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UNIVERSITÄT UND WELTANSCHAUUNG

FESTREDE DES REKTORS
Prof. Dr. N. A. LUYTEN
GEHALTEN
AM DIES ACADEMICUS
DER UNIVERSITÄT FREIBURG
AM 15. NOVEMBER 1957

in unserer, von der Wissenschaft geprägten Zeit steht die Universität erneut im Mittelpunkt des Interesses. Bemerkenswert ist dabei, daß die Hochschule nicht länger als herkömmliche, traditionell verwurzelte, und schon dadurch gerechtfertigte, Selbstverständlichkeit gesehen wird. Wenn auch nicht ihre Existenz, so ist doch ihre Struktur sowie ihre Aufgabe irgendwie in Frage gestellt. Das verpflichtet uns von der Universität her zu erneuter Besinnung auf Wesen und Sinn der akademischen Lehrtätigkeit und Forschung. Man könnte in diesem In-Frage-Stellen der herkömmlichen Universitätskonzeption eine Dekadenzerscheinung sehen. In Wirklichkeit handelt es sich aber wohl um ein Zeichen gesunder Entwicklung. Geistige Institutionen können nie aus bloßer Routine leben: in ständiger Neubesinnung müssen sie immer wieder verantwortet werden. Die bloße Wiederholung ist im Materiellen beheimatet; ebenso ist das Gesetz des Beharrens im einmal erworbenen Zustand ein typisches Gesetz der stofflichen Welt. Das Geistige kann sich nur im ständigen Neuvollzug behaupten, wobei die Konzeption immer neu durchdacht und gerechtfertigt werden muß. In diesem Lichte ist eine Besinnung auf Wesen und Aufgabe der Universität nicht ein Zeichen der Unsicherheit

und des Versagens, sondern vielmehr der Beweis eines lebendigen Bewußtseins um die Verantwortung der Hochschule im Aufbau der menschlichen Gemeinschaft.

Aus der Vielfalt der durch die neuen Zeitverhältnisse aufgeworfenen Fragen 1 möchten wir hier eine aufgreifen, der nach unserer Meinung in der jetzigen Auseinandersetzung um die Universität zentrale Bedeutung zukommt: wir meinen das Problem der weltanschaulichen Verhaftung der Universität. Sogleich sei bemerkt: wir sind uns bewußt, wie sehr der Begriff des Weltanschaulichen etwas Unscharfes, ja Vages an sich hat. Diese Unschärfe ist aber nur die Kehrseite der 'Weite des Begriffes. Und gerade um dieser Weite willen erscheint uns der Begriff Weltanschauung als der geeignetste, das ganze Problem in Bezug auf die Universität zu stellen, zugleich auf das Wesentliche zugespitzt, und doch in breitester Strahlung gesehen. Die Frage aufwerfen, ob und inwieweit die Universität sich an die verschiedensten Aufgaben und Anforderungen der jeweiligen Zeit anzupassen hat, heißt mit anderen Worten fragen, ob und inwieweit die Universität einer ihr übergeordneten Normierung —

eben der menschlichen Gesamtsituation —unterstellt ist. Gerade diese Frage meinen wir und zwar in ihrer ganzen Breite, wenn wir hier von der weltanschaulichen Bedingtheit der Universität sprechen.

Aber nicht nur die heute zunehmende Verquickung der Wissenschaft mit den verschiedensten Lebensbereichen zwingt uns zu dieser Besinnung. Auch das eigenste Wesen unserer Hochschule, die doch als katholische Universität gegründet wurde, lädt uns zum Nachdenken über die weltanschauliche Verhaftung der Universität ein. So vertraut uns der Begriff «katholische Universität» auch sein mag. eine Selbstverständlichkeit ist er keineswegs. \Vas aber nicht selbstverständlich ist, muß nachgewiesen werden. Und das geschieht dadurch, daß die Sinnhaftigkeit der in Frage stehenden Zusammenhänge aufgedeckt wird. In diesem Geiste haben wir uns im folgenden zur Aufgabe gestellt, die weltanschauliche Gebundenheit der Universität auf ihre Sinnhaftigkeit zu überprüfen.

Schon bei einer oberflächlichen Betrachtung erscheint uns die Verbindung von Universität und Weltanschauung recht problematisch.

Es erscheint doch wesentlich für die Universität, Stätte der Lehre und Forschung zu sein, die sich als solche nur der Wissenschaft verpflichtet weiß. Ist nicht Wissenschaftlichkeit und Sauberkeit im Denken für die Hochschule höchste Norm? Wie kann da noch Raum sein für eine weltanschauliche Bindung? Bewegen wir uns mit einer Normierung von der Weltanschauung her nicht außerhalb der Grenzen der Wissenschaft? Ist dann aber

eine solche Normierung noch zulässig für eine Institution, die Wissenschaft als eigenste Aufgabe und Verpflichtung hat?

Diese Frage ist gar nicht künstlich konstruiert. Haben wir doch aus neuester Erfahrung allzu klare Beispiele von einer unzulässigen Beeinflussung der wissenschaftlichen Forschung durch weltanschauliche Postulate. War es im Nationalsozialismus nicht ein weltanschauliches a priori, das weite Gebiete der Forschung gefälscht oder verzeichnet hat? Und hat sich heute die marxistische Weltanschauung nicht verheerend ausgewirkt auf die wissenschaftliche Objektivität in Geschichtsschreibung und Philosophie, ja sogar in einer so exakten Wissenschaft wie der Biologie?

Natürlich könnte man sagen, es handle sich hier um falsche Weltanschauungen, die deshalb verheerend für die Wissenschaft sind, weil sie auf Irrtum beruhen.

Damit ist aber das aufgeworfene Problem wohl kaum gelöst. Denn abgesehen von der Frage, wer über Richtigkeit oder Nicht-Richtigkeit einer Weltanschauung zu befinden habe, bleibt die Grundschwierigkeit bestehen, inwiefern weltanschauliche Überlegungen die wissenschaftliche Arbeit, die Aufgabe der Universität ist, irgendwie bedingen oder beeinflussen dürfen. Sogar wenn man eine durchgängige Übereinstimmung von weltanschaulichen Auffassungen und wissenschaftlichen Ergebnissen voraussetzt, —wie das öfters in der Frage Wissen und Glauben geschieht, indem man sich auf Gott als letzte und einzige Quelle aller Wahrheit beruft, — bleibt trotzdem

die Frage bestehen, wieso eine weltanschauliche Bindung mit wissenschaftlicher Sauberkeit vereinbar ist. Denn in der weltanschaulichen Bindung wird doch gerade das vorweggenommen, was die Wissenschaft erst als methodisch gesicherte Errungenschaft in ihre Synthese einbauen darf. So scheint auch bei restloser materieller Übereinstimmung von weltanschaulicher Annahme und wissenschaftlicher Einsicht eine weltanschauliche Bindung das wissenschaftliche Ethos und die wissenschaftliche Sauberkeit zu gefährden.

Man kann die hier aufgeworfene Schwierigkeit vielleicht am klarsten so formulieren: gegenüber der Autonomie der Wissenschaft erscheint jede weltanschauliche Bindung als eine unzulässige Heteronomie, welche die Eigenständigkeit der Wissenschaft gefährdet und so die Wissenschaftlichkeit selber in Frage stellt.

