wie diejenigen
der Linse. Dabei wies er bei männlichen Kastraten und
Kaltblütern eine etwas grössere Frequenz nach, als bei Hengsten
und Vollblütern. Füchse, braune Pferde und Rappen haben
ungefähr den gleichen Hundertsatz, nämlich 29-30, während
er bei Schimmeln bis zu 47 beträgt. Namentlich das Hellwerden
der Färbung bedingt somit beim Pferd eine Schwächung der
Konstitution, die sich im Auge durch Trübungen auswirkt. Auch
mit fortschreitendem Alter macht sich ein Ansteigen der Häufigkeit
geltend.
Glaskörpertrübungen können unangenehme Sehstörungen
verursachen, die aber ganz besonders bei Degenerationen und
Ablösungen der Netzhaut oft bis zur Erblindung führen.
Besonders bei in hohen Gangarten verwendeten Pferden
kommt nicht selten abnormes Benehmen vor, das auf schlechtes
Sehen zurückgeführt und als Scheuen bezeichnet wird. Darunter
versteht man Ausdrücke der Furcht als Folgen der Angst vor
Gefahr. In erster Linie scheuen junge und temperamentvolle
Pferde häufiger, als alte und gemeine. Hengste sind mutiger als
männliche Kastraten und Stuten. Die Reaktionen beim Scheuen
bestehen im Seitwärtsspringen, Kehrtmachen, Durchbrennen,
oder sonstigen Versuchen, sich der Führung des Reiters oder
Fahrers zu entziehen. Das dressierte Pferd gehorcht besser als
das rohe, wie denn überhaupt die Angewöhnung an eine bestimmte
Arbeit die Lenksamkeit erhöht.
Pferde scheuen vor am Boden liegendem Papier, besonders
wenn es vom Wind bewegt wird, vor einem Wassertümpel, Wehrstein,
dem eigenen Schatten, vor Möbelwagen, Automobilen und
der Eisenbahn.
Der Praktiker wird gelegentlich vor die Aufgabe gestellt, die
Ursache dieses abnormen Benehmens zu eruieren. Nun kann das
Scheuen in erster Linie durch ungenügendes Sehen als Folge
von materiellen Augenveränderungen, also von Trübungen der
durchsichtigen Medien und von Netzhauterkrankungen verursacht
sein. Diese sind bei genauer Untersuchung am grossen
Pferdeauge nachweisbar.
Schwendimann hat 59 scheue Pferde einlässlich ophthalmoskopisch
geprüft. 27 oder 54%litten an den Folgen früherer Entzündungen,
wie: Trübungen der Hornhaut, der Linse, des Glaskörpers
und an Veränderungen des Augenhintergrundes.
22 weitere Pferde oder 44%jedoch hatten Sehstörungen zufolge
von abnormen Brechungsverhältnissen, wobei wie beim
Menschen in erster Linie die Kurzsichtigkeit hervorzuheben ist.
Auch beim Pferd handelt es sich um Axenmyopie, bei der die
Längsachse des Auges im Verhältnis zur Leistung seiner brechenden
Medien zu lang ist. Das Bild entsteht vor dem Augenhintergrund
und wird deshalb undeutlich. Es ist verständlich, dass
Pferde gelegentlich aus diesem Grunde scheuen. Die Vererbung
der Axenmyopie, deren hereditärer Charakter beim Menschen
nach Vogt nicht zu verkennen ist, muss auch beim Pferd, Rind
und Hund als feststehende Tatsache angenommen werden.
Anderseits verursachen abnorme Wölbungen, namentlich der
Hornhaut, Astigmatismus oder Brennpunktlosigkeit genannt,
bei Pferden gelegentlich Scheuen. Dabei ist der Brennpunkt in
den verschiedenen Meridianen der Hornhaut und etwa auch der
Linse ungleich, was wiederum undeutliche Bilder und schlechtes
Sehen verursacht. Wir sind imstande, diese Brechungsabnormitäten
ebenfalls einigermassen genau festzustellen.
