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DIE BESTIMMUNG DER FRAU IHRE STELLUNG ZU FAMILIE UND BERUF.

REKTORATSREDE GEHALTEN
AM JAHRESFESTE DER UNIVERSITÄT BASEL
DEN 12. NOVEMBER 1891
VON
PROFESSOR DR. H. FEHLING
D. Z. REKTOR DER UNIVERSITÄT.
STUTTGART.
VERLAG VON FERDINAND ENKE 1892.

Druck der Hoffmann'schen Buchdruckerei in Stuttgart.

Hochgeehrte Versammlung!

Ein Jahr, reich an Festen für unsere Hochschule, neigt sich zum Ende. Inmitten der gelehrten Vertreter von ganz Europa feierten Lehrer und Schüler unserer Universität die Gründung der neuen Schwesteranstalt zu Lausanne, ein glänzendes Fest, welches beredtes Zeugnis dafür gab, dass auf dem Boden der Wissenschaft die Völker sich eins fühlen. Auch bei der 600jährigen Feier der Eidgenossenschaft war Basel, nebst den andern Hochschulen der Schweiz, durch seine Abgesandte vertreten. Die Jugend konnte sich beim Rückblick auf die Entwicklung des Vaterlandes dankend der Segnungen bewusst werden, die ihr durch vielhundertjährige Arbeit der Vorfahren zu Teil geworden sind. Der Staat brachte durch Einladung der Vertreter aller Bildungsanstalten seinen Dank zum Ausdruck für den Anteil, welchen diese an der Entwicklung des schweizerischen Staatswesens innerhalb der letzten sechs Jahrhunderte gehabt haben.

Heute nun versammeln sich die Angehörigen unserer Universität nach alter Sitte zur Feier im engern Kreise, zum Jahresfest unserer alma mater; ein Tag des Rückwärtsblickens auf frühere, längst vergangene Zeiten, ein Anlass zum Vorwärtsschauen in die Zukunft. Doch nicht nur die engeren Mitglieder unserer alma mater darf ich heute an dieser Stelle begrüssen, es sind vor allem die Mitglieder der hohen Regierung, der Aufsichtsbehörden, sowie endlich alle Freunde unserer Universität, welche in gewohnter Weise zahlreich sich hier eingefunden haben, Zeugnis dafür ablegend, dass immerdar,

wie seit Jahrhunderten, unsere Hochschule reich an Gönnern in dieser Stadt ist. Ihnen allen gilt mein warmer Gruss.

Der heutige Gedenktag gibt nun demjenigen, dem die ehrenvolle Aufgabe zufällt als Rektor von dieser Stelle aus im Namen der Hochschule zu sprechen, das Recht und die Pflicht vom Standpunkt des Faches, das er hier vertritt Umschau zu halten, sich zu fragen, was haben wir geleistet für das Allgemeine, für die Universität, was sollen wir leisten, welches sind unsere Aufgaben und Ziele?

Das Fach, in welchem ich die akademische Jugend zu unterweisen habe, zerfällt von selbst in zwei Teile, die Geburtshilfe und die Frauenheilkunde, jenes eines der ältesten seitdem von Wissenschaft, von Lehren und Lernen die Rede ist, dieses nach jahrhundertlangem Brachliegen erst im letzten Menschenalter zu ungeahnter Blüte gelangt. Es läge nun nahe, gerade über die Fortschritte dieses Fachs zu berichten, und doch will ich es mir versagen, weil ein zu spezielles Eingehen auf diese Dinge dem Interesse der Gesamtheit widerspräche.

Gestatten Sie vielmehr mir hier eine Aufgabe zu stellen, welche allerdings schon von berufeneren Männern behandelt worden ist, die vielfach erörterte Frage: Was ist die Bestimmung der Frau, welches ihre Stellung zur Familie und zum Beruf eine Frage von eminenter Bedeutung, von hohem Interesse für alle Gebildeten, an der seit jüngster Zeit auch unsere alma mater praktisch beteiligt ist. Um nichts Bekanntes zu wiederholen, werde ich diese Aufgabe wesentlich vom Standpunkte des Geburtshelfers und Frauenarztes behandeln, doch kann ich mir nicht versagen den Versuch zu machen, die Ergebnisse dieser Untersuchung kurz aufs Allgemeine zu übertragen.

Allgemein nimmt man heutzutage an, dass das Medizinstudium der Frauen eine Frucht des 19. Jahrhunderts sei; ein kurzer geschichtlicher Rückblick soll uns belehren, was daran wahr und falsch ist, und uns zugleich in den Stand setzen,

das vom weiblichen Geschlecht in unserm Fach geleistete zu beurteilen.

Dunkel ist der Schleier, der über den ersten Anfängen der Hilfeleistung bei Geburten ruht. War Adam und Eva das erste Menschenpaar, das die Fortpflanzung des Menschengeschlechts übernahm, so muss wohl Adam es gewesen sein, der seinem in Schmerzen darniederliegenden Weibe die primitive Hilfeleistung gewährte. Auch ist nach dem, was wir von Gebräuchen wilder Völkerschaften wissen, wahrscheinlich, dass bei unsesshaften, in kleinen Horden herumziehenden Völkern die Frau nur allein auf die Hilfe des Gatten angewiesen war.

Sobald aber durch feste Wohnsitze, zumal bei Ackerbau treibenden Völkern, sich kleinere Gemeinwesen herausbildeten, war eine Aenderung in dieser Beziehung unausbleiblich. Das Weib wandte sich in ihrer schwersten Stunde an die, welche eine wenn auch geringe Erfahrung hatten, und das waren die Frauen, besonders die Aeltern des Stammes. Bezeichnend dafür ist, dass die Mythologie des Altertums nur weibliche Gottheiten nennt, welche dem Geburtsgeschäft vorstanden: die Eileithyia metropolos der Griechen, die Juno Lucina der Römer ist die Schutzspenderin und Helferin in einer Person.

Aus diesen ersten Anfängen bildete sich allmählich eine Zunft der bei der Geburt helfenden Frauen aus; schon im Talmud findet sich für diese dieselbe ehrenvolle Bezeichnung der femina sapiens, wie sie heute noch die Hebammen im französischen Sprachgebrauch führen, im lateinischen heissen die Geburtshelferinnen obstetrices, griechisch maiai oder omphalotomoi. Auffallend ist, dass erst der Neuzeit der Versuch vorbehalten war, den altehrwürdigen Namen der Hebamme durch den thatsächlichen der Geburtshelferin zu ersetzen.

Schon im 1. Buch Mosis finden wir die Wehenmutter angeführt, doch scheint ihre Weisheit eng begrenzt gewesen zu sein, denn die arme Rahel musste ihr Leben in der Geburt lassen, die ihr zu sauer wurde. Im ferneren zeigt die Geschichte,

wie ungleich begrenzt das Gebiet der weiblichen Hilfeleistung bei den verschiedenen Völkern war. Während das attische Gesetz anfangs vorschreibt: ne quis servus, ne qua femina medicinam discito, welches später dahin abgeändert wurde: ingenuae feminae medicinam discunto, so war der Wirkungskreis derselben im alten Rom ein weit grösserer; sie waren nicht bloss die obstetrices; als feminae medicae befassten sie sich auch mit Heilung von Krankheiten, waren auch litterarisch tätig, wiewohl leider diese ältesten Zeichen weiblicher Federgewandtheit nicht bis auf uns gelangt sind. Während alle Geburten, normale wie pathologische, die für die Naturkräfte allein vollendbar waren, in den Händen der Geburtshelferinnen blieben, waren die zerstückelnden Operationen damals die fast einzigen geburtshilflichen Operationen, welche vorkamen, nach den Schriften des Hippocrates und Celsus männlicher Hilfe vorbehalten. Die Hebammen waren zur Erleichterung der Geburt auf äussere Mittel: Einreibungen, Einölungen, Bäder, geburtstreibende Arzneien angewiesen.

Die Behandlung der Frauenkrankheiten dagegen war jederzeit mehr in den Händen der Aerzte, und so finden wir in den Schriften des Hippocrates treffliche Bemerkungen über Menstruation, falsche Lagen der Gebärmutter, über Fruchttod, Abort, Säugegeschäft u. s. w.

