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Universitäten im Aufbruch Volkswirtschaftliche Analyse der gegenwärtigen Reformen

Basler Universitätsreden 93. Heft

Rektoratsrede gehalten an der Jahresfeier der Universität Basel

am 28. November 1997
Verlag Helbing &Lichtenhahn
Basel 1997

Wie die Universität Basel befinden sich gegenwärtig auch viele andere schweizerische und europäische Universitäten in einer Reformphase. Warum gerade jetzt, in den neunziger Jahren? Warum gerade in der heutigen Form der Gewährung grosser Autonomie? Wie sind die laufenden Reformen aus volkswirtschaftlicher Sicht zu beurteilen? Welche Folgerungen ergeben sich aus dieser Analyse für die konkrete Umsetzung der Reformprojekte? Dies sind Fragen, die ich in meiner diesjährigen Rektoratsrede mit dem Titel "Universitäten im Aufbruch: Volkswirtschaftliche Analyse der gegenwärtigen Reformen" behandeln möchte.

Das Thema bietet auch Gelegenheit, auf die wirtschaftlichen Hintergründe der laufenden Universitätsreformen einzugehen, mit anderen Worten das transparent zu machen, was der Ökonom im Hinterkopf hat, wenn er die gegenwärtigen Reformen analysiert oder sich für sie engagiert.

Inwieweit handelt es sich bei den Universitätsreformen überhaupt um ein wirtschaftswissenschaftliches Thema? Was legitimiert Nationalökonomen, sich mit dem Universitätswesen zu beschäftigen? Die Antwort wird offensichtlich, wenn von Definition und Selbstverständnis der Ökonomie ausgegangen wird: Sie versteht sich als Wissenschaft vom Umgang mit knappen Ressourcen und Gütern. Sie beschäftigt sich mit der Herstellung, der Zuteilung und der Nutzung von Waren und Dienstleistungen, die nicht unbeschränkt zur Verfügung stehen. Dies kann beschreibend (deskriptiv) oder empfehlend (präskriptiv) geschehen.

Universitätsreformen als Reaktion auf Veränderungen der übergeordneten Rahmenbedingungen

Ich wage die These: Die laufenden Universitätsreformen sind darauf zurückzuführen, dass das Problem der Verknappung der Mittel in den neunziger Jahren im Vergleich zum vorherigen Jahrzehnt und erst recht im Vergleich zu den fünfziger und sechziger Jahren sich drastisch verschärft hat. Die früheren Jahrzehnte waren durch hohe Wachstumsraten des Sozialprodukts, der Steuereinnahmen und der dadurch ermöglichten Staatsausgaben gekennzeichnet. Demgegenüber herrschte in unserem Jahrzehnt in der Schweiz bis anhin Stagnation.

Der Grund liegt darin, dass unser Land Mühe bekundet hat, sich den veränderten internationalen Rahmenbedingungen anzupassen. Die Liberalisierung, wie sie durch GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) und WTO (World Trade Organization) ausgelöst wurde, hat den nationalen Protektionismus zurückgedrängt. Unterstützt durch immer tiefere Transportkosten sowie neue, um Zehnerpotenzen billigere und leistungsfähigere Telekommunikationsmittel erhöhte sich die Mobilität und wurden die nationalen Grenzen für Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen durchlässiger. Diese als Globalisierung bezeichnete Entwicklung hat den Wettbewerb zwischen den international tätigen Unternehmungen erheblich verschärft. Wirtschaftliches Überleben bedingt für sie Effizienzsteigerung am alten Ort oder aber die Suche nach kostengünstigeren Standorten. Es gelang ihnen, glaubhaft nachzuweisen, dass die Abwanderung und damit der Verlust an Arbeitsplätzen nur verhindert werden kann, wenn die lokale Wirtschaft, das Gewerbe und der Staat die Anpassungslasten mittragen, das heisst, billiger produzieren, Kosten, Preise und Steuern senken.

Der Abbau nationaler Regulierungen im Zuge der Liberalisierung und die Öffnung der Grenzen im Zuge der Globalisierung haben Kartelle und Monopole weggefegt —bei den Banken und Versicherungen, im Bau- und Brauereigewerbe, bei Post, Telephon und Bahnen. Sie alle sind direkt oder indirekt dem rauhen Wind der internationalen Konkurrenz ausgesetzt worden.

Es wäre eine Illusion zu glauben, die Schweiz könne sich gegenüber dieser neuen Entwicklung abschotten. Der Verzicht auf Partizipation an den erwähnten Globalisierungsoffensiven würde in den meisten Branchen bloss den zusätzlichen Zwang schaffen, dass Firmen sich neue Standorte ausserhalb der Schweiz suchen —mit einem entsprechenden Verlust an Arbeitsplätzen. Diese Strategie der Standortverlagerung war in den letzten Jahren in vollem Gange. Sollte sie anhalten, so wäre wegen schrumpfender Steuereinnahmen das heutige Niveau an öffentlichen Leistungen gefährdet. Um solches abzuwenden und um Arbeitsplätze zu erhalten, bemühen sich viele Gemeinwesen, den Firmen bessere Standortbedingungen zu bieten. In zunehmendem Ausmass ist somit aus dem Wettbewerb zwischen Firmen ein Wettbewerb zwischen Wirtschaftsstandorten, damit auch ein Wettbewerb zwischen Gemeinwesen geworden.

