Die geographischen Verbreitung der Tierwelt
und ihre Beziehung zur Erdgeschichte.
Rektoratsrede des Herrn Professor Dr. Theophil Studer,
gehalten in der bernischen Aula am 21. Nov. 1891.
Der mächtige Aufschwung, welchen in diesem Jahrhundert
die Naturwissenschaften genommen haben, ist hauptsächlich
dem Umstande zu verdanken, dass der menschliche
Geist anfing, den Boden der einfachen Beobachtung des
Tatsächlichen zu belassen und den Ursachen des Entstehens
derselben, ja selbst deren Gründen nachzuspüren. Schon
einer der geistreichsten Naturforscher vom Ende des vorigen
Jahrhunderts, Buffon, hatte sich nicht begnügt, wie
seiner Zeit der Naturforscher des Altertums, Plinius, Tatsachen
enzyklopädisch zusammen zu häufen. sondern er suchte
bereits nach den Gründen (les causes finales), der Entstehung
der bunten Lebewelt, welche er seinen Lesern in
blendenden Farben vorführte.
Und wenn wir den späteren gründlichen Forschern,
einem Lamarck, Georges Cuvier, Geoffroy St. Hilaire,
einen Carl Ernst von Baer, einem Kaspar Friedrich Wolf,
in ihren minutiösen Arbeiten folgen, so tritt uns, neben
der sorgfältigsten Beobachtung tatsächlicher Verhältnisse,
immer wieder die Tendenz entgegen, eine Erklärung der
Entstehung und der Gründe derselben zu suchen. Mögen
auch die Theorien wie sie von Lamarck und Geoffroy
St. Hilaire dargestellt wurden, die Unvollkommenheiten
gezeigt haben, die aus den noch lückenhaften, kaum entstandenen
Beobachtungsreihen erklärlich sind, so war doch
der Keim gelegt zu einer Richtung dee Naturforschung,
die sich, wenn auch in bedeutend späterer Zeit zu herrlicher
Blüte entfalten sollte. Speziell für die beschreibenden
Naturwissenschaften schienen die Ideen der genannten
For cher noch verfrüht, und erst am Ende der fünfziger
Jahre gelang es Darwin, auf gut vorbereitetem Boden den
von seinen Vorgängern erst geahnten Bau zur Ausführung
zu bringen. Mit der Begründung einer Entwicklungslehre
der Lebewesen durch natürliche Zuchtwahl im Kampf ums
Dasein schien Darwin den Ariadnefaden gefunden zu haben,
der durch das Labyrinth der unendlichen Gestalt- und
Formenreichen der Fülle von Organismen sucher zu leiten
imstande sei. In dem ersten Enthusiasmus über die neubegründete
Lehre, der bald die sämtlichen Jünger der
biologischen Wesenschaften ergriff, glaubte man nicht nur
das Prinzip der Entwicklung der höheren Formen aus
einfacheren Geschöpfen gefunden zu haben, sondern auch
bis auf die Grundursachen dieser Entwicklung, auf die
cause finale schliessen zu können. Die Zeit aber und
bessere Erkenntnis zeigten, dass nicht leichte Hypothesen
und Konstruktionen auf glücklich gewonnener Basis ein
Gebäude aufführen liessen, sondern dass nur aus mühsamer
Amöben, aus Hinzutragen von Stein zu Stein und
kritischer Sonderung der tragfähigen Pflaster, ein wirklich
solider Bau, der den Stürmen der Kritik widerstände,
erwachsen könne. Beobachtung bis in das kleinste Detail,
Durchgraben der tiefsten Schichten der Erde ist notwendig,
das Material zu fördern zur Erreichung der Glieder,
welche jetzt weitgetrennte Typen zu einer Kette der Verwandtschaft
vereinigen. Hat der Zoologe mit kühner
Phantasie den Stammbaum einer gegenwärtig lebenden
Tier- oder Pflanzenform konstruirt, so kommt der Geologe
und bringt das Resultat seiner Männerarbeit und weist
aus den neu ausgegrabenen Knochen oder Schalen längst
ausgestorbener Geschöpfe nach, dass die Natur einen Weg
verfolgte, den der menschliche Geist nicht zu ahnen imstande
war.
Immer mehr sehen wir, dass zunächst dem Flug des
Gedankens Zügel angelegt werden müHen, und dass zuerst
eine Fülle nüchterner Beobachtungen vorliegen muss, bevor
weitgehendere Schlüsse gezogen werden können. Es ist klar,
dass wenn wir das Prinzip der allmäligen Entwicklung
der organischen Wesen vorausgesetzt, das Warum
derselben ergründen wollen, wir zuerst das Wie müssen
klar zu legen suchen.
