Die Aufgaben der modernen
Pathologie in Dienstleistung,
Lehre und Forschung
Rektoratsrede
gehalten an der Jahresfeier der Universität Basel
am 28. November 1975
Verlag Helbing &Lichtenhahn • Basel 1975
©1975 by Helbing &Lichtenhahn Verlag AG, Basel
Druck von Friedrich Reinhardt AG, Basel
ISBN 3719006670
Hochansehnliche Versammlung,
die Gesundheit als eines der höchsten Lebensgüter der Menschheit
wird dem Einzelnen meist erst dann als solches bewusst, wenn
sie ins Wanken gerät und seine Daseinsfreude stört. Aufgeschreckt
richtet er seinen eindringlichen Hilferuf an die Medizin. Während
ihm ärztliche Hilfeleistung durch Allgemeinpraktiker und Spezialisten
innerhalb und ausserhalb der Spitäler vertraut ist und ihn,
durch die modernen Massenmedien mehr und mehr verständlich
gemacht, brennend interessieren, stehen andere Dienstleistungs- und
Forschungsbetriebe der Medizin im Schatten von Interesse
und Verständnis der Öffentlichkeit; dazu gehört auch die Pathologie.
Es ist deshalb für mich als einen von seinem Fach begeisterten
und erfüllten Pathologen verlockend und erscheint mir auch sinnvoll,
hier anstelle eines Vortrages über einen Ausschnitt meiner
wissenschaftlichen Tätigkeit, Sie, meine Damen und Herren, einzuweihen
in die Aufgaben der modernen Pathologie. Anstoss zu
diesem Vortragsthema war auch die kürzlich in einem Interview
vom Nobelpreisträger für Medizin de Duve 1 gemachte Behauptung:
«Die meisten pathologischen Institute der Medizinischen
Universitäten sind noch nach altertümlichen Richtlinien aufgebaut.
So verbringt man beispielsweise viel Zeit damit, sich Schnitte anzusehen,
um Rückschlüsse auf den vorliegenden Krankheitsprozess
zu gewinnen. Doch das genügt nicht mehr. Man kann einen
pathologischen Prozess nicht allein durch Ansehen rekonstruieren,
vielmehr braucht man dazu die Erkenntnisse der Biochemie, der
Zellular- und Molekularpathologie.»
Antwort geben auf diese Feststellung möchte ich gleichzeitig mit
einem fällig gewordenen Rechenschaftsbericht über Aufgaben
und Funktion unseres vor drei Jahren durch den Kanton Basel-Stadt
in dankenswert grosszügiger und zweckmässiger Weise errichteten
Institutes. Und schliesslich hoffe ich, dass sich an unserem
Beispiel der Aufteilung der Arbeit in drei Sektoren, nämlich
Dienstleistung, Lehre und Forschung, die unter einem Dach zusammenwirken,
Einsichten gewinnen lassen, die möglicherweise
auch auf die Gesamtuniversität übertragbar sind.
Die pathologische Anatomie, kurz Pathologie genannt, ursprünglich
nur die Lehre von der Struktur krankhaft veränderter
Organe, begann im Altertum als reine Forschung, indem Ärzte
den Grund für die festgestellten Krankheitssymptome in bestimmten
Organveränderungen suchten und dazu sporadisch die Körper
Verstorbener öffneten, also Autopsien oder Sektionen durchführten.
Erst nachdem die normale Anatomie im 17. Jh. ihren
Siegeszug durch die Medizin begonnen hatte, konnte sich auch
ihre Schwester, die Pathologie, auf wissenschaftlicher Basis entwickeln.
Wir unterscheiden vier durch besonders verdiente Forscher
geprägte Höhepunkte:
Im 18. Jh. entwickelten Giovanni Battista Morgagni in Padua
die Kenntnis der veränderten Organe und Xavier Bichat in Paris
diejenigen der Gewebe in entscheidendem Masse.
Basierend auf diesen Leitersprossen konnte der Wiener Rokitansky
an die Übertragung des Wissens um Organ- und Gewebeveränderungen
auf den Gesamtkörper gehen, also eigentliche
Krankheiten erkennen und auch benennen.
Ganz modern mutet sein Bemühen an, die damals erwachende
Chemie in eine vielfach noch an Ansichten des Altertums erinnernde
neue Säftelehre zu integrieren, was damals allerdings
gründlich misslang. Dessen ungeachtet ist er der erste erfolgreiche
Pathologe gewesen, der versucht hat, die Pathophysiologie, also
die Lehre von den krankhaften Funktionen des Körpers und
seiner Organe mit den reinen Strukturveränderungen —die heutige
Forderung de Duve's —in Beziehung zu bringen.
Ein dritter Höhepunkt wurde durch die ausgedehnte Verwendung
des Mikroskops in der Pathologie durch Rudolf von Virchow
Mitte letzten Jahrhunderts in Berlin realisiert. Anstelle der
bisher doch immer im Vordergrund stehenden philosophisch-theoretischen
Betrachtungsweise stellte Virchow seine naturwissenschaftlich-kausalmechanistische.
Virchow war vor allem allgemeiner
Pathologe, der sich äusserst erfolgreich mit den strukturellen
Grundvorgängen der Krankheiten befasste und viel Verständnis
für die Pathophysiologie zeigte. Er liess jedoch den
menschlichen Gesamtorganismus mit den Interaktionen der
Organsysteme sowie die Chemie und die exakte Bakteriologie
links liegen und verneinte die mit seinen Methoden nicht erfassbare
Psyche des Patienten als mögliche Ursache und unterstützendes
Element einer Krankheit. Wir dürfen Virchow deshalb nicht
minder achten, verdanken wir ihm doch auf dem von ihm betonten
naturwissenschaftlichen Sektor eine umwälzende Entwicklung:
die Zellularpathologie. Die Pathologie blieb jedoch im ganzen
eine auf die Autopsie begrenzte reine Wissenschaft, allerdings mit
grosser Bedeutung für die Lehre.
