Zeitgemässes —Unzeitgemässes
Rede von
Prof. Dr. Christoph Schäublin
«Es muss etwas geschehen!» — In der Tat, wer in den letzten Wochen und
Monaten die veröffentlichte Diskussion über das schweizerische Universitätswesen
verfolgt hat, steht unweigerlich unter dem Eindruck, dass irgendeine
Kur überfällig ist. Zumindest fehlt es nicht an Ärzten, die bereitwillig ihre Dienste
anbieten, jedenfalls ihre präventiven Dienste; und wo Ärzte sich tummeln,
lauern doch wohl Krankheiten, auch wenn den potenziellen Opfern die sie betreffende
Diagnose (oder Prognose) —sofern überhaupt je sachkundig gestellt
— noch nicht eröffnet worden ist. Ja, möglicherweise sind die Universitäten
selbst sich ihres Leidens (oder des ihnen drohenden Leidens!) gar nicht richtig
bewusst, und sie wagen es deshalb, nach kritischer Prüfung bisweilen an der
Tauglichkeit der verschriebenen Massnahmen zu zweifeln. Oder, um im Bild zu
bleiben: sie setzen beharrlich auf ein funktionierendes Immunsystem, dessen
Wirkungskraft zur Geltung kommen werde aufgrund der ihnen einstmals verliehenen
Autonomie.
Gewiss, Universitäten, zumal international kompetitive Universitäten, wie die
Schweiz sie braucht, kosten ihren Preis; auf diesen muss man sich irgendeinmal
mit den zuständigen Behörden einigen — wenn möglich, um einer gewissen
Planungssicherheit willen, mit einer langfristigen Perspektive. Zugegeben
ferner, dass die von den Universitäten beanspruchten Mittel nicht unbeschränkt
zur Verfügung stehen, weswegen ein wohl überlegter Einsatz erforderlich
ist; darauf zwingend zu bestehen, ist nicht nur das Recht, sondern fraglos
die Pflicht derselben Behörden. Schliesslich sei freimütig eingeräumt, dass es
— auch abgesehen von der ewigen Geldbeschaffung — durchaus ein paar
Probleme gibt, deren Lösung zunächst den politischen Instanzen obliegt. Hier
schiebt sich vor allem die universitäre Medizin in den Vordergrund. Sie stellt insofern
einen Sonderfall dar, als sie in einem äusserst komplexen Spannungsfeld
angesiedelt ist zwischen Forschung und zeitgemässer Lehre einerseits,
medizinischer Dienstleistung anderseits, zwischen Aus- und Weiterbildung,
zwischen Grundversorgung und hoher Spezialisierung, letztlich eben: zwischen
Universitäten und Spitälern. Allenthalben mangelt es an Transparenz (etwa
bezüglich der anfallenden Kosten), und die Zuweisung der Kompetenzen bedarf
insgesamt der Überprüfung und der Neuordnung. Die Rektorenkonferenz
der Schweizer Universitäten (CRUS) hat seinerzeit konkrete Vorschläge unterbreitet,
die den Weg aus dem 19. ins 21. Jahrhundert weisen sollen. Allein die
Politik freilich ist in der Lage, den gewünschten und notwendigen Aufbruch zu
ermöglichen und zu initiieren.
Ebenso dürfte es vorab Sache der Politik sein, dienliche Grundsätze und
Mechanismen der Hochschulfinanzierung festzulegen oder darüber nachzudenken,
was allenfalls sonst noch gesamtschweizerisch zu regeln wäre und
wie Bund und Kantone sich sinnvoll in die gemeinsame Verantwortung für das
höhere Bildungswesen teilen wollen — unter der hoffnungsfrohen Annahme,
dass der eidgenössische Föderalismus noch nicht restlos ausgedient hat.
Indes, sind die Rahmenbedingungen einmal definiert, braucht es in erster Linie
nicht neue Strukturen, hängen Wohl und Wehe nicht an neuen Gremien und
kompetenzhungrigen Steuerungsorganen.