Von diesem Prozess bleiben auch die Universitäten nicht verschont, einerseits weil bei anhaltendem Abwanderungstrend von Unternehmungen und Verlust an Arbeitsplätzen die finanzielle Grundlage ihrer Träger schmilzt, andererseits weil von ihnen ein Beitrag zur Verbesserung der Standortqualität erwartet wird.

Welchen Beitrag können die Universitäten zur Standortaufwertung einer Region oder eines Landes überhaupt leisten? Es sind ihrer drei:

- zunächst und vor allem die Verbesserung von Lehre und Forschung,

- sodann der Ausbau der universitären Fort- und Weiterbildung und

- schliesslich die Förderung des Wissens- und Technologietransfers.

Um dies rasch und wirksam zustande zu bringen, wurden Universitätsreformen eingeleitet. Die Stichworte lauten: mehr Autonomie gegenüber den staatlichen Trägern, Reorganisation, Globalbudget sowie Einsatz betriebswirtschaftlicher Führungsinstrumente. Die einzelnen Reformprojekte unterscheiden sich kaum in ihrer allgemeinen Stossrichtung, wohl aber in Ausmass und Konsequenz. Die Basler Universitätsreform machte einen besonders grossen, ja mutigen Schritt. Diese Universität gilt heute nicht zu Unrecht als "die älteste der Schweiz mit den modernsten Strukturen".

Wer die derzeitigen Diskussionen zur Reform der Universität mit jener nach 1968 vergleicht, ist überrascht. Damals wurde vehement, ja hitzig und kämpferisch diskutiert, aber wenig umgesetzt. Heute gehen weitreichende Reformen in der Regel schlank über die politische Bühne. In Basel beispielsweise erfolgte die parlamentarische Zustimmung ohne Gegenstimme, und auf das Referendum wurde verzichtet. Ähnlich rasch erfolgte die Umsetzung.

Als Beobachter muss man sich die Frage stellen: Warum dieser frappante Unterschied zwischen der Nach-68er-Zeit und heute? Der Ökonom vermag dazu eine plausible Erklärung anzubieten: Individuelle Verhaltensänderungen sowie neue wirtschaftliche und politische Massnahmen kommen viel rascher zustande, wenn sie durch Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen —Bedrohungen wie Arbeitsplatzverlust und sinkende Einkommen —erzwungen werden, als wenn sie durch Präferenzänderungen der wirtschaftlichen

und politischen Akteure ausgelöst werden. Wir alle sind — unbewusst —bereit, uns veränderten Restriktionen anzupassen. Über neue Wertvorstellungen hingegen, wie sie die 68er-Bewegung in Gesellschaft und Wirtschaft auslösen wollte, besteht das Bedürfnis zu diskutieren —endlos, bis sie zerredet sind. Der Grund liegt darin, dass für jeden einzelnen die Anpassung an neue Rahmenbedingungen im eigenen Interesse liegt. Man kann aus begrenzten finanziellen Mitteln einen grösseren Nutzen ziehen, wenn man dies tut. Bei Präferenzänderungen ist dies anders. Dieser Unterschied erklärt nicht nur die Tatsache, dass heute Universitätsreformen politisch und wirtschaftlich auf vergleichsweise geringen Widerstand stossen, sondern auch ihren Inhalt und die Geschwindigkeit der entsprechenden Neuerungen.

Bedrohung der Humboldtschen Universität?

Die geschilderte Entwicklung verursacht bei vielen Universitätsangehörigen Unbehagen. Die Ängste sind: Die Freiheit von Lehre und Forschung ist gefährdet. Kurzfristiges Nützlichkeitsdenken verdrängt die Wissenschaftlichkeit. Praktische Ausbildung tritt an die Stelle von umfassender Bildung. Die Universität verkommt zum Instrument der Wirtschaft und der Wirtschaftspolitik. Selbstbestimmung und inneruniversitäre Demokratie müssen der Fremdbestimmung durch anonyme Wirtschaftskräfte weichen. Kurz: Die Humboldtsche Universität mit ihrem ganzheitlichen und zweckfreien Bildungs- und Wissenschaftsideal gerät in Bedrängnis. Sind derartige Befürchtungen gerechtfertigt?

Wilhelm von Humboldt, in Universitätskreisen viel beschworen, doch kaum gelesen, lebte von 1767 bis 1835. Er war befreundet mit Goethe und Schiller. Als Leiter des preussischen Unterrichtswesens gründete er 1810 die später nach ihm benannte Universität Berlin.