Anfangs dieses Jahrhunderts begann eine vierte, letzte Phase
mit der mikroskopischen Beurteilung von Gewebe am lebenden
Menschen, der Histo-Diagnostik, so dass nun die Pathologie, beruhend
auf Morphologie, Pathophysiologie und Pathochemie auch
dem lebenden Menschen zur Verfügung gestellt werden konnte.
Der Pathologe wurde damit wieder viel enger mit dem praktischen
Arzt und der Klinik verbunden, wie dies auch Virchow vorausgesehen
hatte, als er seine weltbekannte und auch heute noch
wichtige Zeitschrift «Archiv für pathologische Anatomie und
Physiologie und für klinische Medizin» taufte. Unser biologisches
Denken hat vom statischen stark auf das dynamische übergewechselt.
Auch wird heute das «Pathologia physiologiam illustrat»
Albrecht von Hallers, d. h. die Lehre des Pathologischen für das
normale Geschehen, vermehrt ausgenützt.
Bei der Schilderung unserer heutigen Aufgaben möchte ich in
schroffem Gegensatz zu de Duve die Dienstleistung voranstellen.
Sie umfasst alle diejenigen unserer Tätigkeiten, welche den praktisch
und klinisch tätigen Ärzten Grundlagen für ihre Behandlungsmassnahmen
beschaffen. Dabei ist nicht nur rein pragmatisch
an den einzelnen, gerade zur Zeit in Behandlung stehenden
Patienten gedacht, sondern auch an das zukünftige Patientenkollektiv.
Die Erarbeitung neuer Erkenntnisse — also die Forschung
— und das Weitergeben — also die Lehre — zum Nutzen
zukünftiger Patienten sind damit untrennbar mit der Dienstleistung
verbunden.
Immer noch, wie in alten Zeiten, ist die Autopsie zum mindesten
ausbildungsmässig die Grundlage unserer Tätigkeit. «Der
Sektionssaal ist der Mittelpunkt unserer Institute», schrieben
kürzlich Sandritter und Lennert 2, zwei international anerkannte
deutsche Forscher. Nicht umsonst steht noch am Eingang vieler
älterer pathologischer Institute der Satz «hic mors gaudot succurrere
vitae»: der Tod freut sich, dem Leben zu Hilfe zu kommen.
Der praktisch völlige Verzicht auf die Sektion hat nach Ansicht
kompetenter Medizinhistoriker (Schipperges 3 u. a.) zur Stagnation
und zum Abstieg der arabischen und der lateinisch-mittelalterlichen
Medizin geführt.
Am Sektionstisch kontrolliert der behandelnde Arzt mit Hilfe
des Pathologen die Zuverlässigkeit seiner klinisch erfassten Befunde,
die Wirksamkeit seiner Medikamente und seiner operativen
Massnahmen, er lernt auch aus Fehlern. Durch vermehrten Einblick
in die Verlaufsformen und Komplikationen der verschiedenen
Krankheiten weiss er, wo und wie das einzelne Leiden erneut
zuschlagen wird, und kann schon vorher entsprechende Massnahmen
treffen. Der Pathologe seinerseits gewinnt durch das Gespräch
mit dem anwesenden behandelnden Arzt Einsicht in die
pathophysiologischen Vorgänge, welche durch die von ihm festgestellten
Organveränderungen bedingt waren.
Ein schon recht altes, heute aber ganz besonders aktuelles
Gebiet betrifft die Frage von Medikamenten- und Strahlenschäden,
z. B. bei behandelten Krebsen. Strahlen einerseits und zytostatische
Medikamente anderseits bewirken eine Hemmung der
Zellteilung besonders in rasch sich teilenden Geweben, also in
erster Linie beim Krebs. Sie greifen aber auch normale Gewebe
mit raschem Zellumsatz an, besonders das blutbildende Knochenmark.
Die Kunst dieser Form der Behandlung besteht darin, zwischen
Skylla und Charybdis zu manövrieren, d. h. die relativ enge
Zone zwischen sicherer Krebs-Sterilisation und Knochenmarkschädigung
möglichst exakt zu kennen und Art und Dosierung von
Medikamenten und Strahlen danach zu richten.
Zum Erwerb dieser Kenntnis leistet die Auswertung einer
grossen Zahl von Sektionen einen wichtigen Beitrag. Zahlreiche
andere Medikamente können unter bestimmten Umständen zu
leichten bis schweren Schäden führen, welche oft nach rechtzeitigem
Absetzen des schädigenden Medikamentes wieder verschwinden.
Die heutigen Ärzte sind sich dieser Nebenwirkungen
wohl bewusst und stellen deshalb bei Sektionen entsprechende
Fragen viel häufiger als noch vor zwanzig Jahren. Werden Medikamentenschäden
wahrscheinlich, so besteht die Pflicht zu wissenschaftlich
sauberer Abklärung der Zusammenhänge mit Orientierung
der Ärzte, damit bei zukünftigen Behandlungen solche
Schäden vermieden werden.
Bei Patienten, die ohne oder nach nur ganz ungenügender
ärztlicher Betreuung sterben, ist die Sektion oft entscheidend
wichtig. So fanden wir vor Jahren bei der Sektion einer alten
Frau überraschend eine offene Lungentuberkulose. Unsere Information
des Hausarztes führte zu einer Familienuntersuchung,
welche bei der Tochter der Verstorbenen und bei zwei von ihren
vier Kindern eine bisher unerkannte aktive Tuberkulose ergab,
deren Behandlung erfolgreich war.
