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DER KRISTALL

JAHRESBERICHT 1940/41

INHALTSVERZEICHNIS Seite I. Rektoratsrede 3 II. Ständige Ehrengäste der Universität. 19 III. Jahresbericht 20 a) Hochschulkommission 20 b) Dozentenschaft 20 c) Organisation und Unterricht 23 d) Feierlichkeiten und Konferenzen 28 e) Ehrenpromotionen 29 f) Studierende 30 g) Prüfungen: 32 b) Preisaufgaben 32 i) Stiftungen, Fonds und Stipendien 33 k) Kranken- und Unfallkasse der Universität . . . . 36 l) Witwen-, Waisen- und Pensionskasse der Professoren der Universität . . . . . 36 m) Zürcher Hochschulverein 37 n) Stiftung für wissenschaftliche Forschung 40 o) Jubiläumsspende für die Universität 45 p) Julius Klaus-Stiftung 47 IV. Schenkungen 53 V. Nekrologe 55

I.
FESTREDE
DES REKTORS PROF. DR PAUL NIGGLI
gehalten an der 108. Stiftungsfeier der Universität Zürich
am 29. April 1941:

DER KRISTALL

In dem Vierteljahrtausend, in dem sich die Kristallkunde, als Teil der Naturwissenschaften entwickeln konnte, war sie als sogenannte beschreibende Naturwissenschaft bestrebt, die methodischen Analogien mit Pflanzen- und Tierlehre zu pflegen, ohne zu vergessen, dass Kristallgeometrie, Kristallphysik und Kristallchemie Kapitel der entsprechenden exakten Gesamtwissenschaften sind. Deshalb erschien dem Kristallographen die oft in den Vordergrund gestellte Zweiteilung in exakte und beschreibende Naturforschung künstlich zu sein; er musste auch, ich möchte sagen von Amtes wegen, zu einem Feind der fachlichen Abgeschlossenheit und Zersplitterung werden. Etwas Gegenständliches, phänomenologisch Individualisiertes, der Kristall, und — soweit es Naturprodukte, die kristallisierten Mineralien betrifft — auch etwas historisches Gewordenes, ist sein Untersuchungsobjekt.

In eigenwilligen Gestalten, von denen sich nicht zwei völlig gleich sind, treten diese Körper auf. Ihre morphologischen, chemischen und physikalischen Eigenschaften gilt es zu erforschen, die Mannigfaltigkeit systematisch zu gliedern. Experimente und Beobachtungen über Neubildungen von Mineralien in der Natur beweisen, dass der Kristall als erste makroskopisch erkennbare, eigengestaltige Einheit der anorganischen Welt durch eine Sonderung oder Differenzierung aus scheinbar homogenen, formlosen Massen: Lösungen, Schmelzen oder Dämpfen entsteht. Die Minerogenesis ist von diesem Standpunkte aus ein Individualisierungsprozess, gebunden an einen Bereich bestimmter Temperaturen und Drucke, in dem die Alleinherrschaft des flüssigen oder gasförmigen Zustandes der Materie gebrochen wird. Und so hat

sich aus unmittelbarer Anschauung heraus die Kristallkunde mit Begriffen wie Individuum und Art, Form und Inhalt, Variation und Beharrungsvermögen des Gestaltlichen auseinanderzusetzen.

Der menschliche Geist indessen, der auch das phänomenologisch Formlose und Ungegliederte in einem tieferen Sinne verstehen will, ist gezwungen, das Grobeinheitliche als blosses Scheinkontinuum anzusehen und eine diskontinuierliche Feinstruktur der Materie vorauszusetzen. Er muss den Begriff der individuellen Einheit viel weiter zurückverlegen. Bereits die Atome sind für ihn aus Elementarteilchen aufgebaut. Die Gebilde atomarer Grösse aber treten zu mehr oder weniger in sich abgeschlossenen Verbänden zusammen, die in geringfügiger Abwandlung der gleichen Bauprinzipien endliche, in sich abgeschlossene Moleküle oder zu makroskopischen Dimensionen auswachsende Kristallverbindungen ergeben.

In diesem Sinne ist im Stufenbau der Natur der Kristall nur ein besonderes Glied. Nirgends tritt (abgesehen von den die höhere Stufe charakterisierenden Merkmalen) gegenüber den Betrachtungen der Atomphysik und der Molekularchemie etwas grundsätzlich Neues auf. Der Kristall wird so zu einem Begriff, der einerseits morphologische Ganzheitsattribute besitzt und anderseits lediglich einen besonderen Zustand der Materie umschreibt. Diese Doppelstellung hat die Entwicklung der Kristallkunde nachhaltig beeinflußt, verhindert, dass eine rein systematisch-beschreibende Disziplin entstund, und bewirkt, dass von Anfang an das Kristallsein und die Kristallisation neben der morphologischen Gestaltenlehre zu Objekten der Untersuchung wurden.