Es ist natürlich von vornherein klar, daß zwischen Weltanschauung und Wissenschaft auffallende Unterschiede, wenn nicht Gegensätze bestehen. Die Wissenschaft ist eine methodisch erarbeitete, verantwortete, systematische Erkenntnis irgendeines Bereiches der Wirklichkeit (wobei wir Wirklichkeit im weitesten Sinne nehmen, sodaß unsere Definition einerseits auch auf Mathematik oder Logistik zutreffen würde, und andererseits auch eine idealistische Wissenschaftsauffassung darunter fiele). Weltanschauung dagegen ist eine Totalschau der ganzen Wirklichkeit, die nicht so sehr durch methodisches Erarbeiten, als vielmehr durch gleichsam intuitives Erfassen zustande zu kommen

scheint. Während also wissenschaftliche Erkenntnis auf methodisch gesicherte, abgeklärte Objektivität ausgeht, ist Weltanschauung eher eine tief subjektiv empfundene Bindung an eine bewertende Wirklichkeitsdeutung mit stark affektiver Resonanz 2. Schon aus dieser kurzen Gegenüberstellung geht hervor, wie sehr das Zusammentreffen von Wissenschaft und Weltanschauung im gleichen Raum, ein Problem darstellt. Und dieses Problem spitzt sich noch zu, wenn man bedenkt, daß beide Geisteshaltungen, die wissenschaftliche sowohl als die weltanschauliche, naturgemäß Anspruch auf Verbindlichkeit erheben. Der wahre Wissenschaftler weiß sich verpflichtet und zwar absolut, auf die Ehrlichkeit im Denken, die in der Treue zur wissenschaftlichen Methode zum Ausdruck kommt. Ebenso sehr aber, oder eher noch mehr, hat die Weltanschauung verbindlichen Charakter. Man hat nicht nur eine Weltanschauung, man bekennt sich zu ihr, und bezeugt dadurch, wie sehr man sie als verpflichtend empfindet.

Wie haben wir uns da die Begegnung von beiden im universitären Raum zu denken? Kann da wissenschaftliche Ehrlichkeit überhaupt mit weltanschaulicher Bindung zusammengehen?

Es gab eine Zeit — und sie ist noch nicht ganz vorüber, — in der viele Gelehrte diese Frage ohne Zögern

negativ beantwortet hätten. Die Freiheit der Wissenschaft erschien ihnen als Grundpostulat, zu dem jede weltanschauliche Bindung in schroff em Gegensatz steht. Höchstens könnte man ein Nebeneinander von Wissenschaft und Weltanschauung dulden, unter der Bedingung aber, daß die Wissenschaft sich strikte außerhalb jeglicher weltanschaulichen Beeinflussung aufzubauen hätte. Der noch heute so geläufige Begriff der voraussetzungslosen Wissenschaft ist wohl für gewöhnlich in diesem Zusammenhang zu verstehen.

Seitdem aber die Verbindung von Wissenschaft und Leben immer deutlicher wird, seitdem man in gewissen, zeitgenössischen Denkrichtungen mit einer betonten Vorliebe von einer «science engagée» spricht 3; seitdem sogar in der Physik, der «objektivsten» aller Naturwissenschaften das Subjekt irgendwie in der Weltbeschreibung mitberücksichtigt wird 4, ist es wohl berechtigt, die Frage erneut aufzuwerfen, ob und in wieweit die Wissenschaft außerhalb jeglicher weltanschaulichen Bindung steht.

Es bedarf wohl keiner tiefgehenden geschichtlichen Kenntnisse, um zu wissen, daß die Idee der Universität keineswegs in einem weltanschaulichen Vakuum geboren

wurde. Im Gegenteil: das aufs äußerste weltanschaulich geprägte Mittelalter war der Raum, in dem die Universitas litterarum entstanden ist. Hier muß sogleich betont werden, wie sehr das Weltanschauliche im Mittelalter eminent religiös betont war. Die Wissenschaft entwickelte sich in einer geistigen Atmosphäre, die vom Religiösen her schon ihre Prägung hatte. Das «credo ut intelligam» 5 ist wohl der extremste Ausdruck dafür, wie der religiöse Glaube keineswegs als Hindernis, sondern geradezu als Voraussetzung des wissenschaftlichen Denkens empfunden wurde. Freilich wäre es übertrieben, das ganze Mittelalter unter diese Formel zu stellen. Vor allem bei Thomas von Aquin wird die Eigenständigkeit des rationalen Denkens scharf gegen die Glaubenshaltung abgegrenzt. Trotzdem aber bedeutet das nicht eine Ausklammerung der Wissenschaft aus dem religiös-weltanschaulichen Kontext. Eine durchgängige Harmonie und ein innerer Zusammenhang durchwalten die Bereiche von Wissenschaft und Weltanschauung, die im ständigen Zusammenspiel sich ergänzen und befruchten. Wohl meldet sich die Konfliktmöglichkeit schon hie und da an. Denken wir z. B. nur an Siger von Brabant mit seiner Lehre der doppelten Wahrheit, in der Wissenschaft und Weltanschauung auseinanderklaffen. Das ist aber die Ausnahme. Im großen und ganzen wird die weltanschauliche

Verankerung als Selbstverständlichkeit empfunden. Wissenschaft und Weltanschauung bilden eine harmonische Synthese, in der letztere den idealen Rahmen bietet für die wissenschaftliche Forschung und diese ihrerseits Unterbauung und vernunftmäßige Durchdringung der weltanschaulichen Inhalte besagt.

Erst als diese Synthese in der modernen Zeit zusammenbrach, wurde die weltanschauliche Bindung des wissenschaftlichen Denkens ernstlich in Frage gestellt. Es ist hier nicht der Ort, die Einflüsse, die zu diesem Zusammenbruch beigetragen haben, in einer eingehenden kulturhistorischen Untersuchung aufzudecken. Es möge genügen, auf ein paar Zusammenhänge hinzuweisen, die für unser Thema besonders wichtig sein dürften.

Zunächst einmal ist die Dekadenz des mittelalterlichen Denkens weitgehend ein Zerfallprozeß, der die einst so mächtige Gedankenwelt von innen zersetzt und ausgehöhlt hat. Der Nominalismus nahm der mittelalterlichen Spekulation ihre metaphysische Dimension und beraubte sie so ihres eigentlichsten Inhaltes.

Die erfolgreich sich durchsetzende Naturwissenschaft, die zum Teil auf dem Nährboden des Nominalismus erblühte 6, trug wesentlich dazu bei, die Metaphysik des Mittelalters zurückzudrängen und sie durch ein phänomenverhaftetes Weltbild abzulösen.