Ein weiteres Beispiel: Ein etwa 40jähriger Mann wurde nach
mehrtägiger fieberhafter Erkrankung aus einem Hotel sterbend
ins Spital gebracht. Die Autopsie ergab eine bösartige Malaria.
Ich bin überzeugt, dass keiner der bei der Sektion anwesenden
Studenten und Ärzte in Zukunft vergessen wird, bei unklarem
Fieber nach Tropenaufenthalt, Safari usw. zu fragen. Auch wird
das Studium der Tropenkrankheiten für unsere Studenten wesentlich
motivierter, wenn sie erfahren, dass solche Patienten in der
Zeit des Luftverkehrs auch in ihrer späteren Praxis auftauchen
könnten.
Bei im Spital verstorbenen Patienten mit gerichtlichen oder
unfallmedizinischen Problemen führt der Pathologe in der Regel
die Sektion durch, eine Tätigkeit, die grosse Sorgfalt, Sachkenntnis
und Objektivität bei der Beurteilung voraussetzt. Dabei auftauchende
Fragen stimulieren die Forschung und untermauern
die Lehre in wesentlichem Masse.
Eine der wichtigsten Autopsieaufgaben ist schliesslich die
Vermittlung der notwendigen Grundlagen, welche den angehenden
Pathologen dann erst befähigen, in der Dienstleistung aus
ganz kleinen Gewebefragmenten die Diagnose zu stellen.
Die Erlaubnis, Sektionen durchzuführen, verpflichtet uns, nicht
nur die Forderungen der Pietät und der Diskretion voll zu berücksichtigen
und täglich vor Augen zu haben, sondern auch das
Maximum für die Behandlung zukünftiger Patienten und die
Forschung aus dieser Tätigkeit herauszuholen. Alle Daten werden
deshalb auf Lochkarten übertragen, so dass in wenigen Stunden
aus unseren gesammelten 25000 Autopsien die gesuchten Krankenblätter
gefunden und die sich stellenden Fragen beantwortet
werden können. Auf diesem Ergebnis der Dienstleistung beruhen
zu einem Teil unsere angewandte Forschung und auch
die Lehre.
Für den modernen Pathologen äusserst anspruchsvoll ist die
Beurteilung der in unserem Institut jährlich rund 30000 Biopsien,
d. h. diagnostischen Untersuchungen an Gewebestücken,
die vom lebenden Patienten durch Messer, Kluppzange, Ausschabung
oder Nadelpunktion gewonnen werden. Trotz der
komplizierten technischen Verarbeitungsvorgänge bis zum gefärbten,
weniger als einhundertstel Millimeter dicken mikroskopischen
Schnitt geben wir heute unsere Diagnose in der Regel
am Tag nach der Einsendung ab, was nicht nur teure Krankenhaustage
erspart, sondern auch das Bangen des Patienten und
seiner Angehörigen verkürzt. Die bioptische Untersuchung ist
häufig entscheidend für die Behandlung, da sie eine eindeutige
Diagnose liefert, diese aber für eine zielgerichtete Therapie erst
die Grundlage gibt.
Bei entfernten Lymphknoten muss abgeklärt werden, ob eine
banale Entzündung oder eine sog. spezifische vorliegt, bei welcher
aus dem Aufbau des entzündlichen Abwehrgewebes um den
Schädigungsherd auf die Ursache, d. h. die Erreger, geschlossen
werden kann, wie z. B. bei der Tuberkulose. Diese Spezifität des
entzündlichen Gewebes hat jedoch ihre Grenzen. So haben wir
vor einiger Zeit mehrfach aus entfernten Lymphknoten eines
Patienten eine Tuberkulose diagnostiziert. Der behandelnde Arzt
konnte diese Diagnose jedoch nicht mit der Krankengeschichte in
Übereinstimmung bringen und bat uns, unsere Aussage nochmals
zu überprüfen. Eine Spezialfärbung, die übrigens aus einem ganz
anderen Grund für eine spezielle Forschung durchgeführt wurde,
ergab mikroskopisch kleine Parasiten, welche das Bild der südamerikanischen
Blastomykose erzeugt hatten. Der Mann war
Schreiner im Appenzeller Land, hatte seine Heimat nie verlassen,
doch in den letzten Monaten beim Möbelbau vielfach südamerikanische
Hölzer verarbeitet und sich dabei infiziert.
Lymphknoten sind nicht nur Abwehrfilter bei Infektionen,
sondern häufig fangen sich auch Geschwulstzellen in ihren Maschen
und beginnen dort zu wachsen. So kann ein Krebs eines
inneren Organes stumm verlaufen, bis ein unter der Haut liegender
Lymphknoten getastet und entfernt wird, so dass dann die
Biopsie zur richtigen Diagnose führt. Dies ist aufgrund der Erfahrungen,
die der pathologische Anatom bei Autopsien gesammelt
hat, in den meisten Fällen möglich. Geschwülste können
aber auch von den Lymphknoten selbst ausgehen, und schliesslich
werden bei klinisch bekannten Tumoren tastbare Lymphknoten
entfernt, um mikroskopisch festzustellen, wie weit sich die Geschwulst
durch Ablegerbildung schon ausgebreitet hat, wie gross
also das mit Strahlen zu behandelnde Gebiet resp. die ausgedehnte
operative Entfernung sein müssen.