Wem einmal der Formenreichtum einer Kristalldruse zum Erlebnis wurde, wundert sich nicht, dass das Suchen nach Gesetzmässigkeiten, trotz anfänglicher Misserfolge, immer von neuem einsetzte und zur ersten grundlegenden Erkenntnis über das Wesen des Kristalles führte. Die Etappen sind bezeichnend für die Bedeutung des wichtigsten Prinzipes morphologischer Wissenschaften, des Symmetrieprinzipes. Symmetrie im weitesten Sinne des Wortes bedeutet Wiederholung von etwas Gleichartigem.

Könnten wir in der Natur derartige Parallelismen und Analogien oder innerhalb gewisser Grenzen reproduzierbare Vorgänge nicht finden, so wäre Wissenschaft überhaupt nicht möglich. Denn das Einmalige kann nur konstatiert, passiv erlebt werden; es bleibt ohne Vergleichsmöglichkeiten an sich unverständlich. Zunächst gelang die Feststellung, dass trotz wechselnder Grösse und wechselndem Aussehen einzelne Kristallindividuen gleiche Winkel zwischen den Begrenzungsflächen aufweisen. Das bedeutet, dass sich beim Kristallwachstum senkrecht, zu ganz bestimmten Richtungen ebene Grenzflächen einstellen, dass somit die Wachstumsform durch einen der Substanz innewohnenden Anlagefaktor determiniert ist. Die Erscheinung wurde sofort dazu benutzt, auf rein morphologischer Basis zu einem Begriff der Kristallart durchzudringen.

Allein Naturbeobachtungen und Experimente zeigten bald, dass dieser Schematismus eine zu einfache Konzeption war. In Abhängigkeit von den Kristallisationsbedingungen können zu den üblichen Begrenzungsflächen andere hinzukommen, ja die ersteren völlig verdrängen. Es musste daher danach geforscht werden, ob diese Formenvariation bei ein und derselben Substanz innerhalb gewisser gesetzmässig fassbarer Grenzen bleibt. Es gelang, wenigstens bei freier Formentwicklungsmöglichkeit, ein mathematisch ausdrückbares Gesetz zu finden, das die zur Verfügung stehende Variationsbreite umschreibt und zur Artcharakteristik dienlich scheint, allerdings ohne das verschiedene Beharrungsvermögen einzelner Flächen zu berücksichtigen. Vom morphologischen Standpunkte aus stützt sich deshalb heute der Artbegriff auf zweierlei: erstens auf sogenannte kristallographische Konstanten, die gestatten, den möglichen oder denkbaren Flächenkomplex abzuleiten, zweitens auf ein statistisches Zahlenmaterial, das über die reelle Variabilität Auskunft gibt und durch das festgestellt wird, welche Formen häufig bzw. persistent sind, und welche nur unter gewissen Umständen als Akzessorien auftreten. Formenmannigfaltigkeit und Ausbildungsart, Habitus und Tracht, kommen Gliedern eines Kollektivgegenstandes zu, der morphologisch als Ganzes zu kennzeichnen ist. Dabei scheint die

Erfahrung durchaus zu bestätigen, dass sieh die relativen Häufigkeiten des Auftretens solcher morphologischer Merkmale einer Kristallart bei wachsender Zahl der untersuchten Vorkommnisse immer mehr bestimmten Grenzwerten nähern.

Seit etwa 30 Jahren hat die Methodik dieser Beschreibung gewaltige Fortschritte gemacht; sie darf in mancher Beziehung vorbildlich genannt werden und kann vielleicht in Zukunft auch das analoge biologische Vorgehen beeinflussen. Es sei nur an die Schaffung von morphologischen und genetischen Idealgestalten, Normen, Habitusgruppen erinnert.

Dass die kristallographischen Konstanten allein nicht genügen, wurde schon evident, als die Au/stellung der inneren Symmetriegesetze erfolgte. Darnach gibt es hinsichtlich des Rhythmus der Wiederholungen gleichwertiger Richtungen für die Gesamtheit der Kristalle nur 32 verschiedene Symmetriefälle, und für fünf von ihnen, zu denen sehr viele verschiedene Kristallarten gehören, sind die kristallographischen Konstanten jedes artspezifischen Charakters entkleidet. Je höher symmetrisch die Formenentwicklung ist, um so zahlreicher werden die Bedingungsgleichungen und damit um so unbedeutender die Freiheitsgrade, die bei ein und derselben Kristallart bei Temperatur- und Druckänderung und von Kristallart zu Kristallart bei gleichen äusseren Bedingungen ausgenützt werden können.