Ich zitiere einige Stellen aus seiner Denkschrift "Über die innere und äussere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin" aus dem Jahre 1810. Aufgabe höherer wissenschaftlicher Anstalten sei es, schreibt von Humboldt, "Wissenschaft als solche zu suchen"(Pol. Denkschriften I. Bd., S. 254). Alles beruhe darauf, "das Prinzip zu erhalten, die Wissenschaft als etwas noch nicht ganz Gefundenes und ganz Aufzufindendes zu betrachten"S. 253). "Was man ... höhere wissenschaftliche Anstalten nennt, ist von aller Form im Staate losgemacht, nichts Anderes als das geistige Leben der Menschen ..."(S. 252). Daher gebe es "auf jeder grossen Universität immer Männer, die, indem sie wenig oder gar nicht lesen, nur einsam für sich studieren und forschen"(S. 257). Der Staat sei "immer hinderlich..., sobald er sich einmischt"(S. 252).

Soweit Wilhelm von Humboldt. Mit seinem Postulat der Freiheit der Wissenschaft —gemeint: Unabhängigkeit von staatlichen Einflüssen —ist er immer noch aktuell. Denn was anderes bedeuten die den heutigen Universitätsreformen zugrunde liegenden Autonomiebestrebungen? Was anderes die Globalbudgetierung, welche der Universität die Freiheit gibt, die von den staatlichen Geldgebern zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel so auf die einzelnen Fakultäten, Departemente und Institute und so auf die Personal- und Sachausgaben aufzuteilen, wie dies die Universität selbst für zweckmässig erachtet?

Die Befürchtungen von Reformskeptikern dürften anderswo liegen: bei der vermuteten Gefahr nämlich, dass die autonome Universität in neue Abhängigkeiten gerät. Sie müsse sich vermehrt selbst um ihre Finanzierung kümmern. Konkret: Sie müsse das Geld vermehrt bei Dritten, vor allem bei der Wirtschaft, holen. Dass dadurch Abhängigkeiten entstehen können, welche der Freiheit von Lehre und Forschung abträglich sind, ist sicher nicht zu bestreiten. Denn das Verhalten der Wirtschaft beruht auf dem Prinzip des do ut des,

des Gebens und Nehmens. Geldleistungen der Wirtschaft an die Universität erfolgen nur in den seltensten Fällen als reines Geschenk. Erwartet werden Gegenleistungen seitens der Universität. Darin wird die Gefährdung der Freiheit von Lehre und Forschung gesehen. Hier beginnen aber auch die Missverständnisse —Missverständnisse, die teils auf Unkenntnis der wirtschaftlichen Mechanismen, teils auf unterschwelligen Aversionen gegenüber der Wirtschaft beruhen.

Private und öffentliche Unternehmungen geben Universitäten dann Geld, wenn diese Leistungen erbringen, die sie, die Unternehmungen, selbst entweder überhaupt nicht oder nicht zu vertretbaren Kosten erbringen können. Diese Leistungen können vielfältigster Art sein, zum Beispiel die Ausbildung wissenschaftlich hochqualifizierter Arbeitskräfte, überhaupt Bildung ganz allgemein. Interesse hat die Wirtschaft aber auch an der Forschung. Für die Entwicklung neuer Produkte und die Implementation neuer Produktionsprozesse braucht es vorher wissenschaftliche Durchbrüche. Forschung, namentlich Grundlagenforschung, ist nun aber in der Regel stark risikobehaftet und führt, falls überhaupt, oft erst nach Jahrzehnten zu brauchbaren Ergebnissen. Für private Unternehmungen sind diese Risiken zu gross, und die Zeiträume übersteigen ihren Zeithorizont. Trotzdem gilt: Ohne Forschung keine wirtschaftlichen Innovationen und ohne Innovationen keine Sicherung und erst recht keine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. Die Wirtschaft braucht die Forschung —nicht unbedingt die Forschung einer ganz bestimmten Universität oder Forschungsanstalt, wohl aber die Forschung des Universitätskomplexes insgesamt.

Weitere Leistungen von Universitäten, an denen die Wirtschaft interessiert ist, sind die Fort- und Weiterbildung, der Wissens- und Technologietransfer sowie der Beitrag von Universitäten als kulturelle Institutionen zur Aufwertung der Qualitäten eines Wirtschaftsstandortes.

Nicht zuletzt eignen sich Universitäten auch zur Merkmals- und Prestigeübertragung. Der Zweck des Wissenschaftssponsorings zum Beispiel besteht aus der Sicht des Geldgebers darin, Charakteristika von Universität, Wissenschaft oder Forschung —dazu gehören namentlich: Zukunftsorientierung, Fortschritt, Internationalität, An-der-Wissensfront-Sein und so weiter —auf bestimmte Unternehmungen oder Branchen zu übertragen.

Firmen, die in die wissenschaftlichen Entscheidungen der Universitäten eingreifen, würden die Wirkung der von ihnen eingesetzten Mittel beeinträchtigen. Denn falls bekannt wird, dass sie sich in wissenschaftliche Belange einmischen, geht der Nutzen —namentlich von Forschungskooperationen und des Sponsorings —für sie wieder verloren. Gerade wirtschaftlich denkende Unternehmungen werden daher nicht so kurzsichtig sein und die Universitäten in ihren wissenschaftlichen Entfaltungsspielräumen einschränken. Universitäten, die wissenschaftlich erfolgreich und für Sponsoren attraktiv sein wollen, müssen als unabhängig und fortschrittlich gelten.