Aus dem 2. Jahrhundert nach Christus stammt das älteste Lehrbuch für Hebammen, verfasst von Moschion, woraus erhellt, dass damals der Wirkungskreis der Geburtshelferinnen ein weit grösserer war als heutzutage. Aus den Schriften des Ali-Ben-Abbas ersehen wir, dass bei den Arabern die Geburtshelfer in schwierigen Fällen nur die Art und Weise der Operation angaben, die Ausführung verblieb in der Hand der Geburtshelferinnen.

Im Mittelalter lag die Geburtshilfe allerorts völlig in den Händen der Frauen; die tiefe geistige Nacht, welche alles wissenschaftliche Streben damals in Banden hielt, macht sich auch hier geltend, es war ein rohes Handwerk, unterstützt

vom krassesten Aberglauben, das hier sein Wesen trieb, weit unter dem Niveau der hippokratischen Schule. Einen wesentlichen Aufschwung brachte um die Mitte des elften Jahrhunderts die Schule von Salerno, aus welcher eine Anzahl von Aerztinnen hervorging. Fraglich ist allerdings, ob die Schriften der bekannten Trotula (Trotulae curandarum aegritudinum libellus) aus ihrer eigenen Hand hervorgegangen, und nicht vielleicht später nach ihrer Erfahrung niedergeschrieben sind. Wir finden aus ihrer Zeit die Namen einer Abella, Mercuriadis, Sentia Guarna, Rebecca, Constantia Calenda verzeichnet, von denen die letztere sogar den Doktorhut trug, während die Rebecca ein Buch über Frauenkrankheiten schrieb.

Auch in den Klöstern wurde damals vielfach Heilwissenschaft getrieben, mehr wohl auf empirische Beobachtung beruhend, als nach wissenschaftlicher Anleitung; so sind von der Aebtissin Hildegardis (12. Jahrhundert) zahlreiche medizinische und naturwissenschaftliche Schriften erhalten.

Von nicht zu verkennendem Einfluss auf die Hebung des weiblichen ärztlichen Standes war die Erfindung der Buchdruckerkunst. Im Jahre 1513 erschien das erste gedruckte Lehrbuch für Hebammen »Der schwangeren Frauen und Hebammen Rosengarten« von Eucharius Rösslin, ein Werk, das einer hervorragenden Fürstin gewidmet, rasche Verbreitung und Uebersetzung in verschiedene Sprachen fand. Während vom 12. Jahrhundert an für lange Zeit kein Frauenname von Bedeutung in der Medizin verzeichnet steht, finden wir im 16. Jahrhundert als hervorragende Vertreterin ihres Berufs in Paris die Luise Bourgeois (geb. 1564) als Geburtshelferin bei Hoch und Nieder gesucht und dankbar verehrt. Der Ruhm, den sie sich durch Entbindung der Gemahlin Heinrichs IV. erwarb, trug ihr den Ehrentitel »ma résolue« ein, aber zugleich auch Zwist mit den Aerzten, das erste Symptom, dass von da ab die Alleinherrschaft der Frauen in der Geburtshilfe gebrochen war. Aus ihrer gewandten Feder sind wirklich gute, uns heute noch bekannte Schriften erhalten. Im 17. Jahrhundert folgte ihr in Deutschland die Justine

Siegemundin, die kurfürstlich brandenburgische Hofwehemutter, berühmt als praktische Geburtshelferin wie durch ihr eine grosse Erfahrung zeigendes Werk, das reich ist an trefflichen Ratschlägen, die wir zum Teil heute noch benützen. Siegreich verstand sie es, ihre Lehren sogar gegen einen Leipziger Professor zu verteidigen. Auch die Schweiz hat eine schriftstellernde Geburtshelferin aufzuweisen, Viktorine Kaltenbeiner, welche gegen Ende des 18. Jahrhunderts zu Luzern tätig, van Horns Lehrbuch der Geburtshilfe übersetzte und mit eigenen Beobachtungen bereicherte.

Es darf uns nicht Wunder nehmen, dass die Tätigkeit der Frauen in der Heilkunst sich fast ausschliesslich der Hilfe bei der Geburt zuwandte; wir finden sie jedoch neben den Männern auch in der inneren Medizin tätig. Bekannt ist in Deutschland eine Frau Dr. Erxleben, die in Halle studierte, ihre Prüfungen rite ablegte, und bis zu ihrem Tod (1762) in Quedlinburg praktizierte. Es ist aber fast als eine Ausnahme zu bezeichnen, wenn wir lesen, dass die Gattin des Berner Wundarztes Fabriz von Hilden so gute praktische Kenntnisse in der Chirurgie betätigte, dass sie der Rat der Stadt Bern dafür mit dem Bürgerrecht beschenkte. Als Ereignis seltener Art ist endlich zu verzeichnen, dass das altehrwürdige Bologna im vergangenen Jahrhundert weibliche Professoren aufwies, deren mehrere sogar Anatomie dozierten.

Entsprechend der immer weiteren Verbreitung der Wissenschaft durch Druckschriften aller Art und der praktischen Förderung der Geburtshilfe durch Einrichtung von Gebäranstalten und Hebammenschulen (1725 Strassburg, 1751 Berlin, Göttingen) sehen wir den Stand der Geburtshelferinnen sich langsam wieder zur Stellung früherer Jahrhunderte heben; solche insbesondere, welchen es vergönnt war, längere Zeit an Anstalten tätig zu sein, wie der berühmten Lachapelle und der Madame Boivin (zu Ende letzten und Beginn dieses Jahrhunderts in Paris) mussten naturgemäss im stande sein, bedeutenderes zu leisten, als ihre Mitschwestern.

In Deutschland finden wir im Beginn dieses Jahrhunderts

zwei weibliche Aerzte von berühmtem Namen, Regine und Charlotte von Siebold, Schwiegertochter und Enkelin des berühmten C. von Siebold, beide nach regelrechtem Studium und ehrenvoll bestandener Prüfung zur Praxis zugelassen und mit dem Doktorhut geschmückt.

Ueberblicken wir nun, was hat der Stand der Geburtshelferinnen und Aerztinnen in all diesen Jahrhunderten für Wissenschaft und Praxis geleistet, so lässt sich gewiss nicht verkennen, dass manches treffliche ihnen zu danken ist, so manche Leistung mag auch im Staub der Jahrhunderte begraben sein. Die grossen Marksteine aber im Aufbau der Heilkunst verdanken wir, wie gerade die Geschichte der Geburtshilfe zeigt, den Männern.

Bis zum 16. Jahrhundert war die Geburtshilfe so ziemlich dieselbe geblieben, wie zu den Zeiten von Celsus und Galen; die Schamhaftigkeit der Frauen im Bunde mit dem erklärlichen Eigennutz der Geburtshelferinnen hatte verstanden, die Männer bis dahin vom Gebärbett so gut wie völlig fern zu halten. Der erste bedeutende Aufschwung ist im 16. Jahrhundert der Thätigkeit der französischen Chirurgen zu verdanken, vor allem dem berühmtesten derselben Ambroise Paré, einem Reformator auf dem Gebiete der Chirurgie wie der Geburtshilfe.

Von nun an gelang es den Aerzten nicht bloss zu den schwersten, sondern langsam auch zu normalen Geburten Zutritt zu erhalten, und von da ab datiert erst eine wissenschaftliche Beobachtung des gesundheitsgemässen Verlaufs des Geburtsmechanismus. Frankreich um die Zeit der grossen Chirurgen ist daher als Wiege der neuem Geburtshilfe anzusehen.

Ein weiterer grosser Aufschwung kommt mit der Erfindung der Zange im 17. Jahrhundert und deren Einbürgerung in der Praxis im Beginn des 18. Jahrhunderts, auch sie verdanken wir männlicher Erfindungsgabe. Naturgemäss musste von da ab ein grösserer Teil der operativen Geburtshilfe Männern zufallen, und die Geschichte, zumal der Engländer

bewahrt uns charakteristisch genug schon von damals die Erinnerung an Fehden zwischen männlicher und weiblicher Geburtshilfe auf.