Von grundsätzlicher Bedeutung war jedoch die Erkenntnis, dass eine rein phänomenologisch-morphologische Diagnostik dem Gegenstand nicht adäquat ist. Zunächst kann sich die Eigengestalt bei Kristallen nur unter besonders günstigen Umständen entwickeln. Zahlreiche Störungsfaktoren treten beim Kristallisieren auf. Sie sind als solche schon 1688 von Guglielmini erkannt worden, der schrieb: "Man darf indessen nicht glauben, dass man nun auch öfters dazu kommt, bei den Salzen die Formen, die ich bisher beschrieben habe, in einem gewissen Masse der Vollkommenheit zu sehen. Vorhanden sein müssten sie an jedem ihrer Kristalle, obgleich diese vielfach entweder unvollständig hinsichtlich der Ecken sind, oder doch nicht in allen Teilen ganz ausgebildet und manchmal, wenn es an der nötigen Aufmerksamkeit

bei der Darstellung fehlte, zu einer Masse ohne Form und Gestalt zusammengeballt. Konstant ist desungeachtet, vorausgesetzt, dass es zum Beginn einer Kristallisation kommt, immer die Neigung der Flächen und der Winkel, woran man an den nicht sehr gut ausgebildeten Kristallen gut erkennt, wo sie endigen müssten, weil davon notwendig die Begrenzung der Form abhängt; und man erkennt darin die Absicht der Natur sowie die Neigung der Materie, sich soviel als möglich in ihrer natürlichen Form anzuordnen."

Damit ist auch die finale Betrachtungsweise, eine Absicht oder ein Ziel der Natur, eingeführt und der Begriff Kristall von der Umgrenzung unabhängig hingestellt worden.

Zum gleichen Vorgehen zwang die Beobachtung des Regenerationsvermögens. Ein kleines, willkürlich geformtes Kristallbruchstück kann in geeigneter Lösung wieder zu einem einheitlichen, idiomorphen Kristall auswachsen, enthält also bereits an sich alles, was zum Wesen des Kristallzustandes gehört. Und schliesslich wurde vor 120 Jahren der sogenannte Isomorphismus entdeckt. Mitscherlich konnte feststellen, dass es nach den phänomenologisch-morphologischen Gesetzen praktisch ununterscheidbare Kristalle gibt, die verschiedene chemische Zusammensetzung besitzen. Es treten somit Konvergenzen auf, die so ausgeprägt sind, dass sie eine makrogeometrische Artunterscheidung verunmöglichen.

Alle diese Beobachtungen führten dazu, dem Phänotypus der Kristalle einen Genotypus gegenüberzustellen und die chemischen oder physikalisch-chemischen Eigenschaften höher zu bewerten als rein kristallgeometrische. Da jedoch die Namengebung nach den äusseren Merkmalen erfolgt war, entstund ein Wirrwarr in der Nomenklatur, der bis anhin die Mehrzahl der Mineralogen zu dem Resignationsurteil zwang, es stosse in der Mineralogie der Artbegriff auf zu grosse Schwierigkeiten, man müsse ihn zu umgehen suchen. Es ist jedoch selbstverständlich, dass dies nur ein Ausweichen auf bestimmte Fragen bedeutet.

Heute kann der Begriff der Kristallart vom Genotypischen, d. h. von der Kristallstruktur her präzisiert werden, denn seit

30 Jahren ist es möglich geworden, die vor einem Jahrhundert in den Grundzügen aufgestellte Theorie des Aufbaues der Kristalle experimentell zu bestätigen und im Einzelfall nachzuprüfen. Doch wollen wir von vornherein feststellen, dass die so elegante mathematische Formulierung, gebunden an die Namen Bravais, Sohnke, Schoenflies, v. Fedorow, nur den sogenannten Idealkristall zu charakterisieren erlaubt, dem der Realkristall als Annäherung gegenübersteht. Für den Idealkristall gilt, dass im allgemeinen bereits im trillionsten Teil eines Kubikmillimeters die gesamte Spezifität des Kristallindividuums enthalten ist. Alles andere ergibt sich innerhalb einer Variationsbreite zwangsläufig aus dieser Anlage. Aber, und das ist das Interessante, so klein dieser Bereich ist, die einfachste Beschreibung setzt voraus, dass wir uns die darin enthaltene Atomkonfiguration in translativer Wiederholung ins Unendliche fortgesetzt denken. Bis zu einem gewissen Grad vermag der Vergleich mit einem Fries oder einem flächenhaften Ornament (einer Tapete z. B.) dies verständlich zu machen. Motiv und Art der Wiederholung werden im kleinen Bereich bestimmt, trotzdem stört jede endliche Begrenzung den Rhythmus der Abfolge. Wollen wir diesen kennzeichnen, so müssen wir von allen Grenzen absehen.

Während jedoch bei den künstlichen Konfigurationen mit einem Rapport ins Unendliche das Einzelbaumotiv für sich Selbständigkeit beansprucht, ist dies im physikalisch-chemischen Sinne für eine grosse Klasse der Kristalle, die sogenannten echten Kristallverbindungen, nicht der Fall. Für den Steinsalzkristall ist beispielsweise das Baumotiv ein Na-Ion, das in 6 gleichen Abständen von 6 Cl-Ionen umgeben ist. Es handelt sich um ein valenzchemisch völlig unabgesättigtes Gebilde, das bereits in sich die Tendenz zur Weiteranlagerung, zum Wachstum trägt. Bei heteropolarer, kovalenter bis homöopolarer oder metallischer Kristallbindung wird dies immer der Fall sein, nur bei Molekülkristallen besitzen gewisse Bauelemente eine teilweise Abgeschlossenheit.

