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Rectoratsrede

gehalten
den 13. September 1832
Dr. K. R. Hagenbach
ordentl. Professor der Theologie d. Z. Rector der
Universität zu Basel.
in der Schweighauser'schen Buchhandlung.

Sophocl. Antig.

Tit.

Mir ganz andern Gefühlen, als meine Vorsänger betrete ich diese Stätte, um durch eine kurze Ansprache der Pflicht des jeweiligen Rectors Genüge zu leisten. Wenn jene in ruhigen Zeiten zu Ihnen gesprochen haben, da man den Forderungen der Wissenschaft gerne ein offenes Ohr lieh, so fällt diese Rede nach einer zweijährigen Unterbrechung in eine noch immerhin unruhige, mehr als gewöhnlich aufgeregte Zeit. Wenn jene, zwar auch bei einem mangelhaften Zustande unsrer Anstalten und bei einer verhältnissmäßig geringen Anzahl von Studirenden, dennoch hoffnungsvollere Blicke in eine bessere Zukunft wagen und auf die einmalige Vollendung eines rühmlich begonnenen Werkes hindeuten konnten: so dürften mich vielmehr bei dem Gedanken an das künftige Schicksal unsrer höhern Lehranstalten allerlei Besorgnisse erfüllen, die ich lieber unterdrücken, als an einem Tage möchte laut werden lassen, der in mehrfacher Beziehung, namentlich auch durch die historische Erinnerung an die Wiederherstellung unsrer Hochschule im September 1532 *) ein festlicher, und wo möglich ein hoffnungsreicher Tag sein sollte. Weit entfernt, daß ich es dießmal geeignet fände, zu theilweisen Verbesserungen und Ergänzungen

eines Institutes zu rathen, dessen günstiges Gestirn noch allzusehr hinter zweideutige Wolken sich verbirgt, muß ich mich nur darauf beschränken, so lange noch wenigstens um Erhaltung des Bisherigen dringend zu stehen, bis in ruhigern Zeiten die Gesammtangelegenheit unsrer Bildungsanstalten einer reifern Berathung wird unterworfen, und einem wie wir hoffen, befriedigenden Entscheide, näher gebracht werden.

Aber es ist wahrlich nicht allein die Rücksicht auf das was uns hier zunächst liegt, was den Lehrer der Wissenschaft, was die Vorsteher wissenschaftlicher Anstalten in dieser Zeit mit bangen Gefühlen erfüllen muß: eine gemeinsame Trauer und Niedergeschlagenheit möchte sich Vielen mittheilen, die auch anderwärts unter scheinbar günstigern Umständen das heiligste der Aemter, das Lehrgehalt zu verwalten berufen sind. — und was ist denn dieses? Ist es etwa der Geist der Neuerung, das Streben nach Verbesserung überhaupt, das nun überall in unsrer Zeit, nahe und ferne, so nachdrücklich, so unabweisbar sag ausspricht? Ist es die Furcht vor der Oeffentlichkeit der Gedankenmittheilung? vor der Gewalt der Rede? die Furcht vor der freien Presse? Ist es etwa das Prinzip der Stabilität, das jeder Bewegung mit Angst und Zittern entgegensieht? ist es der starre Parteigeist einer aristokratischen Gelehrtenzunft, die es ungerne wahrnimmt, wie ihren angestammten Privilegien zum Trotze, sich andere Talente frei entwickeln und, ohne den Titel der bisher gewohnten Förmlichkeit, mit den Leistungen der Bewährtesten wetteifern? Wohl mögen Einige jener Vorlauten uns höhnen und sprechen: dieß eben sei es. Wir entgegnen ruhig: dieß ist es nicht. Die Wissenschaft scheut keine Reform; sie ruft sie sogar hervor, sie freuet sich ihrer, sie bauet auf sie. Lange vor den dreißiger Juliustagen — jenem Deus ex machina auf dem beweglichen Schaugerüste unsrer Zeit — war sie es, die in Kirche und Schule,

im Staats- im Kriegs- und im Gewerbsfache die zeitgemäßen Fortschritte bezeichnete, und eben deßhalb nicht selten den Haß derer auf sich geladen hat, die am blinden Vorurtheil des Alten hartnäckig festhielten. Ja, auch jetzt noch muß sie es sich gefallen lassen, wenn die Gegner aller und jeder Fortentwicklung mit falscher Consequenzmacherei sie beschuldigen, als hätte sie durch den Mund ihrer Diener jene Ruhe gefährdenden Grundsätze verbreitet, welche so viel Unheil über Länder und Staaten bringen. Wir achten solches als den schönsten Märtyrlohn, der ihr werden kann, und verzeihen gerne dem Unverstande, der im Eifer seiner Verdächtigungen so oft nicht weiß, was er thut. Nicht also, ich wiederhole es, nicht der Geist der Neuerung ist es, nicht das Streben nach Freiheit und Oeffentlichkeit, was den wissenschaftlichen Mann, der seiner Ueberzeugung lebt, beunruhigen könnte.

Was aber der Lehrer der Wissenschaft bedauern muß in dieser Zeit, was ihn vollends zu Boden drücken würde, wenn nicht die höhere Weihe eines unverkümmerten Geisteslebens ihn stets aufrecht erhielte, das ist der Gedanke, daß es eben nicht der Wissenschaft, nicht der wahren Geistesbildung, nicht der ächten Weisheit und Freisinnigkeit, mit Einem Worte, nicht der Humanität gelungen ist, das Bessere auf eine vernünftige und wahrhaft zeitgemäße Weise herbeizuführen: sondern daß Rohheit und Halbbildung, Oberflächlichkeit, Anmaßlichkeit und seichte Absprecherei sich hie und da mit fanatischer Muth der heiligsten, aber in ihren Händen gefährlichsten Waffen bemächtigt haben, um der wahren Bildung selbst den Krieg anzukünden. Oder sind sie es nicht, welche ähnlich jenen Presse zerstörenden Rotten, selber mit dem zur Keule gewordenen Preßbengel in der Faust umherziehn, die neugeborne Freiheit wieder todt zu schlagen, und in hohlem Geschrei nichtssagender Phrasen die Stimme der

Vernunft und der Mäßigung niederdonnern? Eine ähnliche Wehmuth muß hier jeden Freund der Aufklärung und der Wissenschaft befallen, wie sie einst den großen Reformator Deutschlands befiel, als er durch des Geistes und des Wortes Kraft die Gebäude des Irrwahns und der Menschengewalt zerstört zu haben glaubte, und jetzt der Arm des Fleisches sich mächtig erhob, der Bildersturm wüthete, der Bauernkrieg mit dessen vandalischem Gefolge die Gauen Deutschlands überschwemmte, und ringsumher Flammen des Aufruhrs die Völker in Schrecken setzten? Oder ist es nicht dasselbe Münzersche Unwesen, das jetzt unter dem mißbrauchten Namen der Volkssouveränität aller Volksbildung und Volkserziehung vielleicht auf halbe, ja, wer weiß? auf ganze Jahrhunderte störend in den Weg tritt , indem statt alles für das Volk, nun alles durch das Volk geschehen soll?