Den nächsten Aufschwung verdankt die Geburtshilfe den bedeutenden Entdeckungen der normalen und pathologischen Anatomie unseres Jahrhunderts, vor allem der Einführung der Antisepsis in die Praxis durch Semmelweis und Lister. Wir können ruhig den Satz vertreten, dass Jahrhunderte, ja Jahrtausende lang die Geburtshilfe in der Hand der weiblichen Helferinnen auf der niedrigen Stufe der Ur- und Naturvölker blieb; den Frauen, welche Jahrtausende lang die Geburtshilfe als ihr Gebiet ansehen durften, verdankt die Wissenschaft so gut wie nichts, alle die bedeutenden Errungenschaften stammen von Männern.

Stellen wir daneben, was im Lauf der Zeiten von litterarisch bleibendem Wert durch Frauen sonst niedergelegt worden ist, so fällt die verschwindend kleine Anzahl weiblicher Autoren, welche im Gebiet der Geburtshilfe und Medizin schriftstellerten gegenüber der Menge derer auf, welche sich allein in unserem Jahrhundert im Gebiet der schönen Litteratur tummeln, es erhellt auch daraus, dass der Natur der Frau viel weniger die Aufgabe zufällt concrete Erfahrungssätze niederzuschreiben, als die Eindrücke ihres Gefühls andern in Poesie und Prosa mitzuteilen.

Angelangt an unserer Zeit will ich nicht verschweigen, dass wir gerade im letzten Dezennium Aerztinnen tüchtige Dissertationen verdanken, Arbeiten, welche wir gerne unsern Studierenden als Muster hinstellen dürfen; wohlgemerkt sind dies aber selten eigene selbständige Forschungen, es sind Aufgaben vom Lehrer gestellt, in ihrer Ausführung von ihm überwacht, so dass die Gewissenhaftigkeit und der Fleiss in der Ausarbeitung Eigentum der Betreffenden bleiben.

Sie erlassen mir kritisch die litterarisch wissenschaftliche Thätigkeit der Frauen auf dem Gebiet der innern Medizin und der Chirurgie zu durchmustern, letztere in früherer Zeit wesentlich Kriegschirurgie schloss dadurch ohnehin die Arbeit

der Frauen aus. Ich darf daher als Resultat der geschichtlichen Uebersicht den Schluss ziehen, die Tätigkeit des Weibes auf dem Gebiete der Heilkunde zumal als Geburtshelferin ist nicht als neue Erscheinung des 19. Jahrhunderts zu betrachten, zu aller Zeit finden wir heilkundige Frauen, deren Zahl und Bedeutung je nach den Umständen auf- oder abschwankt. Die grossen Fortschritte jedoch auf dem Gebiete der Heilkunde gebühren in allen Zweigen männlicher Forschung.

Nun haben von jeher alle die, welche sich zu Aposteln der Frauenemanzipation aufgeschwungen haben von vorneherein stillschweigend angenommen, dass zwischen Mann und Weib in Bezug auf die Fähigkeit zur Ausübung eines Berufs kein Unterschied bestehe. Prüfen wir die Richtigkeit dieser Anschauung! Ein kurzer Ausblick in die Tierwelt ist hier nicht ohne Interesse.

Bei den untersten Tierformen ist keine Differenzierung wahrzunehmen, die Fortpflanzung findet durch einfache Teilung des Individuums mittelst Sprossenbildung statt. Ganz anders, sobald es sich um höher entwickelte Formen handelt, die monogene Fortpflanzung hört auf; die digene ist die im Tierreich am weitesten verbreitete, nur bei einzelnen Formen sind die Geschlechtsorgane in einem hermaphroditischen Individuum vereint, meist sind sie getrennt und diese Trennung äussert sich auch im äusseren Bau. Die Weibchen sind vielfach schwerfällig, tragen an sich Einrichtungen zum Schutz und zur Ernährung der Brut; das Männchen hat Vorrichtungen zum Aufsuchen, zum Anregen und Bewältigen des Weibchens, grössere Kraft und Beweglichkeit ist ihm eigen. Dazu kommt zuweilen, allerdings nur zur Zeit der Brunst, eine höhere Entwicklung der Sinne bei letztem, lebhafte Färbung, kräftige Stimme, Unterschiede, die sich im Laufe der Entwicklungsphasen als notwendig zur Erhaltung der Art nicht verwischt, sondern gestärkt haben.

Auch was die Arbeitsteilung betrifft, gibt das Tierreich einzelne interessante Beispiele. Ich erinnere an die in Tierstaaten

lebenden Arthropoden, besonders die Ameisen, Bienen, Wespen. Die Arbeitsteilung ist hier aufs strengste durchgeführt. Im Bienenstaat legt die Königin allein befruchtete Eier bis 3000 den Tag, daneben sind 20—30000 nur der Arbeit lebende Bienen im Staate tätig und 200-300 Drohnen, dem Genuss lebende Männchen. Auch bei der hochorganisierten Klasse der Vögel finden wir Arbeitsteilung zwischen Männchen und Weibchen, was Nestbildung, Bebrütung, Ernährung, Schutz der Jungen anbetrifft, nach Bedarf tritt eines stellvertretend an die Stelle des andern.

Manches ähnliche Beispiel liesse sich noch aus der Tierwelt herbeiziehen, als Beweis, dass nicht nur der angeborene und erworbene Instinkt der Individuen, sondern ebenso wirklich erworbene intellektuelle Vorgänge in der Tierwelt dazu beitragen, der betreffenden Art und ihren Nachkommen die besten Lebensbedingungen zu schaffen.

Wie steht es nun mit der Krone der Schöpfung, dem Homo sapiens?

Bis vor Kurzem nahmen wir an, dass auch beim Menschen in der ersten Entwicklung die Individuen geschlechtlich indifferent seien, jetzt wissen wir, dass schon die erste Anlage der Keimdrüsen das Individuum geschlechtlich bestimmt, je nachdem sich Ursamen- oder Ureizellen entwickeln. Auch in der weiteren intrauterinen Entwicklung ergaben sich mancherlei bemerkenswerte Verschiedenheiten, Vorgänge reflektorischer Natur sind es wahrscheinlich, welche bedingen, dass manche Mutter verschiedene Empfindungen verspürt, je nachdem sie eine männliche oder weibliche Frucht trägt. Tatsache ist, dass nicht selten eine geringere Frequenz des Herzschlags der intrauterinen Frucht männliches, vermehrte Frequenz weibliches Geschlecht erwarten lässt. Jedenfalls werden Knaben mit durchschnittlich grösserem Gewicht und härterem Schädel geboren, bedingen so mehr Schwierigkeiten bei der Geburt und dadurch einen höheren Prozentsatz der schon während der Geburt zu Grunde gehenden Früchte. Während nun allerorts durchschnittlich mehr Knaben als

Mädchen geboren werden, so gehen dadurch, dass sich das sogenannte stärkere Geschlecht schwerer in den Kampf ums erste Dasein schickt, in früher Kindheit mehr Knaben als Mädchen zu Grunde, es erweist sich demnach ein Unterschied der Geschlechter schon ab ovo.

Verfolgen wir im weitern die einzelnen Lebensphasen beider Geschlechter. Ich übergehe hier absichtlich die grob in die Augen fallenden Unterschiede des Baues. Als bekannt dürfen wir voraussetzen die durchschnittlich grössere Körperlänge des Mannes, das Uebergewicht seiner Muskulatur, seiner Knochen, den verschiedenen Bau des Kopfes, Brustkorbs, Beckens, der Gliedmassen. Während das weibliche Geschlecht mit dem relativen Gehirngewicht dem Mann sogar voraus ist (1/35 gegen 1/36), so haben neuere Anatomen makro- und mikroskopische Unterschiede im Bau gewisser Hirnteile gefunden, welche Licht auf die Verschiedenheit mancher intellektueller und geistiger Fähigkeiten werfen könnten, Befunde, die jedoch andere nicht als richtig anerkennen. Der verschiedene Bau bedingt gewisse Unterschiede der physiologischen Vorgänge, bei der Frau ist die Zahl der Blutkörperchen im Cubikmillimeter, ist ferner die vitale Lungenkapazität geringer als beim Mann, entsprechend ist durchschnittlich die Puls- und Atemfrequenz beim Weib grösser, ich erinnere ferner an die Verschiedenheit der Stimme, an die durch geringeren Stoffumsatz bedingte geringere tägliche Harnmenge u. s. w.