Mit Hilfe der modernen biegsamen Sichtapparate können nicht
nur aus den Luftröhrenästen, sondern auch aus praktisch allen
Abschnitten des Verdauungsapparates mit feinen Kluppen kleinste
Schleimhautstücke gezielt, also, unter Sichtkontrolle, entnommen
und mikroskopisch untersucht werden. Die Frage, ob eine Einengung
der Speiseröhre durch Krebs oder durch Narbe bedingt,
ob ein Schleimhautdefekt im Magen-Darm-Kanal ein einfaches Geschwür
oder Ausdruck einer besonderen Krankheit oder ein geschwürig
zerfallender Krebs ist, kann meist eindeutig entschieden
werden. Auch zahlreiche andere Störungen der Verdauungstätigkeit
sind mit dieser Methode objektiv erfassbar geworden. Mit
jeder neuen klinischen Untersuchungsmethode betreten auch
wir Pathologen jedoch weitgehend Neuland, so dass eine intensive
Forschungstätigkeit nötig ist. Die Kenntnis ihrer Resultate und
damit des mit enormem Tempo anwachsenden Schrifttums ist
Voraussetzung für unsere praktische Arbeit. Eine Spezialisierung
der Mitarbeiter ist somit unumgänglich geworden. Der Spezialist
seinerseits muss jedoch dann wieder für eine Information des
ganzen Arbeitsteams sorgen, um die Bildung von Superspezialisten
mit eingeengtem Gesichtsfeld zu verhindern. Wir haben
für diese sogenannte post graduate-Ausbildung eigentliche Lehrgänge
ausgearbeitet 4. Mittels eines von uns entwickelten audiovisuellen
Apparates kann der auszubildende Arzt, den Anweisungen
des Tonbandgerätes und der damit gekoppelten Diapositive
folgend, die ausgewählten mikroskopischen Schnitte beurteilen,
die gestellten Fragen beantworten, die Antworten auf
Richtigkeit kontrollieren und sich so auf dem Laufenden halten
und selbst weiter ausbilden.
Bei Knochenausschneidungen, Ausbohrungen und Sägematerial
stellen sich neben anderen Fragen häufig diejenigen nach allgemeinen
Stoffwechselstörungen, welche den Knochen in Mitleidenschaft
ziehen, nach Veränderungen der innersekretorisch wirkenden,
d. h. durch Hormone den Kalkstoffwechsel regulierenden
Epithelkörperchen oder. nach Entzündungen. Daneben spielen
auch die gut- und bösartigen Geschwülste naturgemäss eine Rolle.
Sie müssen erkannt und typisiert werden. Auch im Knochen kommen
—wie in allen Organen —eine grosse Zahl von verschiedenen
mikroskopischen Tumorformen vor, welche auch klinisch ein ganz
unterschiedliches Verhalten aufweisen. Wir kennen Zwischenformen
zwischen Gut und Böse, die lokal zerstörend wachsen,
jedoch keine Ableger bilden. Andere sehen mikroskopisch sehr
bösartig aus, sind jedoch klinisch erfahrungsgemäss gutartig.
Knochentumoren sind eher selten, der einzelne Beurteiler gewinnt
somit zu wenig Erfahrung, um sich sicher zu fühlen. Auch
wird die wissenschaftliche Charakteranalyse der Knochengeschwülste
durch ihre kleine Zahl stark behindert. Wir haben deshalb
nach amerikanischem Muster in Basel ein Schweizer Knochentumor-Register
dank grosszügiger Hilfe unserer kantonalen und
jetzt auch der Schweizer Krebsliga aufziehen können. Die
Knochen-Chirurgen und die Pathologen senden uns ihre Knochentumoren
mit Krankengeschichte und Röntgenbildern zur Registrierung
und Aufbewahrung ein. Diese Unterlagen stehen jedem,
der sich für Knochentumoren interessiert, zu wissenschaftlichen
oder Ausbildungszwecken zur Verfügung. Dank dieses Registers
können wir jederzeit unsere eigenen schwer klassifizierbaren Fälle
mit einem grossen Krankheitsgut vergleichen, das in einigen
Jahren dann auch Auskunft geben wird über den weiteren Verlauf
der Einzelformen; auch hier also engste Verflechtung zwischen
Dienstleistung und Forschung.
Bei der Gynaekopathologie handelt es sich meist um Anschauungen
der Gebärmutter wegen unregelmässiger Blutungen,
wobei die Fragen Abort, Entzündungen, hormonale Störungen
oder Krebs im Vordergrund stehen, oder dann um Ausschneidungen
oder Knipsbiopsien aus dem Muttermund. Zusammen
mit der noch zu schildernden zytologischen oder Abstrichmethode
haben diese diagnostischen Untersuchungen zu der entscheidend
wichtigen Früherfassung vieler Gebärmutterkrebse und damit zu
einem höchst erfreulichen Anstieg der Heilungsziffer geführt.
Eine relativ neue Methode stellt die Nadelbiopsie dar, wobei
das Organ mit einer dünnen Hohlnadel angestochen wird. Dem
Innern der Nadel kann ein Gewebszylinder von etwa 1 Millimeter
Durchmesser entnommen und mikroskopisch untersucht werden.
Die Methode lässt sich an fast allen Organen anwenden, ist jedoch
für Leber und Niere besonders bedeutungsvoll. Die Nierenbiopsie
hat uns in den letzten Jahren einen grossen Schritt weitergebracht,
denn es handelt sich um lebensfrisches Untersuchungsgut,
das auch elektronenmikroskopisch und immunfluoreszenzoptisch
untersucht werden kann, wodurch die Aussagekraft der
Befunde ganz wesentlich verbessert wird. Die Immunfluoreszenzmethode
gibt u. a. Auskunft über Menge und Art von abgelagerten
Immunkörpern, welche vom menschlichen Körper bei der Abwehr
von Fremdstoffen wie Bakterien, Pilzen, Viren, ja auch chemischen
Verbindungen gebildet werden können und die bei
Entgleisung dieser an sich sehr wichtigen Abwehrfunktion — den
Immunkrankheiten — ihrerseits die Organe schwer schädigen
können. Unterschiede bezüglich Löslichkeitsverhältnissen solcher
Immunverbindungen und Dauer der Nierenüberschwemmung
bedingen eine verwirrende Formenreihe von Entzündungen der
Niere, wobei vor allem die filtrierenden Kapillarknäuel, die sog.