Mag es auch sein, daß Einzelne von den Gebildetern deren Namen in anderer Beziehung mit Recht gefeiert sind, — aus welchem Triebe des Herzens wollen wir nicht untersuchen — mit einstimmen in das wilde Brausen der Menge; so sind doch die, welche so recht den Ton angeben zum Spiele, nicht allzuweit von denen entfernt, von welchen das consularische Wort sagt: *) Quod si in vino et alea commessationes solum et scorta quaererent, essent illi quidem desperandi, sed tamen essent ferendi. Hoc vero quis ferre possit, inertes homines fortissimis insidiari, stultissimos prudentissimis, ebriosos sobriis, dormientes vigilantibus? qui .... vino languidi, conferti cibo .... debilitati stupris, eructant sermonibus suis caedem bonorum atque urbis incendia?

Ja, dann freilich wenn es so weit gekommen, dann wird die Wissenschaft nothwendig zur Aristokratin und muß es werden. Aber es ist dieß nicht die Aristokratie der

Geburt, nicht die Aristokratie des Besitzes, auch nicht die eben so gefährliche des mißbrauchten Talents, der einseitigen Gescheitheit, des Witzes und der Schlauheit — es ist die sittliche Aristokratie der Bildung im schönsten Sinne des Worts, und der Adel, auf den sie sich stützt ist der Adel der Gesinnung und des Charakters, die reine Würbe der Menschlichkeit. Es ist dieß die Aristokratie, deren Bekenntniß einen Aristides und Coriolan die Verbannung kostete, einem Sokrates und Phocion den Giftbecher brachte, und die auch jetzt Allen denen den Haß und Spott der Menge zuzieht, die weder der Laune des Pöbels, noch der Leidenschaft seiner Führer die heiligsten Güter preis geben wollen.

Wenn aber so die Wissenschaft in ihrer Würde, ja in ächter, gar nicht zu läugnender Vornehmheit dasteht, die ihr gebührt, so in sie eben darum auch weit entfernt, sich selbst aufzugeben oder an ihrem Siege zu verzweifeln. Ruhig und ernst, über das Gewirre des Tages erhaben, zieht sie sich zurück in das stille Asyl des ungetrübten Gedankens, sich wohl getröstend mit des Sängers Wort: non si male nunc, et olim sic erit! Lernt sie es doch von Natur und Geschichte, wie auch Stürme dazu beitragen müssen, ein heiteres, besseres, kräftigeres Dasein zu bringen, und ohne daß sie darum die Mittel selbst billigt, so lange diese ein Werk menschlicher Freiheit und Zurechnung sind, verehret sie doch, im Bunde mit der Religion, die höhere Zeitung, die über der Natur, wie über der Geschichte waltet , und die den Werkzeugen ihrer weisen Plane am Ende zuruft: "Ihr gedachtet es böse zu machen, ich aber gedachte es gut zu machen." *)

Giebt es darum auch gleich Momente in der Entwicklung des Menschengeschlechts, wo man irre werden

möchte an der Kraft und dem Segen einer höhern Bildung— gibt es gleich Zeiten , ioo uns beinahe glücklicher und besser scheinen möchte ein Volk, das hangend an den Ueberlieferungen der Väter, unbekannt mit den Erzeugnissen der Kunst und Wissenschaft seinem Gott und seiner Obrigkeit getreu, ein ruhiges, stilles Leben dahin führt, im Gegensatz gegen eine zügellose Menge Halbgebildeter, die aus vergiftenden Blättern des Tages ihre falsche Weisheit saugen, über Politik und Religion mit frecher Stirne absprechen, und ein wüstes, gewissenloses Treiben zum Kriterium der Aufklärung machen: so muß doch die Stimme der Vernunft und der Mäßigung uns immer sagen, daß weder der eine, noch der andere dieser Zustände geeignet sei, die Bestimmung der Menschheit zu verwirklichen und sie ihrem Ziel entgegenzuführen. Ferne halten werden wir daher jeden Gedanken an sogenannte Reaction, und weder links noch rechts weichend jene gesunde Mitte bewahren, die bei allen traurigen Späßen über sie , doch immer die rechte ist — 1e justemilieu! Vergessend was hinter uns ist werden wir stets vorwärts schauen und vorwärts streben, und weit entfernt, das unheimliche Helldunkel durch Finsterniß verdrängen zu wollen, werden wir, die helle Deuchte des Geistes voran, am beiden die spukenden Gespenster verscheuchen.

Dieß hat, um auf unsere Verhältnisse nun zurückzukommen, auch unser Basel eingesehen. Alle noch so ungerechten Angriffe, die es auszuhalten und abzutreiben, alle Schmähungen, die es zu erfahren, alle Drohungen, die es zu erdulden, alle Zumuthungen, die es zu verschmerzen hatte, haben es nicht wankend gemacht in den schon lange vor dem radicalen Treiben gehegten Grundsätzen der Freisinnigkeit und Wissenschaftlichkeit. Oder wo hätte man je von den Bessern und Vernünftigen, deren Zahl nicht gering ist, im Ernst die Stimme vernommen/ es sei jetzt wieder Zeit abzubrechen mit der

Darreichung geistiger Nahrung an das unmündige Volk, ihm kärglicher zuzumessen die Mittel der Bildung; ja, besser sei es, dasselbe hinfort in Unwissenheit zu erhalten und ihm Lehrer zu setzen, die selber nicht weiter sehen, als eine engherzige Staatsklugheit es erlaubt? Wo wäre die Lehrfreiheit, deren wir schon seit einer Reihe von Jahren uns freuen, je im Ernste bedroht gewesen? Wo hätte man bei allen gerechten Klagen über den Mißbrauch der Presse und über den Mangel oder die Nichthandhabung der Preßgesetze, je wieder eine ängstliche Censur zurückgewünscht? Mag es auch von Einzelnen geschehen sein in verzeihlichen Augenblicken einer durch den Anblick der schändlichsten Uebertreibungen gereizten Stimmung — im Ganzen ist sich Basel gleich geblieben, wenigstens dem nicht unbedeutensten Theile seiner Bewohner nach, sich gleich geblieben an freisinnigem, aber gesetzlichem Streben nach Vervollkommnung, sowohl in Staat als in Kirche und Schule. Selbst die Erfahrungen, die es gemacht hat, wird es nur benützen, dieses Streben zu läutern, und dadurch in sich selbst immer klarer und fester zu werden.

"Aber wie?" so wird man einwenden, und damit kommen wir allerdings auf die wichtige Lebensfrage zurück, die wir im Anfange nur ungern berührten: ist nicht dennoch die Rede gewesen wirklich abzubrechen mit den Lehrmitteln? ja, hat man nicht laut und öffentlich schon geredet —ich scheue mich nicht es auszusprechen, da es in aller Munde ist: von Aufhebung oder wenigstens Beschränkung der Universität?

