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Probleme der Tiermedizin

BERICHT
über das akademische Jahr
1936/37
DRUCK, ART. INSTITUT ORELL FÜSSLI ZÜRICH

INHALTSVERZEICHNIS Seite I. Rektoratsrede 3 II. Ständige Ehrengäste der Universität 24 III. Ehrendoktoren der Universität 25 IV. Jahresbericht 32 a) Dozentenschaft 32 b) Organisation und Unterricht . 35 c) Feierlichkeiten, Kongresse und Konferenzen . . . 39 d) Studierende 41 e) Prüfungen 43 f) Preisaufgaben 43 g) Stiftungen, Fonds und Stipendien 45 h) Kranken- und Unfallkasse der Universität . . . . 47 î) Witwen-, Waisen- und Pensionskasse der Professoren der Universität 47 k) Zurcher Hochschulverein 48 l) Stiftung für wissenschaftliche Forschung 51 m) Jubiläumsspende für die Universität 55 n) Julius Klaus-Stiftung 58 V. Schenkungen und Vermächtnisse 62

I. FESTREDE DES REKTORS PROF. DR OSKAR BÜRGI

gehalten an der 104. Stiftungsfeier der Universität Zürich
am 29. April 1937.

Probleme der Tiermedizin.

Vor Jahresfrist wurde an dieser Stelle hervorgehoben, die allgemeine Viehseuchennot sei in Europa die hauptsächlichste Veranlassung zur Gründung von tierärztlichen Lehranstalten und so zur Entstehung der Tiermedizin gewesen. Tatsächlich hat von massgebender Seite beispielsweise auch Friedrich der Grosse in einem Reskript vom 23. Juni 1767 auf die Notwendigkeit der Erforschung der Rinderkrankheiten hingewiesen. Namentlich bildete die Rinderpest dazumal eine stete Gefahr für die Viehbestände. Im 17. und 18. und in den Napoleonischen Kriegen des 19. Jahrhunderts trat sie besonders verheerend auf. Diese Seuche war von Osten her nach Europa vorgedrungen und drohte den Wohlstand und sogar das Dasein der Bauernschaften zu vernichten. Der durch sie verursachte Gesamtverlust wurde auf 200 Millionen Rinder geschätzt.

Es ist deshalb verständlich, wenn eine so katastrophale Naturerscheinung zum Aufsehen mahnte und allgemein die Forderung zur Ausbildung eines wissenschaftlichen Berufsstandes und für die Durchführung von wirksamen Abwehrmassnahmen gestellt wurden.

Als eine der ältesten Tierseuchen stammt die Rinderpest offenbar aus Asien, von wo sie durch grosse Völkerbewegungen und Kriegszüge verschleppt worden ist. Sie hat in Europa auch im deutsch-französischen Kriege in den nordwestlichen Nachbarstaaten der Schweiz grosse Ausdehnung angenommen. 70000 Rinder fielen ihr in Frankreich, 30000 in Elsass-Lothringen und 10000 in Deutschland zum Opfer. In der Schweiz, nach den

Chroniken früher stark verbreitet, ist sie in den Jahren 1866 noch in Graubünden und 1871 in den Juratälern aufgetreten. Rudolf Zangger, der damalige Direktor der tierärztlichen Unterrichtsanstalt in Zürich, wurde als Oberpferdarzt am 18. Februar 1871 vom Bundesrat in Kenntnis gesetzt, dass in Verrières zufolge des Übertritts der französischen Ostarmee beim Rindvieh verdächtige Erkrankungen aufgetreten seien, weshalb er unverzüglich an Ort und Stelle die notwendigen Anordnungen treffen möge. Nach seinen sofortigen Erhebungen waren den deutschen Truppen, welche nach den im August 1870 erreichten Erfolgen den Norden und Westen Frankreichs besetzt hatten, podolische Ochsen nachgeführt worden. Diese verbreiteten die Rinderpest sowohl in Deutschland als auch in Frankreich und veranlassten die Verseuchungen der Westschweiz.

Dem Schöpfer des vorbildlichen ersten eidg. Tierseuchengesetzes Zangger ist es gelungen, die Rinderpest im Frühjahr 1871 rasch zu tilgen und seither herrscht sie in der Schweiz nicht mehr. Aber ihr Auftreten nach Beendigung des Weltkrieges zufolge Import von überseeischem Gefrierfleisch in Oberitalien, im Jahre 1920 in Belgien durch indische Zebus, sowie 1930 in Polen beim bolschewistischen Vormarsch durch Proviantvieh aus Russland beweisen, dass immer noch mit der Gefahr der Einschleppung zu rechnen ist.

Den Erreger kennen wir nicht. Er gehört in die Gruppe der ultravisiblen Virusarten, denn alle Bemühungen, mikroskopisch oder kulturell irgendein spezifisches Agens zü finden, verliefen selbst bei den Untersuchungen von Robert Koch erfolglos. An der sehr kontagiösen Infektion erkranken alle Wiederkäuer, auch die in der freien Wildbahn lebenden, während andere Tiere und der Mensch unempfänglich sind. Heftige, brandige und geschwürige Schleimhautentzündungen sind begleitet von Schüttelfrösten, hohem Fieber, Nasen- und Augensekretion, Speicheln, Durchfall nach Verstopfung und von Hautausschlägen. Die Rinderpest verursacht in ihren Heimatgebieten beim widerstandsfähigen Steppenvieh relativ wenig Verluste, während sie in Ländern mit Hochzucht als die gefährlichste akute Seuche

mit der höchsten Mortalität gilt. Überlebende Tiere können immun sein.