Man bezeichnet den kleinsten Raumteil, der bereits in sich die gesamte substantielle und konfigurative Mannigfaltigkeit der Kristallstruktur aufweist, als Raum der Nichtidentität, primitives

Parallelepiped oder Gitterfundamentalbereich. Im Idealkristallraum sollte sich dann jeder Punkt dieses Bereiches raumgitterartig, d. h. in den Ecken lückenlos aneinander schließender, gleichgrosser Parallelepipede wiederholen. Die der primitiven Einheit angehörigen Atomaren bilden die Basisgruppe; die gegenseitige Lage der Teilchen zueinander, d. h. die stereochemisch-morphologischen Verhältnisse, sowie die Raumgitterkonstanten, die Metrik, charakterisieren die Kristallverbindung bzw. den Kristall.

So gross auf den ersten Blick die Umwertung des Kristallbegriffes, der sich früher auf das Aussengestaltliche eines endlichen Individuums bezog, zu sein scheint, es ist bereits weitgehend gelungen, die Brücke zu schlagen. Es konnten nicht nur die Symmetrie- und Variationsgesetze der Formen auf Baugesetze der Kristallstruktur rückgeführt werden, die Korrelation zwischen stereochemischem Bauprinzip und Flächen- und Kantenentwicklung am wachsenden Kristall ist grundsätzlich hergestellt. Die Hauptbindungsrichtungen zwischen den beim Kristallisieren zusammentretenden Baueinheiten bestimmen die Wachstumsgestalt sowie das physikalische Verhalten. Es lassen sich allgemeine Rangfolgen dieser Elemente aus der Struktur ableiten. Man unterscheidet z. B.: charakteristische Leitformen, Nebenleitformen, Spezialformen, Ergänzungsformen, individuelle Formen, und innerhalb dieser Gruppe oft auch eine typische Abfolge. Noch wichtiger sind die sogenannten Zonenverbände der Wachstumsflächen, die in Haupt- und Nebenentwicklungszonen gegliedert werden, und die in den natürlichen Kantenrichtungen ein Abbild wichtiger Strukturrichtungen vermitteln.

Äussere Einflüsse können gesetzmässig gewisse Umstellungen zur Folge haben, wobei jedoch ein gesamtstatistisches Bild der morphologischen Variationsbreite so gewahrt bleibt, wie es die Erfahrung zeigt. Mit anderen Worten: die natürlichen Kristallgestalten sind ein relativ grobes Abbild der Kristallstrukturen, modifiziert und beeinflusst durch die während der Kristallisation herrschenden Bedingungen. Der Anlagefaktor, die Kristallstruktur, dirigiert den Wachstumsprozess, ohne die entstehende

Gestalt völlig zu determinieren, da die vorkristalline Konstitution der Lösung, bzw. des Mediums, variierend eingreift; denn so klein der Bereich ist, in welchem alle artcharakteristischen Merkmale auftreten, die mit den Grenzflächen im Zusammenhang stehenden Erscheinungen sind nicht nur davon, sondern auch vom Aussenfeld abhängig, das übrigens seinerseits die Struktur beeinflussen kann.

Bereits lassen sich auch umgekehrt aus der Art der Flächenentwicklung ziemlich eindeutige Schlüsse über den Feinbau, teilweise sogar gleichzeitig über die Milieufaktoren ziehen. Es sei nur an folgende grobe morphologische Reihenentwicklung erinnert: mehr oder weniger isometrisch entwickelte Kristalle, im Gegensatz zu tafelig-blätterigen und säulig-stengeligen Kristallarten. Die ersteren treten vorzugsweise auf, wenn gleichwertige oder nahezu gleichwertige Hauptbindungen allseitig räumlich verteilt sind. Tafelige bis extrem blätterige Ausbildungen lassen sich erwarten, wenn die Hauptbindungen zweidimensionale Schichtverbände bilden, und der stengelig-faserige Typus resultiert bei kettenartiger Hauptbindung. Man kann so in Verbindung mit dem Symmetrieprinzip morphologisch-strukturelle Entwicklungsreihen aufstellen und versuchen, jeder Kristallart innerhalb dieser natürlichen Klassifikation ihren Platz anzuweisen. Der isometrische Typus erreicht seine höchste Symmetrie im kubischen oder hexagonalen System, die blätterigen oder stengeligen Modalitäten in irgend einem der wirteligen Kristallsysteme.

Die vergleichende Kristallstrukturlehre und Kristallmorphologie deckt in diesem Sinne verwandtschaftliche Beziehungen auf und lässt den Einfluss kleiner Unterschiede im Grundbau abschätzen. Ein wichtiges Ergebnis derartiger Untersuchungen ist die Feststellung, dass es gewisse symmetriegemäss ausgezeichnete Strukturpläne gibt, die sich unabhängig von der Bindungsart bei geometrisch ähnlicher Basisgruppe immer und immer wieder einzustellen suchen, so dass sich bei atomphysikalisch vorauszusehenden Störungen der entstehende Typus als geringfügige Deformation dieser Grundstrukturen darstellen lässt.