Allerdings ist davon geredet worden. Aber es in wohl zu bedenken von welchen, und auf welche Art und in welcher Absicht? denn nicht alle, die davon reden, meinen dasselbe und wollen dasselbe, noch wollen es alle aus einerlei Absicht und Bewegung. Lassen Sie mich, ohne voreilig selbst etwas über die Zukunft verfügen zu wollen,

diese verschiedenen Stimmen sondern und prüfen, und dadurch wenigstens über die öffentliche Meinung ins Klare kommen, die noch gar nicht so fixirt ist, als man glaubt.

Hier dürfen wir denn mit Zuversicht sagen: die Zahl derer, welche die Aufhebung höherer Lehranstalten bei uns aus dem Grunde wünschen möchten, das Licht unter den Scheffel zu stellen und dem immer weiter vorwärts dringenden Strome der Zeit das Wasser abzugraben, ist nur eine geringe, und ihr Streben ist obendrein ein nichtiges und ohnmächtiges. Schwerlich möchten es solche Dunkelmänner dahin bringen, die freie Forschung in dem Gebiete der Politik, der Religion und der Civilisation überhaupt auf eine für sie beruhigende Weise auf immer zu hemmen. Vermöchten sie es auch bei uns, die Wirksamkeit einiger Lehrer zu lähmen, wie wollten sie hindern, daß die regsamern jungen Geister auf auswärtigen Schulen sich umsehn, und vielleicht von da nur um so bedenklichere Grundsätze mitbringen, weil ihnen dann das Mittelglied fehlt zur Anwendung ihrer Theorien aufs Leben und die bei uns gegebenen Verhältnisse? Oder wollen sie vorschreiben, welche Schulen und welche Lehrer man allein besuchen dürfe auch im Auslande, wie vermöchten sie ein solches Mauthsystem durchzuführen in unsrer Zeit? würde nicht ein solches Auflehnen gegen die gerechten Forderungen des bessern Zeitgeistes sich früher oder später empfindlich rächen? Aber, wie schon gesagt, die, welche so aus Grundsatz gegen die Errichtung und Bewahrung höherer Lehranstalten sind, möchten in einer unbedeutenden Minorität untergehen.

Weit aus die größere Mehrzahl unsrer Mitbürger ist aus ökonomischen, aus finanziellen Gründen gegen die Universität. Auch diese indessen werfen wir nicht in Eine Klasse. Man kann aus niedern, engherzigen, man kann aber auch aus höhern achtungswerthen Beweggründen

sich aufs Rechnen einlassen in solchen Dingen. Daß es auch bei uns solche geben mag, denen alles, was keine materiellen Zinse trägt, verlorne Ausgabe scheint, die was sich nicht zählen, wägen, messen läßt nach numerischer Größe, in das Gebiet des Ueberstiegenen, Ueberspannten und Unpraktischen verweisen, für das sich wohl nicht lohne einen Heller zu geben — wer kann es läugnen? Allein, ich glaube behaupten zu dürfen, auch diese machen nicht die Mehrzahl bei uns aus, und es ist nur die übergebene, nicht selten böswillige Auffassung der theilweisen Gebrechen Einzelner, welche unsre gesammte Vaterstadt in den Ruf einer karg-stolzen Millionärin gebracht hat, die blos Geldvorzüge zu würdigen und für höhere Zwecke des Geistes keine Opfer zu bringen wisse. Solcher metallischer Seelen, an denen jeder edlere Lichtstrahl zurückprallt, gibt es überall; nur verstehen es die Einen, zugleich von Eitelkeit getrieben, sich einen bessern Glanz zu geben, als die Andern, und indem sie durch diesen Glanz zu blenden wissen, sogar als die Beförderer des Lichts zu erscheinen. Wo es aber nicht der Besitz ist, so ist es anderwärts der Genuß, die Zerstreutheit des Weltlebens, die ein wissenschaftliches Unternehmen eben so wenig und noch weniger aufkommen läßt als bei uns. Ja, auch solche Anstrengungen, die mehr aus Prunksucht als aus reiner Liebe zur Sache geschehen, sie können keinen Anspruch machen auf die Achtung, die nur dieser allein gebührt. Mit einem Worte, das feindliche Princip der Wissenschaft, das Princip der Rohheit und Gemeinheit, es hat überall mit sein Spiel, und es ist wahrlich da noch gefährlicher, wo es hinter Formen und Redensarten höherer Bildung sich versteckt und den Flitter wohlfeil erborgter Weisheit sich umhängt. Lassen wir es also, unsre Vaterstadt in Beziehung auf den Sinn für Wissenschaft allzutief gegen andere Städte herabzusetzen in den Augen unsrer Freunde und Feinde, wenn wir

gleich ihre Mängel aufrichtig anerkennen und ungescheut rügen, was zu rügen ist.

Aber eben darum hüten wir uns auch mit den engherzigen Rechnern die zu verwechseln, welche mit reiner Liebe für die Wissenschaft, mit allem Eifer, etwas Rechtes und Tüchtiges bei uns zu leiden mit aller Bereitwilligkeit zu eignen Opfern, dennoch sich hinsetzen und rechnen, ob sie es haben auszuführen. Eben weil diese die hohen Forderungen der Wissenschaft in unsrer Zeit kennen, weil sie, dem Wesen mehr als dem Scheine zugethan, nichts Halbes und Stümperhaftes wollen, fragen sie sich ehrlich und gewissenhaft; wie kann unser Staat bei seinen beschränkten öffentlichen Hülfsmitteln, eine Universität erhalten in dem Sinne, den man gewöhnlich mit diesem Worte verbindet? könnte der Zweck nicht besser: erreicht werden, wenn das was zu verwenden in unsrer Kraft steht, der Schul- und höhern Gymnasialbildung ausschließlich zugewiesen, und dann den Facultätsstudirenden der Weg ins Ausland offen gelassen, ja vielleicht ihnen hie und da durch einzelne Unterstützungen erleichtert würde? So reden diese. Und wahrlich ich kann es nicht über mich bringen, auch in diesen Stimmen nur die der Unwissenschaftlichkeit, der Engherzigkeit und Rohheit zu vernehmen, wiewohl ich zugebe, daß nicht selten die unwürdigem Gegner hinter diese sich verdecken, um ihres Angriffes desto sicherer zu sein. Ich meines Orts muß offen gestehen, daß mir vielmehr solche Rechnungen als heilsam und nothwendig erscheinen namentlich in jetziger Zeit, und wenn es auch dem Diener der Wissenschaft als solchem nicht ziemt, selbst allzuängstlich in dieselben sich zu vertiefen, wenn er, beständig den Blick nach dem höhern Ziele gerichtet auch selbst über manches leichter wegsehen darf, ohne daß dieser Mangel an finanzieller Einsicht ihm zur Schande gereichte, so soll sichs doch der Bürger zur Pflicht machen, in einer Sache nicht ohne