Wenn in den alten Schriften Hornviehseuchen erwähnt werden, handelt es sich nicht nur um Rinderpest. Namentlich vom Beginne des 17. Jahrhunderts an herrschte in der Schweiz, in Süddeutschland und im Elsass unter den Wiederkäuern auch die Lungenseuche. So wandte sich Zug im Jahre 1657 hilfesuchend an Strassburg in der Hoffnung, dass es dort Meister gäbe, welche diese Krankheit zu beheben wüssten. Der Rat von Zürich erliess 1751 eine Anleitung darüber, wie man sich bei grassierenden Viehpresten zu verhalten habe, und wie besonders die Lungenseuche unter dem Hornvieh zu erkennen und zu heilen sei. Im gleichen Sinne erliess Bern, um das Waadtland möglichst vor Schaden zu bewahren, 1765 ein ,,Règlement concernant le bétail à cornes pour le Pays de Vaud", und der berühmte Naturforscher Albert von Haller publizierte sein ,,Mémoire sur la contagion parmi le bétail". ,

Während bei der Rinderpest allgemeine Blutvergiftung vorliegt, handelt es sich bei der Lungenseuche um eine meist chronische, ansteckende Entzündung der Lunge und des Brustfells mit auffälliger Verbreiterung der bindegewebigen Septen und brandigem Zerfall, der zur Bildung von Lungensequestern führt. Nach der Ansieht französischer Forscher ist die Ursache ein vielgestaltiger, hauptsächlich kugeliger Mikrobe, der bei ganz starker Vergrösserung und spezieller Färbung in Häufchen, Ketten- und Sternformen erscheint. Da ihn zudem Schleimhüllen umgeben, ist er Asterococcus mycoides benannt worden.

Die Ansteckung erfolgt hauptsächlich durch die Atmungsluft, wobei auch Personen Überträger sein können, ohne selbst infiziert zu werden. In 30-50%der Fälle verläuft die Lungenseuche allmählich tödlich. Dank rigoroser Tilgungs- und Schutzmassnahmen in der Schweiz seit 1895 erloschen, ist sie in Deutschland, das seit dem Jahre 1903 ebenfalls frei davon war, im Kriegsjahre 1915 durch russische Ochsen wieder eingeschleppt worden. Auch jetzt noch treten da und dort in Europa Fälle dieser wie die Rinderpest typischen Importseuche auf.

Um eine dritte Viehseuche, den Milzbrand, handelt es sich wohl schon bei den Beschreibungen Mosis über die sechste Plage Ägyptens. Sie hat überall und zu allen Zeiten ebenfalls eine grosse Rolle gespielt. Auch in den Archiven der schweizerischen Urkantone wird die Milzsucht häufig erwähnt und denen von Zug ist zu entnehmen, dass schon 1671 in Gehöften mit solchen Fällen die Heuvorräte vernichtet wurden. Allerdings ist bei den mangelhaften Angaben von Einzelheiten oft schwer zu entscheiden, ob es sich jeweilen um Rinderpest, Milzbrand, oder Maul- und Klauenseuche gehandelt hat und sicher sind nicht selten mehrere dieser Seuchen zugleich aufgetreten.

Der Milzbrand ist eine rasch tödlich verlaufende Infektion der Rinder, Schweine, Pferde und Schafe, während Hunde, Katzen und das Geflügel wenig empfänglich sind. Hingegen wird zum Unterschied von Rinderpest und Lungenseuche auch der Mensch gefährdet.

Die Ansteckungsfähigkeit hat experimentell schon Eilert im Jahre 1836 durch Verimpfung und Verfütterung von Milzbrandblut nachgewiesen. 1850 fanden Davaine und Rayer, 1855 Pollender und kurz darauf am tierärztlichen Institut in Dorpat auch Brauell einen stäbchenförmigen Mikroben als Milzbranderreger. Dessen einlässliche Morphologie und Züchtung, sowie der Nachweis von Sporen als Dauerformen ist in den Jahren 1876 und 1877 Robert Koch und Louis Pasteur gelungen.

Die Milzbrandbazilen sind ziemlich lange Stäbchen, die durch Aneinanderreihung Ketten und Bambusformen bilden. Die sehr widerstandsfähigen, eiförmigen, im Mikroskop stark lichtbrechend erscheinenden Sporen dienen der Arterhaltung. Sie werden von den Tieren mit Futter oder Trinkwasser aufgenommen und können so Darmmilzbrand verursachen. Unter Eindringen der Erreger in die Blutbahn verläuft die Infektion rasch tödlich. Am Kadaver sind Blutungen, Schwellung der Miiz mit breiiger, teerartiger Beschaffenheit, woher der Name der Krankheit rührt, und Dunkelfärbung des schlecht gerinnenden Blutes auffällig.

Ausländische Kraftfutter, wie Gerste, Hafer, Tierkörper- und Fischmehle sind nicht selten Träger von Milzbrandsporen. Da indisches Knochenmehl fast regelmässig solche enthielt, ist dessen Einfuhr in Nordamerika und Neuseeland verboten worden. In Deutschland hat man aus Südamerika, den Dschungeln Indiens und den Steppen Chinas importierte, trockene Tierhäute wiederholt als milzbrandgefährlich befunden. Von Gonzenbach fand in Wädenswil in der Erde, wo Milzbrandkadaver verscharrt worden waren, noch nach sechs Jahren keimfähige Sporen. Silberschmidt hat solche im Flugstaub der zürcherischen Pferdehaarspinnereien von Marthalen und Pfäffikon nachgewiesen, die gelegentlich zu Tierinfektionen führten.

Der Milzbrand des Menschen kommt besonders bei gewissen Berufen vor. Personen, die mit der Pflege von Tieren, mit Notschlachtungen, der Beseitigung von Kadavern und Verarbeitung von Haaren und Borsten zu tun haben, können erkranken. Dabei entsteht in über 90% der Fälle eine Infektion der Arme, des Kopfes oder Halses mit Bildung von Pusteln und Karbunkeln. In New York sind zum Teil tödliche Erkrankungen von sporentragenden, zu Bürsten verarbeiteten Pferdehaaren vorgekommen. Ein Professor der forensischen Medizin zog sich in Kopenhagen von den Borsten eines Rasierpinsels eine tödliche Milzbrandinfektion zu. Durch Inhalation von Sporen kann Lungenmilzbrand und nach Genuß von infiziertem Fleisch Darmmilzbrand entstehen.

Die moderne Seuchenpolizei hat die Zahl der Milzbrandfälle bei Mensch und Tier stark vermindert. Dazu trug die strenge Desinfektion von Tierhaaren und Häuten vor ihrer technischen Verarbeitung und die Verbrennung der Milzbrandkadaver in Verwertungsanstalten wesentlich bei.