Ich will nicht verschweigen, dass die Gefahr der Beeinträchtigung der Wissenschaftsfreiheit bei Expertisen deutlich grösser ist als bei der genannten Forschungsförderung und beim Wissenschaftssponsoring. Wer kennt sie nicht, die Gefälligkeitsgutachten? Hier müssen die Universitäten äusserst vorsichtig sein, wollen sie nicht ihren wissenschaftlichen Ruf gefährden. Sie sind dann nämlich auch für das Sponsoring und für Forschungskooperationen uninteressant.

Verschärfter Wettbewerb —auch für Universitäten

Worauf die Unternehmungen als Geldgeber legitimerweise Wert legen, ist, dass die von ihnen geförderten Universitäten effizient arbeiten. Wenn diese bezüglich Effizienz von privaten, wettbewerbsorientierten Unternehmungen lernen, dürfte es kaum zu ihrem Nachteil sein. Die Universitäten werden nämlich ihrerseits in den nächsten Jahren in einen intensiveren nationalen und vor allem internationalen Wettbewerb geraten. Für diesen Wettbewerb müssen sie sich bereits heute wappnen. Sie müssen lernen, ihre Leistungen wirtschaftlicher zu erbringen.

Zumindest drei Gründe deuten daraufhin, dass sich in der nächsten Zeit die Konkurrenz zwischen den Universitäten verschärfen wird:

- Erstens werden sie Konkurrenz durch die Fachhochschulen erhalten.

- Zweitens werden ausländische Universitäten via Fernkurse und Teleteaching ihre Märkte auszuweiten und neue Märkte zu erobern suchen.

- Und drittens werden die universitären Abschlüsse im gesamten Gebiet der Europäischen Union anerkannt. Es wird folglich eine immer kleinere Rolle spielen, in welchem Land man studiert. Viel wichtiger wird dereinst sein, dass man an einer renommierten Universität sein akademisches Wissen erworben hat. Welche Universität dazu gehören wird, entscheidet sich nach der Fähigkeit, finanzielle Mittel zu beschaffen, gute Dozierende an sich zu binden und nicht zuletzt —und dies ist zumindest für die Schweiz neu —gute Studierende "anzulocken".

Führende amerikanische Universitäten, die viel früher als die europäischen diesen Weg der Marktorientierung eingeschlagen haben,

zeigen, dass weder die Freiheit von Lehre und Forschung noch wirtschaftsferne, "unrentable"Fächer wie zum Beispiel Philosophie, Religionswissenschaft, Altertumswissenschaft, Linguistik oder Geschichte darunter zu leiden haben. Vielmehr leisten gerade diese Fächer einen entscheidenden Beitrag zum Prestige einer Universität. Sie werden darum auch durch private Geldgeber gefördert.

Um diese Hypothese zu überprüfen, habe ich etwa vierzig Professorinnen und Professoren der Universität Basel, und zwar aller Fakultäten, die Frage gestellt, welche zwei Universitäten in ihrem jeweiligen Fachgebiet die führenden der Welt sind. Das Ergebnis ist eindeutig: 70 Prozent aller Nennungen sind amerikanische Universitäten. Meist handelt es sich um rechtlich private oder nach privatwirtschaftlichen Prinzipien geführte Universitäten. Allein die Harvard University wurde von 60 Prozent der befragten Kolleginnen und Kollegen genannt. Bemerkenswert ist, dass dieses Resultat auch für die geistes- und kulturwissenschaftlichen Fachgebiete gilt. Es ist also keineswegs zwingend, dass die stärker wirtschaftliche Ausrichtung von Universitäten dazu führt, dass nicht unmittelbar rentable Fächer zum Verschwinden verurteilt sind. Dass staatliche und steuerlich finanzierte Universitäten wissenschaftlich besser und vielfältiger sind als stärker markt- und privatwirtschaftlich geführte und finanzierte Universitäten gehört also zu den in Kontinentaleuropa gepflegten, aber empirisch kaum zu stützenden Vorurteilen.

Hinzu kommt, dass Universitäten, die sich aus mehreren Geldquellen finanzieren, letztlich unabhängiger sind, als solche, die von einer einzigen abhängen. Ist dieser einzige Geldgeber der Staat, so besteht zwar die Möglichkeit, die wissenschaftliche Freiheit gesetzlich zu schützen. Wer aber kann verhindern, dass dieser eine Geldgeber wegen Rückgangs der Steuereinnahmen seiner Universität die Mittel kürzt und dabei gerade die kleinen, wirtschaftsfernen Fächer unter die Räder geraten?

Vielfältige universitäre Leistungen

Kommen wir zu den Leistungen von Universitäten. Sie werden meist in drei Kategorien unterteilt: Ausbildung, Forschung und Dienstleistungen. Diese Kategorisierung macht auch ökonomisch einen Sinn, denn die drei Leistungsarten haben deutlich unterschiedliche Charakteristika. Die Ausbildung gehört zur Gruppe der sogenannten meritorischen Güter, die Forschung zu jener der Kollektivgüter und ein Grossteil der Dienstleistungen zu den privaten Gütern. Was ist darunter zu verstehen? Und welche hochschulpolitischen Folgerungen ergeben sich aus dieser Unterscheidung?