Schließlich war auch die Verdrängung der theozentrischen

Gedankenwelt des Mittelalters durch das anthropozentrische Denken der humanistischen Renaissance ausschlaggebend. Die Theologie wurde aus ihrer bis dahin führenden Rolle verdrängt. Die «Ratio» wurde anstelle der «Revelatio» letzte Norm des Wirk1ichkeitsdenkens. Damit war das Denken grundsätzlich aus der religiös-weltanschaulichen Atmosphäre des Mittelalters herausgehoben. Trotz aller persönlichen Religiosität z. B. eines Descartes, Leibniz oder Kant, ist ihre Gedankenwelt gründlich laisiert. In dieser laisierten Atmosphäre des Rationalismus (mit seinen weiteren Ausläufern im Positivismus, Scientismus, Materialismus usw.), in der die Eigenständigkeit der Vernunft betont — und sogar überspitzt —wurde, entwickelte sich mehr und mehr die Ansicht, es bestünde zwischen wissenschaftlichem Denken und weltanschaulicher Überzeugung eine grundlegende Inkompatibilität. So entstand ein Wissenschaftsideal, das in bewußter Eigenständigkeit sich jeglicher weltanschaulicher Bindung zu entziehen bemühte. Die Sorge um die methodische Sauberkeit, so typisch für das moderne Denken seit Descartes, bedingte eine Loslösung der Wissenschaft von jeglicher außerwissenschaftlichen Instanz und so eine Trennung zwischen Wissenschaft und weltanschaulicher Verhaftung. Man geht wohl nicht fehl mit der Behauptung, diese im Grunde rationalistische Auffassung sei bis heute ausschlaggebend in der Frage der Beziehungen zwischen Wissenschaft und Weltanschauung. Wenn der eigene Bereich des Wissenschaftlichen als weltanschaulich neutral zu gelten hat, dann

nur darum, weil die Wissenschaft in ihrer Eigenständigkeit außerhalb jeglicher Beeinflussung vom Weltanschaulichen her steht.

In dieser Perspektive erscheint dann auch jede weltanschauliche Bindung als Einschränkung der Wissenschaftlichkeit, ja als Verrat an der Wissenschaft.

Diese Ansicht wird in weiten Kreisen als unabdingbare Errungenschaft des modernen Denkens gewertet. Wer auch nur den leisesten Zweifel an diesem Grundpostulat äußert, wird schon der Unwissenschaftlichkeit bezichtigt.

Und doch können wir uns des Eindruckes nicht erwehren, daß hier trotz eines richtigen Grundgedankens ganz wesentliche Dinge übersehen werden. Zumindest ist die Frage erlaubt, ob die weltanschauliche Neutralität ein Wesensmerkmal der Wissenschaft, oder aber ein Postulat rationalistischen Denkens ist. Sollte letzteres auch nur irgendwie zutreffen, dann würde mit der Überwindung des Rationalismus auch die weltanschauliche Neutralität der Wissenschaft erneut in Frage gestellt. Da aber in der heutigen geistesgeschichtlichen Situation zweifelsohne das rationalistische Denken weitgehend überholt ist, scheint es wohl wünschenswert, um nicht zu sagen notwendig, das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Weltanschauung einer erneuten Überprüfung zu unterziehen. Es muß uns doch wohl argwöhnisch stimmen, daß das Postulat der weltanschaulich-neutralen Wissenschaft in einer Zeit aufgestellt wurde, der das metaphysische und religiöse Verständnis der Wirklichkeit

abging. Andererseits aber scheinen mit diesem Postulat so wesentliche Werte wie wissenschaftliche Objektivität und Ehrlichkeit verbunden zu sein, daß man befürchten muß, mit jeder Einschränkung seiner Geltung auch die wissenschaftliche Objektivität herabzusetzen.

Fangen wir vielleicht einmal bei diesem Aspekt der Frage an. Zweifelsohne hat das moderne Denken in der Herausarbeitung spezifischer, wissenschaftlicher Methoden enorme Fortschritte gemacht, die einen ungeheueren Zuwachs an Erkenntnissen gezeitigt haben. Daß dabei der wissenschaftliche Fortschritt im direkten Zusammenhang mit der Sauberkeit der Methode steht, kann nicht bezweifelt werden. So versteht es sich dann auch, daß das Ideal der Wissenschaftlichkeit in der Richtung einer stets exakteren methodischen Abgrenzung gesucht wurde. Alles, was außerhalb dieser wissenschaftlichen Methode liegt, wie z. B. die weltanschauliche Bindung, wird in dieser Perspektive fast zwangsläufig als nicht-wissenschaftlich empfunden. Daß dieses «nicht-wissenschaftlich», leicht zu «unwissenschaftlich» wurde und man es deshalb ablehnte, braucht uns weiter nicht zu verwundern. Vor allem liegt eine solche Vereinfachung im Klima der Pseudo-Klarheit einer rationalistischen Gedankenwelt auf der Hand. Es ist aber sehr die Frage, ob diese Auffassung der ganzen Komplexität des wissenschaftlichen Denkens gerecht wird. Liegt doch im Rationalismus ohnedies die Gefahr einer zu großen Simplifizierung des Problems, weil er von der ziemlich naiven Auffassung ausgeht, den ganzen Reichtum der Wirklichkeit

in der immanenten Klarheit der Vernunft erfassen zu können. So hat man scheinbar auch allzu leicht das wissenschaftliche Denken in rein von der Vernunft bestimmte methodische Regeln einfangen wollen, ohne sich dabei genügend Rechenschaft zu geben über die tieferen Voraussetzungen, dank derer Wissenschaft überhaupt erst möglich wird.

Nehmen wir vielleicht den aus diesem rationalistischen Klima stammenden Begriff der voraussetzungslosen Wissenschaft. Damit ist zunächst wohl gemeint: Wissenschaft soll keine unbegründeten Annahmen in ihre Systematik aufnehmen, sondern nur solche, die sie nach ihrer Methode verantworten kann.

Soweit kann man wohl ohne Bedenken einverstanden sein. Allzu oft aber wird viel mehr in diesen Begriff der voraussetzungslosen Wissenschaft hineingelegt. Dann kommt man zu einer Auffassung der Voraussetzungslosigkeit, die nach unserem Dafürhalten nicht mehr verantwortbar ist. Und aus dieser falschen Interpretation heraus wird dann jede weltanschauliche Verankerung der Wissenschaft abgelehnt.

Untersuchen wir deshalb zunächst etwas genauer, wie es um die «Voraussetzungslosigkeit» der Wissenschaft, bzw. um ihre Voraussetzungen steht.

Zunächst einmal ist zu betonen, daß eine wissenschaftliche Problemstellung —und jede Wissenschaft fängt mit einer Problemstellung an —unmöglich aus dem Nichts herauswachsen kann. Etwas muß vorausgesetzt sein, das zur wissenschaftlichen Problematik Anlaß gibt. Man

könnte das die materiale Voraussetzung der Wissenschaft nennen, unter der man einfach die gegebene Tatsächlichkeit verstehen würde, von der jede Wissenschaft auszugehen hat.

Wer aber meint, eine solche rein materiale Voraussetzung genüge zum Aufbau der Wissenschaft, der übersieht das Wichtigste. Wissenschaft entsteht erst da, wo man aus dem Raum der reinen Tatsächlichkeit heraustritt, um in das Gebiet des Problematischen vorzustoßen. Wer nie staunte über die «Gegebenheit» der Welt, wer nie hinter den Tatsachen das geheimnisvolle Unbekannte ahnte, wer nie nach Zusammenhang und Sinndeutung der Wirklichkeit frug, der wird auch wohl nie den Zugang zur Wissenschaft finden. Wissenschaft entsteht erst in der Begegnung eines wahrheitsuchenden Geistes mit einer Wirklichkeit, welche viel mehr «Aufgabe» als bloße «Gegebenheit» ist. Das heißt aber, daß der ganze Raum des nach Wahrheit suchenden und auf die Wahrheit verpflichteten Geistes, sowie auch die ganze Dimension der Fragwürdigkeit des Wirklichen unumgängliche Voraussetzungen jeglicher Wissenschaft sind.