wohlerwogene Gründe zu handeln, die so lange wir einmal in dieser Welt sind, an die Bedingung materieller Kräfte allerdings geknüpft ist. Weit entfernt also, daß der Gelehrte mit unfertiger Anmaßung dem ans Rechnen gewohnten Kaufmanne feindlich entgegen treten soll, woraus ja nur wieder eine ähnliche Geringschätzung des Kaufmannstandes gegen den gelehrten Stand erfolgen würde — sollten vielmehr in unsrer Stadt, die doch vorzugsweise eine Handelsstadt sein und bleiben wird, die verschiedenen Berufsarten und ihre Interessen sich gegenseitig nähern und verstehen und dadurch endlich aneinander ausgleichen lernen. Dem, der den größten Beitrag an materiellen Gütern giebt zur Erhaltung der Geistesbildenden Anstalten, ihm soll doch billig auch eine Stimme mit eingeräumt werden wo es gilt, solche Anstalten zu gründen, zu erhalten, zu erweitern oder zu beschränken: Aber auch dem, der berufen ist, diese höhern Geisteszwecke zu verfolgen im Leben und sie wo immer möglich vor Schaden zu wahren, auch ihm dem Gelehrten, soll gestattet sein, von sich aus alles entgegenzustellen, was eine voreilige Maßnahme zu Ungunsten der Wissenschaft aufhalten und alles das ins Licht zu setzen, was ihre Zwecke befördern kann. Ans einem solchen Kampfe kann nur Gutes und Gedeihliches hervorgehn, und er muß sogar gewünscht werden um der Sache willen.

Hier diesen Kampf auskämpfen zu wollen, könnte nicht nur aus Ermanglung des auftretenden Gegners als Parteilichkeit, sondern auch wegen Mangel der Zeit als eine Anmaßlichkeit erscheinen, mit der ich Ihre Geduld zu lange auf die Probe stellen würde. Auch wäre es ein höchst oberflächliches Beginnen, in wenigen Andeutungen das erschöpfen zu wollen, was reifere Erdaurung jedenfalls bedarf.

Nur so viel möchte ich euch jetzt, den würdigen Gegnern der Universität, vorläufig zu bedenken geben. Einmal

und vor allem prüfet euch wohl, ob nicht in euern Widerspruch gegen die Universität sich dennoch von dem mit einschleicht, was wir als unwürdigen Einwand gegen die Wissenschaft selbst, von der Hand gewiesen haben. Erkläre euch offen und deutlich über das, was ihr Wissenschaft und höhere Geistesbildung nennt. Wollt ihr blos Anstalten zu einer höhern Berufsbildung als die des schlichten Landmanns und Handwerkers erfordert, wollt ihr eine höhere technische mercantilische Schule mit allem, was dazu gehört, wollt ihr dafür keine Opfer scheuen, weil ihr wißt, daß sie einst euern Söhnen reichliche Zinsen tragen werde in ihren Unternehmungen und Geschäften, wollt ihr aber dann auch nichts als dieses, so saget nicht, ihr seid Freunde und Gönner der Wissenschaft. Euere Berechnung ist nur großartiger, vernünftiger und klüger, als die jener Engherzigen, die aus einer verkehrten Sparsamkeit, ihren eignen und ihrer Kinder irdischen Vortheil verkennen.

Doch nein! ihr wisset zu schätzen auch das, was unmittelbar nicht einschlägt in den Verkehr industrieller und mercantilischer Betriebsamkeit. Ihr sehet es ein, daß die geistigen Güter in sich selbst einen Werth haben, und um ihrer selbst willen gepflegt werden müssen, und daß die wahre Ehre eines Gemeinwesens und seine geistige, moralische Kraft in dieser Pflege allein ihre Gewähr tragen. Ihr erkennet es? wie die Gesetzgebung, die Staatsverwaltung, die Gerichtspflege auf höhern wissenschaftlichen Grundsätzen ruhen und wie nöthig es sei, daß wenigstens Einige von denen, die an diesen Gewalten theilnehmen, ihre Schule in dieser Hinsicht gemacht haben. Ihr wollt, daß die Prediger, die euch die Heilswahrheiten des Christenthums verkünden, gründlich unterrichtet seien in der Schrift und in der Geschichte und Lehre der Kirche, daß sie, geübt in der Kunst der Rede und des Unterrichts/ Geist und Herz ihrer Zuhörer gleichmäßig

zu bilden und zu erbauen verstehen; ihr seid mit uns einverstanden, daß der Geist freier aber gründlicher Forschung in der Gemeinde müsse rege erhalten werden, zu Verhütung des Aberglaubens sowohl als des Unglaubens. Es thut euch wohl, wenn der Arzt, der an euer Krankenbette tritt, nicht nur in feiner Kunst erfahren ist, sendern sondern durch sein ganzes Benehmen einen gebildeten Geist an den Tag legt, und er wächst mit Recht in eurer Achtung, wenn er ebensowohl die in die Geheimnisse des psychischen Lebens eingehenden Erscheinungen gehörig zu würdigen, als des Leibes Schaden zu heilen versteht. Ihr wollt endlich, daß auch immer wieder neue Lehrkräfte unter uns sich aufthun und tüchtige Schulmänner für die Schulen, Erzieher für eure Kinder herangebildet werden. Nun wollt ihr dieß alles, so folgt zwar noch nicht, daß ihr deßhalb schon eine Universität in euern Mauern haben müßt — denn auswärts kann ja dasselbe und wohl noch besser und vollständiger erstrebt werden — aber das folgt doch wohl, daß ihr eine gute Vorschule nothwendig erhalten müßt und zwar mindestens in der Art wie unser Pädagogium sie uns bereits darstellt. Ihr werdet also die alten Sprachen, die Geschichte, ja selbst die Philosophie, mit Einem Worte, die mit Recht so heißenden Humaniera nicht ausschließen wollen aus euerm Schulpensum, und somit werdet ihr — da ihr Mathematik, Chemie, Physik und Naturgeschichte ohne das beibehaltet, die ganze sogenannte philosophische Facultät der Hochschule unbedingt in euern Plan aufnehmen und ihre Zahl eher vermehren als vermindern müssen.

Doch ihr wollt wohl noch mehr. Ihr werdet nicht zugeben wollen, daß Anstalten, die zum Theil von Alters her gegründet, theils erst bei uns entstanden sind, und die auch ohne Bezug auf eine Universität, die Zierde einer gebildeten Stadt ausmachen, daß die Anatomie, der botanische Garten, das Museum und unsre Bibliotheken

als Ruinen dastehn sollen aus einer Zeit, vor der wir uns dann ohne weiters zu schämen hätten. Ihr werdet verhältnissmäßig nicht hinter einem Frankfurt zurückbleiben wollen, das ohne Universität zu sein, doch solche Anstalten hat, unterhält und benützt. So werdet ihr aber dann genöthigt sein z. B. den Naturwissenschaften die Ausdehnung zu geben, wonach ein großer Theil der Kräfte, welche jetzt unsrer medicinischen Facultät zufallen, auf jene verwendet werden würden; denn nicht nur Botanik und Anatomie auch Physiologie, noch ohne alle Anwendung auf die Heilkunde müßten auf einer höhern Schule als ein integrirender Theil der Naturwissenschaften, behandelt und gelehrt werden. Und faßt ihr endlich bei glücklichern Zeiten einmal den Entschluß zu Erbauung eines Spitals, auch ohne alle Rücksicht auf Universität, aus reinern Triebe der Menschenliebe, so habt ihr damit den Anforderungen der Wissenschaft von einer ganz andern Seite her, einen Schritt entgegen gethan, für den sie euch danken wird.