Ausbildung als meritorisches Gut

Als erstes zur Ausbildung als meritorischem Gut: Unter "meritorischen Gütern"werden in der Finanzwissenschaft Waren oder Dienstleistungen verstanden, die technisch gesehen zwar private Güter darstellen, jedoch durch politischen Entscheid zu öffentlichen Gütern gemacht werden. Die Juristen bezeichnen die meritorischen Güter als Sozialrechte oder soziale Grundrechte. Beispiele sind das Recht auf Gesundheit, Kultur —und eben auch Bildung. Man will diese Güter —weil sie gesellschaftlich als besonders wichtig erachtet werden, also ihre "Meriten"haben —weder über Märkte zuteilen noch von der Zahlungsfähigkeit der Nutzniesser abhängig machen. Die Bereitstellung von meritorischen Gütern ist daher dem Staat übertragen worden, und die Finanzierung erfolgt aus allgemeinen Steuermitteln. Man erhofft sich davon eine gerechtere, das heisst gleichmässigere Verteilung des Wohlstands. Im konkreten Fall der Ausbildung sollen insbesondere ungleiche Startchancen ausgeglichen werden. Auch das Studium an Universitäten gehört im heutigen europäischen Wohlfahrtsstaat ganz eindeutig zu den meritorischen Gütern.

Vom politischen Werturteil, Universitätsbildung als soziales Grundrecht zu betrachten, gehe ich im folgenden ebenfalls aus. Gleichwohl darf die Frage gestellt werden, ob der bisherige "Kurz-Schluss", dieses meritorische Gut sei durch den Staat anzubieten und in der bisherigen Form zu finanzieren, die zweckmässigste Lösung darstellt. Zu dieser für viele vielleicht ketzerischen Frage gelangt man, wenn die tatsächlichen Wirkungen der heutigen Bereitstellung von meritorischen Gütern untersucht und mit den angestrebten Zielen verglichen werden. Analysen der Umverteilungswirkungen der Hochschulbildung haben nämlich gezeigt, dass die verschiedenen Einkommensschichten über ihre Steueranteile etwa das bezahlen, was ihre Kinder an tertiären Bildungsleistungen in Anspruch nehmen. Eine substantielle Umverteilung findet über das Universitätswesen also nicht statt, zumindest nicht in der Schweiz. Trotz aller Bildungsexpansion stammen nämlich die Studierenden schwergewichtig immer noch aus den mittleren und oberen Einkommensschichten. Stossend ist überdies, dass die akademische Berufsausbildung —weil politisch als meritorisches Gut deklariert —finanziell durch den Staat massiv gefördert wird, andere berufsorientierte Ausbildungsgänge, von denen untere Einkommensschichten stärker profitieren würden, jedoch dem einzelnen überlassen bleiben. Beispiele dafür sind gewisse berufliche Ausbildungen sowie Zusatzausbildungen nach der kaufmännischen oder gewerblichen Lehre.

Doch nicht nur unter Gerechtigkeits- und Gleichheitsgesichtspunkten ist die weitgehend staatliche Bereitstellung und Finanzierung von universitären Leistungen nicht über jeden Zweifel erhaben. Bildungsleistungen, die, wie heute, fast unentgeltlich zur Verfügung stehen, haben nämlich noch einen weiteren Nachteil: Sie werden zu wenig als knappe Güter empfunden, nicht als Güter, mit denen haushälterisch umzugehen ist. Im Falle der Universitätsausbildung hat dies unerwünschte Auswirkungen sowohl auf die Studierenden als Nachfrager als auch auf die Universitäten als Anbieter.

- Manche Studierenden betrachten ihr Studium zu wenig bewusst als Investition in ihre eigene Zukunft, nicht als Aufbau von Humankapital. Sie vernachlässigen mit Ausnahme des eigenen Zeiteinsatzes und der Aufwendungen für die Lebenshaltung die Kosten der akademischen Ausbildung. Diese bewegen sich, je nach Studienrichtung, in der Grössenordnung von hunderttausend Franken bis gegen eine Million.

- Die Universitäten auf der anderen Seite haben nur schwache Anreize, Bildungsleistungen effektiv (den Bedürfnissen der Gesellschaft entsprechend) und effizient (mit günstigem Kosten-Nutzen-Verhältnis) zu erbringen. Entsprechende Anstrengungen werden kaum honoriert, zumindest nicht seitens der Studierenden.

Die laufenden Universitätsreformen gehen unbewusst von diesen zwei Kritikpunkten am bisherigen Hochschulwesen aus: erstens den fragwürdigen Verteilungswirkungen und zweitens der mangelnden Effektivität und Effizienz. Die neue Lösung entspricht der Grundidee des New Public Managements: Der politische Entscheid, eine Universität zu betreiben, wird weiterhin —in Form eines Leistungsauftrags —durch staatliche Gremien getroffen. Die Art und Weise, wie dieser Auftrag erfüllt wird, soll jedoch inskünftig der Universität überlassen bleiben. Dadurch kann der Einsatz der finanziellen Mittel optimiert werden.