Glomerula, befallen sind. Ein Grossteil dieser Formen und deren
Zugehörigkeit zu den entsprechenden auslösenden Erkrankungen
ist heute bekannt; jedoch befindet sich die Behandlung noch in
den Kinderschuhen. Sie kann nur dann sauber erarbeitet werden,
wenn die Grunddiagnose einwandfrei ist, und dazu sind neben der
verfeinerten Lichtmikroskopie die Elektronenmikroskopie und die
Immunfluoreszenz unerlässlich. Wir befinden uns in Basel, dank
grosszügiger Unterstützung durch den Schweizerischen Nationalfonds,
seit vielen Jahren in der glücklichen Lage, alle drei Methoden
nebeneinander bei unseren jährlich rund 140 Nierenpunktaten
anwenden zu können. Wenn auch im Vordergrund unseres
Interesses auf diesem Sektor die gemeinsam mit den klinischen
Nierenspezialisten durchgeführte Forschung steht, so steigt doch
die Zahl derjenigen Patienten, welche aufgrund der Nierenpunktatresultate
geheilt oder gebessert werden können, von Jahr zu
Jahr an. Die Nierenpunktion ermöglicht ferner andere Nierenerkrankungen,
die oft relativ leicht zu behandeln sind, eindeutig
als solche abzugrenzen und zu erkennen. Äusserst wichtig sind die
Befunde bei Patienten mit Nierentransplantaten, bei welchen
Störungen der Nierenfunktion ganz verschiedene, bei exakter
Kenntnis aber oft behebbare Ursachen haben können.
Etwas anders liegen die Verhältnisse bei der Leberpunktion, da
die Methodik klinisch ganz einfach, und die Beurteilung nicht vom
aufwendigen Elektronenmikroskop abhängig ist. Bei den jährlich
rund 2000 untersuchten Leberpunktaten geht es neben der Bestimmung
von Geschwülsten vorwiegend um die Beurteilung der
Folgen der virusbedingten Leberentzündung (Hepatitis) einerseits
und der alkoholischen Leberschäden anderseits. Sehr wichtig
ist ferner, ob ein Gallenwegverschluss durch Steine usw. oder eine
Hepatitis Ursache einer Gelbsucht ist, denn im ersten Fall muss
unbedingt operiert werden, im zweiten würde eine Operation nur
schaden. In letzter Zeit nehmen bei uns auch die Patienten von
Virushepatitis zu — heute sind es bereits über 100 —, bei welchen
mikroskopisch kleine Kristallpartikel und andere Besonderheiten
auf Drogenmissbrauch schliessen lassen. Die Virushepatitis klingt
in den meisten Fällen ab und wird schliesslich geheilt. Der Kliniker
will nun von uns vor allem wissen, warum in einzelnen
Fällen die Krankheit verzögert heilt, in anderen chronisch weiterbesteht
und schliesslich zu Leberschrumpfung führt. Kürzlich
konnten zwei unserer Mitarbeiter wiederum in enger Zusammenarbeit
mit den behandelnden Ärzten zeigen, in welcher Weise
dabei Immunvorgänge eine bedeutungsvolle Rolle spielen 5. Aufgrund
dieser Forschungsergebnisse ist der Pathologe heute imstande,
auch die anscheinend gesunden Träger dieser Viren im
Punktat eindeutig zu erkennen.
Das ausserordentlich spärliche Untersuchungsgut einer Nadelbiopsie
stellt höchste Anforderungen nicht nur an die beurteilenden
Ärzte, sondern auch an die Laborantinnen. Ohne eine
dauernde Weiterausbildung, ohne die ausserordentliche Sorgfalt
und die Geduld unserer technischen Mitarbeiterinnen wären
solche Untersuchungen gar nicht denkbar. Nur das klare Erkennen,
dass das Schicksal lebender Patienten direkt oder indirekt
auch von ihrer Arbeit abhängt, ermöglicht eine einwandfreie
technische Verarbeitung im ganzen Biopsiebetrieb.
Bei der zunehmend angewandten intraoperativen Biopsie wird
der Pathologe gelegentlich in den Operationssaal gerufen, damit
er genau angeben kann, von welcher Organpartie er die Messerbiopsie
wünscht. Ich erinnere mich einer geschwulstartigen Bildung
am Grosszehengrundgelenk, bei welcher röntgenologisch und
auch während der Operation nicht entschieden werden konnte,
ob sie gut- oder bösartig sei. Eine Entnahme aus der gewünschten
Stelle ergab ein weisses krümeliges Material, das sich der Operateur
nicht erklären konnte, in welchem der Pathologe jedoch aufgrund
seiner Autopsieerfahrung Gichtkristalle vermutete und noch
im Operationsvorzimmer im Ausstrich mikroskopisch bestätigen
konnte. Diese Zusammenarbeit hat dem Patienten seinen Fuss,
der amputiert werden sollte, erhalten.
Das entnommene Gewebe wird bei diesen Schnellschnitten,
während der Patient in leichter Narkose verbleibt, in einem
Kälteapparat dünn geschnitten und dann gefärbt. Der Operateur
kann damit in einer Viertelstunde unseren Bericht erhalten, sein
operatives Vorgehen darnach richten und gleich anschliessen.