Was aber die positiven Fächer der Theologie und der Rechtswissenschaft betrifft, so verlangen diese wegen unsrer eigenthümlichen Verhältnisse in Staat und Kirche, zwar nicht eine durchgängig von der üblichen Behandlungsart abweichende Methode; aber wohl bedarf es einer den Uebergang aus der reinen Theorie in die Praxis vermittelnden Anleitung in beiden Fächern. Einen Lehrstuhl des schweizerischen Staatsrechtes, gelehrtere Einleitung in unsre Gerichtsordnungen und Uebungen werdet ihr nicht ganz entbehren können, und eben so müßte irgend ein theologisches Seminar oder wie ihr es nennen wollt, dem Candidaten Gelegenheit geben noch das Eigenthümliche aus der schweizerischen Kirchen- und Reformationsgeschichte, dem Kirchenrechte und der praktischen Kirchenübung sich anzueignen, um mit der Sicherheit auf dem einmal historisch gegebenen Boden auftreten können, die

ihm auch auf den besten der deutschen Hochschulen nicht werden kann. Nicht zu gedenken, welche ökonomische Vortheile es den nicht immer begüterten Theologen und auch andern Studirenden gewährt, wenn sie, wo nicht die ganze, doch einen größern Theil ihrer Studienzeit in der Vaterstadt oder dem Vaterlande selbst vollenden können. Ja, auch das werdet ihr mir zugeben, daß schon das Dasein wissenschaftlicher Männer, die mit dem Gange der Wissenschaft fortzuschreiten sich zur Pflicht machen, von hohem Gewinne ist, wenn ich entweder an die verschiedenen Fälle erinnere, wo der Rath derselben in Sachen des Rechts und der öffentlichen Gesundheit, so wie im Kirchen- und Erziehungswesen den Behörden von hoher Wichtigkeit sein muß, als ganz vorzüglich an die nothwendig von Staatswegen vorzunehmenden Prüfungen derer, die als Aerzte, als Seelsorger, als Rechtsanwalde unter uns auftreten wollen. Ein Collegium von Männern, die unsre Bedürfnisse kennen und selbst mit denselben gleichsam verwachsen sind, wird in der Regel hierin sorgfältiger, strenger und genauer verfahren, als selbt die berühmteste, mit unsern eigenthümlichen Verhältnisses unbekannte ausländische Facultät.

Nimmt man nun dieß alles zusammen, so bleibt in der That nicht viel was von dem Bisherigen abzubrechen wäre sowohl in Anstellung des Personals als in Unterhalt der Anstalten, und von eigentlichem Ersparen könnte denn doch wohl nicht die Rede sein, ohne wesentlichen Bedürfnissen zu nahe zu treten.

Der Gegenstand des Streites unter den Billigen und Vernünftigen würde sich also nur darauf beschränken: ob man alles das bisher Genannte und Gewünschte fortwährend an das Dasein und den Namen einer Universität knüpfen, oder ob man es geeigneter finden wolle, demselben Maß von Kräften eine in der Form veränderte Anwendung zu geben, und es könnte allerdings die Frage

entstehen, ob es nicht jedenfalls besser sei, etwas zu leisten, das eher über die Ansprüche des Namens hinausgehe, als hinter denselben zurückbleibe?

Ich gestehe nun offen, daß wenn es sich erst darum handelte, eine neue, unsern Bedürfnissen angemessene Anmalt zu gründen, ich Bedenken tragen würde, sie eine Universität zu nennen; obwohl ich mich dann eben so sehr in Verlegenheit befände, einen schicklichern Namen an die Stelle zu setzen: denn die Benennungen Lyceum, Akademie, Seminar besagen in dem einmal angenommenen Sprachgebrauch immer etwas anders, als das wovon die Rede ist, und wir müßten am Ende doch zu dem deutschen; "Hochschule" unsre Zuflucht nehmen, welcher Ausdruck an sich unverdächtig ist. *) Was nun aber einmal den alten Namen Universität betrifft, so ist er bei unsrer Anstalt historisch gerechtfertigt, und hat noch in den Ohren manches unsrer Bürger und selbst im Auslande einen guten Klang. Zudem möchte es aber, auch von Seiten der Sparsamkeit betrachtet, eher räthlich sein, einstweilen noch an Bestehendes anzuknüpfen, als sich durch eine voreilige Veränderung der Form und des Zuschnitts, die nicht ohne bedeutende Kosten ablaufen würde, auf halbem Wege zu erschöpfen. und wenn auch endlich das Recht, akademische Grade zu ertheilen, in unsrer Zeit von geringerer Erheblichkeit sein dürfte, als früherhin, so fragt sich doch, ob es klug sei , sich dessen ohne weiters zu begeben, so bald nicht aus der Aenderung des Namens, recht bedeutende Vortheile in der Sache selbst uns erwüchsen. Das aber geben wir gerne zu: wir werden immerhin nur bescheidene Saiten aufziehn und jedenfalls darauf verzichten müssen, mit unsern Bestrebungen einen europäischen Ruf in der Geschichte der

Hochschulen uns zu erwerben. *) Aber das sei auch nicht unsre Aufgabe, nicht unser Stolz. Auch im kleinern bescheidenen Kreise, den die eigenthümlichen Verhältnisse uns anweisen, läßt sich Gutes, ja selbst Großes stiften, wenn dieses Große nicht an fremdem, sondern an dem Maßstabe des eignen Bedürfnisses gemessen wird.

Und so wären wir denn gar nicht so weit auseinander/ die Freunde der Universität und die Freunde der Wissenschaft. Um Eines bitt' ich euch aber eben deßhalb, lieben Freunde! Machet doch, ehe der Streit der Meinungen geschlichtet ist, nicht gemeinsame Sache mit denen, die aus unedeln Motiven der Universität den Krieg ankünden. Reichet uns vielmehr die Hand zum Frieden. Bildet mit uns den gemeinschaftlichen Bund der Wissenschaft gegen die Unwissenschaftlichkeit, der Bildung gegen die Rohheit, des Lichts gegen die Finsterniß, der Geistesfreiheit gegen den Geistesdruck, woher er immer komme. Dazu ist jetzt die Zeit, das Andre wird zu andrer Zeit sich finden. Streiten wir nicht um Formen und Namen. Seien wir leicht in Worten, aber um so gewichtiger im Streben und in der That!