Als wenig hilfreich erscheint überdies etwa die Empfehlung, die Universitäten
seien in verschiedene Kategorien einzuteilen, und man solle den einen ein
regionales, bestenfalls ein nationales Wirkungsfeld zuweisen, zwei oder drei
auserwählte hingegen für einen Auftritt auf dem internationalen Parkett vorsehen.
Gegen einen solchen —gleichsam planwirtschaftlichen —Ansatz sprechen
vielerlei Gründe (deren Aufzählung hier wohl unterbleiben darf); verwirklichen
liesse er sich ohnehin nur, wenn man jene Besonderheit preisgabe, die
bis heute recht eigentlich das Wesen und die Stärke einer jeden Universität
ausmacht: die belebende Einheit von Lehre und Forschung. Denn Forschung,
auch die an einer kleinen Universität betriebene, gedeiht allein in einem globalen
Austausch von Menschen und Ideen. Die Einrichtung von reinen «Lehruniversitäten»
anderseits liefe auf eine gezielte Preisgabe von Kreativität
hinaus und läge nicht im Interesse der Studierenden oder generell unseres
Landes.
Repetitio est mater studiorum —bisweilen kommt man nicht darum herum, sich
selbst zu wiederholen. Gefragt ist nämlich erneut Konsistenz. Tatsächlich
herrscht doch weithin Einigkeit darüber, dass Universitäten, wenn sie denn
ihrer Bestimmung unter stets wechselnden Bedingungen gerecht werden
sollen, auf Autonomie angewiesen sind. Und kaum jemand bestreitet, dass die
Universitätspolitik der neunziger Jahre —auf Kantons-wie auf Bundesebene —
weise entschieden und die Weichen richtig gestellt hat mit der Gewährung
eben dieser Autonomie. Ein solcher Konsens ist ermutigend. Ja, bisweilen ertönt
sogar, durchaus zu Recht, der Ruf nach weiteren Schritten in die damals
gewiesene Richtung.
Um der gemeinten Konsistenz willen wäre nun eigentlich Folgendes zu fordern:
dass sämtliche Strukturveränderungen und Eingriffe, die man dem angeblich
gefährdeten «Gesamtsystem» zudenkt, daran gemessen werden, ob sie die
rundum postulierte Autonomie der Institutionen potenziell fördern oder beschneiden.
Oder umgekehrt: die mangelnde Konsistenz äussert sich bisweilen
in einem deutlich spürbaren Mangel an Vertrauen — an Vertrauen in die Fähigkeit
der Universitäten, aus eigener Einsicht das Richtige zu tun und in eigener
Verantwortung ihren Auftrag bestmöglich zu erfüllen (allgemein verständlich,
das heisst betriebswirtschaftlich ausgedrückt: «effektiv» und «effizient» zu
handeln). Oder nochmals etwas anders, anschaulicher gesagt: eine nationale
Universitätspolitik sollte unbedingt der Versuchung widerstehen, in die Universitäten
hineinwirken und auf der Ebene von Fakultäten und Instituten mitreden
zu wollen (dass neuerdings relativierend von «innerer Autonomie» oder von
«akademischer Autonomie» gesprochen wird, lässt nichts Gutes ahnen!).
Auf die Gefahr hin, der blinden Voreingenommenheit, wenn nicht der Selbstgefälligkeit
bezichtigt zu werden, wage ich die Behauptung, dass die Universitäten
sehr schnell gelernt haben, ihre Autonomie zu leben und zweckdienlich
umzusetzen. Davon zeugen die verschiedensten Entwicklungen, die in den
vergangenen Jahren eingeleitet worden sind; davon zeugt insgesamt jene bislang
kaum gekannte Dynamik, welche auf die schweizerische «Universitätslandschaft»
einzuwirken begonnen hat. Diese «Landschaft» ist in rapider Veränderung
begriffen, weil die einzelnen Universitäten — aus sich selbst heraus
— sich verändert haben und verändern: neue Ziele erkennen und verfolgen,
neue Möglichkeiten nutzen, Schwächen beheben, Stärken pflegen, Partnerschaften
suchen und eingehen —kurz: weil sie aktiv und aus freien Stücken die
Herausforderungen annehmen, denen sie sich ohnehin nicht zu entziehen vermöchten.