Ein zusätzlicher Effizienzgewinn liesse sich dadurch realisieren, dass nicht mehr die Universitäten als Anbieter, sondern direkt die Studierenden als Nachfrager durch den Staat finanziert werden. Im Fachjargon heisst dies: Subjekt-statt Objekthilfe. Allerdings ist einschränkend festzuhalten: Eine einzelne Universität kann diesen neuen Weg nicht im Alleingang beschreiten. Auch kann es nicht darum gehen, das ganze Finanzierungssystem kurzfristig vollständig umzukrempeln. Sinnvoll ist lediglich eine Änderung des Mischungsverhältnisses zwischen staatlicher und privater Organisation beziehungsweise Finanzierung.

Grundlagenforschung als Kollektivgut

Soviel zur universitären Leistung Ausbildung. Wie sieht es mit der Forschung aus? Wenden wir uns zunächst der Grundlagenforschung zu. In der Sprache der Wirtschaftswissenschaften ist sie ein typisches Kollektivgut. Die Ergebnisse der Grundlagenforschung können nicht patentiert werden. Der Nutzen kann nicht auf diejenigen beschränkt werden, welche bereit sind, einen Preis dafür zu entrichten. Weil ihre Ergebnisse nicht verkäuflich sind, können die Kosten nicht gedeckt werden. Weder private Unternehmungen noch öffentliche Institutionen mit anderem als einem expliziten Forschungsauftrag haben daher Anreize, Grundlagenforschung zu betreiben.

Für die Gesellschaft als ganze ist Grundlagenforschung jedoch durchaus attraktiv. Denn von ihr gehen letztlich die Impulse für Innovationen im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich aus. Der Staat muss die Grundlagenforschung gewährleisten. Allerdings gilt auch hier, was bereits für die Ausbildung festgestellt worden ist: Der Staat hat zwar die entsprechende Grundverantwortung zu übernehmen und zu finanzieren, die Grundlagenforschung muss jedoch nicht von staatlichen Institutionen selbst erbracht werden.

Aus ökonomischer Sicht ist heute in der Schweiz mit dem Nationalfonds eine zweckmässige Lösung gefunden worden: Finanzierer (Bund), Mittelzuteiler (Nationalfonds) und Leistungsersteller (Universitäten) sind getrennt. Der Wettbewerb zwischen den Forschern bei der Zuteilung der Forschungsmittel gewährleistet Effizienz und die Autonomie der Förderungsinstitution Flexibilität. Die Finanzierung aus Steuermitteln trägt dem spezifischen Charakter der Grundlagenforschung als Kollektivgut Rechnung. Die Grundlagenforschung ist daher mit guten Gründen aus den laufenden Universitätsreformen ausgeklammert worden.

Forschung besteht nicht nur aus der Grundlagenforschung, sondern auch aus der angewandten Forschung sowie aus der technisch-wirtschaftlichen Entwicklung. Geht man, wie dies in unseren Überlegungen der Fall ist, von den ökonomischen Merkmalen der universitären Leistungen aus, so kann die Entwicklung von neuen, wirtschaftlich nutzbaren Produkten oder Produktionsverfahren zu den privaten Gütern gerechnet werden. Der Nutzen ist teilbar, und Nichtzahlungswillige können durch Patentierung von der Nutzung der Ergebnisse ausgeschlossen werden. Dies bedeutet aber auch, dass private Unternehmungen genügend Anreize haben, Mittel für die Entwicklung einzusetzen. Patente und Lizenzen erlauben, den Nutzen der Forschung zu internalisieren. Im Gegensatz zur Grundlagenforschung braucht es hierfür den Staat nur insofern, als er die gesetzlichen Grundlagen, das Patentrecht, schaffen muss. Ebensowenig muss zur Finanzierung zwingend auf Steuermittel zurückgegriffen werden.

Doch wie steht es mit der angewandten Forschung? Sie hat sowohl Merkmale von Kollektivgütern (wie die Grundlagenforschung) als auch von privaten Gütern (wie die Dienstleistungen). Das heisst, der Staat und Private müssen bei solchen Mischgütern zusammenarbeiten. Auch bei der Finanzierung ist eine Partnerschaft zwischen Staat und Privatwirtschaft angezeigt.

Die nationalen Forschungs- und Schwerpunktprogramme sowie der überwiegende Teil der europäischen Forschungsprogramme sind dieser Kategorie der Mischgüter zuzuordnen. Ihre derzeitige institutionelle Regelung ist aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht grundsätzlich zweckmässig. Wenn daher die laufenden Universitätsreformen diesen Leistungen kein besonderes Augenmerk beimessen, so ist dies richtig. Die bisherige Lösung ist, wie jene der Grundlagenforschung, im grossen und ganzen sinnvoll.