Dieses operativ einzeitige Geschehen ist für den Patienten naturgemäss
viel schonender und auch billiger als das zweizeitige:
zuerst eine Messerbiopsie und nach Tagen erst die zweite, definitive
Operation.
Die Zytologie oder Ausstrichdiagnostik, der jüngste Zweig
unseres Faches, befasst sich vorwiegend mit der Diagnose von
Krebszellen in Geschwulstflüssigkeiten, welche auf Glasplättchen
ausgestrichen und gefärbt werden. Die für den Patienten ausserordentlich
schonende Abstrichmethode hat sich u. a. bei der Früherfassung
des Gebärmutterkrebses bestens bewährt.
Mittels der Histochemie, d. h. durch chemische Reaktionen am
mikroskopischen Gewebsschnitt, können heute sehr wichtige Aussagen
gemacht werden. Mit ihrer Hilfe ist die Diagnose der
Hirschsprung'schen Krankheit aus einer ganz kleinen Mastdarmbiopsie
möglich geworden. Es handelt sich dabei um Säuglinge
oder Kleinkinder, bei denen eine lebensbedrohende Einengung
des unteren Dickdarmes infolge angeborenen Fehlens eines bestimmten
Teiles des Darm-Nerven-Systemes besteht. Die Kinder
können durch den operativen Eingriff völlig geheilt werden. Umgekehrt
verhindert der negative Ausfall der Untersuchung einen
unnötigen Eingriff.
Die Pathologie der Neugeborenen und der Kinder ganz allgemein
ist in den letzten Jahren derartig kompliziert aber auch erfolgversprechend
geworden, dass sich einer meiner Mitarbeiter
auf diesem Gebiet spezialisieren musste. Dasselbe gilt von der
Neuropathologie sowie von der Endokrinopathologie, die sich mit
den Erkrankungen der hormonbildenden Organe befasst. Für die
an einem Universitätsinstitut doch recht häufig komplizierten
Fragen muss ein Fachmann jederzeit greifbar sein, damit eine den
modernen klinischen Bedürfnissen angepasste Dienstleistung erbracht
werden kann. Um im Rahmen unserer personellen Möglichkeiten
zu bleiben, betreuen diese Ärzte zum Teil auch zwei oder
mehr Spezialgebiete. Selbstverständlich sind sie daneben in Lehre
und Forschung und meist auch im allgemeinen Biopsie- und
Autopsiebetrieb tätig.
Die überhandnehmende Bedeutung der Biopsie in der Medizin
hat den Pathologen den behandelnden Ärzten viel näher gebracht
und — zu meiner Freude stelle ich dies fest —vermehrt rein ärztlich-menschliche
Gesichtspunkte in den Vordergrund gerückt. Dieses
Gefühl des Mitverbundenseins zwingt uns zu maximalen Anstrengungen
bei dieser Tätigkeit, und wenn wir mit unserem Latein zu
Ende sind und nicht weiter wissen, so müssen wir dies auch
ehrlich eingestehen. Die Erkennung von eigenen Fehlern, die Einsicht
in die Grenzen unseres Könnens, stellen einen entscheidend
wichtigen Ansporn für unser zukünftiges Tun und Handeln dar,
denn nach Virchow ist das Wissen begrenzt durch das Nichtwissen.
Schon mehrfach wurde darauf hingewiesen, dass —wie bei der
Sektion — auch die täglichen Beobachtungen bei der Biopsiebeurteilung
ihren direkten Niederschlag in der Lehre finden. Das
Endziel der Lehre in den Medizinischen Fakultäten ist die Grundausbildung
zum Arzt. Neben dem als zentral zu wertenden ärztlich-menschlichen
Fühlen und Verhalten, das zugegebenermassen
an der Hochschule nicht einfach zu vermitteln ist, stehen die
Beobachtungsgabe und das selbständige Denken mit Integration
eines grossen Wissens im Vordergrund. Die Erfahrung und das
Können erwirbt sich der junge Arzt während seiner Assistentenzeit.
Der Pathologe steht auch bei der Lehrtätigkeit mitten im
medizinischen Leben und hat nicht nur die Pflicht, sondern auch
die Freude, seine täglichen Erfahrungen an die jüngere Generation
weiterzugeben.
Der Pathologie wurde auf dem Gebiet der Lehre stets grosse
Bedeutung im Sinne eines intellektuellen und beobachtungsmässigen
— wenn ich so sagen darf —Übungsklettergerüstes zugemessen.
Sie wird diese Stellung vermutlich auch behalten, wenn sie
den Kontakt zur Klinik weiter sucht und die modernen Ergebnisse
von Pathophysiologie und Pathochemie gebührend berücksichtigt.
Basierend auf den erworbenen Kenntnissen des Normalbaues
und Normalverhaltens des Körpers und seiner Elemente
lernt der Student bei uns zuerst die krankhaften Grundvorgänge
wie Entzündung, Geschwulstentwicklung usw. kennen und später
auf die Organerkrankungen und den ganzen Körper übertragen.
Die Vorlesung soll Ordnung in das Chaos der Erkenntnisse
bringen. Auch vermittelt sie zusammen mit den Kursen grundsätzlich
die heute so vehement geforderten Lehrziele (s. auch Pauli
und Mitarbeiter 6). Sie bezweckt die Weiterentwicklung des biologischen
Denkens. Dabei stehen die Strukturveränderungen wohl
in unserem Fall im Vordergrund, werden jedoch dauernd mit den
funktionellen und chemischen Störungen entsprechend den Forderungen
de Duve's immer unter dem Leitmotiv des ärztlichen
Denkens und Handelns in Beziehung gebracht. Altmeister
Virchow würde sich im Grabe drehen, wenn er wüsste, dass der
heutige Pathologe auch auf die psychosomatischen Hintergründe
von Krankheiten hinweist. Mehr Freude würde ihm vermutlich
unser gelegentliches Abschwellen auf Fragen der Sozialmedizin
und allgemeinen Volksgesundheit bereiten!