Ist die erste Kindheit überwunden, so liegt die gleichmässige durch Zwischenfälle ungestörte Entwicklung vielmehr auf Seite des männlichen Geschlechts; trotzdem erreicht das weibliche Geschlecht das Maximum der Körper- und Gewichtszunahme durchschnittlich 2 bis 3 Jahre vor dem Knaben.

Bei richtiger Pflege des Körpers durch körperliche Uebungen wie Turnen, Märsche, Bäder, gesunde Spiele, später auch unterstützt durch die stählende Erziehung zum Soldaten, entwickelt sich der Knabe unbemerkt zum Jüngling, reift der Jüngling zum Mann. Die körperlichen Erscheinungen des Auftretens der männlichen Kraft machen sich allmählich beim

Jüngling geltend, meist kurz vorübergehend, ohne nachhaltigen Eindruck auf sein körperliches und geistiges Befinden zu hinterlassen. Ist die Erziehung des Jünglings normal gewesen, ist Arbeit und Beruf des Mannes gesundheitsgemäss, bleiben Verlockungen durch seichte Tageslitteratur, obscöne Bilder und Schaustellungen fern, so regt sich der dem Manne innewohnende Trieb zum andern Geschlecht nicht vorzeitig stark auf, der Mann vermeidet die Gefahren, welche aussereheliche Liebe bringen kann und kommt an Leib und Seele gesund in die Ehe. Auch hier wird abgesehen vielleicht von den Liebesstürmen der sogenannten Honigmonate seine Entwicklung zur Blüte der vollen Mannskraft eine gleichmässige sein, die regelmässige Befriedigung sexueller Bedürfnisse ist für ihn ebenso wichtig wie Stillung von Hunger und Durst. In späteren Lebensjahren nimmt die sexuelle Tätigkeit des Mannes von selbst langsam ab, überdauert aber die des Weibes sehr wesentlich.

Wie ganz andres stellt sich hiezu die Entwicklung des Mädchens. Frühzeitiger als beim Knaben macht sich bei ihm der Einfluss der sich entwickelnden Geschlechtsthätigkeit geltend; in unserem Klima etwa im 14. bis 15. Lebensjahre tritt zuerst der geheimnisvolle Vorgang im weiblichen Organismus auf, welchen wir als Periode bezeichnen. Schon im Aeussern prägt sich um diese Zeit die rasche Entwicklung zur Jungfrau aus, durch Hervortreten des weiblichen Typus im Gesicht, Haltung, Wachstum der Brüste, Hüften etc. Das erstmalige Auftreten der monatlichen Blutung ist nur der Schlussstein in der ganzen Kette der eigentümlichen Vorgänge im sexuellen Leben des Weibes, welche dasselbe am meisten vom Manne differenzieren.

Bald vorher bald nachher tritt uns beim Mädchen eine eigentümliche krankhafte Erscheinung in die Augen, welche heim Knaben so gut wie gänzlich fehlt, die Chlorose; vom 7. bis 17. Lebensjahre ein graduelles Ansteigen der Häufigkeit zeigend, erreicht sie meist ihr Maximum in den, dem ersten Auftreten der Menstruation folgenden Jahren, dann

nimmt die Häufigkeit derselben rasch ab. Es hat darum die, von unserm Kollegen Bunge ausgesprochene Ansicht ungemein viel für sich, dass um die Zeit der Pubertät eine Aufspeicherung von Eisen im weiblichen Organismus stattfindet, um später in der Schwangerschaft den notwendigen Bedarf zu decken. Ein ursprünglich rein physiologischer Vorgang schlägt demnach beim weiblichen Geschlecht leicht in einen pathologischen um, und zwar in dem Grade, dass bei hochgradiger Bleichsucht nicht bloss die körperliche, sondern auch die psychische Entwicklung des Mädchens leidet.

Mit Ausnahme der Zeiten der Schwangerschaft und des Säugens sehen wir nun beim normalen Weib durch einen Zeitraum von 30 bis 40 Jahren diese periodische Erscheinung bis zur Neige seiner Blüte sich wiederholen. Haben seit Plinius unsere Ahnen nur eine Reinigung des Weibes in diesem Vorgange sehen wollen, so wissen wir durch die anatomisch-physiologischen Forschungen unseres Jahrhunderts, dass sich hier in bestimmten Zwischenräumen ein reifes befruchtungsfähiges Ei vom Eierstock lösst, ohne genau erklären zu können warum, wenn die Bedingungen der Befruchtung nicht gegeben sind, der Blutabgang im Plan der Schöpfung liegt Die periodische Erscheinung der Blutung ist nun aber mit weiteren Vorgängen im weiblichen Organismus eng verknüpft. Untersuchungen über Puls, Temperatur, Blutdruck, Muskelkraft, Harnstoffausscheidung, Lungenkapazität bei Frauen vor, während und nach der Menstruation haben übereinstimmend ergeben, dass in der prämenstrualen Zeit eine Steigerung aller Funktionen im weiblichen Organismus stattfindet. Kurz vor Eintritt der monatlichen Blutung sinken Puls und Temperatur ab, ebenso der Blutdruck, um kurz nach Ablauf der Periode in der postmenstrualen Zeit ein Minimum zu erreichen; in der zweiten Hälfte des Intervals findet dann wieder eine langsame Erhebung aller Erscheinungen statt bis zum Maximum vor Eintritt der Periode. Nur die Erregbarkeit des Nervensystems erreicht ihr Maximum während der Periode selbst.

So ist eine Wellenbewegung in den körperlichen, aber

auch in den geistigen Funktionen des Weibes gegeben, welche nicht ohne Einfluss auf dessen Lebensäusserungen sein kann und tatsächlich kostet es keine grosse Mühe, dieses An- und Abschwellen im physiologischen, noch mehr im pathologischen Verhalten festzustellen. Beim Kind fehlt diese Wellenbewegung, bei der Frau jenseits der Blütejahre verliert sie sich bald rascher, bald langsamer, sie stellt demnach eine, dem Organismus des Weibes eigene Funktion dar, für welche wir beim normalen Manne vergeblich nach einem Analogon suchen.

Weit grössere aber auf kürzeren Zeitraum zusammengedrängte Umwälzungen im Leben des Weibes finden wir in den Vorgängen, welche dasselbe zur Erhaltung der Art durchzumachen hat, Vorgänge, welche im Gefäss- und Nervensystem der Frau Störungen hervorbringen, welche recht häufig nahe an die Grenze des pathologischen gehen. Neben Veränderungen der Tätigkeit der wichtigsten Organe, der Lunge; der Nieren, des Herzens, den zahllosen Veränderungen im Gefässgebiet sind es vor allem auch Veränderungen der Psyche, welche uns interessieren, Melancholie, verminderte Thätigkeit der Verstandeskräfte, aufgehobene Zurechnungsfähigkeit.

Hat so das Weib in der Blütezeit ihrer Jahre manchen Kampf durchzukämpfen, der dem Mann erspart bleibt, so drohen neue Störungen in den Jahren, welche man als Herbst des Lebens, der Engländer so treffend change of life benennt. Es ist ja auch erklärlich, dass ein Organismus, der länge Jahre an die beschriebene Wellenbewegung gewöhnt war, sich nicht ohne weiteres an ruhiges Fahrwasser gewöhnen kann; wie vor dem Aufhören eines Gewitters dasselbe am Schluss noch zu einer gewaltigen Wut sich erhebt, finden wir abnorme Steigerungen aller Prozesse in diesem kritischen Zeitpunkt, körperliche Störungen, die mehr den Arzt interessieren, als uns hier, Störungen des Nervensystems, welche das vielgequälte Weib oft erst spät zur wohlverdienten Ruhe kommen lassen.

Ist nun bei so verschiedenartiger Aeusserung der körperlichen

Vorgänge beider Geschlechter zu erwarten, dass die Tätigkeit der Psyche bei Mann und Weib die gleiche sei? wie die notwendig voraussetzen, welche jeglichen Unterschied zwischen beiden verwischen wollen.

Ich darf hier nicht tiefer auf philosophische Anschauungen über Mann und Weib eingehen, die mancher meiner geehrten Zuhörer weit besser geben könnte als ich, Anschauungen, deren Extreme wir in E. von Hartmanns Philosophie des Unbewussten finden. Es ist aber für den Zweck meiner Untersuchung nötig, die vom rein menschlichen und ärztlichen Standpunkte aus sich ergebenden Unterschiede hervorzuheben.