Die Entwicklungsgeschichte ist deswegen auch heute das
bevorzugte Thema des Forschers auf jedem Gebiete der
Naturwissenschaften. Dass der Boden, auf dem wir uns
bewegen, dass die Pflanzenwelt, die uns umgibt, dass die
Tierwelt nicht ein in einem Moment plötzlich entstandenes,
sondern ein Entstehendem und wieder Vergehendes ist; dass
alles ras uns umgibt, und wir selbst nur eine Phase
der Entwicklung sind, deren Ziele wir nicht kennen, ist
gegenwärtig zur Ueberzeugung nicht nur jedes Naturforschers,
sondern jedes Gebildeten geworden.
Wenn ich mir erlaube, in diesem Vortrage Ihnen,
hochverehrte Versammlung, zur Feier des 57. Stiftungstages
unserer Universität einen Abschnitt aus der Entwicklungsgeschichte
vorzuführen, so geschieht es nicht nur
in der Absicht, Sie mit einer Fülle von Tatsachen bekannt
zu machen, sondern auch um eines didaktischen Zweckes
willen. Ich möchte Ihnen nämlich an einem Beispiele
klar legen, dass zur Lösung allgemeiner Fragen es nicht
genügt, einseitig in einer Wissenschaft voranzustreben,
sondern dass nur durch Bereinigung der Resultate vieler
das Ziel erreicht werden kann. Es ist eine in neuer Zeit
viel beobachtete Erscheinung, dass jüngere Forscher in lobenswertem
Eifer, rasch und gründlich eine Wissenschaft zu
ergreifen, sich ein bestimmtes Problem vorsetzen und dasselbe
verfolgend nur allzu einseitig sich vielleicht zu frühe
in ein Fach vertiefen. Dass dabei Wichtiges und Schönes
geschaffen wird, ist ohne Frage, und wer die neueren
Zeitschriften der verschiedensten Disziplinen durchgeht,
ist erstaunt über die Fülle von Geist und Arbeit, die sich
fast täglich offenbart, bei Lösung der sublimsten Probleme,
die nicht nur alle Kombinationsgabe, sondern auch Verwendung
der neuesten Errungenschaften der Technik bekunden.
Lockend sind die Erfolge, die ein neues Verfahren
zur Erkenntnis minutiöser Details hervorruft und nur zu
leicht wird dee Anfänger veranlasst, auf dem begonnenen
Wege einseitig fortzufahren, um schliesslich doch nur ein
Handlanger, aber nicht ein Meister der Wissenschaft zu
werden. Nicht dadurch wird das Kunstwerk der Uhr hergestellt,
dass der eine Fabrikant die Zeiger, der andere
das Zifferblatt, der dritte die Räder herstellt, sondern
dass der Meister die Teile zusammenfügt und die Feder
einsetzt, welche das Werk zu einem brauchbaren Instrument
macht.
In den vorliegenden Beispielen möchte ich versuchen,
Ihnen zu zeigen, wie die Räder der verschiedenen Disziplinen
ineinander zu greifen haben, um Fragen zu
lösen, deren Interesse über das der einseitigen Forschung
hinausgehen.
Ich habe Ihnen gesagt, daß die Verfolgung der Entwicklungsgeschichte
der Natur eine der Hauptaufgaben ist,
deren Lösung uns in den Stand setzt, die Grundursachen
des Seins aufzuklären. Die Entwicklungsgeschichte seines
Tieres oder einer Pflanze ist eine für das Menschenleben
zeitlich begrenzte Erscheinung, die wir an der Hand unserer
technischen Hülfsmittel mit Musse, wenn auch mit unendlicher
Geduld und Mühe verfolgen können. Suchen wir
aber die Entwicklungsgeschichte einer Tier- oder Pflanzenart,
die seit Menschengedenken dieselbe geblieben ist, zu
verfolgen, so müssen wir schon zu andern Hülfsmitteln
greifen, die über das Gebiet der speziellen Wissenschaft
hinaussehen. Aber noch weiter führt es uns, wenn wir
die Entwicklungsgeschichte des Erdbodens, auf dem wir
leben, verfolgen wollen. Seit den eisten erworbenen geologischen
Kenntnissen wissen wir, dass der Boden, auf dem
wir leben, dass der Stein, aus dem wir unsere Häuser
bauen, einst der Schlamm war, der in tiefem Meeresgrunde
in einer fernen Vorzeit abgelagert wurde. Wir
wissen, dass das, was jetzt besteht, als fester Grund, nur
einer Erhebung des Bodens über das Niveau des Ozeans
seinen Ursprung verdankt und dass zu jeder Zeit dieser
Grund von neuem von den Meeresfluten überschwemmt
werden kann, mit einem Wort, dass das uns umgebende
Festland nur eine Phase der Gestaltung unseres Erdkörpers
ist, die in jedem Augenblick sich wieder in anderer Weise
umändern kann. Es muss von höchstem Interesse sein zu
erfahren, auf welche Weise die gegenwärtige Gestaltung
des Erdkörpers zustande gekommen ist, oder die Entwicklungsgeschichte
nicht nur des Tieres und der Pflanze, sondern
auch unserer gegenwärtigen Meere, Kontinente und Inseln
zu verfolgen. Das Haupthülfsmittel bietet uns hier selbstverständlich
die Untersuchung der Gesteinsschichten, welche
unsern Boden zusammensetzen, aber nicht alle Fragen, die
dabei in Betracht kommen, können dadurch gelöst werden;
denn viele alte Landteile sind gegenwärtig von den Meeresfluten
wieder eingenommen, versenkt und vielfach lässt die
Diskontinuität der Schichten den Geologen im Stich, in
gleicher Weise wie wenn dem Historiker aus einer Chronik
eine Anzahl Seiten ausgerissen worden find. Hier aber
tritt ein neues Hülfsmittel in die Schranken; es ist die
Zoologie und die Botanik, welche in der Verbreitung der
organischen Wesen auf der Erde ein Mittel besitzt, Hülfstruppen
zur Lösung dieser Frage in das Feld zu führen.