Dies mag so evident selbstverständlich erscheinen, daß man geneigt wäre, von einer Binsenwahrheit zu sprechen. Man muß aber feststellen, daß gerade diese fundamentale Voraussetzung der Wissenschaft sehr oft übersehen wird. Damit meinen wir nicht einmal die überspitzt-materialistische Wissenschaft, welche z. B. in totaler Verkennung des Ausgangspunktes jeglicher Forschung den Geist als Ausscheidungsprodukt des Gehirns «erklärte»!

7 Nein, auch in subtilerer, scheinbar harmloserer Form wird in der Forderung nach sogenannter Wissenschaftlichkeit das Allerfundamentalste und Wichtigste an der Wissenschaft übersehen.

Wie oft können wir feststellen, wie gewisse Geister so sehr im Banne der exakt messenden physikalischen Methode stehen, daß sie jede nicht exakt meßbare Dimension der Wirklichkeit als wissenschaftlich unhaltbar ablehnen. Wie viele Biologen haben, geblendet durch dieses «Wissenschaftlichkeitsideal», das eigentlich biologische Problem nie berührt? Wieviele Psychologen haben mit «wissenschaftlicher» Gründlichkeit systematisch das eigentlich Menschliche übersehen?

Das sind nur ein paar Beispiele, die uns aber mit aller wünschenswerten Deutlichkeit die Gefahr einer einseitigen Verabsolutierung begrenzter wissenschaftlicher Methoden vordemonstrieren.

Wenn man eine solche Auffassung logisch durchdenkt, kommt man zu einer eigentlichen Selbstaufhebung der Wissenschaft. Denn in dem Maße, als man nur dasjenige für verantwortbar hält, was innerhalb einer wissenschaftlichen Methode bewiesen wird, wäre man logisch gezwungen, die Wissenschaft selber als unwissenschaftlich abzulehnen, weil sie nicht innerhalb ihrer eigenen Methoden verantwortbar ist. Hier wäre das Wort von Eddington am Platz: Wenn auch die Wissenschaft die ganze Welt erklären würde, dann bleibt doch die Frage

unbeantwortet, was dann wohl die Wissenschaft erklärt 8. Das Postulat der reinen Wissenschaftlichkeit führt logischerweise sich selber ad absurdum. Die Grundlage jeglicher Wissenschaft ist per definitionem nicht schon wissenschaftlich, weil erst von ihr aus und auf ihr Wissenschaft aufgebaut werden kann.

So wird es uns klar, daß Wissenschaft sich selber nicht genügt. Keine Wissenschaft kann im luftleeren Raum aufgebaut werden. Sie geht aus von tatsächlichen Gegebenheiten. Vor allem aber setzt sie voraus einen Geist, der nach Wahrheit strebt und sich auf sie verpflichtet weiß. Nur aus einem Wahrheitsideal heraus wird Wissenschaft möglich; nicht aber wird das Wahrheitsideal selber erst von der Wissenschaft konstruiert.

Es dürfte aus allen diesen Darlegungen klar geworden sein, wie irreführend es sein kann, von einer schlechthin voraussetzungslosen Wissenschaft zu reden. Ist also die Universität Stätte der Wissenschaft, dann kann sie nicht voraussetzungslos sein. Sie setzt nämlich ein Eros voraus, aus dem die wissenschaftliche Forschung erst möglich und sinnvoll wird und verlangt von ihren Lehrern und Schülern ein Ethos, das sich zwar auf wissenschaftliche Methode verpflichtet, nicht aber selber erst aus dieser Methode heraus gewonnen wird. Eine Universität verliert nicht an Wissenschaftlichkeit dadurch, daß sie noch außerwissenschaftliche Dimensionen der Wirklichkeit

anerkennt; im Gegenteil, erst dadurch, daß sie einen Standort hat, von dem aus Aufbau der Wissenschaft sinnvoll wird, kann sie Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben.

Hier kommen wir aber zu einem entscheidenden Punkt. Führt das alles nicht zu einem Irrationalismus? Entwerten wir die Wissenschaft nicht dadurch, daß wir sie auf vorwissenschaftlichen Grundlagen aufbauen? Wollen wir leichten Herzens das kostbare Erbe der methodischen Sauberkeit in der Wissenschaft preisgeben, um sie einer ebenso vagen wie unkontrollierbaren «Weltanschauung» auszuliefern? Wie oft wurden unter dem Namen Weltanschauung willkürliche, offensichtlich falsche Postulate in Umlauf gesetzt! Sollen wir auf solche unverantwortete und unverantwortbare Postulate unsere Wissenschaft aufbauen? Würde dadurch nicht von vornherein alle wissenschaftliche Forschung, sie möge noch so sauber durchgeführt werden, an der Quelle vergiftet?

Mit diesen Fragen wird aber das ganze Problem der weltanschaulichen Bindung der Universität erneut aufgeworfen.

In Beantwortung dieser Einwände sei zunächst einmal betont, daß wir jeden Irrationalismus in der Konzeption oder Rechtfertigung der Universität ablehnen. Unsere oben formulierte Abweisung des Rationalismus darf nicht einem Bekenntnis zum Irrationalismus gleichgesetzt werden. Wahre Forschung ist nur möglich, wenn die Wirklichkeit rational, d. h. für unsere Vernunft widerspruchslos erfaßbar ist. In diesem Sinne muß die Universität,

die Rationalität oder besser die Intelligibilität 9 der Wirklichkeit voraussetzen. Das ist aber keineswegs Rationalismus. Denn dieser fängt erst dort an, wo die letzte Norm der Wahrheit in die Vernunft selbst verlegt wird. Nicht das aber meinen wir mit unserem Bekenntnis zur Rationalität. Nicht unser Geist ist Ursprung und Norm der Wahrheit und Sinnhaftigkeit der Wirklichkeit. Wohl aber hat unsere Vernunft die Fähigkeit, diese Sinnhaftigkeit, die primär in der Wirklichkeit liegt, nachzuvollziehen und sich so ein zusammenhängendes Weltbild zurechtzulegen. Inwieweit dieser Nachvollzug im Einzelfall gelingt oder nicht, steht hier nicht zur Diskussion. Sinn unserer Behauptung ist lediglich, daß dieser Nachvollzug prinzipiell möglich ist. Das mag auf den ersten Blick als ein ebenso kühnes wie unbegründetes Postulat scheinen. In Wahrheit aber ist diese Behauptung in jedem noch so bescheidenen Versuch zum Verständnis auch der geringsten Wirklichkeit mitenthalten 10.

Wenn wir also die Rationalität der Wirklichkeit bei jeder Forschung als gegeben annehmen, dann bedeutet das aber sogleich, daß auch die Voraussetzungen der Wissenschaft, von denen wir sprachen, rationalisierbar sind. Wir sind also durchaus nicht der Willkür und dem Irrationalismus ausgeliefert, wenn wir die Voraussetzungen der Wissenschaft betonen. Denn auch diese können und müssen in einem reflexiven Prozeß nachvollzogen und so auf ihre Rationalität, mit anderen Worten auf ihre Wahrheit, geprüft werden. Daß die Methoden der Spezialwissenschaften hier nicht ausreichen, dürfte ohne weiteres klar sein. Hier ist nur eine philosophische Besinnung über Grundlage und Wert unserer Erkenntnis imstande etwas auszusagen, weil nur die philosophische Methode in ihrer absoluten, aufs Ganze gehenden Fragestellung auch die Grundprobleme der Wirklichkeit und der menschlichen Erkenntnis in ihre Problematik einbeziehen kann. Jede Spezialmethode hingegen setzt sowohl die Wirklichkeit wie den fragenden Geist einfach voraus und konzentriert die ganze wissenschaftliche Forschung auf Probleme, die erst aus diesen Voraussetzungen heraus möglich geworden sind. Das bedeutet dann aber auch, daß jede Spezialwissenschaft 11, die an der Universität

doziert wird, auf Voraussetzungen aufbaut, welche innerhalb der betreffenden Wissenschaft nicht beweisbar, wohl aber von einem übergeordneten Wissen rationalisierbar sind.