Gerade für denjenigen, der die denkbare, innerhalb der Idealgesetze bleibende ungeheure Strukturmannigfaltigkeit zu überblicken vermag, wird dieses natürliche Selektionsprinzip zu einer der grössten Offenbarungen über die tektonischen Prinzipien der Welt. Der Isomorphismus und allgemeiner gesprochen die Isotopic werden genotypisch verständlich; es finden in dieser Erscheinung die Strukturanalogien ihren Ausdruck. Bevor es der Kristallkunde gelang, ihr eigenes, dem Untersuchungsgegenstand angepasstes Begriffssystem zu entwickeln, haben die Bezeichnungen Isomorphismus und Mischkristallbildung einerseits und Polymorphismus anderseits eine grosse Rolle gespielt. Man ging ja fälschlicherweise davon aus, dass verschiedene chemische Bauschalzusammensetzung verschiedenartige Kristallisation bedeuten müsse, bei gleicher bauschalchemischer Ausgangszusammensetzung jedoch nur einerlei Kristallverbindungen entstehen dürfe. Das war eine Überschätzung analytisch-chemischer Befunde, eine Unterschätzung der stereochemischen Verhältnisse; es wurde wie so häufig in der Naturgeschichte das gestaltliche Moment vernachlässigt.

Heute ist die Fragestellung eine ganz andere. Sie führt unweigerlich zur Präzisierung des Artbegriffes und lautet zunächst: Welches ist die geometrische, physikalische und chemische Variationsbreite eines bestimmten Kristallstrukturtypus, welches sein Haltbarkeitsbereich und sein Stabilitätsfeld, wobei immerhin in Rücksicht auf die früher erwähnten Deformationsstrukturen die Beurteilung, was zum gleichen Typus zu rechnen ist, eine subjektive Komponente enthält. Daran schliesst sich sofort die zweite Frage an: Lassen sich innerhalb eines Strukturtypus zwischen verschiedenen Zuständen engere Verwandtschaften konstatieren, durch welche die Zusammenfassung zu einer Art gerechtfertigt wird?

Diese Problemstellung ist schon deshalb notwendig, weil jede Temperatur- und Druckänderung die innere Metrik der Kristalle und sehr häufig auch die spezielle Atomkonfiguration verändert, ohne dass eine neue Namengebung erfolgt. Man arbeitet somit in Wirklichkeit stets mit dem Artbegriff — sonst wäre ja der Bergkristall bei der Temperatur 10° anders zu benennen als der

gleiche Kristall nach Erhitzung auf 100° —, und man darf deshalb da, wo Schwierigkeiten auftreten, nicht plötzlich Desinteressement zeigen. Gerade im Hinblick auf die physikalische Zustandsgleichung eines Festkörpers drängt sich zunächst folgende Definition auf:

Wir rechnen zur gleichen Kristallart diejenigen kristallinen Konfigurationen, die sich innerhalb der Fehlergrenzen experimenteller Untersuchungen phänomenologisch kontinuierlich ineinander überführen lassen, bzw. eine zusammenhängende Serie bilden. Lässt sich beispielsweise eine Atomart Teilchen für ein Teilchen durch eine andere unter Wahrung des kristallinen Bauplanes ersetzen, sind also Mischkristalle durch einfache Atomsubstitution möglich, so liegt eine dem Chemismus nach variable Folge von Zuständen einer Kristallart vor. Es gilt festzustellen, welches diese diadoch zueinander stehenden Teilchen sind, welches der Umfang der Diadochie ist (d. Ii. ob sie nur bis zu einem gewissen Prozentsatz geht oder vollständig sein kann) und wie sich in Abhängigkeit vom Atomersatz die Eigenschaften (beispielsweise die optischen Verhältnisse) ändern.

Allein die chemische Variationsbreite einer Kristallart kann eine viel grössere sein als blosser Ersatz durch valenzchemisch gleichartige Atomsorten ahnen lässt. Es ist möglich, chemisch ungleichwertige, in der Raumbeanspruchung ähnliche Teilchen Schritt für Schritt in einer bestimmten Koppelung zu ersetzen, bei der die Summe der Wertigkeiten konstant bleibt. Ja, es lassen sich je nach den Bildungsumständen unter Beibehaltung des Grundbauplanes Wertigkeitsunterschiede der Substituenden durch sukzessiven Teilchenausfall (sogenanntes Auftreten von Leerstellen) oder durch Einlagerungen kompensieren. Manche Kristallstrukturen sind ausserdem an und für sich so beschaffen, dass in Abhängigkeit von der Natur des Mediums in loser Bindung bis zu gewissen Grenzwerten Teilchen in das Gitterfeld eingelagert und bei Bedingungsänderungen ausgetauscht oder völlig abgegeben werden können, ohne dass in irgend einem Moment das Artcharakteristikum verloren geht. In einzelnen Fällen bestimmt ein sogenannter Gitterträger praktisch allein das

kristalle Verhalten, er dominiert, während sieh andere für den. Gesamtaufbau wichtige Bestandteile lediglich in statistischer Verteilung, ja vagabundierend darin vorfinden, oder durch ganz andersartige Parteigruppen ersetzt werden können.