Der aufmerksame Beobachter findet schon früh genug Unterschiede in der Tätigkeitsäusserung des kindlichen Gehirns. Schon vom 3. Lebensjahre an ist das Sprachvermögen beim Mädchen entwickelter, sein Wortschatz reicher, die Gefühlsausdrücke lebhafter, die Tätigkeit des Nervensystems reger. Die Unterschiede im Wesen prägen sich frühzeitig in den Spielen aus, das Mädchen greift zur Puppe und wird zur Erzieherin, längst ehe an ihm die Erziehung vollendet ist, der Knabe zur Trommel und zum Gewehr. Diese schon beim Kinde vorhandenen Unterschiede prägen sich stärker bei der heranwachsenden Jugend aus, der grösste Unterschied wird sich natürlich in der Blütezeit beider Geschlechter ergeben. Dieser von frühester Kindheit an sich steigernde Unterschied ist der beste Beweis gegen den Trugschluss J. Mill's, die weibliche Natur sei etwas künstlich erzeugtes.

Es ist nun gewiss falsch, wenn so vielfach gesagt wird, der Verstand des Mannes ist dem der Frau überlegen; es giebt unbestreitbar zahlreiche Frauen, die klarer und logischer denken als manche Männer. Der Unterschied zwischen beiden Geschlechtern liegt nicht in der Schärfe, sondern der Art des Denkens. Beim Weib werden die Vorgänge des Denkens leicht beeinflusst durch Gefühlsvorgänge; es gelingt nicht immer das Nebensächliche von dem Wesentlichen zu trennen, das Urteil des Weibes ist daher leichter beeinflusst. Es hängt dies ab von dem bei der Frau tatsächlich nachgewiesenen

rascheren Tempo des durchschnittlichen Vorstellungsverlaufs; es ist durch einwandsfreie Versuche nachgewiesen, dass die Reiz- und Zeitschwellen für Tast-, Temperatur-, Geschmacks- und Geruchssinn bei der Frau kleiner sind, als beim Mann. Da nun ein verschiedenartiger Bau der leitenden Organe, der Nerven, undenkbar ist, so muss ein angeborener oder erworbener Unterschied im Bau und der Tätigkeit der Zentralorgane die Ursache sein.

Die weitere Folge des rascheren Vorstellungsverlaufs ist die blühende Phantasie, welche der Frau eigen ist, das durchschnittlich raschere Sprachtempo, welches zumal bei Ungebildeten im Affekt leicht einen bedenklichen Grad erreicht. Das geistige Sein der Frau ist demnach mehr vom Gefühl beherrscht und macht die Frau zu dem, was sie vorteilhaft vom Mann unterscheidet und sie für ihn schätzens- und begehrenswert erscheinen lässt.

Wenn daher, wie Voltaire sagt, der Charakter von unseren Ideen und Gefühlen gebildet wird, so muss er bei der Frau ein anderer sein als beim Mann.

Auch die Liebe, die Art und Weise der Betätigung ist eine andere; der poetische Teil der Liebe überwiegt sicher beim Weib gegenüber dem sexuellen Teil, der sehr zurücktritt; ja bei manchen trotz langer Ehe und gewissenhafter Erfüllung der ehelichen Pflichten nie zum lebendigen Ausdrucke kommt. Es ist eine völlig falsche Vorstellung, wenn behauptet wird, das Mädchen habe ebenso viel Drang zum andern Geschlecht als umgekehrt. Das Gefühl der Liebe bei der richtig erzogenen Jungfrau ist mehr der allgemeine Drang nach einem geliebten Gegenstand zur Ergänzung des eigenen Ichs; das Vortreten der geschlechtlichen Seite in der Liebe junger Mädchen ist etwas Pathologisches. Sexuelle Unkenntnis ist der normale Zustand der aus den besseren Ständen in die Ehe tretenden jungen Frauen; es ist daher ein psychologisch falsches Beginnen unserer modernen Romanschriftsteller, durch Aufdecken der Nachtseiten des Lebens unserer Jugend die Ideale im voraus zerstören zu wollen. Auch

die Liebe zu den Angehörigen, besonders zu den Kindern ist bei der Frau eine andere, tiefere, inhaltsreichere; die Mutter ist mit der Frucht, welche sie neun Monate unter ihrem Herzen trug, durch ganz andere Fäden verkettet als der Vater.

Ferner bieten die pathologischen Störungen der normalen Aeusserungen des Seelenlebens gewisse nicht zu leugnende Differenzen. Der Hang zur Frömmigkeit artet aus in religiöse Schwärmerei, besonders bei alten Jungfern; statt eines festen Willens begegnet man bald Eigensinn, bald Willenlosigkeit.

Die Verbrechen zeigen allerdings beim Weib nur 1/5 der Frequenz wie beim Mann; auffallend ist, dass unter den Verbrecherinnen die ledigen vorherrschen, ebenso dass dies besonders in England und Amerika der Fall ist, was wohl mit der in diesen Ländern häufigeren Trunksucht der Frauen zusammenhängt. Bemerkenswert ist die Aetiologie, der Mann wird häufiger durchs Wohlleben, die Frau durchs Elend der Trunksucht in die Arme getrieben. Aehnlich verhält es sich mit der gewerbsmässigen Unzucht. Auch diese ist heutigen Tages mit wenig Ausnahmen beim weiblichen Geschlecht eine Folge des sozialen Elends; doch haben die Unrecht, welche das weibliche Geschlecht darum schief ansehen, weil seine Zahl bei diesem Laster so überwiegt. Die Zahl der Männer, welche offen und versteckt ausserehelichen Befriedigungen ihrer Triebe nachgehen, ist nicht bekannt und wird nie bekannt werden; der veranlassende Teil zur Versuchung ist fast immer der Mann.

Selbstmord kommt beim Mann 7 mal so häufig vor als bei der Frau, Zunahme bei der letztem ist bedingt durch Säuferei und Irrsinn.

Aehnlich steht es mit den Erkrankungen. Tatsache ist, dass beim männlichen Geschlecht in den Jahren der Kraft und Blüte weit mehr akute und damit leichter tötlich verlaufende Erkrankungen vorkommen als bei der Frau; sie sind weitaus in der Mehrzahl als Folgen des härteren Berufs anzusehen. Die in gewissen Altersklassen höhere Mortalität der Frau ist wesentlich durch chronische Krankheiten bedingt. So finden

wir beim Mann vorherrschend Erkrankungen der Atem- und Cirkulationsorgane, Erkrankungen der Nieren, akute Infektionskrankheiten; ferner haben beim Mann, mit Zunahme der Industrie, leichte und schwere Körperverletzungen die Erkrankungsziffer wesentlich in die Höhe getrieben, wiewohl auch dem Weib mit Zunahme der weiblichen Fabrikarbeit diese Verletzungen nicht erspart bleiben.

Eine Ausgleichung beim schwächeren Geschlecht ist zumal in der Zeit der Blütejahre durch eine Anzahl von Erkrankungen angegeben, welche diesem infolge seiner Organisation eigen sind.

Vor allem ist zu denken an die Opfer des Wochenbetts, welche seit der schleierhaften Niederkunft des ersten weiblichen Wesens bis zur heutigen Stunde ihre Aufgabe, das Menschengeschlecht fortzupflanzen, mit dem Tode büssen mussten. Es ist wohl unmöglich die Zahl dieser Opfer festzustellen, jedenfalls überschreitet sie weit die der Männer, welche in demselben Zeitraum im Dienst des Vaterlandes gefallen sind. Um nur einen Zahlenbegriff aus unserm Jahrhundert zu geben: Böhr berechnet, dass in den Jahren 1816 bis 1875 im preussischen Staate ebenso viel Frauen am Kindbettfieber (über 360000) erlegen sind, wie an Cholera und Pocken zusammen.