Es gibt infektiöse Tierkrankheiten mit milzbrandähnlichen Erscheinungen, welcher Umstand in der vorbakteriologischen Zeit den Beschauer nicht selten irreführte. Am häufigsten fanden Verwechslungen mit Rauschbrand statt. Indessen war doch schon lange bekannt, dass diese Krankheit nicht kontagiös und der Fleischgenuss für Mensch und Tier unschädlich ist. Es handelt

sich hier um eine stationäre, also an gewisse Örtlichkeiten gebundene Infektion des Rindes, die vom Boden bestimmter Weiden und Alpen besonders im Sommer und Herbst entsteht. In der Schweiz sind namentlich das Berner Oberland, sowie die Kantone Graubünden, Glarus, Freiburg, Unterwalden und Schwyz Heimstätten des Rauschbrandes. Diese bazilläre Wundinfektion der Maulhöhle und Gliedmassen verursacht schnell zunehmende, zufolge Gasbildung beim Befühlen knisternde Geschwülste. Unter fieberhaften Allgemeinerscheinungen verläuft sie meist rasch tödlich.

Während in frühern Zeiten die Rinderpest häufig, die Lungenseuche sozusagen fortwährend und auch der Milzbrand frequent herrschten, änderten sich nach und nach die Verhältnisse. Auch Bühlmann weist in seinem Beitrag zur Geschichte der Viehseuchen der Schweiz darauf hin, dass Rinderpest, Lungenseuche und Milzbrand im Verlaufe des 19. Jahrhunderts immer mehr zurückgingen. Wenn auch gelegentlich da und dort wieder aufflackernd, erreichten sie doch nie mehr die frühern gewaltigen Ausdehnungen. Die Rinderpest erlosch, wie schon erwähnt, nach der Tilgung ihres letzten Einbruches anlässlich des deutschfranzösischen Krieges im Jahre 1871 in der Schweiz ganz. Aber der Hauptfeind unseres Landes, die Lungenseuche, dauerte besonders im Westen zunächst noch fort, nahm dann aber auch mehr und mehr ab, um 1895 ebenfalls definitiv zu erlöschen. Der Milzbrand verlor allmählich seinen seuchenhaften Charakter und wurde zur vereinzelten Ortskrankheit. Hingegen gestaltete sich die Maul- und Klauenseuche nun zu dem, was früher Rinderpest und Lungenseuche gewesen, zu einer die gesamte Volkswirtschaft oft schwer schädigenden Landplage. Der letzte grosse Seuchenzug der gesamten Schweiz war derjenige der Jahre 1919 bis 1921. Nach den Berechnungen von Feisst ist dazumal durch direkte und indirekte Schäden ein effektiver Verlust von mindestens 350 Millionen Franken entstanden, eine exorbitante Belastung für ein kleines Land. In den Jahren 1928 und 1929 wurde neuerdings besonders der Kanton Thurgau schwer heimgesucht.

Als akute Infektionskrankheit der Rinder, Schafe, Ziegen und

Schweine ist diese Seuche neben Fieber durch das Auftreten von Blasen und Geschwüren im Maul, an der Krone und Zwischenklauenspalte, die Speicheln und Lahmheit verursachen, gekennzeichnet. Auch am Euter können derartige Entzündungsprozesse auftreten. Für gewöhnlich nehmen sie einen relativ milden Verlauf. Zu andern Zeiten jedoch wird die Maul- und Klauenseuche so bösartig, dass erwachsene, namentlich aber junge Tiere zugrundegehen. Der in seinen Einzelheiten unbekannte Erreger passiert die feinsten Bakterienfilter und ist nicht färbbar. Namentlich reichlich findet er sich in der Flüssigkeit frischer Blasen vor. Ausserdem enthalten ihn Speichel und Milch, eventuell auch Harn und Kot. Die sehr leichte Übertragung findet unmittelbar besonders durch infizierten Speichel, oder mittelbar durch Zwischenträger statt. Schwerwiegend für die Möglichkeit neuer Ausbrüche ist der Umstand, dass die Keime in durchseuchten Tieren, den Dauerausscheidern, monatelang wirksam bleiben können.

Übertragungen auf den Menschen durch den Genuss von ungekochter Milch kranker Tiere, durch Butter und Käse, oder indirekt durch Zwischenträger sind nicht häufig, aber möglich. Die Erscheinungen bestehen in Fieber, Bläschenbildungen auf den Lippen und im Gesicht, auf der Schleimhaut des Mundes, der Rachenhöhle und an Fingern und Armen. Vereinzelte. Mitteilungen über Todesfälle bei Kindern liegen vor.

Neben diesen besonders für die Wiederkäuer wichtigen Seuchen ist beim Pferdegeschlecht der Rotz die am längsten bekannte und auch gefährlichste. Schon Aristoteles und Hippokrates der Hippiater wussten das. Der französische Tierarzt Solleysel schrieb 1664 einlässlich über die Ansteckungsfähigkeit der Krankheitssekrete. Bei den Pferden der Armeen hat die Rotzkrankheit zu allen Zeiten und auch im Weltkrieg, sowie im Anschluss an diesen grosse Bedeutung gehabt. Die Zahl der Fälle dieser Kriegsseuche betrug bei den deutschen Heeren im Westen 4293, im Osten 21321 und im Südosten 3674. Von französischer Seite sind 20879 Rotzfälle gemeldet worden. "Die Pferde litten schwer an Rotz und Räude", so schreibt Ludendorff in seinen

Kriegserinnerungen. Die Rotzinfektion verursacht insbesondere Knötchen und Geschwüre. Der Bakteriologe Löffler und Tierarzt Schütz haben 1882 als erste in Entzündungsprodukten den Erreger in Form eines feinen Stäbchens entdeckt, ihn gezüchtet und mit Erfolg übertragen. Bei Tieren des Pferdegeschlechts, selten bei Hunden und Katzen, aber nicht bei Wiederkäuern und Schweinen, entsteht namentlich durch alimentäre Infektion meist unheilbarer akuter oder chronischer Lungen- und Nasenrotz, während Wundinfektionen zu Hautgeschwüren führen können.

Durch tierische Sekrete wird der Mensch gefährdet. So sind in Russland des ziemlich häufigen Vorkommens von Pferderotz wegen Erkrankungen bei Menschen nicht selten und auch im Weltkrieg kamen bei allen Heeren derartige Fälle vor. Infektionen an den Händen und im Gesicht führen zur Bildung von Pusteln, Abszessen und Geschwüren mit hohem Fieber. Bei akutem Rotz kann in kurzer Zeit der Tod eintreten. Der chronische Rotz dauert Monate, sogar Jahre, und bei beiden Formen erweist sich, die Behandlung durchschnittlich erfolglos.