Doch — während wir so mit dem Blick auf unsre nächsten städtischen und Kantonalbedürfnisse, allerdings den Kreis unsrer Forderungen und Wünsche etwas enge zu ziehen uns genöthigt sehen, und auch selbst da noch manchen Einwand, erwarten, als ob wir sie noch zu hoch spannten, thut sich uns von andrer Seite etwas auf, das den Blick wieder erweitert, zu einer großartigern Idee

ihn hinführt, und zu vielfachen Entwürfen, Plänen, Wünschen und Hoffnungen Raum gibt.

Der schon oft besprochene und in Anregung gebrachte Gedanke an eine schweizerische Gesammthochschule hat Anklang gefunden in der Mitte der obersten Bundesbehörde selbst. Auch unser Stand wurde eingeladen, Wünsche und Ansichten hierüber zu eröffnen, und hat sich mit einem hohen Grade von Selbstverläugnung bereit finden lassen, an den Verhandlungen wenigstens Theil zu nehmen. Ein Ausschuß von Männern, aus verschiedenen Kantonen, zum Theil von anerkannt gelehrtem Rufe, ist bereits niedergesetzt, und jeden Freund des Vaterlandes und der Wissenschaft sieht mit gespannter Erwartung diesen Vorberathungen entgegen. Auch haben sich schon in öffentlichen Blättern achtungswerthe Stimmen für und wider das Beginnen erhoben, *) und wenn auch bei allem nichts gewonnen wäre, als daß die vom politischen Treiben ermüdeten Geister auch wieder anderswo her einen Schwung erhielten, so müßte man ja wahrlich dafür schon dankbar sein.

Was nun das Wünschenswerthe einer solchen Anstalt im Allgemeinen betrifft: so setze ich was dafür spricht nicht nur als bekannt, sondern sogar als lebendig vor der Seele eines Jeden stehend voraus, der über die geistigen Forderungen unsrer Zeit und unsers Landes schon nachgedacht hat. Ich will solches nicht wiederholen. Auch die Einwendungen die im Allgemeinen erhoben werden können, sollen uns nicht entgehen. Ihr Gewicht ist anzuerkennen, obwohl die angeführten Hindernisse, namentlich die schon oft berührten der Verschiedenheit der Sprache und der kirchlichen Bekenntnisse mir nicht nur nicht unübersteigbar, sondern ein Grund mehr scheinen zu Schlingung eines geistigen Nationalbandes, in welches

dergleichen Gegensätze auf eine eigenthümliche Weise verwoben und mit dem tiefern Grundtone in Einklang gebracht werden könnten.

Eines Zweifels aber können wir uns nicht erwehren, wenn wir nicht sowohl auf die Idee einer solchen Hochschule im Allgemeinen, als auf den Zeitpunkt sehen, in welchem sie verwirklicht werden soll. Wenn eben Erhaltung und Bewahrung des vaterländischen Gemeingeistes der Hauptzweck dieser Anstalt sein soll, so muß doch dieser Gemeingeist selbst sich in den Gesinnungen der eidgenössischen Stände zueinander auf eine Weise zu erkennen geben, die einen freudigen Wachsthum, eine schöne, reiche Blüthe und gedeihliche Früchte von der neuen Pflanzung erwarten läßt. Ist dieß aber jetzt der Fall? Oder soll die gemeinsame Hochschule das Entschwundene erst wieder hervorrufen, die Gemüther erst wieder befreunden, und soll das, , was erst die Blüthe sein soll zur Wurzel, die Erndte zur Saat werden? Meint ihr ein Gebäude das ihr in seinen Grundvesten erschüttert habt, dadurch vor dem Untergang zu retten, daß ihr oben eine Sternwarte errichtet? — Die Aufstellung einer gemeinsamen Hochschule erfordert ferner vor allem reine, ungetrübte Liebe zur Wissenschaft, freie, unbefangene Anerkennung aller geistigen Vorzüge, wo sie sich zeigen, ohne Rücksicht auf politische Meinung und politische Zwecke. Ist dazu die Zeit vorhanden? findet sich dazu die nöthige Ruhe, die nöthige Umsicht und Unparteilichkeit in der Bezeichnung der zu lehrenden Gegenstände, wie in der Wahl des Ortes und der Personen? — Die Errichtung einer solchen Anstalt erfordert endlich Zutrauen und ein offenes, harmloses Entgegenkommen der verschiedenen Kantone. Ist dazu die Zeit? und thut ihr das Eurige sie herbeizurufen? An diesen Fragen scheint wenigstens die Ausführung vor der Hand am meisten zu scheitern, und je schöner die Idee selbst ist, je mehr sie geeignet ist zu begeistern, zu ermuntern,

und für sich einzunehmen, desto schmerzlicher ist die Wahrnehmung, daß sie einstweilen nur dazu dienen muß, mit bitterer Ironie uns den geistigen Fluch der politischen Zerrissenheit zum Bewußtsein zu bringen.

Demungeacht wollen wir nicht zum Voraus aburtheilen. Auch jetzt wieder hat Basel gezeigt, wie es bei aller schmählichen Verkennung, die es zu erdulden hatte, nicht aufgehört hat mit dem alteidgenössischen Sinne und der gewohnten biedern Treuherzigkeit an allem Theil zu nehmen, und sich mit Opfern bereit zu halten für alles was die Ehre und das Wohl des gesammten Vaterlandes zu befördern im Stande ist. Wir wollen erwarten, was die die Zeit uns bringen wird und auf jeden Fall mit Ehren bestehen auch in dieser Sache.

Es sei mir jetzt noch vergönnt, in gedrängter Uebersicht auf das hinzudeuten, was innerhalb zwei Jahren mitten unter den Unruhen, die wir zu befahren hatten, bei uns im Stillen sich weiter gestalter hat, und welche theilweise Veränderungen hie und da eingetreten sind.

Beginnen wir mit dein äußern Gerüste, den Anstalten und Sammlungen, so finden wir, daß kurz zuvor mehrere derselben, theils durch großmüthige Vermächtnisse, theils durch uneigennützige Schenkungen bedeutend vermehrt worden sind. So hat die öffentliche Bibliothek durch die Verfügung eines unsrer verstorbenen Collegen *) einen solchen bedeutenden Zuwachs erhalten, daß unser bisheriges Bibliothekgebäude nicht mehr hinreicht zur Bewahrung der literarischen Schätze, weßhalb denn auch die Universität, mit Genehmigung der hohen Regierung den Ankauf eines geräumigen Nachbarhauses **) gemacht hat, durch dessen Verbindung mit der Bibliothek diese bedeutend an Ausdehnung gewinnt. Das naturhistorische Museum, ebenfalls

durch mehrfache Schenkungen bedacht, *) zeigt jetzt wenigstens einen guten Anfang zu weiterer Ausdehnung, und es steht zu hoffen, daß solche in dem Maße erleichtert werden dürfte, als durch einen häufigern Besuch dieser Anstalt von Seiten des größern Publicums auch der Sinn dafür bei demselben geweckt würde. Die Sammlung anatomischer Präparate und das chemische Laboratorium fahren fort unter der Leitung ihrer Vorsteher sich zu vervollständigen und an Bedeutung für die Wissenschaft zu gewinnen. Am meisten bedarf jetzt der botanische Garten der Nachhülfe und Unterstützung, wenn nicht seine ursprüngliche Bestimmung durch den Drang der Umstände vielfach geschmälert und verringert werden soll. Möchten sich einige Freunde dieser so schönen und durch die Natur unsrer Gegend uns so nahe liegenden Wissenschaft bewogen fühlen, durch freiwillige und Vielen leicht zu leistende Opfer eine Anstalt zu heben, die aus Mangel an Beitragen untergehen zu lassen, unverantwortlich wäre.