An dieser Stelle wäre natürlich wieder einmal jenes hehre Lied vom
«internationalen Wettbewerb um Köpfe und Mittel» anzustimmen; es bleibe
ausnahmsweise ungesungen.
Vermerkt sei stattdessen, nicht ohne ein leises Bedauern, das deutliche Missverhältnis
zwischen dem so erfolgreich Geleisteten einerseits und dem bescheidenen
Niederschlag anderseits, den das Vollbrachte in der öffentlichen,
insbesondere in der politischen Wahrnehmung findet. Weshalb auch immer:
anscheinend spielt die «Kommunikation» einfach nicht so, wie sie eigentlich
sollte (damit wäre auch dieses Zauberwort aus der Versenkung hervorgeholt).
Erwähnung verdient ferner der Umstand, dass Vertreterinnen und Vertreter
von Universitäten des benachbarten Auslands häufig mit unverhohlenem Neid
zur Kenntnis nehmen, in welchem Masse die Schweizer Universitäten seit
einiger Zeit in der Lage sind, ihre Probleme —die ja nichts exklusiv Schweizerisches
auszeichnet —selbst anzugehen und eben deswegen sachgerecht zu
lösen, und in welchem Masse sie dies tatsächlich auch tun.
Nach wie vor nimmt die Schweizer Forschung im internationalen Vergleich einen
durchaus achtbaren Platz ein, und zwar unter Berücksichtigung sämtlicher
Fachbereiche und Disziplinen. Und dank dem ausserordentlichen Einsatz aller
Beteiligten ist es den Universitäten immerhin gelungen, dem während der letzten
Jahre fast übermächtig angestiegenen Zustrom von Studierenden einigermassen
standzuhalten —das heisst: zum Nulltarif und ohne dass die Qualität
der Lehre unvertretbaren Schaden erlitten hätte. Freilich sind jetzt Grenzen
erreicht, die nicht mehr überschriften werden können. Anderseits hängt wohl
Illusionen nach, wer in naher Zukunft mit einer wesentlichen Aufstockung der
Mittel rechnet. Zwar hat der Bund jüngst auf die von den Universitäten vorgelegten
Zahlen, Fakten und Forderungen reagiert; doch zum erhofften Ausbruch
des Goldenen Zeitalters, mit Flüssen voll von Bildungsmilch und Bäumen,
von denen der Forschungshonig trieft, ist es nicht gekommen. Die moderate,
trotzdem dankbar begrüsste Erhöhung der Grundbeiträge wird bestenfalls
dazu verhelfen, die Not gerade einmal dort etwas zu lindern, wo sie am
grössten ist. Aufs Ganze gesehen ermöglicht das kleine finanzielle Plus jedoch
höchstens eine Atempause — besser wohl: eine Denkpause. Wir müssen sie
nutzen, ebenso nüchtern wie kreativ, mit den Bedingungen des Eisernen Zeitalters
vor Augen, in dem zu leben die Menschheit sich nun einmal eingebrockt
hat.
Wenn ich «wir» sage, meine ich erneut die autonomen Universitäten selbst.
Und sie sind bereits tätig geworden. Nachdem «die Politik», eifrig und frohgemut,
entschieden hatte, die sog. Bologna-Deklaration zu unterzeichnen (ahnte
sie wohl auch nur halbwegs, was sie damit lostreten würde?) —als demzufolge
fest stand, dass die in Bologna beschlossene europäische Vereinheitlichung
der Studiengänge auch für die Schweizer Universitäten gelten solle, nahmen
diese das Heft resolut in die Hand. Sie haben es sich seither nicht mehr entreissen
lassen und «Bologna» zu dem gemacht, was es in der Tat sein muss:
zu ihrem ureigenen Geschäft. In andern Ländern wurden derweil Gesetze erlassen
mit dem Anspruch, die Einführung des Neuen national und verbindlich
zu regeln. Resultiert haben aus diesem Vorgehen eher Unverbindlichkeit und
für die einzelnen Universitäten insbesondere Ungewissheit bezüglich der Tiefe,
in welcher die gewünschten Reformen anzusetzen hätten. Dazu musste es
fast zwangsläufig kommen, weil die Diskussion nicht dort geführt worden war,
wo die relevanten Fragen schliesslich auftreten und wo der Sachverstand zu
deren Beantwortung vorhanden ist (oder sein müsste).