Haben wir nun glücklicherweise seit 25 Jahren gelernt, die Zahl dieser Opfer der Menschheit auf ein Minimum zu beschränken, so sterben auch heute im Wochenbett immerhin noch über 5 auf 1000; dazu kommen diejenigen, welche Jahre oder ihr ganzes Leben lang an den in der Geburt erlittenen Verletzungen hinsiechen. Eine weitere unheilvolle Eigenart erwächst dem Weib durch die Erkrankungen der Geschlechtsorgane. Es ist bekannt, dass ein viertel aller an Krebs sterbenden Individuen am Gebärmutterkrebs sterben; rühmend dürfen wir allerdings hervorheben, dass dieselbe Antisepsis, welche uns lehrte die Schrecken des Wochenbettfiebers zu mindern, uns früher ungeahnte Erfolge in der operativen Behandlung der Gebärmutter- und Eierstocksleiden erreichen liess

Aber noch in einer andern Richtung hat das Weib infolge seiner Eigenart zu leiden. Der Einfluss der sexuellen Erkrankungen auf Entstehung von Nerven- und Geisteskrankheiten, vielfach allerdings übertrieben, kann doch nicht geleugnet werden. Viel Schuld daran trägt unsere Zeit selbst, durch schlechte Kinderpflege, Mangel einer geeigneten körperlichen und geistigen Erziehung der reifenden Jungfrau, durch die Hast und Unruhe des heutigen Lebens; aber auch Momente, die ausserhalb der Macht der Menschen liegen, Kummer, Schreck, soziales Elend, schwere Erkrankungen aller Art wirken in derselben Richtung mit, und so können wir nicht leugnen, dass vor allem die heutzutage so verbreitete Neurasthenie, ferner die Hysterie, Chorea, Epilepsie ein trauriges Vorrecht der Evastöchter darstellen.

Ueberblicken wir vorurteilslos die ganze Ihnen vorgeführte Stufe der Entwicklung beider Geschlechter, ihrer körperlichen und geistigen Eigenschaften, wer kann da noch die Gleichheit der beiden Geschlechter aufrecht halten? Es hiesse den Tatsachen Zwang anthun, wenn wir nicht anerkennen, dass beim genus homo wie in der Tierwelt die Zweiteilung des Geschlechts mit den verschiedenen Aufgaben jedes derselben im Plane der Schöpfung liegt. Ein grundsätzliches, absichtliches Verwischen dieser Unterschiede ist unmöglich und rächt sich von selber.

Naturam expelles furca tarnen usque recurret.

Was folgt nun daraus für unsere Anschauung über Aufgabe und Beruf des Weibes?

Beleuchten wir zunächst das Ziel der Verteidiger der sogenannten Frauenrechte, welche von falschen Prämissen ausgehend jeglichen Unterschied verwischen wollen. Merkwürdig ist, dass in unserer Zeit immer nur die Verteidiger der Frauenrechte von sich hören lassen; wir könnten mit gleichem Recht erwarten, dass sich auch Vertreter der Männerrechte erheben, welche daran erinnern, das dieselbe Ueberfüllung der Berufsarten, welche das Weib nötigt, sich nach andern Erwerbsquellen umzuschauen, im gleichen Masse und

noch mehr beim männlichen Geschlecht vorhanden ist; besonders trifft das zu für die aus akademischem Studium hervorgehenden, wo nach den neuesten Statistiken zum Teil bis zu 60 % mehr Studierende vorhanden sind, als der Bedarf verlangt. Ich erinnere ferner daran, dass beispielsweise in der Schweiz schon auf 2000 Einwohner ein Arzt kommt, in Deutschland erst einer auf 3569.

Aehnlich verhält es sich bei den Juristen, den Lehrern, im Kaufmannsstand etc.

Die Vorkämpfer für Frauenrechte vergessen, dass beim Hereindrängen der Frauen in Berufsarten, welche bisher der Mann allein ausübte, die Konkurrenz steigt, der Kampf ums Dasein zwischen beiden Geschlechtern nur noch ein heftigerer wird, da der Mann nicht umgekehrt die der Frau bisher eigenen Berufsarten ergreifen wird. Auch hört man immer nur von gleichen Rechten der Frau, aber nicht ebenso von gleichen Pflichten! Aus dem Ruf gleiche Rechte müsste auch logisch folgen gleiche Pflichten; um nur eins zu nennen, die Ehrenpflicht der Verteidigung des Vaterlandes, davon ist noch nie die Rede gewesen. Ein Amazonenkorps in unserer heutigen Kriegsführung wäre doch einfach lächerlich.

Am lautesten erhebt natürlich die Sozialdemokratie ihre Stimme für Gleichstellung von Mann und Frau. Der Grund ist einleuchtend. Mit der ausgesprochenen Gleichstellung für politische Zwecke, für Wahlen wird sofort die Zahl dieser Partei 2- bis 3mal so gross und eben damit auch ihre Macht. Wie wenig ernst es tatsächlich dieser Klasse ist, das Weib dem Manne gleich zu stellen, weiss jeder von uns, der gewohnt ist, in diesen Kreisen ärztlich zu verkehren, und die Art und Weise kennt, wie vielfach die Frau niederer Stände vom eigenen Mann behandelt wird. Derselbe Punkt, den J. Mill im Kampf gegen die Hörigkeit der Frau so hervorhebt. In seiner Schrift »Die Frau und der Sozialismus« weiss Bebel, nachdem er ein trübes Bild der Frau der Vergangenheit und Gegenwart entworfen hat, ein sehr farbenprächtiges Bild der Frau der Zukunft zu entwerfen. Die heutige Ehe ist nach

ihm mit dem bestehenden sozialen Zustand aufs engste verknüpft, fällt und steht mit ihm, sie ihrer Schattenseiten zu entkleiden erscheint ihm unmöglich, darum weg damit! Ist einmal durch eine grosse Expropriation das Privateigentum in gesellschaftliches Eigentum umgewandelt, Erbrecht, Familienrecht damit gefallen, dann kommt, nach Bebel, das goldene Zeitalter, wo, wie es scheint, auch jedes Neugeborene ein universelles Genie mit auf die Welt bringt.

Die Erziehung der Frau ist künftighin die gleiche wie die des Mannes, dadurch werden alle ihre physischen und geistigen Kräfte und ihre Fähigkeiten entwickelt; sie kann für ihre Tätigkeiten sich diejenigen Gebiete wählen, die ihrem Wunsche und Anlagen entsprechen. »Hier ist sie genau unter denselben Bedingungen wie der Mann tätig. Eben noch praktische Arbeiterin in irgend einem Gewerbe, ist sie in der nächsten Stunde Erzieherin, Lehrerin, Pflegerin, übt an einem dritten Teil des Tages irgend eine Kunst aus oder pflegt eine Wissenschaft, und versieht in einem vierten Teil irgend eine verwaltende Funktion.«

Mehr kann man vom goldenen Zeitalter nicht erwarten, morgens Fabrikarbeiterin, dann Lehrerin, mittags Künstlerin und abends vielleicht Bankier. Schade, dass Herr Bebel nicht gleich sein Geheimnis verrät, wie man unter der beglückenden Aera der Sozialdemokratie es fertig bringt, vier Berufsarten oder auch mehr auf einmal gründlich zu erlernen, deren eine schon in unserm Zeitalter eine volle Kraft in Anspruch nimmt.

In der Liebeswahl ist die Frau des Zukunftsstaates frei und ungehindert wie der Mann; der Bund ist ein Privatvertrag »bei Unverträglichkeit, Enttäuschung, Abneigung wird die unnatürliche und darum unsittliche (!) Verbindung gelöst.« Also Heirat auf Monats- oder Jahresfrist ganz nach Belieben.

Es sind die Grundsätze J. Mills und Schopenhauers in neuer Form, nur eine andere Art der von letzterem als natürliches Eheverhältnis bezeichneten Polygamie.

Allerdings wäre hiedurch die Möglichkeit gegeben, was

Bebel als erstrebenswertes Ziel vorschwebt, dass jedes Mädchen einmal, wenn auch nur vorübergehend, unter die Haube käme; doch zeigte ich schon oben, wie falsch es ist, die Frauenfrage wesentlich vom sexuellen Standpunkt aufzufassen. Dass darin eine viel grössere Herabwürdigung des weiblichen Geschlechtes liegt, wenn der Mann jeden Augenblick im Stand ist, die ihm unbequeme Gefährtin durch eine andere zu ersetzen, sieht jeder Gebildete ein. Was aus den Früchten dieser Jahresehen würde, wird wohlweislich nicht gesagt. In einem grossen Teile der Bevölkerung hörte bei solchen Eheverhältnissen der ganze segenbringende Einfluss der Familie auf, es bliebe nichts anderes übrig, als grosse Findelhäuser zu errichten, wo sämtliche Kinder erzogen würden, allerdings der beste Nachwuchs für die Sozialdemokratie. Mit der Zukunftsfrau im Bebelschen Sinn hört also die Familie auf, und damit fällt die Grundlage jedes modernen Staatslebens.