Nun könnte man aber einwenden, aus dem Gesagten gehe hervor, daß jede Einzelwissenschaft auf eine Philosophie angewiesen sei, nicht aber daß sie in einer Weltanschauung verankert sein müßte. Diese Weltanschauung aber stand eigentlich in unseren Darlegungen zur Diskussion.

Dieser Einwand dürfte uns nicht zu große Schwierigkeiten bereiten; er wird uns im Gegenteil helfen, das aufgeworfene Problem klarer zu beantworten. Zunächst einmal könnten wir darauf hinweisen, daß man auf französisch «Weltanschauung» meistens durch «Philosophie» übersetzt. Hier versteht man die Philosophie zwar nicht im technischen Sinn, weist aber trotzdem auf die Verwandtschaft von Philosophie und Weltanschauung hin. Und in der Tat ist Weltanschauung weitgehend ein eher spontanes und intuitives Erfassen dessen, was durch die Philosophie in reflexiver und technischer Weise herausgearbeitet und gerechtfertigt wird. Damit ist auch schon gesagt, daß bei der Weltanschauung eine Gefahr der Verschwommenheit und des Ungerechtfertigten vorliegt, was mit Recht den exakten Wissenschaftler argwöhnisch stimmt.

Wir meinen aber keineswegs dieses Ungenaue und Vage, das möglicherweise in einer Weltanschauung liegt, wenn wir von der weltanschaulichen Bindung der Universität reden. Wohl aber geht es uns darum zu betonen,

inwiefern sowohl jede Einzelforschung, als auch das Gesamt der verschiedenen Forschungsbereiche, die in der Universität vertreten sind, notwendigerweise eingebettet sein müssen in eine Gesamtschau von Welt und Mensch. Natürlich muß dabei die absolute Forderung aufgestellt werden, daß eine solide Weltanschauung nicht einfach willkürlich irgendwo aufgelesen, sondern in bewußter Besinnung gerechtfertigt werden muß.

Auch diese Rechtfertigung der weltanschaulichen Grundlagen, auf die sie aufbaut, ist Aufgabe der Universität. Vor allem wird es Sache der philosophischen Forschung sein, diese Aufgabe durchzuführen. Denn als Besinnung auf die Gesamtwirklichkeit in ihrer tiefsten Bedeutung und Sinnhaftigkeit hat sie die grundlegende Wirklichkeitsverbundenheit unseres Denkens und unserer menschlichen Existenz überhaupt, zu verstehen. Damit wird sie aber zugleich die weltanschaulichen Grundlagen menschlichen Denkens und menschlichen Seins aufdecken und in dieser Aufdeckung rechtfertigen. Es ist wohl nicht zufällig, daß die weltanschauliche Verankerung der Wissenschaft von einer Zeit abgelehnt wurde, der das metaphysische Verständnis abging. Die wieder gewonnene metaphysische Schau auf die Dinge bedeutet auch unmittelbar erneutes weltanschauliches Interesse.

Es wäre aber grundfalsch, sich hier zu einem ebenso unwirklichen wie illusorischen philosophischen «Imperialismus» verleiten zu lassen. Trotz allem Absolutheitsanspruch der Philosophie — an dem wir übrigens unbedingt festhalten — dürfen wir doch die Grenzen nicht

übersehen, auf die unser philosophisches Denken in der intelligiblen Verarbeitung der Wirklichkeit fortwährend stößt. Das Shakespeare-Wort bleibt wahr: «There are more things in heaven and earth, than are dreamt of in your philosophy.» 12 Die Fülle der Wirklichkeit in ihrer reichen Vielgestaltigkeit und unendlichen Komplexität übersteigt jeden philosophischen Systematisierungsversuch. Wohl gelingt es uns, die Wirklichkeit in absolut gültige Seinsgesetze einzufangen. Nie aber vermögen unsere metaphysischen Einsichten die ganze Komplexität des Wirklichen bis ins Einzelne zu durchschauen. Deshalb wird unsere Rationalisierungsarbeit wohl immer auf Grenzen stoßen, die sie nicht zu überschreiten vermag. Das bedeutet aber keineswegs einen Sturz in das Sinnlose oder das Irrationale. Denn die Sinnhaftigkeit der Wirklichkeit wird nicht erst durch unser wissenschaftliches —philosophisches — Denken konstruiert. In der direkten Unmittelbarkeit unserer verschiedensten Handlungen erleben wir auch ohne jegliche vermittelnde wissenschaftliche Denkarbeit in sinnvoller Begegnung die Sinnhaftigkeit der Welt. Dabei ist zu bemerken, daß es hier nicht nur um die Sinnhaftigkeit einer biologischen Angepaßtheit geht, wie wir sie auch im tierischen und sogar im vegetativen Bereich finden. Beim Menschen ist die Sinnhaftigkeit der Dinge sogleich ins Metaphysische hineingestellt — das heißt nicht in eine durch Denkarbeit wissenschaftlich aufgebaute Metaphysik, sondern

in den wurzelhaften Grund jeglichen metaphysischen Denkens — dadurch, daß es die Dinge in ihrer Seinshaftigkeit erfaßt. Weil nun jede menschliche Tätigkeit im Lichte dieser Seinserfassung steht, hat sie auch prinzipiell teil an dieser metaphysischen Sinnhaftigkeit, in die das ganze menschliche Wirklichkeitserlebnis eingebettet ist. Dieser primären Erfassung der Sinnhaftigkeit gegenüber ist jede wissenschaftlich erarbeitete Sinnentdeckung und Sinndeutung stets nur sekundär. Damit soll der Wert des wissenschaftlichen Denkens nicht geschmälert werden. Die wissenschaftlich herausgearbeiteten Sinnbezüge sind in methodisch gesicherter Weise genau erkannt und abgegrenzt, wogegen die primäre, ursprüngliche Sinnhaftigkeit der Wirklichkeit massiver und in diesem Sinn ungenauer erfaßt wird. Es ist aber klar, daß die genauere Abgrenzung der Sinnbezüge in der Wirklichkeit niemals möglich wäre ohne die vorgängige Globalerfassung der Sinnhaftigkeit der Welt. Das heißt nichts anderes, als daß wissenschaftliche Erkenntnis nur möglich ist auf Grund einer umfassenderen, unmittelbareren, lebensnäheren Schau der Gesamtwirklichkeit, die wir wohl mit Recht als «Weltanschauung» ansprechen.

Im Lichte der soeben ausgeführten Zusammenhänge erhält nun unsere Aussage über die weltanschauliche Gebundenheit der Wissenschaft einen viel weiteren Sinn. Bedeuten doch unsere Überlegungen eine prinzipielle Rechtfertigung aller jener Gebiete menschlichen Seins und Handelns, die außerhalb der Zone des «Wissenschaftlichen»

liegen. Ästhetische, ethische, affektive, religiöse Werte z. B. sind nicht schon deshalb abzulehnen, weil sie nicht wissenschaftlich verantwortet sind. Sinnvoll ist im menschlichen Leben nicht nur dasjenige, was von der wissenschaftlichen Forschung ausdrücklich als solches erwiesen wurde. Auch das ganze reiche Gebiet des Außerwissenschaftlichen —in dem wir wieder unsere Weltanschauung erkennen —ist in eminenter Weise sinn- und wertvoll für den Menschen.