Es ist hier nicht der Ort, den ganzen Prozess, wie er in der Schweiz während
der verflossenen Monate abgelaufen ist, nochmals in seinen Einzelheiten zu
vergegenwärtigen. An den Eckdaten, abgesprochen auch mit den Fachhochschulen
und in Richtlinien gegossen, welche die Schweizerische Universitätskonferenz
(SUK/CUS) ratifiziert hat: an diesen Eckdaten wird sich vorläufig
nichts mehr ändern. Einigkeit herrscht insbesondere bezüglich der Vorgabe,
dass keine «Kosmetik» betrieben werden soll; vielmehr dient «Bologna» als
willkommener Anlass, die universitäre Lehre wirklich von Grund auf zu überdenken
und zu erneuern. Solche tief greifenden Reformen, in ihren Auswirkungen
auf Jahrzehnte angelegt, lassen sich nicht übers Knie brechen. Trotzdem
geht alles viel schneller, als ursprünglich angenommen: die Universität Bern
etwa wird zum Akademischen Jahr 2005/2006 ihre Studiengänge gesamthaft
umgestellt haben (mit Ausnahme der medizinischen, die aber in absehbarer
Zeit vermutlich ebenfalls folgen werden).
Dass Reformen dieses Ausmasses da und dort auf Kritik stossen und mancherlei
Besorgnisse erregen, ist wohl unvermeidlich. Darüber muss offen gesprochen
werden, und mit dem geschuldeten Ernst. Natürlich bleiben auch gewisse
Unsicherheiten. So können wir nicht voraussagen, wie die Studierenden
sich dereinst auf die neuen Bedingungen einstellen — insbesondere: wie viele
von ihnen bereits nach dem Erwerb eines Bachelorgrades die Universität verlassen
werden, also ohne je in ein Masterprogramm übergetreten zu sein. Und
mit Spannung fragt man sich, welche Möglichkeiten der Arbeitsmarkt den künftigen
Inhaberinnen und Inhabern von Bachelordiplomen eröffnen wird. Wie
dem auch sei: die autonomen Universitäten sind bestrebt, ein Angebot bereitzustellen,
das ebenso den Interessen der Studierenden wie denjenigen der sie
tragenden Gesellschaft auf die beste Weise dienen wird.
Um dazu freilich in der Lage zu sein, müssen sie sich mittelfristig in verschiedener
Hinsicht einer kritischen Selbstprüfung unterziehen. Denn die neuen
Studiengänge — auf drei Stufen angeboten, rechnet man die Doktorats-Programme
hinzu —werden qualitativ die in sie gesetzten Erwartungen nur erfüllen
können, wenn sie auch quantitativ bestimmten Voraussetzungen genügen.
Dieser Forderung wiederum werden die Universitäten auf die Dauer nur zu
entsprechen vermögen mit der Bereitschaft und der Fähigkeit, gewisse Konzentrationen
herbeizuführen: von Lehrenden, Forschenden und Lernenden.
Denn am Ende hat das Nachdenken über «Bologna» tatsächlich auch Missverhältnisse
aufgedeckt und uns gezeigt, dass die Universitäten in den vergangenen
Jahren, zumindest was die Lehre betrifft, sich vielfach gleichsam überanstrengt
haben. Ein Kahlschlag ausschliesslich nach quantitativen Kriterien
darf deswegen freilich nicht erfolgen.
Die gemeinten Konzentrationen hätten zu erfolgen entweder innerhalb einer
Universität oder in der Zusammenarbeit mit einer oder mit mehreren Schwesterinstitutionen.