Gehen wir nun über zu den innern Leistungen, zu den Vorlesungen und dem Lehrpersonale selbst. In der philosophischen Facultät, welche die reinen Wissenschaften ohne Anwendung auf ein positives Fachwissen in sich begreift, ist fortwährend so viel geleistet worden, daß kein wesentlicher Zweig der sogenannten Humanioren vernachläßigt wurde. Auf die Verdienste, welche ältere Lehrer in ihrer gedoppelten Wirksamkeit an der Universität und am Pädagogium sich bereits erworben haben und zu erwerben fortfahren, brauche ich nicht erst aufmerksam zu machen. Sie sind anerkannt bei denen, welche ihre Leistungen verfolgen. Erfreulich aber ist es zu sehen, wie die Zahl der Lehrer in dieser Facultät sich nicht vermindert hat. Als der Lehrstuhl der Philosophie und Pädagogik kurz nach seiner Besetzung wieder war erledigt worden,

wurde die Lücke bald wieder durch einen Wann ausgefüllt, der nicht nur als Schriftsteller seine Tüchtigkeit hinlänglich beurkundet hat, sondern auch durch seine Lehrvorträge die Jünglinge für das Studium der Philosophie mit seltenem Glücke anzuregen und zu gewinnen weiß. Ein geistreicher Lehrer der Geschichte ist zwar von uns gegangen; dagegen aber hat das Fach der alten Sprachen und Litteratur einen neuen Mitarbeiter an einem jungen Philologen aus Basel erhalten Zu den bisherigen Lehrern der Theologie haben sich zwei talentvolle Docenten gesellt, wovon der eine im Laufe des vorigen Jahres als öffentlicher Lector ist angestellt worden. Diese Facultät darf wohl ohne Unbescheidenheit von sich aussagen, daß alle der Theologie wesentlichen Fächer nicht nur in zweckmäßiger Folge und Verbindung bei ihr gehört werden können, sondern daß auch zu Weckung der Selbstthätigkeit im theoretischen, wie im praktischen Studium hinlängliche Gelegenheit und Anleitung gegeben ist. Am dürftigsten erscheint dießmal in facultistischer Hinsicht die Rechtswissenschaft, indem gegenwärtig blos Ein ordentlicher Professor als solcher die Facultät vertritt. Möchten es doch bald die günstigern Verhältnisse gestatten, den als außerordentlichen Professor bereits erwählten Collegen, der ihm als Lehrer thätig zur Seite steht, auch förmlich die ihm gebührende Stelle einnehmen zu lassen. Um so dankenswerther aber ist es bei dieser Erledigung der ordentlichen Lehrstellen, daß ein früheres Mitglied dieser Facultät, welches wir jetzt an der Spitze der Erziehungsbehörde zu begrüßen die Ehre haben, fortfährt, trotz der vielfachen Geschäfte, welche die öffentliche Stellung ihm auferlegt, sich zu Vorträgen an der Universität bereitwillig zu finden. Desgleichen hat sich ein andrer unsrer Mitbürger erboten, neben seiner amtlichen Thätigkeit, durch freiwillig ertheilten öffentlichen Unterricht, sich der rechtsbeflissenen Jugend in Zukunft nützlich zu erweisen.

Wir benützen solche Anlässe nicht nur zum Danke für die geschehenen Leistungen und Anerbietungen; sondern auch zu der Bemerkung, wie überhaupt dadurch vieles ergänzt und vervollständigt werden könnte, daß auch solche Männer, die in andern Berufskreisen stehen als in dem einer ausschliesslichen Lehrthätigkeit, ihre übrige Zeit auf so uneigennützige Weise daran geben würden. Ganz könnte freilich damit nie geholfen werden; immer müssen solche sein, deren einziger Beruf die Weiteraneignung, Darstellung und Förderung der Wissenschaft selbst ist; aber wo dem einmal anerkannten Mangel an finanziellen Mitteln der Aufwand geistiger Kräfte uneigennützig zu Hülfe kommt, kann dennoch manches Fehlende auf eine erfreuliche und dem öffentlichen Wohle minder fühlbare Weise ergänzt werden. Während die medicinische Facultät längere Zeit zu kämpfen hatte, bis sie zu der durch das Gesetz vorgeschriebenen Anzahl ihrer ordentlichen Lehrer gelangte, so ist sie jetzt vielmehr neben der philosophischen die einzige, deren Forderungen in dieser Hinsicht befriedigt sind. Will man dagegen die geringe Zahl der Studirenden anführen, so ist nicht zu vergessen, daß dieß zunächst aus der leider, überhaupt seit einem Jahre zu gestehenden Abnahme der Frequenz zu erklären ist, daß aber auch diese wieder, wenn nicht einzig, doch großentheils ihren Grund hat in den allzubekannten politischen Verhältnissen selbst, welche den Feinden unsrer Anstalt einen scheinbaren Vorwand darboten, die Jünglinge von dem Besuche Basels abzuwenden. Schmeicheln wir uns nun auch keineswegs mit sanguinischen Hoffnungen zahlreicher Besucher was übrigens weder das Wesen einer Universität noch die einzige Freude an ihr ausmachen kann, so darf doch erwartet werden, daß wenn wir fortfahren auch bei den wenigen Zuhörern, das zu leisten, was gefordert werden kann, sich auch die billige Anerkennung wenigstens wieder einfinden werde.