Das Dominanzproblem spielt übrigens auch bei der Korrelation von Struktur und Aussengestalt eine grosse Rolle. Man darf die Bindungsrichtungen nicht einfach nach geometrischen Gesichtspunkten auswählen. In Abhängigkeit von der Konstitution des vorkristallinen Mediums treten gewisse Strukturrichtungen in der Wachstumsmorphologie gesetzmässig zurück, andere in den Vordergrund. In der Kristallchemie wird versucht, die hiebei zutage tretenden Gesetzmässigkeiten valenzchemisch, d. h. atomphysikalisch zu deuten.

So ist es völlig falsch, sich den Kristall als ein starres Gebilde vorzustellen; die Anpassungsmöglichkeit der Art an die Kristallisationsbedingungen kann eine ganz ausserordentliche sein. Dadurch entsteht eine nicht unerhebliche Variationsbreite, wie sie etwa in Kristallarten wie Hornblende, Augit, Biotit oder irgend einem Zeolith besonders augenfällig wird. Sie gab Veranlassung, viele Varianten einer zusammenhängenden Serie mit Einzelnamen zu bezeichnen.

Diese Variationsbreite ist jedoch, wie betont, auch eine Funktion physikalischer Faktoren wie Temperatur und Druck. Neben einer blossen Einengung oder Erweiterung des "Artfeldes', im chemischen Sinne kann eine eigentliche Entmischung auftreten, d. h. die Aufspaltung einer Kristallart in zwei oder mehrere unter den neuen Bedingungen nicht mehr kontinuierlich ineinander überführbare kristalline Phasen, also in verschiedene Kristallarten. Ein einfaches Beispiel ist durch die Kristallverbindungen NaCI und KCl gegeben. Bei hohen Temperaturen lässt sich Na in beliebigem Verhältnis durch K ersetzen, Steinsalz und Sylvin sind nur Spezialglieder ein und derselben Kristallart. Bei tiefen Temperaturen ist der Teilchenersatz nicht mehr möglich, die beiden Kristallarten sind durch eine fast hundertprozentige Mischungslücke voneinander getrennt. Bei gleicher Zusammensetzung des bei hoher Temperatur gebildeten Mischkristalles und

gegebenem Druck kann die Aufspaltung von einer bestimmten Temperatur an beginnen; umgekehrt wird beim Erhitzen ein bauschalchemisch gleich zusammengesetztes Gemenge von Steinsalz und Sylvin bei dieser Temperatur homogenisierbar.

Man darf diesen Umstand keineswegs zur Aussage benutzen, es sei das Problem der Kristallart dadurch als Scheinproblem erkannt worden. Jede morphologisch fassbare Art hat ein endliches Existenzfeld. Die Systematik bezieht sich immer auf eine gegebene Umwelt und auf den in dieser herrschenden Bedingungskomplex. So ist auch die Umwandlung einer kristallinen Modifikation in eine andere der spontanen Entstehung einer neuen Kristallart zu vergleichen, die unter den veränderten Verhältnissen grössere Stabilität besitzt. Das Existenzfeld einer Art wird somit sowohl durch physikalische als auch chemische Faktoren bestimmt. Ist bei gegebenem Gesamtchemismus unter gewissen Verhältnissen die Bildung einer einzigen Art möglich, die jedoch bei Temperatur-Druckänderungen in mehrere isotype Kristallarten zerfällt, so lassen sich unter diesen veränderten Umständen die verschiedenen Arten immer noch zu einer Artgruppe zusammenfassen. Selbstverständlich wird dadurch die Artabgrenzung von den Fortschritten experimenteller Untersuchungen abhängig, die Kristall- und Mineralchemie erhält neue Impulse, es entsteht die für einen Fortschritt notwendige Lebendigkeit des Begriffes.

Hinsichtlich der Kristallartumwandlungen und der Haltbarkeitsbeziehungen von Kristallarten gleicher Hauptzusammensetzung ist von Bedeutung, dass oft sehr geringfügige Beimengungen einen Typus andern gegenüber zu stabilisieren vermögen, wie übrigens bei gleicher Kristallart derartige kleinste Mengen auch beim Wachstum stark habitusverändert wirken können. Es ist diese Erscheinung, man denke an die Wuchsstoffe, also keinesfalls auf lebende Organismen beschränkt. Das Studium der Beeinflussung der Umwandlungsgeschwindigkeit und der Bildungsbereiche verschiedener Modifikationen wird in einem grossen, gut ausgebauten Kapitel der Kristallkunde behandelt, ein anderes befasst sich mit den inneren Stoffaustausch- und den

äusseren Oberflächenreaktionen. Bemerkenswert ist, dass bei gesetzmässigen Verwachsungen gleichartiger oder ungleichartiger Kristalle dem Verwachsungsgebiet oft eine eigene Struktur zukommt, die in einzelnen Fällen den Charakter einer auch für sich bekannten, selbständigen Kristallart annimmt, so dass man fast versucht ist, gewisse Begriffe der Lehre von der Symbiose anzuwenden.