Man sieht leicht ein, dass mit solchen phantastischen Lehren nichts geholfen ist. Bei allen Betrachtungen über die Zukunftsstellung der Frau in unseren Kulturstaaten haben wir von dem Ihnen nachgewiesenen psychischen und physischen Unterschied zwischen Mann und Frau auszugehen, der von Beginn der Schöpfung an besteht, und bestehen wird, so lange es ein menschliches Geschlecht giebt. Aber auch diesen Standpunkt im Auge wird jeder denkende und fühlende Mensch gerne bereit sein, nach Kräften mitzuarbeiten an der Verbesserung der sozialen Stellung des Weibs.

Voranzustellen ist als Ergebnis unserer Untersuchungen der Satz, dass für Frauen, welche Gattin und Mutter sind, die Ausübung eines praktischen Berufs ausserhalb des Hauses neben den häuslichen Pflichten, ich will nicht sagen nicht möglich, aber nicht erwünscht ist. Das Weib, welches ihren Beruf als Gattin, Mutter, Erzieherin der Kinder richtig auffasst, hat so vollauf zu thun, dass jeder Beruf daneben ungenügend erfüllt werden muss oder die eigentliche Bestimmung des Weibs zerstört. In den Händen der Frau ruht das Glück des Hauses, mit warmem Herzen nimmt sie teil an des

Mannes Streben und offenen Auges ebnet sie ihm den Weg zur Arbeit oder nützt in kluger Berechnung die Errungenschaften seines Wirkens aus. Ist sie durchdrungen vom Ernste ihrer Pflichten wird innere Befriedigung und äussere Anerkennung ihr reichlich zu teil werden. Aber freilich — die moderne Erziehung ist nicht immer dazu angethan, dem Mädchen den Sinn für die Wichtigkeit und die Verantwortung ihres künftigen Berufs zu erwecken. Staat und Familienleben müssen dafür sorgen und es sich zur Pflicht machen in richtiger Ausbildung neben der Pflege des Geistes auch den praktischen Bedürfnissen des Lebens gerecht zu werden. Die Zahl der Junggesellen und damit auch der ledig bleibenden Mädchen nimmt nur deshalb zu, weil so vielfach gefehlt wird in der Bildung von Geist und Körper des Mädchens und dieselben häufig mit Ansprüchen erzogen werden, denen ihre künftige Stellung nicht gewachsen ist.

Leider ist jener Idealzustand für die Frau des 19. Jahrhunderts nicht überall aufrecht zu halten; in vielen Ehen verlangt das Lebensbedürfnis, dass die Frau sich am Erwerb mitbeteiligt. Es ist dies ein soziales Unglück ersten Rangs, an dessen Beseitigung Menschlichkeit und Gesetzgebung wetteifern.

Das zu erstrebende Ziel ist, dass eine Mutter nicht genötigt wäre, ausserhalb des Hauses dem Erwerb nachzugehen. Die Fabrikarbeit verheirateter Frauen sollte gesetzlich möglichst verhindert werden.

Eine grosse Zahl der verheirateten Mütter, welche auf meiner Spitalabteilung zur Entbindung Unterkunft finden, schickt hernach die Kinder auswärts zu Grosseltern; das Ehepaar lebt kinderlos weiter, nur in der Arbeit. Die Sterblichkeit solcher Kinder erreicht fast die der unehelichen; den Eltern fehlt das Glück, die erste Entwicklung des Kindes zu erleben und zu überwachen. Nimmt die Art und Weise dieser Kinderversorgung in den untern Schichten der Bevölkerung zu, so ist kein Wunder, dass, wo die liebende Hand der Mutter fehlt, Verrohung und Verwilderung der Jugend sich mehr und mehr

breit machen. Hier ist ein Punkt, wo die Fürsorge der Staats- und Privatwohlthätigkeit ein reiches Arbeitsfeld finden. Lobenswerte Anfänge, durch Gesetzgebung die Frau zu schützen, sind ja mancherorts bereits gemacht worden.

Bei der Wahl eines Berufs soll nun das Weib seine verschiedene Organisation nie vergessen; mit ihren vierwöchentlichen Wellenbewegungen ist sie den Stürmen des Lebens viel weniger gewachsen als der Mann; besonders gilt dies für schwächliche, nervöse Naturen. Am erwünschtesten für die Frau ist ein Beruf, dessen Erlernung kein längeres Wegbleiben von der Heimat verlangt, und der ihr gestattet, im Kreise der Familie zu bleiben. Nie vergesse sie, dass sie bei der Wahl eines bisher Männern vorbehaltenen Berufs aus der Sphäre heraustritt, welche die Natur für sie bestimmt hat; sie ist dann, wie Stein sagt, eine weibliche Form des Mannes, keine Frau mehr; sie suche die weibliche Natur nicht über dem männlichen Beruf zu vergessen. Nichts widert mehr an, als die viragines, welche in studentischem Treiben und Thun die männliche Jugend zu übertreffen suchen. Wird die Stimme der Natur doch noch in ihr wach, so entsage sie dem Beruf, damit nicht dieser oder die Familie unter der doppelten Last leide. Zu schwere körperliche Anstrengungen im schwangern Stand vermag der Frucht zu schaden, einer zu grossen geistigen, besonders aufregenden Beschäftigung ist bekanntlich die Frau in dieser Zeit nicht gewachsen.

Besser schon, wo nicht die materielle Not, sondern das Interesse, der Trieb zu selbständiger Arbeit, ein wahrer innerer Drang das Weib veranlassen, ihre Schranke niederreissend, sich einen Beruf zu wählen.

Die unerlässliche Vorbedingung für jedes Frauenstudium an Hochschulen, ist die, dass das Mädchen genau dieselbe Vorbildung durchmache, und dasselbe Mass der gewonnenen Kenntnis nachweise, wie der Jüngling, wie die Bestimmungen für Zulassung weiblicher Studenten an unserer Hochschule es glücklicherweise vorschreiben. Bei der Wahl des Studiums wird von Seiten der Frauen die Medizin auffallend bevorzugt,

während Theologie, Jurisprudenz und Philosophie fast gar nicht, naturwissenschaftliche Studien schon eher aufgesucht werden. Von jeher gilt das Weib als beste Krankenpflegerin und wer möchte das bestreiten, ich selbst habe in den Schrecken der Kriegslazarette so recht den Unterschied zwischen männlicher und weiblicher Krankenpflege kennen und letztere schätzen gelernt. Die fühlende Hand, den warmen Blick der Frau kann der Pflichteifer des Mannes nicht ersetzen; der letzte dankende Blick des Sterbenden galt dort der liebevollen Pflegerin, die verstanden hatte, sein Leiden zu lindern.

Aber eine gute Krankenpflegerin ist nicht zugleich ein guter Arzt; es ist etwas anderes, den Anordnungen des Arztes folgend, die Leiden des Kranken zu mildern, als selbst die verantwortliche Leitung zu haben, wo es gilt, der Familie ein teures Glied zu erhalten.

Es ist gewiss ein Nachteil beim weiblichen Medizinstudium, dass die Medizinerin im voraus für die Behandlung von Frauen- und Kinderkrankheiten prädestiniert erscheint, eine gewisse Einseitigkeit wird dadurch schon im Studium eingehalten; bei der Zunahme der weiblichen Aerzte wird dadurch der Stand nicht gehoben, sondern herabgedrückt. Wir müssen für das nächste Jahrhundert überhaupt wünschen, dass die Zersplitterung des ärztlichen Standes in so vielerlei Spezialitäten, so weit es thunlich ist, allmählig wieder zurückgeht. So sehr einerseits die Wissenschaft dadurch gewonnen hat, leidet die Tätigkeit und die Fortbildung der praktischen Aerzte darunter; die Aufgabe der Universitäten, wie es sich jetzt allerwärts rührt, muss die sein, durch gründlichere und umfangreichere Ausbildung des Mediziners die Spezialitäten zurückzudrängen, und das weibliche Studium ist nichts anderes, als eine vom ersten Beginn an erstrebte Spezialität.