Zu den besonders in Kriegszeiten auftretenden Tierseuchen gehört endlich auch die Tollwut, die ihren Sitz im Zentralnervensystem hat und durch Störungen des Bewusstseins mit nachher gesteigerter Erregbarkeit, an die sich Lähmungen schliessen, gekennzeichnet ist. Im Jahre 1918 kamen mit dem zurückkehrenden Heer aus dem Osten zahlreiche mit Wut angesteckte Hunde nach Deutschland, so dass diese vorher stark eingedämmte Verseuchung wieder erheblich zunahm. Der Erreger, der durch mit Speichel verunreinigte Wunden übertragen wird, ist unbekannt. Man rechnet ihn zu den filtrierbaren Virusarten. Dank dem im Prinzip seit 1884 bekannten Pasteurschen Schutzimpfungsverfahren hat die Wutgefahr für den Menschen wesentlich abgenommen.

Die Bekämpfung der Seuchen beruhte in frühern Zeiten auf Empirie und Aberglauben, weshalb ihr Erfolg gering war. Erst die wissenschaftlichen Erkenntnisse über Wesen und Ursachen, namentlich aber die Wandlung des Miasmagedankens zur Bakteriologie,

brachten erfreuliche Fortschritte. Anfänge von Forschungen über Mikrobiologie lassen sich bis in das Mittelalter verfolgen. Aber die bakteriologische Ära begann doch erst so recht in der Zeit, wo Robert Koch in Deutschland und Louis Pasteur in Frankreich die systematischen Forschungen über die bei Mensch und Tier seuchenhaft auftretenden Krankheiten in Angriff nahmen. Von grosser Bedeutung waren später auch die namentlich von Behring zu verdankenden Errungenschaften der Immunitätslehre. Die Bakteriologie führte zur Erkenntnis, dass alle Schutz- und Bekämpfungsmassnahmen gegen Seuchen nur dann Erfolg haben, wenn sie systematisch und allgemein durchgeführt werden. Das bedingte die Notwendigkeit von Seuchengesetzen. Die zur Durchführung geschaffene Staatstierheilkunde befasst sich mit allen Tierseuchen, aber insbesondere mit solchen, die das Volksvermögen erheblich schädigen und gegen die der einzelne sich nicht wirksam genug zu schützen vermag. Bei der gesetzlichen Unterstellung dieser anzeigepflichtigen Seuchen war auch die Gefährdung des Menschen mitbestimmend. In erster Linie muss die Einschleppung von ansteckenden Krankheiten in ein Land durch die tierärztliche Grenzkontrolle, sowie bei auswärtigen Seuchenausbrüchen durch Einfuhrverbote zu verhindern getrachtet werden. Diese Massnahmen sind in der Schweiz seit 1872 einheitlich geregelt und stehen unter der Leitung und Aufsicht des eidg. Veterinäramtes, auf dessen Veranlassung im Jahre 1917 eine Revision des ersten eidgenössischen Tierseuchengesetzes erfolgt ist. Lockerungen des Grenzschutzes können schwere Konsequenzen haben, wie das beispielsweise in Deutschland, das in Friedenszeiten über eine gute Veterinärpolizei verfügt, während des Weltkrieges für Lungenseuche, Rotz und Wut der Fall war, wo neue Einbrüche aus dem Osten erfolgten.

Von eminenter Bedeutung ist sodann zur sofortigen Anordnung von Sperrmassnahmen die möglichst rasche Seuchenerkennung, wozu neben der allgemeinen Anzeigepflicht ein gutgeschultes, tierärztliches Personal nötig ist. Dieses auszubilden war deshalb die erste Veranlassung zur Schaffung veterinärmedizinischer Unterrichtsinstitute.

Wohl das älteste und wirksamste Seuchentilgungsmittel ist die Beseitigung der kranken und verdächtigen Tiere durch die Schlachtung. Es mag rigoros erscheinen; aber die Praxis hat seinen durchgreifenden Nutzen für viele Tierseuchen drastisch bewiesen. Dabei ist nicht nur die Erfassung der offensichtlich verseuchten Tiere, sondern auch derjenigen, die, ohne krank zu erscheinen, Erreger ausscheiden, von grosser Bedeutung. In dieser Hinsicht bietet die Lungenseuche ein Schulbeispiel, bei der labile Infektionen von abgekapselten Lungenherden plötzlich mit der Aussenwelt Verbindung bekommen und so neue Ausbrüche verursachen können. Bei der Maul- und Klauenseuche liegen ähnliche Verhältnisse vor. Viele Erfahrungen lehren, dass Neueinstellungen von durchseuchten Tieren in bisher gesunde Bestände und umgekehrt die Verbringung gesunder Tiere in vor längerer Zeit durchseuchte Betriebe das Auftreten dieser Krankheit zur Folge hatten. Solche Beobachtungen sind noch 36 Monate nach vermeintlicher Abheilung der Primärinfektion gemacht worden. Während des Weltkrieges wurde in Deutschland auch das gelegentliche Auftreten von Rotz beobachtet, wenn russische und polnische Pferde ohne Erscheinungen diese Seuche bei Nachbarpferden verursachten und erst die serologische Untersuchung die primär Infizierten eruierte.

Diagnostische Impfung, sowie die Verfahren der Agglutination, Präzipitation und Komplementbindung finden zur Feststellung von Keimausscheidern bei verschiedenen Seuchen sehr wertvolle Verwendung.

Dem Verfahren der Abschlachtung von offensichtlich kranken Tieren und Dauerausscheidern ist es zu verdanken, dass in der Schweiz die einst volkswirtschaftlich so schwerwiegende Rinderpest und Lungenseuche längst getilgt sind. Aus dem gleichen Grunde wurden Rotz und Wut, wenigstens für Friedenszeiten, fast. bedeutungslos. Auch bei der Maul- und Klauenseuche, die seit Jahresfrist auf Schweizergebiet nicht mehr aufgetreten ist, hat sich besonders bei vereinzelten Ausbrüchen das Abschlachtungsverfahren bewährt.