Dienstleistungen als weitgehend private Güter

Wenden wir uns den eigentlichen Dienstleistungen zu. Sie haben, wie erwähnt, weitgehend den Charakter von privaten Gütern. Das heisst: Die entsprechenden Leistungen können auf Personen und Unternehmungen beschränkt werden, die bereit sind, für sie zu bezahlen. Mit Ausnahme von Gruppierungen, welche marktwirtschaftlichen Lösungen aus Prinzip ablehnend gegenüber stehen, wird akzeptiert, dass bei normalen Dienstleistungen die Nutzniesser für die Kosten aufkommen sollen.

Dienstleistungen von Universitäten sind schwieriger zu definieren und abzugrenzen als Lehre und Forschung. Sie stellen alle übrigen Leistungen dar: angefangen von der universitären Fort- und Weiterbildung über Gutachten und Beratung, das Sammeln, Archivieren und wissenschaftliche Auswerten von Kunst- und sonstigen Museumsgegenständen bis hin zum Wissens- und Technologietransfer und den vielfältigen Beiträgen von Universitätsangehörigen zum kulturellen, sozialen und politischen Leben. Wie aus dieser unvollständigen Aufzählung ersichtlich, sind nicht nur die Rechts-, Wirtschafts- und Naturwissenschaften als wirtschaftsnahe Fachbereiche im Dienstleistungsbereich tätig. Auch die Geisteswissenschaften erbringen Dienstleistungen. Es sei beispielsweise an den Beitrag der Ethik zur heutigen Gentechnologiediskussion oder die Konzipierung und Mitgestaltung von Ausstellungen durch Kunsthistorikerinnen und -historiker erinnert.

Welche Bedeutung kommt den Dienstleistungen in den derzeitigen Universitätsreformen zu? Die Antwort lautet: Sie stehen nicht im Zentrum der Reformbemühungen. Dennoch sind im Zusammenhang mit den universitären Dienstleistungen drei Bemerkungen angebracht:

- Erstens: Dienstleistungen werden heute wie Lehre und Forschung grundsätzlich als gleichwertige Aufgabe von Universitäten anerkannt.

- Zweitens: Dienstleistungen dürfen nicht zu "Dumpingpreisen" angeboten werden. Vielmehr sind bestimmte Regeln des wettbewerblichen Wohlverhaltens zu beachten.

- Und drittens: Bei manchen Dienstleistungen drängt sich die Schaffung besonderer Organisationen auf.

Zu Punkt 1, den Dienstleistungen als gleichwertige universitäre Aufgabe. Die Forschung wird an der Universität —nicht nur, aber auch —als unabdingbare Voraussetzung für eine qualitativ hochstehende Lehre bezeichnet. Gleiches gilt für die durch die Universität zu erbringenden Dienstleistungen. Diese sollen forschungsgestützt sein. Dann leistet die Universität der Gesellschaft den höchsten Nutzen, und dann kann sie sich gegenüber anderen Anbietern profilieren. Umgekehrt können Dienstleistungen die universitäre Lehre und Forschung befruchten, indem sie neue Fragestellungen einbringen. Daran müssen gerade Universitäten, die ihre Lehre und Forschung zukunftsgerecht ausrichten wollen, interessiert sein.

Eingangs ist von den veränderten Ansprüchen an die Universität die Rede gewesen. Unter diesem Gesichtspunkt kommt den Dienstleistungen eine besondere Bedeutung zu: Sie tragen dazu bei, neues Wissen in Gesellschaft und Wirtschaft umzusetzen. Während früher davon ausgegangen wurde, das in Universitäten erarbeitete neue Wissen sei dort zu holen, wird heute erwartet, dass die Universitäten von sich aus nach aussen treten und aus eigenem Antrieb Umsetzer und Anwender ihrer neuen Erkenntnisse suchen. Der Universität kommt neu eine Brückenfunktion von der Theorie zur Praxis zu. Die Anerkennung von Dienstleistungen als universitäre Aufgaben impliziert —in Abwandlung zweier Termini aus dem Privatrecht —den Wechsel von der "Holschuld" zur "Bringschuld".

Punkt 2 besagt nun allerdings, dass bei diesem Wechsel bestimmte Regeln zu beachten sind. Universitätsangehörige neigen dazu, unter Verkennung der grundlegenden Unterschiede zur Ausbildung (als meritorischem Gut) und zur Grundlagenforschung (als Kollektivgut), Dienstleistungen gleich wie Lehre und Forschung zu behandeln, insbesondere sie vollständig oder weitgehend unentgeltlich anzubieten. Dafür gibt es —soweit Dienstleistungen private Güter sind — kaum Gründe. Zudem bewirkt das Gratisangebot von Dienstleistungen Wettbewerbsverzerrungen. Universitätsinstitute als Anbieter solcher Dienstleistungen bekommen gegenüber privaten Anbietern einen nicht zu rechtfertigenden Konkurrenzvorsprung. Besonders stossend ist dies dann, wenn die Universität ihre eigenen Absolventen vom Markt verdrängt, weil sie als öffentliche Institution verdeckte Hilfe von den Steuerzahlern erhält.