Ein weiteres Studium der Kristallwelt erhöht die typisierbare Mannigfaltigkeit und führt so zu den Begriffen der Unterarten. Bei Substitions- oder Einlagerungsmischkristallen können Ersatz oder Einbau ungeregelt oder geregelt erfolgen. Das beeinflusst, wie besonders schön die Metallkunde zeigt, in recht erheblichem Masse die Eigenschaften. Der Übergang vom geordneten zum ungeordneten Typus der gleichen generellen mehratomigen, mischkristallartigen Kristallverbindung verlangt die Möglichkeit eines Platztausches der Teilchen im Gitterverband (sei es direkt oder über Zwischenplätze) und ist als eine innerkonstitutionelle Umwandlung unter Beibehaltung des Bauplanes zu bezeichnen. Ähnliche Erscheinungen treten auch sonst auf und berechtigen, wie z. B. bei Hoch- und Niedertemperaturquarz, die verschiedenen Zustände trotz eines im letzten Momente mutationsartigen, sprunghaften Überganges, mit dem gleichen Artnamen zu belegen und als Unterarten auseinander zu halten. In analoger Weise können bei Schichtkristallen die Schichten in verschiedenen Rhythmen aufeinanderfolgen, ohne dass dies die Hauptcharakteristik, die bereits der einzelnen Schicht zukommt, beeinflusst. So wird es zur absoluten Notwendigkeit, alle diese wenig voneinander verschiedenen Zustände begrifflich zusammenzufassen und in ihrer Abhängigkeit von den Bildungsbedingungen zu studieren.

Zu dieser im Grunde genommen immer noch dem Idealkristall zugeordneten Variationsfähigkeit kommt nun noch diejenige des Realkristalles hinzu. Dem Idealkristall gegenüber besitzen praktisch alle Kristalle Konstitutions- oder Baufehler. Es wird dies nicht verwundern, wenn wir bedenken, dass sich bereits zur Bildung eines kaum kubikmillimetergrossen Kristalles der gleiche

Anlagerungsschritt in gesetzmässiger Folge trillionenfach wiederholen muss. Hiebei ist besonders das Anfangsstadium der Kristallbildung äusseren Einflüssen gegenüber empfindlich. Ja, es kann, wie die kolloidalen Systeme zeigen, das Auswachsen zum mikro- bis makroskopischen Kristall völlig unterbunden werden.

Es gibt Stoffe, die infolge Bildung von Adsorptionshüllen auf die Kristallisation vergiftend wirken, wobei sehr häufig eine spezifische Selektivität zu erkennen ist, indem diese Schutzwirkung auf bestimmten Flächen weit intensiver zur Geltung kommt als auf anderen. Das modifiziert zum mindesten das Verteilungsbild der Wachstumsgeschwindigkeiten für verschiedene Richtungen und dadurch Habitus und Tracht der entstehenden Einzelindividuen.

Entsteht ein grösseres Einzelindividuum, so ist dieses oft mosaikartig aus kleinen einheitlichen, jedoch gegeneinander verdrehten Bereichen zusammengesetzt, die für das molekulare Wachstum passiv geworden sind, oder es treten Unvollkommenheiten, Lücken, Baufehler im Verlauf des Wachstums auf. Diese Pathologie der Kristalle ist technisch von größter Bedeutung, gibt es doch eine ganze Reihe von Eigenschaften, die durch sie stark beeinflusst werden. Bereits ist es gelungen, manche dieser Konstitutionsmängel näher zu umschreiben und mit ganz bestimmten Bildungsweisen in Beziehung zu setzen. Gleiches gilt für die unvollkommene äussere Gestaltentwicklung, besonders bei den kleinkörnigen Somatoidkristallisationen. Aber selbst bei den wasserklaren Kristallindividuen von Edelsteinqualität treten in Abhängigkeit von der Bildungsweise individuelle Störungen auf. Der experimentellen Technik ist ein grosses neues Anwendungsfeld erschlossen. Man versucht festzustellen, inwieweit durch Milieufaktoren und Änderung der Kristallisationsbedingungen diese Konstitutionsvariabilität beeinflussbar ist und welche Faktoren einen Gesundungsprozess herbeiführen. Anderseits wird erforscht, wie durch äussere Beanspruchungen nachträglich Störungen entstehen können, wie überhaupt auf mechanische und chemische Einwirkungen ein Kristall oder Kristallaggregat reagiert.