Wenn wir in diesem Zusammenhang den Ausdruck «außerwissenschaftlich» gebrauchen, dann nicht in dem Sinne, als ob die Wissenschaft hier überhaupt nichts zu suchen hätte. Gerade dadurch, daß wir alle diese Gebiete innerhalb des Bereiches des Sinnvollen situieren, stehen sie auch prinzipiell der Sinnerforschung des wissenschaftlichen Denkens offen. Es gibt eine Wissenschaft des Ethischen, des Ästhetischen, des Religiösen usw. Weil kein Aspekt der Wirklichkeit außerhalb der Sinnhaftigkeit steht, ist auch keiner der wissenschaftlichen Forschung entzogen. Das bedeutet aber keineswegs, daß alle diese Bereiche erst durch die wissenschaftliche Verarbeitung ihre Existenzberechtigung im menschlichen Leben erhielten, viel weniger noch, daß diese Werte erst durch die Wissenschaft konstituiert würden. Nie wird Wissenschaft als solche ein ethisches Verhalten, ein ästhetisches Erleben oder eine religiöse Einstellung hervorbringen. Alle diese Werte sind der Wissenschaft vorgelagert, sind ursprünglicher und deshalb irgendwie lebenswichtiger als alle Wissenschaftlichkeit. Schon weil

die Weltanschauung alle diese Werte einschließt, ist sie weiter, grundlegender und in diesem Sinne auch wichtiger als jede wissenschaftliche Errungenschaft. Darum hängt auch der Wert eines Menschen nicht primär von seiner Wissenschaftlichkeit ab, vielmehr aber von seiner ethischen und religiösen Einstellung — um nur ein paar wichtige Elemente zu nennen. Daß wir trotz dieser Betonung der außerwissenschaftlichen —weltanschaulichen —Werte, nicht der Willkür und dem Irrationalismus verfallen, dürfte aus dem vorher Gesagten klar sein. Weil eben alle diese Bezirke dem Bereiche des an sich Sinnvollen angehören, stehen sie prinzipiell auch in der Reichweite wissenschaftlicher Erfassung und Kontrolle.

Wir möchten hier noch besonders betonen, wie wichtig diese wissenschaftliche Kontrolle — im weitesten Sinne, wobei vor allem die philosophische Besinnung nicht ausgeschlossen sein soll — in jedem Bereich des menschlichen Lebens ist. Und gerade diese überaus wichtige Funktion ist im ganz speziellen Sinne Aufgabe der Universität. Allzuleicht wird nämlich das ursprünglich sinnvolle Verhältnis zwischen Mensch und Welt gestört durch verzerrende und verzeichnende Einflüsse. Auch nur ein flüchtiger Blick auf ethisches und religiöses Brauchtum der Menschheit zeigt, wie sehr die an sich sinnvolle ethische oder religiöse Haltung des Menschen entgleisen und zu den verheerendsten Auswüchsen führen kann. Hier ist die wissenschaftliche Forschung und philosophische Besinnung dazu berufen, klärend und säubernd auf die getrübte Weltanschauung einzuwirken.

Auch hier bietet die Kulturgeschichte der Menschheit genügend Material, das zeigt, wie heilsam sich der wissenschaftliche Fortschritt auf die Weltanschauung auswirkt. Wie sehr haben z. B. naturwissenschaftliche Errungenschaften dazu beigetragen, unsere Weltanschauung von «magischen» Zügen zu befreien, die der Menschheit soviele unnötige Angst und Furcht eingeflößt hatten. Man könnte solche Beispiele nach Belieben vermehren. Sie zeigen, wie wertvoll das wissenschaftliche Denken für eine gesunde Weltanschauung ist. Allerdings ist auch diese wissenschaftliche «Begutachtung» der Weltanschauung nicht ohne Gefahr, vor allem dort, wo im Lichte wissenschaftlicher Methoden mit beschränkter Geltung weltanschauliche Inhalte, die an sich ganz außerhalb der Reichweite solcher Methoden liegen, be- und verurteilt werden. Wie oft wurden und werden z. B. religiöse Momente unserer Weltanschauung als «unwissenschaftlich» abgelehnt, weil sie nicht mit den beschränkten Methoden der Naturwissenschaft erfaßbar sind. Nicht Wissenschaftlichkeit als solche ist der Feind der Weltanschauung; wohl aber eine Wissenschaft, die sich in einem allzu eng gesteckten Rahmen verschließt und dadurch letzten Endes gegen die Wissenschaftlichkeit selber verstößt. Denn wie richtig es auch für eine bestimmte Wissenschaft sein mag, sich auf eine Spezialmethode zu verpflichten und sich so zu begrenzen, so falsch wäre es, von diesem begrenzten Standpunkt aus übergeordnete Zusammenhänge beurteilen zu wollen.

Wir müssen sogar noch weiter gehen. Denn nicht nur

diese oder jene Spezialwissenschaft, auch die letzte und umfassendste menschliche Wissenschaft, die Philosophie, stößt auf Grenzen, die sie nicht zu überschreiten vermag. Das besinnende Begreifen und Verantworten der uns gegebenen Wirklichkeit, —die ureigenste Aufgabe der Philosophie — führt zwangsläufig über das Gegebene hinaus in einen Bereich des Geheimnisvollen, des Transzendenten, in den die letzte Sinngebung und Verantwortung der Wirklichkeit verlegt wird, der aber selber im eigentlichsten Sinne transzendent, d. h. uns übersteigend und so unzugänglich bleibt 13. So führt unser Denken zu einem Letzten, das nicht mehr restlos rationalisierbar ist. Nicht weil es in sich irrational wäre, — erreichen wir es doch als Urgrund aller Rationalität und als letzten Ursprung aller Sinnhaftigkeit. Wohl aber in dem Sinne, daß es die Rationalisierungsmöglichkeiten unserer Vernunft übersteigt. Dieses Letzte, nicht restlos Rationalisierbare, dem wir irgendwie in jeder Weltanschauung begegnen, ist das Göttliche. Und weil hier der Grund aller Wirklichkeit und jeglichen Erkennens liegt, wurzelt irgendwie jede Wissenschaft, so klar ihre Erkenntnisse auch sein mögen, in diesem Geheimnis. Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, daß eine Besinnung auf noch so positive und exakte Wissenschaften wie z. B. Physik und Chemie, letzten Endes in die Frage nach dem Göttlichen

ausmünden. — So wird es auch aus diesen Zusammenhängen deutlich, warum das Religiöse in jeder Weltanschauung eine so entscheidende Bedeutung hat.

Da wir das Problem Universität und Weltanschauung hier im Rahmen unserer katholischen Hochschule behandeln, ist es wohl angebracht, etwas näher auf das Religiöse, wie es sich konkret in der katholischen Weltanschauung gestaltet, einzugehen. Denn hier stellen sich neue Probleme, die nicht einfach aus den vorhergehenden Überlegungen gelöst werden können. Bringt doch die katholische Weltanschauung eine ganz neue, übernatürliche Dimension in die Problematik hinein. Das Weltanschauliche verlängert sich hier in der Richtung einer uns total überragenden Wirklichkeitssphäre, die unsere Vernunft so prinzipiell und restlos übersteigt, daß nicht mehr Einsicht, sondern nur noch gläubige Annahme in Frage kommt. Stehen wir mit dieser Haltung des Glaubens nicht im schroffsten Gegensatz zur eigenen Inspiration des wissenschaftlichen Denkens? Treten wir hier nicht entschieden aus dem Raum des Rationalisierbaren heraus? Überschreiten wir damit nicht auch den Rahmen des Sinnvollen, was gleichbedeutend wäre mit einem Sprung ins Absurde?