Die Möglichkeit der Behandlung von seuchenhaften Erkrankungen

ist bekanntlich vom englischen Arzt Jenner im Jahre 1796 zuerst wissenschaftlich begründet worden. Er hat gezeigt, dass die Überimpfung von wahrer Kuhpockenlymphe oder Vakzine den Menschen vor den Pocken zu schützen vermag. Die Schutz- und Heilimpfungen bei Tieren beruhen auf der durch Pasteur und Behring geschaffenen Lehre, wonach in gewissen Fällen das Blutserum von Menschen oder Tieren, die gegen eine Infektion widerstandsfähig geworden sind, diesen Schutz auf andere Menschen oder Tiere überträgt. Eines der ältesten in der Tiermedizin verwendeten Verfahren ist das von Pasteur geschaffene, später durch den deutschen Tierarzt Lorenz verbesserte gegen den Rotlauf der Schweine. Es bildete den Grundpfeiler für die tierische Immunotherapie und wurde richtunggebend bei Milzbrand, Schweinepest, Maul- und Klauenseuche und andern Infektionen. Das von Pferden nach der Impfung mit Rotlaufbazillen gewonnene Serum ist, wenn früh genug angewendet, imstande, rotlaufkranke Schweine von dieser Allgemeininfektion zu heilen. Anderseits vermag die Simultanimpfung mit Schutzserum und Rotlauferregern nicht infizierte Tiere längere Zeit vor Ansteckung zu schützen. Auch Filtrate von Kulturen des Rauschbrandbazillus verleihen als Vakzine Rindern derart Schutz, dass die Mortalität dieser früher sehr verheerenden Bodenseuche auf einen geringen Prozentsatz reduziert worden ist, Gegen Maul- und Klauenseuche hat zuerst Ernst den Schutz und die Behandlung mit Rekonvaleszentenserum eingeführt, ein Verfahren, das bei der Kinderlähme Nacheiferung fand. Die Forschungsanstalten auf der Ostseeinsel Riems stellen ein hochwertiges Serum her, das zur Behandlung, namentlich aber schützend zu Ringimpfungen behufs Verhütung der Weiterverbreitung der Maul- und Klauenseuche, wertvoll ist. Für die Seuchenbekämpfung auf chemischem Wege darf die Räude durch das Begasungsverfahren mit schwefliger Säure und die Übernahme der Ehrlich und Hata zu verdankenden Therapia sterilisans magna mit Salvarsan durch die Tiermedizin hervorgehoben werden. Letztere führte zu einem Triumph in der Bekämpfung der früher besonders in den Heeresbeständen sehr gefürchteten,

schwere Schäden verursachenden Brustseuche der Pferde. Natürlich kommt bei jeder Seuchenbekämpfung der Desinfektion zur Vernichtung der Erreger, einem geordneten Abdeckereiwesen, an einzelnen Orten vorteilhaft durch die Kadaverbrennung ersetzt, grosse Bedeutung zu. Der Einfluss einer sorgfältigen und zweckmässigen Entseuchung ist bei allen übertragbaren Krankheiten unverkennbar.

So gelang es denn der Tiermedizin durch energische, hauptsächlich auf gesetzlicher Grundlage basierende Massnahmen, ganze Länder von in frühern Jahrhunderten so gefürchteten und verheerenden Seuchen wie Rinderpest und Lungenseuche zu befreien. Bei Milzbrand, Rotz und Wut und zum Teil auch bei der Maul- und Klauenseuche ist eine erhebliche Verminderung der wirtschaftlichen Bedeutung erreicht worden. Allerdings können sich die Verhältnisse in Kriegszeiten mit ihren starken Völker- und Tierbewegungen wieder verschlimmern, wie das der Weltkrieg neuerdings bewiesen hat.

Anschliessend darf nicht unterlassen werden, auch auf chronische Rinderseuchen hinzuweisen, deren Bekämpfung gegenwärtig besonders aktuell ist, nämlich die Tuberkulose, den seuchenhaften Abortus und den gelben Galt der Milchkühe.

Unter den Haustieren befällt die Tuberkulose in erster Linie das Rind, Schwein und Geflügel. Jedermann weiss seit den Forschungen von Robert Koch, dass sie durch ein kleines, schlankes Stäbchen, den Tuberkelbazilus, verursacht wird. Er kommt bei den Warmblütern in drei Typen, demjenigen des Menschen, der Rinder und Hühner vor. Diese Varietäten unterscheiden sich voneinander durch ihr Kulturwachstum und das verschiedene krankmachende Verhalten. Jegliche derartige Infektion kann Knötchen, Tuberkeln, die zentral verkäsen und bei eventueller Abheilung verkalken, erzeugen. Dabei bilden sich peripher Rund- und Riesenzellen, sowie feines gefässloses Bindegewebe. Bei den Tieren entsteht Inhalations- und Fütterungstuberkulose. Sie ist zur Zeit die verbreitetste und verheerendste Rinderseuche in Europa. Als Stallkrankheit bei diesem Haustier zur eigentlichen Kulturseuche geworden, kommt sie weder bei wildlebenden

Arten, noch beim Steppenvieh in wesentlichem Umfange vor. Das enge Zusammenleben, die oft kaum unterbrochene Stallhaltung, die fortschreitende Verfeinerung und die Veranlassung zu intensiven Fortpflanzungs-, Milch- und Mastleistungen haben überhaupt zu einer starken Verbreitung und Verschlimmerung der hier in Diskussion stehenden, chronischen Rinderseuchen geführt. Die Tuberkulose der Schweine hängt von der Verbreitung derjenigen der Rinder ab, denn es handelt sich bei ihnen meist um Fütterungsinfektion durch Milch und Milchrückstände verursacht.

Auch bei Kindern kann der Rinderbazilus durch Genuss von roher Milch alimentäre Erkrankungen zur Folge haben, während Wundinfektionen gelegentlich Hauttuberkulose veranlassen. Der tuberkulöse Mensch verbreitet die Krankheit nicht auf das Rind, wohl aber auf das Schwein, gleichviel, welchen Ursprungs seine Affektion ist. Von dort aus kann sie wieder auf den Menschen übergehen.

Volkswirtschaftlich und hygienisch von nicht weniger grosser Tragweite wie die Tuberkulose ist der seuchenhafte Abortus, auch als Bangsche Krankheit bekannt. Darunter versteht man eine unter dem Einfluss bestimmter Erreger vor Ablauf der normalen Trächtigkeit sich einstellende Geburt einer nicht lebensfähigen oder toten Frucht. Der dem Volksvermögen jährlich daraus erwachsende Schaden ist in Deutschland auf 250 Millionen Reichsmark, in den Vereinigten Staaten auf 175 Millionen Dollars und in der Schweiz auf 90 Millionen Franken berechnet worden. Er erwächst aus dem Ausbleiben der Nachzucht, dem Ausfall an Milchleistung, dem Rückgang des Nährzustandes, dem lange oder gar nicht mehr Trächtigwerden und der starken Verbreitung der Seuche. Hauptursache ist der im Jahre 1896 durch die dänischen Tierärzte Bang und Stribolt entdeckte Abortus-Bazillus. Frühabortus kann zudem zufolge Invasion tierischer Kleinlebewesen, Trichomonaden genannt, in die weiblichen Geschlechtswege des Rindes eintreten. Unser bakteriologisches Institut befasst sich besonders mit Forschungen in dieser Richtung.