Indessen gibt es eine ziemliche Zahl weiterer scheuender
Pferde, bei denen die Augen normal befunden werden. Bei diesen
kann in erster Linie Furchtsamkeit, Ängstlichkeit und Nervosität
Schuld für das abnorme Benehmen sein. Das wilde Pferd ist
nach Zell ein fliehender Pflanzenfresser und die Verwandlung
zum Haustier hat es nicht mutiger gemacht. Auch bei ihm hat
die Kultur entnervend gewirkt. Wir müssen Gerhardt zustimmen,
wenn er sagt: ,,Le cheval est un animal essentiellement poltron,
quoi qu'en disent ses panégyristes, et lorsque sa nature craintive
se complique d'une vue défectueuse, infirmité qui se rencontre
malheureusement très souvent, il est fort difficile de le mettre
en confiance et de le rendre parfaitement franc."
Rohe Behandlung und auch das Bemühen, ein Pferd mit
Gewalt an einen Gegenstand heranzubringen, vor dem es Furcht
hat, verschlimmern die Ängstlichkeit, ja es kann so direkt scheu
und widersetzlich gemacht werden.
Andere Pferde haben Angst vor dem Schiessen, der Musik,
dem Trommeln und Hundegebell. Das Rasseln eines Wagens
kann sie ebenfalls zu abnormem Benehmen und Scheuen veranlassen.
Man spricht in solchen Fällen auch von Gehörscheu.
Abdeckereien, Gerbereien, Schlachthäuser und Menagerien
können Geruchscheu verursachen.
Abnorme Empfindungen bei Belästigungen durch Wespen
und Hornisse, das Aufstieben von Schnee und fehlerhaftes Verhalten
des Reiters haben bei temperamentvollen Pferden Reaktionen
zur Folge, die unter den Begriff des Scheuens zufolge
unangenehmer Empfindungen kommen.
Bei allen diesen Untugenden hat wiederum die Heredität eine
gewisse Bedeutung, denn nicht nur physische, sondern auch
moralische Eigenschaften der Tiere werden vererbt. In der englischen
Vollblutzucht gibt es Beispiele, wo ganze Familien mit
der gleichen Untugend behaftet sind.
Bei der Panik, von der etwa ganze Gestütsherden befallen
und zum blinden Davonstürmen veranlasst werden, kommt die
Urnatur des Pferdes als Herdentier und seine ererbte Gewohnheit
zur Flucht zum Ausdruck.
Wenn nicht in gleichem Umfange wie für den Menschen, so
sind doch' die Möglichkeiten zum Entstehen von Augenerkrankungen
auch bei den Haustieren mannigfaltig. Trotzdem der
Bau ihres Sehorgans nicht wesentlich variiert, machen sich die
Schädlichkeiten von Art zu Art verschieden geltend, wie das
namentlich für die bakteriellen Reize zutrifft. Durch Schwächung
der Konstitution wirkt sich auch hier die Domestikation nachteilig
aus.
Von allen Nutztieren sind die Augenerkrankungen des Pferdes
von besonderer Bedeutung, dann an seine Sehfähigkeit werden
die grössten Anforderungen gestellt. Dabei kommen bei der
Beurteilung von abnormem Benehmen nicht nur erworbene
Sehstörungen in Betracht, sondern auch psychische Affekte und
hereditäre Faktoren müssen berücksichtigt werden.
Bourgelat hat bei der Gründung der tierärztlichen Unterrichtsanstalten
dem Wunsche Ausdruck verliehen "que leurs
portes soient sans cesse ouvertes à tous ceux qui, chargés par
état de veiller à la conservation des hommes et des animaux,
auront acquis par le nom qu'ils se seront fait le droit de venir
interroger la nature, de chercher, des analogies et vérifier des
idées dont la confirmation ne peut qu'être utile à l'espèce humaine."
Herr Kollege Vogt wies in seinem letztjährigen akademischen
Aula-Vortrag daraufhin, naturwissenschaftliche Forschung sei
in erster Linie Kleinarbeit und bedeute Suchen und Sammeln
von Bausteinen, und wenn wir uns über degenerative Wirkungen
der Domestikation auf den Menschen ein Bild machen wollen,
müssen wir zunächst am Haustier lernen. Wir leisten mit solcher
Arbeit gleichzeitig Arbeit im Dienste des Menschengeschlechts.
Diese Gedanken waren für die heutigen Darlegungen wegleitend.