Die mikroskopischen Kurse bringen den Studenten in engen
Kontakt mit den krankhaft veränderten Geweben und deren
Zellen. Sie stellen überdies ein ideales und leicht kontrollierbares
Feld der extrem wichtigen Beobachtungsschulung dar. Die
zunehmenden Studentenzahlen bei gleichbleibendem Lehrpersonal
zwangen uns jedoch zur Entwicklung neuer Lehrmethoden.
Mit der Programmierung dieser Kurse vor 5 Jahren 7 haben wir
eine eindeutige Verbesserung des Kursrendements erzielen können.
Der Student erhält mit den in der jeweils zweistündigen Lektion
zu bearbeitenden mikroskopischen Schnitten vervielfältigte Blätter,
welche die einzelnen Untersuchungsschritte vorschreiben und
dazu Fragen stellen. Durch Abdecken der Antworten kann der
Student sein Wissen und Können selbst kontrollieren. Beigelegte
Skizzen, auf welche sich ein Teil der Fragen bezieht, regen ihn vermehrt
zum Zeichnen an. «Was man nicht gesehen hat» — ich
möchte beifügen: was man nicht skizzieren kann —, «gehört uns
nicht und geht uns eigentlich nichts an», meinte schon Goethe,
wobei er vermutlich an seine pathologisch-anatomischen Studien
bei Prof. Loder (1795) dachte. Bei der Vorbereitung auf die
Examina stellen diese Blätter gewissermassen die Fragen so, wie
wenn neben jedem Studenten ein Examinator stehen würde (theoretische
Überlegungen s. Steiger et al. 8).
In späteren Semestern, wenn auch die klinische Ausbildung und
die systematische Organbeurteilung von blossem Auge weiter fortgeschritten
sind, kann der Student mit Hilfe des Farbfernsehens an
Autopsien im grösseren Kreis das Schicksal zahlreicher Patienten
nacherleben, wobei neuerdings ein Kliniker die Krankengeschichte
schildert, Röntgenbilder zeigt, Laborbefunde erörtert und schliesslich
seine Fragen an den obduzierenden Pathologen stellt.
Vor den Examina benützen unsere Studenten und nicht selten
auch auswärtige Gäste in kleinen Gruppen die audiovisuellen
Repetitionskurse, welche wie die erwähnten post graduate-Lehrgänge
aufgebaut sind.
Arbeitsmässig bedeutet die Programmierung der Histologiekurse
und der Aufbau der audiovisuellen Lehrgänge eine gewaltige
Belastung. Der Aufwand lohnt sich jedoch. Er führt zu einer
brauchbaren Methode, um das heutige Massengefühl des Studenten
durch persönliche, wenn auch schriftliche, Anleitung und
Befragung aufzulockern.
Die in den letzten Jahren stark angestiegenen Studentenzahlen
und die Bestrebungen zu möglichster Objektivierung der Examina
haben auch eine starke Belastung der Dozenten auf diesem Sektor
mit sich gebracht. Lehre ohne regelmässige Prüfung ist jedoch
sinnlos, Student und Dozent brauchen regelmässigen Einblick in
die eigene Leistung.
Eine wichtige Aufgabe unseres Institutes ist schliesslich die
Ausbildung der Jahres- oder Durchgangsassistenten, welche bei
uns Grundlagen für ihre spätere ärztliche Tätigkeit in Spital oder
Praxis erhalten, sowie die Ausbildung der späteren Fachpathologen.
Ich möchte auf dieses Thema aber nicht weiter eintreten,
sondern nur erwähnen, dass die zufolge der rasch angestiegenen
Studentenzahlen bedingte Verknappung der Assistentenstellen zu
einer Verkürzung der bisher durchschnittlich 10 Jahre dauernden
Gesamtausbildungszeit der Ärzte nach dem Staatsexamen führen
muss. Wir versuchen deshalb, die Ausbildung bei uns so zu intensivieren,
dass die Durchgangsassistentenzeit auf eine kürzere Zeitspanne
herabgesetzt werden kann ohne wesentliche Einbusse an
Ausbildungsqualität. Die dadurch bedingte Mehrbelastung übernehmen
wir gerne, eine weitere Personalreduktion würde allerdings
dieses gut angelaufene und sicher sinnvolle Projekt gefährden;
dasselbe gilt von der Beteiligung der Pathologen an den zahlreichen
Seminarien und Konferenzen unserer Kliniken, welche die
dringend notwendige und heute —wie gesagt — zu intensivierende
Weiterausbildung der Spitalassistenten zum Ziele haben.
Beim Kapitel Forschung kann ich mich unter Hinweis auf das
bisher schon mehrfach Gesagte kurz fassen. Die Forschung ist unabdingbare
Voraussetzung für die Erziehung zum wissenschaftlichen
Denken, zum mindesten der akademischen Lehrer. Der
heutigen Welle der Forschungsfeindlichkeit ist mit dem französischen
Nobelpreisträger Monod 9 entgegenzuhalten:
«Es ist auch eine Ethik der Erkenntnis, die zwar das Bedürfnis
auf Erklärung, Geborgensein und Rettung verneint, in welcher
jedoch der Mensch durch kompromissloses Suchen nach objektivem
Wissen die von ihm angestrengte Freiheit und Würde finden
kann.»
Ohne dass man ganz exakte Grenzen ziehen kann, wird die angewandte
Forschung von der Grundlagenforschung unterschieden.