Eine Hauptveränderung aber in der Geschichte unsrer Hochschule, die noch zu erwähnen ist, ist die in Folge der neuen Verfassung eingetretene Organisation der Erziehungsbehörden. —Hochverehrte Herrn! sehen wir nicht in der Sorge, die unser Staat mitten in den ärgsten Wirren der Zeit für das Erziehungswesen trug, einen Beweis, daß es ihm mit einer so wichtigen Sache Ernst sei. Und in der That, wenn wir die Leitung dieser neuen Behörde einem Gelehrten übertragen wissen, der als bisheriger College seinen reinen Eifer für die verschiedensten Gegenstände des Wissens rühmlich an den Tag gelegt hat; wenn wir ferner zu der Würde des jetzt regierenden Standeshauptes einen Mann gelangt sehen, der aufrichtige Liebe zur Wissenschaft und Einsicht in ihre Gebiete mit der freisinnigsten Vaterlandsliebe und Gerechtigkeit verbindet, so kann alles dieß zusammen nur die besten Hoffnungen erwecken in Beziehung auf das, was den einmal gegebenen Umständen gemäß, vernünftiger Weise gehofft werden darf und kann. Männer, die auch in andrer Hinsicht sich durch keine Schwierigkeiten haben abhalten lassen, das was sie mir der Mehrzahl ihrer Mitbürger für gerecht und gut erkannt haben, auch auf Gefahr persönlicher Kränkungen hin, kraftvoll zu vertheidigen, solche werden auch fest stehen, wenn von dieser oder jener Seite der Sturm sich erheben sollte in Beziehung auf die geistigen und wissenschaftlichen Angelegenheiten unsers Gemeinwesens. Sie werden, im Vereine mit den Wohldenkenden und Besonnenen des Landes, ruhig erwägen und prüfen, was uns noth thue und die geeigneten Mittel zu finden wissen, das zu erzielen, was in unsern Kräften liegt. Sie werden sich weder durch den Schein und die Eitelkeit blenden lassen, der glänzenden Schale zu lieb den Kern zu opfern, noch werden sie sich von rohen Gewalten den Kern sammt der Schale entwinden lassen. Stets auf das Wesen selbst

gerichtet, das geistige und sittliche Wohl der Gesammtheit vor Augen, die Stimme des Gewissens, die Stimme Gottes im Herzen — werden sie jederzeit thun, was ihres Amtes ist, und schirmend ihre Arme ausbreiten über den Heerd, den der fromme Sinn der Vorfahren unter uns erbaut, den Patriotismus im Bunde mit der Humanität bi her erhalten hat.

Wir aber, verehrteste Lehrgenossen an dieser Anstalt! Lassen Sie uns mit heiterm Vertrauen der Zukunft entgegen sehn. Zeigen wir durch die leidenschaftlose, würdige, von aller unedlen Selbstsucht entfernte Art, womit wir die Sache der Gelehrsamkeit gegen unberufene Angriffe vertheidigen, daß wir nicht sowohl das Unsere suchen, als das was unsrer Pflicht und unsers Berufes ist. Suchen wir durch ächte Popularität unsre Wissenschaft immer gemeinnütziger zu magen, indem wir nicht nur in den Hörsälen, sondern auch in den ungezwungenern Kreisen der Geselligkeit und des Umgangs, Samen der Bildung ausstreuen. Erwerben wir uns durch unsre öffentliche Wirksamkeit sowohl als durch unser Privatleben die Achtung, das Zutrauen, die Freundschaft der Bessern und Edlern unsrer Mitbürger, und legen wir Zeugniß ab in unserm ganzen Thun und Lassen von dem Segen wissenschaftlicher Bildung, den der edlere Mensch vor allem an sich selbst erfährt. Lassen wir uns nicht abgeschreckt werden durch das Engerwerden des Kreises/ der sich um uns sammelt; denn nicht extensiv, sondern intersiv bleibe stets das kräftige Streben des Mannes, das Streben, das aus reinem gediegenem Willen hervorgeht.

Und Sie endlich! theuer geschätzte, vielgeliebte Jünglinge! Lassen auch Sie den Muth und die Begeisterung für das Studium nicht sinken, wenn diese gleich nicht, was das jugendliche Herz sosehr wünscht und begehrt, durch den Geist einer größern Gemeinschaft gehoben werden. Schließen Sie sich um so enger an an Ihre Lehrer; treten Sie zu uns immer mehr in jenes lieblichere Verhältniß des persönlichen Umgangs, der consuetudo und familiaritas in dem humanen Sinne der Alten, was gewiß für beide Theile förderlicher ist als das bloße Vorlesen und Hören, ohne Austausch und Uebung. Machen Sie uns zu Zeugen Ihres Privatfleisses, zu Genossen Ihres Strebens, zu Vertrauten Ihrer Ueberzeugungen, zu Vermittlern Ihrer Zweifel. Seien Sie nicht zurückhaltend am unrechten Orte, sondern suchen Sie durch Offenheit, durch Empfänglichkeit das Zutrauen Ihrer Lehrer immer mehr zu gewinnen.

Mir wenigstens soll es immer zu den schönsten Erinnerungen meiner Amtsthätigkeit gehören, wenn irgend ein aufstrebender Jüngling in Stunden der Weihe sein Herz nun aufgeschlossen und durch aufrichtige Mittheilung seines Wesens, mir die Beruhigung gegeben, daß meine Arbeit an ihm nicht umsonst gewesen.

Auf jenen großen, berühmten Universitäten, die in andrer Hinsicht wohl vieles vor uns voraus haben, bei der Studirende weniger Gelegenheit in ein engeres Verhältniß zum Lehrer zu treten, und wird ihm auch solches zu Theil, so kommt ehe er sichs versieht, die Stunde des Scheidens, die ihn wieder zurückruft in die ferne Heimat und nur ein seltner günstiger Zufall ist es, wenn in spätern Jahren die Getrennten sich wiedersehen. Nicht so bei uns. Wie schön ist es, und wahrlich mit einer nicht der geringsten Vorzüge einer vaterländischen Anstalt! wie schön wenn der auf der Schule geschloßne Bund der Geister auch verschiedener Altersstufen, fortdauert im künftigen Leben! wie erhebend und ermuthigend auch für den Lehrer, wenn er hie und da von dem ins engbegrenzte Erdreich gesäeten Samen eine Frucht aufgehen sieht, wenn er hin und wieder leise Spuren seiner Wirksamkeit entdeckt in dem schönen, heißgeliebten Alpenlande, das bei allen Stürmen, die über es ergehen, uns das alte bleibt, das Land der Väter, das wir festhalten mit Armen der Liebe und dem wir ewig treu bleiben, auch wenn Viele uns verlassen.

Der Gott aber unsrer Väter, der allmächtige Lenker unsrer Schicksale, von dem alle gute und vollkommne Gabe herabkommt, sei und bleibe mit uns jetzt und immerdar Sein Geist, der Geist der Weisheit und Liebe, leite unser Forschen, unser Streben, unser Wirken, unser Handeln. Er heilige und läutere das nach Wahrheit suchende Gemüth, er erleuchte unsern Sinn, er stärke unsern Glauben an den Sieg alles wahrhaft Guten und Schönen, er gebe uns Kraft und Ausdauer in dem Amte, das von seinen unverwelklichen Gaben zeuget; er tilge was nicht bestehet vor ihm, und schaffe in uns, was vor ihm gefällig ist. Ja, Dein Segen, Herr! walte über uns und dem Vaterlande, über unsern Obern, über Kirche und Schule, über Lehrern und Hörern. Deinem Schutze empfehlen wir das Werk unsrer Hände. Auf Dich trauen, auf Dich hoffen, Dir leben und sterben wir.