Wenn alle diese Fragen irgendwie berechtigt erscheinen, dann wohl, weil man allzuoft, auch unsererseits, die Kluft zwischen Glaube und Wissen allzu tief aufgerissen hat. Natürlich soll man den Unterschied zwischen diesen zwei Geisteshaltungen nicht verharmlosen: keine der beiden würde dabei gewinnen. Man soll aber

auch nicht übersehen, daß es in der Wissenschaft wie im Glauben letztlich um ein gleiches Anliegen: die Wahrheit geht. Das heißt dann aber auch sogleich, daß wir im Glauben keineswegs jenseits des Sinnvollen stehen. Das «credo quia absurdum» 14 ist keine katholische Auffassung. Wohl übersteigt die Glaubenswahrheit —wenigstens im wesentlichen — unser Fassungsvermögen und verliert sich deshalb im Geheimnis. Aber auch dieses übernatürliche Geheimnis ist nicht Bereich des Sinnlosen, sondern im Gegenteil der letzten Sinnhaftigkeit. Nicht ein Übermaß an Dunkel, sondern ein Übermaß an Licht hindert uns hier an einer begreifenden Schau. So steht dann auch der Glaube nicht in einem schlechthin anderen Raum als die Wissenschaft. Beide vermitteln uns einen Einblick in Sinn und Zusammenhang der Wirklichkeit. Wo aber die Möglichkeiten der vernunftmäßigen Erfassung aufhören, fängt der eigenste Bereich des Glaubens an 15. Nicht in absoluter Diskontinuität und Zusammenhanglosigkeit, sondern als letzte Vollendung und tiefste Begründung unseres natürlich errungenen Wirklichkeitserkennens. Man denke nur an die großartige Synthese von natürlicher und übernatürlicher Erkenntnis, wie sie z. B. ein Thomas von Aquin herausgearbeitet hat, und man wird verstehen wie die These

der Unversöhnlichkeit von Wissenschaft und Glaube am Wesentlichsten vorbeisieht.

Vielleicht wird man einwenden, daß Thomas sich eben sein Weltbild allzusehr vom Glauben her zurechtgelegt hat; daß aber gerade die moderne wissenschaftliche Forschung die Unerträglichkeit vom wissenschaftlichen Ergebnis und Glaubensbekenntnis bezeuge.

Man staunt manchmal, wie weite Kreise gutgläubig von diesem Widerspruch zwischen Wissenschaft und Glauben überzeugt sind. Eine etwas nähere Besinnung würde doch bald zeigen, wie unwahrscheinlich eine solche Behauptung ist. Spricht doch der Glaube hauptsächlich 16 von einer Wirklichkeitsordnung, die der natürlichen wissenschaftlichen Forschung gar nicht zugänglich ist. Die ganze Heilsordnung, wie sie uns durch Gottes Wort geoffenbart wurde, kann durch keine auch noch so eingehende Forschung aus natürlichen Gegebenheiten abgeleitet werden, weil sie einzig und allein der freien Initiative Gottes entspringt. Dadurch, daß Glaube und Wissen sich weitgehend auf verschiedene Bereiche der Wirklichkeit (nicht zu materiell zu verstehen) beziehen, ist die Möglichkeit einer Konfliktsituation schon weitgehend behoben.

Damit soll natürlich nicht geleugnet werden, daß Berührungspunkte und deshalb Konfliktmöglichkeiten vorhanden sind. Wissen wir doch alle nur zu gut, wie uns hier immer wieder bestimmte Schwierigkeiten gemacht werden. Meistens handelt es sich dabei aber um ganz nebensächliche, periphere Anliegen, in denen der Glaube gar nicht engagiert ist. Die berühmten Steckenpferde: Geozentrismus, oder Alter des Weltalls 17, mit denen man noch immer meint, die Gläubigen in Verlegenheit bringen zu können, sind typische Beispiele dafür. Es ist doch wohl ganz klar, daß in der Perspektive des Glaubens Fragen, wie die des astronomischen Ortes der Erde oder des Alters des Weltalls nur peripheren Charakter haben können. In diesen Anliegen geht es der Bibel nicht darum, eine bestimmte astronomische These vorzutragen: das ist doch wohl kaum ihre Rolle. Sie spricht einfach die Sprache ihrer Zeit. Wichtig ist da nicht die Art und Weise, wie die Dinge dargestellt werden, als vielmehr was gelehrt wird, lind das ist nicht eine astronomisch exakte Weltgeschichte, sondern eine Heilsgeschichte.

Natürlich möchten wir mit diesen Überlegungen nicht von vornherein alle eventuellen Konflikte zwischen Wissenschaft und Glaube bagatellisieren. So bereiten z. B. gewisse Aspekte der Evolutionslehre wohl Schwierigkeiten für die katholische Lehre der

Erbsünde. 18 Von einem eigentlichen Widerspruch kann aber bei objektiver Beurteilung nicht die Rede sein.

Damit ist aber das aufgeworfene Problem doch nur teilweise gelöst. Denn, auch wenn Glaube und Wissenschaft sich im Raum der objektiven Wahrheit widerspruchslos begegnen, dann ist damit noch nicht gesagt, daß die subjektive Haltung des Gläubigen nicht zu der des Wissenschaftlers im Widerspruch steht.

Mit Vorliebe wird z. B. die kritiklos annehmende Haltung des Gläubigen der kritisch untersuchenden Einstellung des Wissenschaftlers gegenübergestellt. Wenn auch etwas richtiges damit getroffen wird, dann ist es doch falsch, diesen Unterschied schablonenhaft zu einem unüberwindbaren Gegensatz aufzubauschen. Zunächst einmal ist es ganz irreführend, von einer kritiklosen Annahme des Glaubens zu sprechen. Die katholische Auffassung sieht den Glauben nicht als einen Sprung ins Irrationale, ein Risiko, ein Abenteuer, in das man sich

blind stürzen müßte. Der Glaube soll gerechtfertigt, d. h. rational verantwortet sein 19. Der offenbarende Gott hat sich, — wenn wir so reden dürfen — die Mühe gegeben, sich auszuweisen, bevor Er von uns die unbedingte Annahme Seiner Lehre verlangt. So wenig ist diese Haltung im Widerspruch mit echtem wissenschaftlichem Geist, daß eine eigene Wissenschaft diese Rechtfertigung der Offenbarung zum Gegenstand hat. Es ist nicht die geringste Aufgabe der katholischen Universität gerade hier auf dem Gebiete der Fundamentaltheologie, die Verantwortung der Glaubensgrundlagen in stets erneuter Besinnung zu sichern. Das zeigt wie wahr es ist, daß der Glaube unser menschliches Bedürfnis nach rationaler Verantwortung nicht vergewaltigt, sondern achtet.