Es braucht kaum nochmals betont zu werden, dass es sieh um ein Gebiet von grösster praktischer Bedeutung handelt, sind doch viele unserer Baumaterialien Kristallaggregate. Die Gesteins- und Metallkunde arbeitet bereits mit Begriffen wie Verformung, Ermüdung, Verfestigung, Erholung, Vergütung, Veredlung, Regeneration und Rekristallisation, die in diesem Zusammenhang ihre ganz bestimmte Bedeutung haben. Immer mehr erkennt man, wie Eigenschaften und Verhalten eines Kristalles in gewissem Sinne von der Vorgeschichte abhängig sind; ja bei den Ab- und Umbauprozessen tritt etwas auf, das neuerdings selbst in der Kristallkunde als Vererbung oder Erinnerungsvermögen bezeichnet wird. Bilden sich durch Umsetzung oder Umwandlung neue Kristalle aus alten, so weisen sie nämlich oft Eigentümlichkeiten auf, die auf das Edukt rückführbar sind. Auch bei scheinbar vollständiger Auflösung und später erfolgender Neukristallisation können Anklänge an die spezifischen Eigenschaften des Ausgangsmateriales beobachtet werden, weil offenbar die vorausgegangene Auflösung gewisse letzte strukturelle Zusammenhänge nicht völlig zu zerstören vermochte.

So subsummiert sich unter dem Begriff einer Kristallart so viel Individuelles und Variables, dass ein Vergleich mit der Labilität der Arten auf dem Gebiete der Lebewesen durchaus sinnvoll wird.

Es wird überhaupt aus diesen naturgemäss nur programmatischen Erörterungen ersichtlich geworden sein, dass in der Lehre von den Kristallen sehr viele Terminologien wiederkehren, mit denen man in der Biologie ständig arbeitet. Leider hat man nicht selten versucht, diesen Umstand zu benutzen, um den Unterschied zwischen Kristallen und Lebewesen zu verwischen oder gar von Kristallseelen zu sprechen. Man vergisst, dass sich die genannten Analogien zwangsläufig aus der gleichartigen Methodik ergeben, die hier wie dort durch das Vorhandensein phänomenologisch und strukturell erforschbarer, individueller Ganzheiten bedingt wird. So ist auch manches für Organismen als typisch angesehen worden, man denke nur an die teleologische Ausdrucksweise, was für jede morphologische Wissenschaft Geltung hat.

Heute ist in weiten Kreisen das Bestreben vorhanden, die Grundlagen für eine allgemeine theoretische Morphologie zu schaffen. Es wird nicht nur den dynamischen Gesetzen, sondern auch den Strukturgesetzen Aufmerksamkeit geschenkt. Die theoretische Morphologie arbeitet mit Prinzipien, Idealen, Normen. Sie vernachlässigt weder das Individuum noch die Gesamtheit, sie gliedert und klassifiziert, betrachtet das Sein und retrospektiv das Werden. Sie gestaltet und sucht aus der Gestaltung heraus zu verstehen. Der Standpunkt, es handle sich hiebei nur um eine Hilfswissenschaft, die durch die sogenannte Gesetzeswissenschaft abgelöst werden müsse, ist unhaltbar. Beides sind Erscheinungen des gleichen Grundphänomens. Sie gehören, um ein Bild zu gebrauchen, so zusammen, wie in der Optik die Vorstellung von der Wellenbewegung und der quantenhaften Struktur. Aber in unserer unharmonischen Zeit ist die Gefahr gross, dass neue Einsichten zu naturphilosophischen Spekulationen missbraucht werden. Man spricht von einem Zusammenbruch des naturwissenschaftlichen Weltbildes, selbst wenn es sich nur um seine natürliche Fortentwicklung und Ausgestaltung handelt. Man versucht zu beweisen, dass nur eine Revolution des Denkens und der Begriffe aus einem Chaos innerhalb der Wissenschaft herausführe, das derjenige zu sehen glaubt, der es sehen will oder der damit das Chaos auf dem Gebiet der menschlichen Zusammenarbeit und Ethik verdecken möchte. Das Mass der Dinge, die Gabe, die Verhältnismässigkeit aller Erscheinungen zu erkennen, ist vielen verloren gegangen. Deshalb ist es vielleicht nicht unnütz, wenn sich gelegentlich der Kristallograph, der fest auf dem Boden der physikalischen und chemischen Tatsachen steht, für den aber auch morphologische Prinzipien höchste Bedeutung haben, zum Worte meldet. Das ruhige, stille Licht, das Kristalle ausstrahlen, deren vollendete Formen unsere Ehrfurcht erwecken und unseren Drang nach Erkenntnis zu immer neuen Forschungen anspornen, möge über den Auseinandersetzungen leuchten, die eine Wissenschaft jung erhalten und fördern, wenn sie nur dem einen Ziel verpflichtet sind, dem selbstlosen Suchen nach tieferer Einsicht und nach Wahrheit.