Infektionen durch Bangbazillen kommen auch beim Menschen vor. Sie wurden im Jahre 1911 zuerst in Amerika bei Kindern nach Genuss von roher Milch beobachtet. Seither weiss man, dass die Bangsche Krankheit, ähnlich wie der Milzbrand, auch Erwachsene aus bestimmten Berufskreisen befallen kann, die mit bazillentragenden Tieren, oder Material von diesen, in Kontakt kommen. Der hauptsächlichste Verbreiter ist das Rind, von dem alimentäre Infektionen durch Rohmilch, Blut oder sekundär infizierte Nahrungsmittel in Frage kommen. Auch Übertragungen von infizierten Schweinen auf Menschen sind nachgewiesen worden. Die ersten Beobachtungen von Banginfektionen bei Menschen in der Schweiz stammen von Löffler aus der medizinischen Poliklinik in Zürich. Die Erscheinungen, zum Teil denjenigen der Grippe ähnlich, sind besonders charakterisiert durch rückfällige, wellenförmig verlaufende Temperatursteigerungen, weshalb die Krankheit auch undulierendes Fieber heisst. Die Vermeidung der Banginfektion des Menschen geschieht durch Sorgfalt und Reinlichkeit bei der Behandlung verseuchter Tiere und von Ansteckungsmaterial. Gegen Übertragungen schützt die Erhitzung der gewöhnlichen Marktmilch auf mindestens 65° C und die Förderung der Gewinnung von Vorzugsmilch tierärztlich kontrollierter Kühe, die pasteurisiert geliefert wird. Bei Erkrankungsverdacht ist die sofortige ärztliche Untersuchung nötig, denn namentlich die frühzeitige Behandlung erweist sich erfolgreich.

Beim gelben Galt haben wir es mit einer besonders durch schweizerische Tierärzte erforschten katarrhalischen Eutererkrankung zu tun, die bei Kühen ebenfalls als Stallseuche auftritt. Kettenförmig aneinandergereihte Kugelbakterien können in den Zitzenkanal eindringen und durch chronische Entzündung zur Zerstörung der Milchdrüse führen.

Die Bekämpfung dieser chronischen, das Volksvermögen gegenwärtig so beträchtlich schädigenden Rinderseuchen gestaltet sich viel schwieriger als die der akuten. Sie bleiben ihres schleichenden, in den Anfangsstadien unauffälligen Verlaufes wegen oft längere Zeit unbeachtet und die Ausscheidung der Erreger

führt unbemerkt zur Verbreitung. Wohl werden allgemein grosse Anstrengungen gemacht, alle chronischen Tierseuchen ebenfalls zurückzudrängen. Das kann einzig durch staatlich geleitete und unterstützte Verfahren nach dem Prinzip der Freiwilligkeit geschehen. Ein merklicher Rückgang ist erst nach Jahren zu erwarten. Aber dazu bedarf es der tatkräftigen und verständnisvollen Mitarbeit aller Beteiligten. Wo diese fehlt, wird jedes Seuchenbekämpfungsverfahren versagen und alle Opfer werden erfolglos sein. In volkshygienischer Hinsicht ist wie beim Milzbrand und der Tollwut auch für die Tuberkulose und die Bangsche Krankheit, auf die schon von Löffler-Zürich hervorgehobene Notwendigkeit der Zusammenarbeit der Bakteriologen, Ärzte, Tierärzte und Landwirte eindringlich hinzuweisen. In der Human- und Veterinärmedizin gibt es überhaupt keine Disziplin, wo sich die Gebiete näher berühren, als in der Mikrobenlehre und den in der Praxis daraus sich für Mensch und Tier ergebenden Folgerungen.

Im engen Zusammenhang mit der Seuchenlehre steht das Hauptgebiet der tierärztlichen Nahrungsmittelkunde, die Fleischbeschau. Schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts hat Gerlach in Deutschland zutreffend hervorgehoben, eine erfolgreiche Handhabung der Veterinärpolizei sei ohne Kontrolle der Schlachtungen nicht denkbar. Aber der Hauptzweck der Fleischbeschau liegt doch in der Volkshygiene. Er besteht in der Abhaltung von Schädlichkeiten, welche der menschlichen Gesundheit vom Fleischgenuß drohen. Jedes gut geleitete Staatswesen muss deshalb ebensosehr wie für eine gute Seuchenpolizei, auch für die Organisation einer rationellen Fleischbeschau besorgt sein.

Nach der geschichtlichen Entwicklung haben schon die alten Ägypter durch ihre Speisengesetze im Sinne der Volkshygiene gehandelt. Auch viele diesbezügliche Vorschriften im Talmud der Juden und im Koran der Mohammedaner dienten sowohl priesterlicher Diplomatie, als auch volkshygienischen Zwecken. Die Fleischkontrolle der jüdischen Priester war überhaupt während vielen Jahrhunderten die beste der Welt. In spätem Zeiten

wurde ihr nach und nach auch von der weltlichen Macht zunehmende Aufmerksamkeit geschenkt. In der Schweiz geben Zeugnisse über Makellosigkeit des Fleisches und Vorschriften betreffend den Schutz der Käufer vor Betrug und Überforderung in den Ratsprotokollen und Landbüchern von Basel, Schwyz und St. Gallen schon im 14. Jahrhundert Beweise über Fleischkontrollen, wobei die Seuchenbekämpfung ebenfalls zur Geltung kam. Eine Vorschrift von Zürich verfügte, die Milch von verseuchten Kühen solle weggeschüttet werden, zumalen sich niemand unterstehe, das Fleisch von dergleichen Vieh zu essen oder zu verkaufen.