Aus dieser Analyse ergibt sich die Folgerung: Universitäten haben ihre Dienstleistungen korrekt zu kalkulieren und kostendeckende, wenn möglich gewinnbringende Preise zu erheben. Abweichungen davon sind denkbar, aber im Einzelfall zu rechtfertigen. Korrekte Kalkulation setzt Kostentransparenz voraus. Ein wichtiges Element von Universitätsreformen ist daher die Einführung von modernen Instrumenten der Kostenrechnung, der Budgetierung und des Controllings.

Als Punkt 3 wurde festgestellt, dass sich bei manchen universitären Dienstleistungen die Schaffung besonderer Organisationen aufdrängt: Auf diese Weise kann vermieden werden, dass Universitäten —den spezifischen Charakter ihrer Dienstleistungen vernachlässigend —sich des unlauteren Wettbewerbs schuldig machen.

In der Realität ist zu beobachten, dass universitäre Dienstleistungsaufgaben tatsächlich speziellen Organisationen übertragen worden sind, an der Universität Basel beispielsweise die Erwachsenenbildung

(Volkshochschule und Seniorenuniversität), die Fort- und Weiterbildung sowie der Wissens- und Technologietransfer.

Schlussfolgerungen

Ich komme zum Schluss. Mein Versuch, die laufenden Universitätsreformen mit dem Denken der modernen Volkswirtschaftslehre zu beurteilen, hat nicht nur, so hoffe ich, die Tauglichkeit dieses Ansatzes gezeigt, sondern auch zu interessanten Erkenntnissen geführt. Die im Vergleich zu den achtziger Jahren deutlich veränderten gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, namentlich die Globalisierung und Deregulierung, erzwingen —ob wir dies befürworten oder nicht —eine stärkere Effizienzorientierung auch der Universitäten. Wie private Unternehmungen, die sich dieser Herausforderung frühzeitig stellen, eine grössere Überlebenschance haben als solche, die sich dagegen sperren, werden auch reformfreudige Universitäten mit grösserem Erfolg den Weg ins nächste Jahrhundert beschreiten.

Das heisst noch lange nicht, dass wirtschaftlich geführte Universitäten zu privaten Unternehmungen werden müssen. Im Gegenteil: Universitäten sind öffentliche Institutionen. Ihre Hauptaufgaben bestehen in der Herstellung von meritorischen Gütern (Ausbildung) und Kollektivgütern (Grundlagenforschung). Nur bei ihrer dritten Aufgabe, den Dienstleistungen, sind sie mit privaten Unternehmungen vergleichbar und sollten daher auch gleichen Regeln unterstellt werden.

Universitäten haben einen ganz spezifischen Auftrag. Um ihm gerecht zu werden, sind vier Voraussetzungen wichtig:

- Erstens: Freiheit von Lehre und Forschung. Freiheit der Wissenschaft soll dem innovativen Geist langfristige Entfaltungsmöglichkeiten

geben, wie sie wegen des deutlich kürzerfristigen Erfolgsdrucks weder in der Politik noch in der Wirtschaft gegeben sind. Die Gesellschaft braucht —im eigenen Interesse — Orte des freien Denkens.

- Zweitens: Dezentralisation von Entscheidungskompetenzen. Wissenschaftliche Erfolge und erst recht wissenschaftliche Durchbrüche lassen sich weder planen noch befehlen. Gleiches gilt für eine gute wissenschaftliche Ausbildung. Planen kann man bestenfalls die Bedingungen, welche die Chance für erfolgreiche Forschung und gute Lehre erhöhen.

- Drittens: Profil. Universitäten müssen in Zukunft Schwerpunkte setzen und sich eine unverwechselbare Identität geben, an der sie bezüglich Lehre, Forschung und Dienstleistung wahrgenommen werden.

- Viertens: Qualität. Nur sie garantiert das erfolgreiche Überleben im härteren Wettbewerb —in der Wirtschaft wie im Universitäts- und Forschungsbereich.

Die mit dem Universitätsvertrag der beiden Basel und mit dem neuen Basler Universitätsgesetz eingeleiteten Reformen gehen im Lichte der vorgestellten wirtschaftswissenschaftlichen Überlegungen eindeutig in diese Richtung. Wahrscheinlich würde Humboldt sie heute ebenfalls unterstützen. Im Jahre 1810 hat er geschrieben, der Staat dürfe "von den Universitäten nichts fordern, was sich unmittelbar und geradezu auf ihn bezieht, sondern [müsse] die innere Überzeugung hegen, dass ... ganz andere Kräfte und Hebel angebracht werden können, als er in Bewegung zu setzen vermag."(S. 255)

Wilhelm von Humboldt ist immer noch aktuell. Wird dem Wandel der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den letzten 200 Jahren Rechnung getragen, so entsprechen die gegenwärtigen Reformen durchaus seinen Vorstellungen von der guten Universität. Die Universität als älteste Institution neben der

Kirche konnte nur überleben, indem sie sich, auf dem Bewährten aufbauend, laufend den äusseren Veränderungen angepasst und diese Veränderungen zugleich immer auch entscheidend mitgeprägt hat. Sie wird es auch in Zukunft tun.

Literatur

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