Das weibliche Studium der Medizin wird also, wenn man streng daran festhält, dieselben Vorbedingungen zu verlangen wie beim Mann, nicht allgemein werden, sondern stets eine gewisse Ausnahme darstellen; dies lehrt auch die Statistik.

Die von den Kollegen der Hochschulen Bern, Genf, Zürich mir gütigst zur Verfügung gestellten Zahlen ergeben, dass seit 1864 bezw. 1872 an denselben im ganzen 789 Immatrikulationen weiblicher Mediziner stattgefunden haben; von diesen haben 141 sich den Doktortitel erworben und nur 26 (davon 8 Schweizerinnen) die eidgenössische Fachprüfung gemacht.*) Diese Zahlen reden für sich selbst!

Die vielfach erörterte Frage, ob es, bei Verallgemeinerung des weiblichen Studiums, wünschenswert sei, besondere weibliche Akademien zu schaffen, muss ich, nach reiflicher Ueberlegung verneinen. Die Gefahr liegt nahe, dass an solchen Anstalten, wo naturgemäss nur weibliche Lehrkräfte wirken würden, von Beginn ab das ganze weibliche Medizinstudium eine einseitige Richtung bekäme. So unbequem es vielfach ist, so muss der Unterricht da wo er gesetzlich zugelassen ist, für beide Geschlechter gemeinsam bleiben. Das attische Gesetz gilt demnach für uns in folgender Fassung:

Paucae at que non nisi ingenuae feminae innuptae medicin am discunto.

Es wäre vorzuziehen, wenn dem von der Frau von Anbeginn der Welt an innegehabten Beruf der Geburtshelferin

bessere Elemente zugeführt würden. Der Stand der Hebammen rekrutiert sich, wie ich aus 20jähriger Erfahrung weiss, mit wenig Ausnahmen aus den untersten Elementen in Stadt und Land. Diesen Frauen vertraut der Gatte das Beste und Höchste, was er hat, das Leben seiner Gattin in ihrer schwersten Stunde an. Nun spreche ich durchaus nicht dafür, die Geburtshelferin am Bett der Gebärenden durch männliche Hilfe zu ersetzen, das Weib eignet sich gerade durch seine Kunst in der Krankenpflege weit besser zur Besorgung all der kleinen Liebesdienste und Handreichungen im Verlauf der Geburt und wer wollte es leugnen, auch die weibliche Schamhaftigkeit verlangt hier die weibliche Hilfe. Gebildete Mädchen, welche sich in andern Berufsarten oft kümmerlich durchschlagen, könnten mit einiger Lust und Liebe zur Sache hier ein schönes Feld gewinnen. Aus solchen gebildeten Elementen könnte der Staat durch längere Ausbildung und etwas höhere Anforderungen im Examen eine bessere Klasse von Geburtshelferinnen schaffen, ihnen dann etwas weitere Befugnis als den bisherigen geben, zumal in Gegenden, wo die nächste Hilfe des Arztes schwer zu erlangen ist. Solchen Beruf kann die Frau ganz ausfüllen, im Beruf als Aerztin wird sie immer nur Halbes leisten.

Die gleich strengen Anforderungen wie in der Medizin hat der Staat, was Vorbildung und Studium anbetrifft, an diejenigen weiblichen Individuen zu stellen, welche Theologie, Jura, Philosophie, Naturwissenschaft studieren wollen.

Es sind darum die Berufsarten für die Frau vorzuziehen, welche kein längeres Studium und keine zu lange Trennung vom Hause erfordern und welche der Frau jeweils gestatten, den physiologischen Vorgängen nachgebend, Körper und Geist zu schonen. Da ist nun vor allem der Beruf der Lehrerin, er ergiebt sich von selbst aus dem der Mutter, als Erzieherin ihrer Kinder. Während der Andrang zum niederen Lehrfach andauernd ein grosser ist, begreift man schwer, warum das Weib so wenig Neigung zeigt, in den höhern Zweigen des Lehrfachs seine Kraft zu zeigen. Mit grossem Nutzen haben

sich dagegen die Frauen allerorts dem Fach des Verkehrswesens in allen seinen Teilen gewidmet, hier wird keine zu grosse körperliche Anstrengung verlangt, die geistige Tätigkeit ist im Rahmen des Berufs angegeben, beaufsichtigt, die Arbeitszeit wechselt mit genügenden Pausen. Ebenso sind mit Recht schon längst die Dienste der Frauen als Verkäuferinnen in allen Zweigen des Handels gesucht und begehrt gewesen; nicht minder kann die Frau der kaufmännischen Buchführung überall gerecht werden. Unübertrefflich ist sie als Krankenpflegerin, auch im Dienste der inneren Mission, im Aufsuchen verschämter Armut, in der Wahl der richtigen Mittel zur Linderung von Not und Elend sind ihre Leistungen grösser als die des Mannes. Neben den zahlreichen Vereinen vom roten Kreuz, Diakonissenhäusern, ist hier ein grosses Feld für alle, die sich ganz der Pflege der leidenden Menschheit widmen wollen.

H. V. Die Geschichte der Medizin, der Vergleich der Natur beider Geschlechter, die praktische Erfahrung des Lebens, sie alle drängen mich zu dem Schlusse, dass in erster Linie die Bestimmung des Weibs auch heute noch die ist, die ihr im Plan der Schöpfung gegeben wurde, Gattin, Mutter, Hausfrau, Erzieherin der Jugend zu sein. Wer dem jetzt üblichen Geschrei folgend diese Aufgaben als entehrend und ungenügend für die Frau ansieht, verkennt völlig ihre sittliche Bedeutung. Die Frau ist nicht gleich dem Mann, sie ist ebensowenig seine Untergebene, sie soll die Ergänzung des Mannes sein.

Hundertfach predigt uns der Lauf der Weltgeschichte vom Einfluss der Frau: einzelne Gestalten vereinigen als Herrscherinnen mit weiblicher Tugend männliche Kraft, sie sind gross, aber grösser sind die, welche ohne die Schranken der Natur zu übertreten, durch den Zauber der Weiblichkeit über ihre Umgebung geherrscht haben — ein Vorbild für andere; oder als Mütter begabter Söhne der Nachwelt zum Segen wurden, indem sie die in der Kinderseele schlummernden Talente und Eigenschaften bildeten und heranzogen.

Es wäre demnach verkehrt, die bestehenden Schranken der psychischen Eigenart zwischen Mann und Frau niederreissen zu wollen, die Frauenseele in ihrer Eigenart soll erhalten und gepflegt, nicht umgebildet werden.

Ein Volk, welches leichtsinnig so handeln wollte, legt damit Hand an die Wurzel des eigenen Daseins. Durch Erziehung der Töchter, Pflege und Stärkung ihrer Gesundheit, Vorbereitung zum späteren Beruf, sorgt die Frau für das Wohl der kommenden Generation und damit des Volks, denn im Schosse blühender Weiber ist, wie Lykurg sagt, die Kraft eines Volkes geborgen.

Sie sehen also, hochgeehrte Versammlung, ich gehöre nicht zu denen, welche glauben, dass das weibliche Studium unser Hochschulwesen umwälzen wird, dass etwa am 500jährigen Jubelfeste unserer alma mater eine rectrix magnifica von dieser Stelle sprechen werde.

Im Bericht des dann abgelaufenen fünften Säculums wird das Frauenstudium als eine Neuerung der uralten Satzungen erwähnt sein, es werden auch Schülerinnen vorhanden sein, vielleicht mehr als heute, dominierend wird das Frauenstudium nicht sein.

Dass dem so werde, liegt an euch, meine jungen Commilitonen! Eure Aufgabe ist es, meinen Worten Wahrheit zu verschaffen. Im Ringen und Streben nach den höchsten Zielen der Wissenschaft sei jeder willkommen, der sie fördern hilft — auch das Weib, das seiner Bestimmung zum Trotz mit euch wetteifern sollte — nützet ihr aber die Kräfte, die euch die Natur verliehen, so wird, das ist meine Ueberzeugung, auch in ferner Zukunft wie von alters her der schöpferische Geist des Mannes die Welt bewegen und gestalten.