Wie notwendig die Fleischbeschau zum Schutze des Menschen vor Schädigungen ist, hat so recht einleuchtend die Entdeckung der Muskeltrichine durch Zenker im Jahre 1860 ergeben. Dadurch war der Beweis erbracht, dass die Fleischbeurteilung an Hand wissenschaftlich erforschter und durch Erkrankungen verbürgter Tatsachen zu geschehen habe.

Die Trichinose kommt beim Haus- und Wildschwein, bei Bären, Füchsen, Mardern, Sumpfbibern, Ratten und Mäusen vor. Sie wird durch einen kleinen, fadenförmigen, im Dünndarm lebenden und dort Entzündung bedingenden Rundwurm verursacht. Seine Larvenform wandert in die Muskeln, was dort Schwellungen, Schmerzen und Funktionsstörungen zur Folge hat. Die Ansteckung erfolgt durch den Genuss von rohem oder halbrohem Fleisch von trichinösen Tieren. Auf diese Weise kann sich der Mensch auch Bandwürmer zuziehen. 1850 haben Küchenmeister und Haubner den ursächlichen Zusammenhang zwischen finnigem, also Bandwurmblasen enthaltendem Schweinefleisch und der menschlichen Erkrankung am Einsiedlerbandwurm dargetan. Eine meist in den Kaumuskeln des Rindes vorkommende Finne, deren Entwicklungsgang Leukart klarlegte, verursacht eine zweite Bandwurmerkrankung beim Menschen. Auch diese Ansteckung ist die Folge des Genusses von rohem, meist geschabtem Fleisch, sowie von rohen oder halbdurchbratenen Beefsteaks.

Alle diese Invasionen von Parasiten wurden dank der sorgfältig durchgeführten modernen Fleischbeschau Seltenheiten.

Die neulich im Kanton Zürich bei verschiedenen Personen aufgetretenen Fülle von Trichinose sind auf den Genuss von der tierärztlichen Kontrolle entzogenem Wurstbrät, dem Fleisch von trichinösen Sumpfbibern beigemengt war, zurückzuführen.

Wie in der Seuchenbekämpfung, so haben die bakteriologischen Forschungen auch bei der Untersuchung und Beurteilung des Fleisches wesentliche Fortschritte gebracht. Sie führten zunächst zur Erkenntnis, dass tierische Infektionskrankheiten, wie Tuberkulose, Milzbrand, Wut und Rotz durch Schlachtprodukte auf den Menschen übergehen können. Im weitern waren längst auch jene Gefahren bekannt, die gelegentlich im Genuss von Fleisch liegen, das von meistens notgeschlachteten Tieren stammt, die an Entzündungen des Euters, der Gebärmutter, des Nabels, Brust- und Bauchfells und des Darmes gelitten haben. Diese als Fleischvergiftungen bezeichneten Vorkommnisse sind bis gegen das Ende des 19. Jahrhundert durch die vermeintlichen Wirkungen von Chemikalien, besonders von Blausäure, erklärt worden.

Der Philosoph Jean Jacques Rousseau glaubte sie auf von Kochgefässen herrührende Kupfervergiftungen zurückführen zu müssen. Auch bei Fleischfaülnis entstehende basische Stoffe, Ptomaine genannt, wurden beschuldigt.

Massenvergiftungen durch Fleisch sind früher auch in der Schweiz wiederholt vorgekommen. So erkrankten im Anschluss an ein am 10. Juni 1839 in Andelfingen abgehaltenes Sängerfest von 737 Teilnehmern 444, wovon 10 starben. Die Erscheinungen waren Fieber, Mattigkeit, Kopf-, Rücken- und Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall und die Sektionen ergaben geschwürige Darmentzündungen. Von den damaligen Sachverständigen wurde ein animalisches Gift beschuldigt, das sich in dem von den Festgästen verspiesenen Kalb- und Rindfleisch, sowie in Schinken zufolge Zersetzung wegen fehlerhafter Aufbewahrung entwickelt haben sollte.

Die zweite grosse Epidemie betrifft Kloten, wo am 30. Mai 1878 ein Bezirksgesangfest stattfand, an dem sich 698 Mitglieder von Frauen- und Männerchören beteiligten. Im Anschluss daran

wurde noch ein Jugendfest arrangiert, an dem 263 Kinder und 33 Erwachsene teilnahmen. Nach diesen beiden Festlichkeiten erkrankten zufolge Genuss von Kalbsbraten, Schinken und Würsten 657 Personen unter den nämlichen Erscheinungen wie diejenigen von Andelfingen und sechs starben bei gleichartigen Obduktionsergebnissen.

Weitere Fälle traten in den Jahren 1879 und 1880 in Birmensdorf bei Zürich, Fluntern und Würenlos, durch Kalbfleisch und Würste verursacht, auf. Auch dort kamen mehrere Todesfälle vor. Bollinger, der in den Jahren 1871 bis 1874 am tierärztlichen Institut in Zürich über allgemeine Pathologie unterrichtete, wies zuerst daraufhin, dass solche Massenvergiftungen meistens bei einer ganz bestimmten Gruppe von Tierkrankheiten beobachtet werden. Er sprach von einer mykotischen Infektion, die mit dem Typhus grosse Ähnlichkeit habe und als eine Abart dieser Krankheit bezeichnet werden müsse. Bollinger verlieh dieser Auffassung durch die Bezeichnung der Krankheit als Sepsis intestinalis Ausdruck.

Die grundlegende Entdeckung der Ursache der Fleischvergiftungen machte August Gärtner im Jahre 1888 anlässlich einer Epidemie in Frankenhausen in Thüringen. Es gelang ihm, aus dem Fleisch einer notgeschlachteten Kuh, welches Erkrankungen verursacht hatte, sowie aus der Milz eines daran gestorbenen Mannes den Erreger, den er Bacilus enteritidis nannte, nachzuweisen. Dieser Befund wurde später bei andern Vergiftungen bestätigt und auch weitere Bakterien der Paratyphus-Enteritisgruppe als Fleischvergifter festgestellt. Heute weiss man, dass die Fleischvergiftungen mit ausgesprochenen Magen- und Darmstörungen namentlich durch zwei nahe verwandte, wohl charakterisierte Bakteriengruppen und ihre Gifte verursacht werden. Sie gelangen entweder mit dem bei Lebzeiten der kranken Tiere oder nachher infizierten Fleisch auf den Menschen.