Schlagen die autonomen Universitäten diesen Weg ein, werden
sie, unter Wahrung ihres Wesens und ihrer Identität, an jenes Ziel gelangen,
das den eingangs erwähnten Nothelfern vielleicht vorschwebt und das eine
zentralistisch verfügte Neuordnung des «Gesamtsystems» wahrscheinlich
verfehlte — nachdem sie zuvor erst noch beträchtlichen Schaden angerichtet
hätte.
Wie gesagt, die Universitäten haben sich jetzt schon zutiefst verändert; von
dem gemütlichen Betrieb, den man ihnen — zu Recht oder zu Unrecht, jedenfalls
nicht ohne Häme — zu unterstellen pflegte, ist kaum etwas übrig geblieben.
Geführt werden sie mittlerweile wie eigentliche Unternehmungen. Mehr oder
weniger plausibel lassen Kosten- und Leistungsrechnungen uns etwa wissen,
wie viel Geld für Lehre und wie viel für Forschung aufgewandt wird —in der Folge:
welche Studiengänge, bezogen auf die einzelnen Absolventinnen und Absolventen
«rentabel» sind welche nicht. Alle denkbaren Daten und Kennziffern
können jederzeit abgerufen und als Entscheidungshilfen verwendet
werden. Indikatoren sollen Vergleichbarkeit schaffen und, zusammen mit den
Ergebnissen von Befragungen, die nachgerade unvermeidlichen «Rankings»
ermöglichen. Evaluationen fördern Stärken und Schwächen zutage; sie werden
sich demnächst in ein ganzes System einfügen, welches die «Qualität»
des Erbrachten sicherstellt. Die Studiengänge sind nicht nur lückenlos geregelt,
sondern lassen sich auch auf den einzelnen Kreditpunkt genau berechnen.
Bezüglich der Forschung weisen uns «Peers» die Richtung, nicht zuletzt
unter Berufung auf «impact factors» und auf «citation indices» und deswegen
«objektiv» und abschliessend — vermeintlich. Transfer-Stellen sorgen dafür,
dass Forschungsergebnisse, wo möglich, auch wirtschaftlichen Nutzen zeitigen.
Das alles ist gut so, es muss wohl auch so sein —jedenfalls beklage ich es
nicht. Anderseits erfasst es nicht alles, was eine Universität letztlich ausmacht.
Ein Studium, das sich im Erwerb der verordneten «Credit Points» erschöpft,
bleibt irgendwie unvollkommen. Forschung wird nie restlos plan- und berechenbar
sein, auch nicht für «Peers». Vielmehr lebt sie von ihrer Offenheit,
von den Überraschungen, die sie bereithält. Und zündende Ideen treten nicht
zwingend dort auf, wo die meisten Forschenden versammelt sind, oder unter
der Voraussetzung eines grösstmöglichen Konsenses. Generell lässt Qualität
sich nicht so einfach quantifizieren, wie bisweilen der Anschein erweckt wird,
erst recht nicht die Qualität förderlicher Fragen. Diese zu stellen und gemeinsam
anzugehen, ebenso unvoreingenommen wie methodisch, ist nach wie vor
das Privileg der Lehrenden und der Lernenden einer Universität —auch solche
Fragen, welche zur kritischen Reflexion des eigenen, des wissenschaftlichen
Tuns herausfordern, über die Fachgrenzen hinweg. Auch diese Leistung darf,
ja muss eine von Wissenschaft geprägte und durchdrungene Gesellschaft von
ihrer Universität erwarten, gleichsam als ihrer intellektuellen Versuchsstation.
Indes, derartiges Fragen und Nachdenken braucht Freiräume —Freiräume, wie
sie eben nur eine autonome Universität zu schaffen und zu erhalten imstande
ist. Sie ist dazu in der Tat auch verpflichtet. Anstelle von «Freiräumen» könnte
man — altmodisch — von «Musse» sprechen; genau «schöpferische Musse»
aber meint jenes griechische Wort, das im deutschen Wort «Schule» weiterlebt
und auf ewig deutlich macht, wessen eine Stätte der Bildung, neben
«Effektivität» und «Effizienz», überdies bedarf.
Die autonome Universität Bern anerkennt ihre Verpflichtung und wird sich des
in sie gesetzten Vertrauens würdig erweisen.