Aber noch etwas anderes ist zum aufgeworfenen Einwand zu sagen. Wenn der Glaube Hingabe an Gottes Wort verlangt, fordert dann nicht auch die Wissenschaft radikale und restlose Hingabe an die Wirklichkeit? Natürlich ist die Hingabe des forschenden Wissenschaftlers nicht ohne weiteres jener des Gläubigen gleichzusetzen. Aber wieviel gemeinsames finden wir gerade hier in den beiden Geisteshaltungen! Steht nicht der wahre Wissenschaftler in demütiger Unterwerfung vor den Geheimnissen der Wirklichkeit, ähnlich wie der gläubige vor den Geheimnissen Gottes?

Je weiter die Wissenschaft vorstößt in die verborgenen Tiefen der Wirklichkeit, desto bewußter wird sie sich des Geheimnisvollen, das uns allenthalben umgibt. Ist es nicht bedeutungsvoll, daß die heutige Naturwissenschaft das Ideal des die ganze Natur durchschauenden Laplace'schen Geistes prinzipiell ablehnt und so von vornherein auf eine erschöpfende Erkenntnis der Natur verzichtet? Nicht so sehr stolze Eroberung, als vielmehr demütige Annahme der Wahrheit ist charakteristisch für die wahre Wissenschaft. Und gerade durch diesen Wesenszug steht sie dem Glauben innerlich wohl sehr nahe.

Was aber dem katholischen Gelehrten vielleicht am meisten als unzulässige Bindung vorgeworfen wird, ist sein Festgelegt-Sein auf das Dogma. Ist nicht die Freiheit der Forschung ein absoluter Imperativ der Wissenschaft? Muß überdies der wahre Wissenschaftler nicht immer offen stehen, aufnahmebereit für jede neue Einsicht, auch wenn sie seiner sorgfältig herausgearbeiteten Synthese widerspricht? Ein verschlossener Geist, der von vornherein auf seinen Positionen beharren will, ist doch wohl gar nicht geeignet für wissenschaftliche Forschung.

Wenn man dem katholischen Gelehrten wohl nirgends größere Vorwürfe macht als in dieser Frage seiner dogmatischen Gebundenheit, dann ist man auch nirgends ungerechter als gerade hier. Denn ich möchte behaupten, daß kaum irgendwo die Geisteshaltung des Gläubigen der des Wissenschaftlers näher steht, als in eben diesem Punkt. Man spricht gerne von der Freiheit der Wissenschaft

und besagt damit zweifelsohne etwas Wahres und Wichtiges: daß nämlich die Wissenschaft keinem äußeren, unzulässigem Zwang unterstehen, sondern sich frei entfalten soll. Das ist aber nur ein Aspekt der wissenschaftlichen Forschung und nicht einmal der wesentlichste. Viel wichtiger, weil ihre eigenste Substanz betreffend, ist ihr verbindlicher Charakter. Die Wissenschaft weiß sich, mit absoluter Notwendigkeit auf die Wahrheit verpflichtet: die bedingungslose Treue zur Wahrheit ist ihre letzte Norm. Der vielleicht mühsam und tastend erforschten, aber in beglückender Evidenz geschauten Wahrheit gegenüber ist der Wissenschaftler nicht mehr «frei». Er weiß sich mit absoluter Stringenz an diese Wahrheit gebunden: ja gerade diese letzte und endgültige Bindung sucht er leidenschaftlich durch sein ganzes mühevolles Forschen hindurch.

Sicher, der ehrliche Wissenschaftler weiß auch um die historische Bedingtheit und menschliche Unzulänglichkeit seiner Forschung. Er wird sich schwer davor hüten, jeder Aussage seiner Wissenschaft den Charakter der absoluten, unwiderruflichen Wahrheit zuzusprechen. Zu sehr hat ihm die Geschichte des menschlichen Forschens gezeigt, wie sich einst allgemein angenommene Auffassungen als falsch oder unzulänglich erwiesen. Gerade aus Liebe zur Wahrheit wird er das Relative im menschlichen Wissen anerkennen. Wo aber der Wissenschaftler nur noch dieses Relative im menschlichen Denken sieht und nicht mehr den Mut hat, zu absolut geltenden Ergebnissen und Einsichten zu stehen, da hat er den eigensten

Eros der Wissenschaft verloren, ja, da hat er die Wissenschaft selber, die nur von einer absolut gültigen Wahrheit her ihren Sinn hat, verleugnet. Dies alles möge zeigen, wie wenig dogmatische Bindung mit dem wahren Geist der Wissenschaft in Widerspruch steht. Nur einer vom Relativismus verseuchten «Wissenschaft» geht das Verständnis für eine absolute Bindung an die Wahrheit ab, wie wir sie im Dogma finden.

Seien wir aber ehrlich. Die menschliche Wissenschaft steht von allen Seiten im Relativen; das göttliche Wissen der Offenbarung nicht. Wenn deshalb die Glaubensinhalte Anspruch auf absolutere Verbindlichkeit erheben, als jede vom Menschlichen errungene Einsicht, dürfte das selbstverständlich sein. In diesem Sinne ist dogmatische Sicherheit der Wissenschaft fremd. Das kann aber nur bedeuten, daß die Sicherheit des Dogmas eine übergeordnete, nicht daß sie eine der Wissenschaft widersprechende ist.

Wir dürfen also abschließend wohl feststellen, daß die Bindung an eine, im katholischen Glauben verankerte Weltanschauung keineswegs eine Beeinträchtigung des wissenschaftlichen Charakters einer Universität bedeutet; im Gegenteil. Der gläubige Katholik wird gerade als Wissenschaftler froh und dankbar sein um eine fest im Glauben, —und so in Gott der Quelle aller Wahrheit — verankerten Weltanschauung, die auch in den letzten, entscheidenden Fragen, wo sein Forschen versagt, nicht in vagen Vermutungen stecken bleibt, sondern klare und sichere Antworten gibt.

Natürlich kann der Andersdenkende die Richtigkeit unserer katholischen Weltanschauung in Frage stellen. Sie aber einfach als unverantwortet und wissenschaftswidrig abtun, ist ungerecht. Es ist hier nicht der Ort, anzuführen oder zu beweisen, ob der Anspruch auf göttliche Garantie, mit dem der katholische Glaube sich anmeldet, berechtigt ist. Auch diese Verantwortung liegt im Aufgabenbereich der katholischen Universität und wird von den theologischen Disziplinen übernommen. Darauf hier näher einzugehen, würde aber den Rahmen dieser Ausführungen weit überschreiten.

Eines nur möchten wir abschließend noch hervorheben. Auch wer die Begründung unserer katholischen Weltanschauung bestreitet, kann uns nicht als Verrat an der Wissenschaftlichkeit vorwerfen, daß unsere Universität eine Weltanschauung hat. Wohl im Gegenteil: jede Hochschule, der es mit ihrer Lehr- und Forschungsaufgabe ernst ist, wird um ihre weltanschauliche Verankerung besorgt sein müssen. In dieser Zeit, da wichtige Entscheidungen für die Zukunft der Menschheit fallen, ist es dringende Pflicht der Universität, sich auf die weltanschaulichen Wurzeln, denen ihr Wissen und Forschen seinen Sinn und seinen Wert entnimmt, zu besinnen.

Nicht weltanschauliche Bindung, sondern Weltanschauungslosigkeit ist die größte Gefahr, die unsere Kultur bedroht 20. Die Freiburger Universität rechnet

es sich zur Ehre an, auf weltanschaulichem Boden zu stehen. Sie wird auch in Zukunft besorgt sein, die tiefste Quelle katholischer Weltanschauung, aus der sie lebt, nicht versiegen zu lassen.