Neben diesen fieberhaften Vergiftungen mit Darmentzündungen zufolge Fleischgenuss sind auch fieberlose mit Lähmungserscheinungen möglich. Ungenügend oder gar nicht gekochte Wurstwaren und Schinken, Fleisch-, Fisch- und Gemüsekonseryen

können sie zur Folge haben. Ähnliche Fälle sind auch bei Tieren, sogar Pflanzenfressern, nach Silofutter, Heu und Hafer beobachtet worden. Bei diesen als Wurstvergiftungen oder Botulismus bezeichneten Vorkommnissen handelt es sich nicht etwa um solche, wie sie seltenerweise durch faulige Wurst oder derart verdorbenen Schinken entstehen. Auch sind sie mit den durch Enteritisbakterien verursachten Fleischvergiftungen nicht identisch. Die ersten wissenschaftlichen Feststellungen über Botulismus stammen vom schwäbischen Dichter und Arzt Justinus Kerner aus den Jahren 1820 und 1822. Auch in der Schweiz sind solche Beobachtungen wiederholt gemacht worden. So erkrankten im Jahre 1920 in einem Bauerndorfe des Kantons Thurgau nach Genuss von Schinken 13 Personen, davon 6 schwer, und 2 starben. Heinrich Zangger machte auf die Möglichkeit von Botulismus aufmerksam, und das zürcherische Hygieneinstitut bestätigte die Richtigkeit der Vermutung unter Vervollständigung der Untersuchungen durch Stokar. Bitter hat für Deutschland und den Zeitraum von 1897 bis 1900 hundert derartige Fälle mit einer Mortalität von 16%zusammengestellt. Die fieberlose Erkrankung beginnt mit Schlingbeschwerden und dem Gefühl von Trockenheit in Hals und Nase. Dazu kommen hartnäckige Obstipation und in schweren Fällen auch Lähmungen der Blase. Zudem werden regelmässig mehr oder weniger ausgesprochene Sehstörungen beobachtet.

Der belgische Bakteriologe van Ermenghem züchtete im Jahre 1895 aus einem muffig riechenden Schinken von schlechtem Geschmack, der Veranlassung zu 20 Wurstvergiftungen mit 3 Todesfällen gegeben hatte, einen spezifischen Fäulnispilz, dem er den Namen Bacillus botulinus gab. Dieser erzeugt ein sehr giftiges Toxin, das die Lähmungen bei Botulismus hervorruft.

Aus diesen Darlegungen geht die Möglichkeit mannigfaltiger Gefährdungen des Menschen durch den Genuss von Fleisch und Fleischwaren hervor. Sie sind jedoch glücklicherweise, gestützt auf die tierärztliche Verwertung der zoologischen und bakteriologischen Forschungsergebnisse in Verbindung mit gesetzlicher Regelung und Handhabung der Fleischbeschau, im Verlaufe der

Jahre immer seltener geworden. Bei diesen Bestrebungen erwarb sich besonders von Ostertag in Deutschland grosse Verdienste, die wir uns in der Schweiz weitgehend zunutze gemacht haben. Prophylaktisch bedeutungsvoll ist auch hier die Belehrung. Grundsätzlich sollten nur gutgekochte Fleisch- und Wurstwaren genossen werden. Der Kochprozess tötet die tierischen und pflanzlichen Krankheitserreger und schwächt ihre Gifte in der Regel bis zur Unwirksamkeit. Besonders zu warnen ist vor dem Genuss von rohem Hackfleisch. Im weitern sind Fleisch- und Wurstwaren namentlich bei warmer Jahreszeit in kühlen, luftigen Räumen und Frischfleisch nie lange vor dem Genuss unter Schutz vor Ungeziefer und Nagetieren aufzubewahren. So können durch sorgfältige Fleischbeschau unter Mitwirkung der Konsumenten die Schädigungen durch Fleisch, wenn nicht gänzlich ausgeschlossen, so doch wesentlich eingeschränkt werden.

Neben der wissenschaftlichen Fleischuntersuchung, die zum mindesten organisatorisch ohne Selbstüberhebung als eine tierärztliche Schöpfung bezeichnet werden darf, hat sich die Veterinärmedizin auch mit der Förderung der Gewinnung hygienisch möglichst einwandfreier Milch zu befassen. Das geschieht durch rege Beteiligung ihrer Vertreter am landwirtschaftlichen Unterricht und Forschungen auf den Gebieten der Gesundheitspflege, der Infektions- und Mangelkrankheiten der Nutztiere, welche unsere Fakultät besonders beschäftigen.

Weitere wichtige Probleme von Lehre und Forschung könnten noch hervorgehoben werden, aber für heute mögen diejenigen der Seuchen und Nahrungsmittelhygiene genügen, um die Bedeutung der vor 175 Jahren in Frankreich ins Leben gerufenen tierärztlichen Unterrichtsanstalten zu belegen. Lyon kann die Ehre beanspruchen, als berceau de la médecine vétérinaire zu gelten. Die schweizerischen Institute öffneten ihre Pforten erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Beide sind Schöpfungen einsichtiger, fortschrittlich gesinnter Behörden und eines opferwilligen Volkes. Sie haben um die letzte Jahrhundertwende durch den auf Volksentscheiden beruhenden Anschluss an die Universitäten eine allseitige, mächtige Förderung erfahren, was

heute neuerdings dankbar hervorgehoben werden soll. Mit den Fortschritten der Naturwissenschaften wurde auch für den tierärztlichen Unterricht ein immer grösserer Ausbau notwendig. Das früher drei Jahre umfassende Studium ist 1877 gestützt auf das Bundesgesetz betreffend die Freizügigkeit des Medizinalpersonals auf 4 und durch das Reglement für die eidg. Medizinalprüfungen vom Jahre 1935 auf 5 Jahre festgesetzt worden. So hat sich die tierärztliche Ausbildung nach den Forderungen der Zeit nicht nur erweitert, sondern ganz wesentlich vertieft. Es ist auch in der Tiermedizin allmählich vom empirischen Erkennen zum biologischen, streng wissenschaftlichen Erfassen aller Probleme gekommen. Bezüglich ihres zukünftigen Schicksals in Zürich halten auch wir uns an die tröstlichen Worte von Gottfried Keller, die er der Universität zu ihrer 50. Gründungsfeier widmete:

Kein fürstlicher Reichtum,
Kein Erbe der Väter
Erhält uns die Schule
Auf schwankem Gesetz.
Sie steht in dem Äther
Des täglichen Willens,
Des täglichen Opfers
Des Volkes gebaut.