Die erstere wird durch Fragen ausgelöst, welche sich während der
Dienstleistung ergeben. Ihre Resultate sind zwar meist wenig spektakulär,
jedoch direkt auf das ärztliche Handeln übertragbar. Es
wird z.B. die Frage gestellt, aus welchen Vorzuständen sich die
bösartigen Geschwülste des Magen-Darm-Kanals entwickeln, wo
ihr bevorzugter Sitz und wie häufig ihr Vorkommen ist. Aufgrund
der Antworten können die behandelnden Ärzte Gewebe mit
Krebsvorstadien rechtzeitig entfernen, sie wissen, wo sie vor
allem die kleinen Tumoren besonders intensiv suchen müssen. Ein
anderes Beispiel: Patienten, welche einer Hirnblutung, einem
Herzversagen oder einer anderen arteriosklerotischen Komplikation
erliegen, haben oft jahrelang an einer Blutdrucksteigerung
gelitten. Sie zeigen gelegentlich bei der Sektion eine einseitige
Schrumpfniere. Die angewandte pathologische Forschung hat ergeben,
dass solche Schrumpfnieren die Folge einer meist in
frühem Kindesalter durchgemachten Nierenentzündung sein können.
Jede Drosselung der Nierendurchblutung, im vorliegenden
Fall durch eine narbige Schrumpfung bedingt, kann, wie die
Grundlagenforschung zeigte, die Ausschüttung eines blutdrucksteigernden
Nierenhormons bewirken und damit Blutdrucksteigerung
und deren Komplikationen, also u. a. eine Arteriosklerose,
hervorrufen. Die operative Entfernung einer solchen Schrumpfniere
kann im Frühstadium den Blutdruck normalisieren und den
Patienten heilen.
Grundlagenforschung ist in erster Linie Sache von Spezialinstituten
das Basler Biozentrum ist dafür ein sehr gutes Beispiel.
Um jedoch einzelne Fragen, welche der Weiterführung unserer
angewandten Forschung und unserer Dienstleistung dienen, direkt
zu beantworten, und auch zur Zusammenfassung der technischen
Hilfsmittel wurden ganz im Sinne de Duve's unserem Institut eine
elektronenmikroskopisch-experimentelle und eine immunpathologische
Abteilung angegliedert.
Die elektronenmikroskopische Grundlagenforschung vermittelt
uns die Elemente, um unsere Biopsiebefunde zu interpretieren.
Der Leiter dieser Abteilung hilft den vorwiegend in der Dienstleistung
beschäftigten Ärzten auch intensiv bei der Lösung der
experimentellen Probleme. Auch der Leiter der Abteilung für
Immunpathologie unterliegt wieder der Trinität: Dienstleistung,
Lehre und Forschung, da die Immunpathologie und die eng damit
verbundenen Lymphknoten- und Tumorerkrankungen heute in
Dienstleistung und Lehre bedeutungsvoll geworden sind. Aus
Zeitgründen muss ich es mir versagen, auf die in den letzten
Jahren durch diese beiden Abteilungen ermöglichten Grundlagenresultate
weiter einzugehen.
Die Beantwortung der häufigen Frage nach den Kosten der
Forschung an unserem Institut ist äusserst schwierig, ja meines
Erachtens kaum möglich. Die acht Abteilungsleiter und Oberärzte
sind für die moderne Dienstleistung und Lehre unersetzlich.
Ein guter Teil der Forschung und der Vorbereitung der Lehre
wird von diesen Ärzten ausserhalb der normalen Arbeitszeit
durchgeführt. Teure Materialien, Apparate und zusätzliche
Arbeitskräfte werden vom Nationalfonds und aus anderen Quellen
bezahlt. Durch enge Zusammenarbeit mit Forschungseinheiten
der pharmazeutischen Industrie und der Kliniken wird Doppelspurigkeit
bei Apparateanschaffungen usw. tunlichst vermieden. Die
Frage müsste somit nicht auf die Kosten der Forschung hinzielen,
sondern auf die Einsparungsmöglichkeiten bei Reduktion oder
völliger Unterbindung der Forschung, wobei die ureigene Funktion
eines Universitätsinstitutes aber sicher erhalten bleiben muss.
Und diese Antwort muss ich Ihnen schuldig bleiben.
Meine Damen und Herren,
diese keineswegs umfassende, sondern nur schlaglichtartige Analyse
der Aufgaben der modernen Pathologie hat Sie sicher erkennen
lassen, dass de Duve recht hat, wenn er die Notwendigkeit
der Forschung in unserem Fach betont. Nicht beistimmen
können wir ihm bei seiner doch etwas verächtlichen Beurteilung
der ihm vermutlich wenig bekannten ärztlichen Dienstleistung.
Ich versuchte ferner, Ihnen zu zeigen, wie vielseitig, interessant
und menschlich befriedigend unser Beruf mit seiner Prägekraft auf
die zukünftige Ärztegeneration in der Lehre und in der Forschung
ist. Am Modellfall der Pathologie wurde — so hoffe ich —die Untrennbarkeit
von Dienstleistung, Lehre und Forschung — cum
grano salis — übertragbar auf die ganze Universität deutlich. Es
scheint mir an der Zeit, dass Behörden und Volk diese Dinge im
richtigen Licht, frei von zeitkonformen oder emotionellen Schlagworten
erblicken. Wir hoffen, die früher so zielbewusst geförderte
hohe Qualität unserer Basler Universität sei auch in Zukunft Leitbild
unserer kantonalen Universitätspolitik. Quantitative Beschränkung
ist ein politischer, gelegentlich notwendiger Entscheid.
Qualitative Einbusse an einer Universität ist ein Fehler mit unverantwortbaren,
auf viele Jahre nicht wiedergutzumachenden
Folgen.