Gehen wir von dem Grundsatz aus, dass eine bestimmte
Form organischer Geschöpfe an einer Stelle ihren Ursprung
aus anderen ähnlichen genommen hat, und dass dieselbe
an ihrem Ursprungspunkte sich vermehrend ihre Art
über die nächste Umgehung ausbreitet, so lange bis der
Ausbreitung ein natürliches Hindernis entgegensteht, so
müssen wir der Ueberzeugung sein, dass eine Art, die an
zwei durch unübersteigliche Schranken gesonderten Orten
vorkommt, ursprünglich mit ihren Genossen in ungehinderter
Verbindung gewesen ist. Finden wir also heutzutage eine
Art auf beiden Seiten eines Meeresarmes verbreitet, so
muss diese Verbreitung stattgefunden haben, als noch eine
Landbrücke die jetzt durch das Meer getrennten Teile verband.
Anderseits können wir aus dem übereinstimmenden
Verhalten der Tierwelt an den zwei durch tiefe Meeresabgründe
oder durch Land getrennten Küsten auf frühere
Vereinigung der betreffenden Uferzonen Schlüsse ziehen.
Finden wir also gegenwärtig z. B., dass die Tier- und
Pflanzenwelt des Festlandes von Europa mit derjenigen
der benachbarten Inselgebiete, wie England und Jrland,
vollständig übereinstimmt, so können wir eine frühere und
zwar nicht allzu entfernte Landverbindung beider Teile annehmen.
Sind ferner die Küstenbewohner des nördlichen
Amerikas und Europas identisch, so muss auch hier eine
seichte Küstenlinie einmal existirt haben, welche den beiderseitigen
Bewohnern früher freie Wanderungen erlaubt hat.
Freilich müssen wir bei solchen Betrachtungen mit Vorsicht
und Berücksichtigung aller Eventualitäten zu Werke
gehen.
Eine blosse Stastistik und Vergleichung wissenschaftlicher
Namen genügt hier nicht; es bedarf der eingehenden Berücksichtigung
der natürlichen Lebensbedingungen und selbst
der Entwicklungsgeschichte der betreffenden Geschöpfe. Wir
wissen, dass bei den Meeresbewohnern der Küste das erwachsene
Tier häufig auf dem Boden haftet, ohne Fähigkeit
seinen Ort zu verändern, wie der Polyp, das Moostier,
die Ascidie und andere; oder dass es durch
Schalenabsonderungen beschwert und mit unvollkommenen
Bewegungsorganen versehen, nur schwerfällig und langsam
eine Ortsbewegung ausführen kann. Die meisten aber
dieser scheinbar an der Scholle klebenden Geschöpfe haben
eine lebhafte Jugendzeit, in welcher sie, mit vollkommenen
Schwimmorganen versehen, mit Leichtigkeit Wasserstrecken
durchmessen, bis sie nach fröhlicher Schwärmperiode, durch
die Entwicklung schwererer Organe gezwungen, zu Boden
sinken und sich nun in das unbehülfliche reife Geschöpf verwandeln.
Hier kann das Jugendstudium eine Verbreitung
der Art auch auf entferntere Strecken vermitteln. Wir
müssen also, wenn wir hier den früheren Zusammenhang
von Küstenlinien ermitteln wollen, die übereinstimmenden
Arten prüfen auf ihre Entwicklungsverhältnisse und auf
die Fähigkeit der freibeweglichen Larven, grössere oder geringere
Strecken schwimmend zurückzulegen. Es muss ferner
bei Landtieren wie bei Seetieren, denen die erwähnten
Bedingungen fehlen der Weg, auf welchem sie sich ausbreiten
sollen, dieselben Lebensverhältnisse bieten, denen
das Tier oder die Pflanze für ihre Existenz angepasst sind.
Ein Wald hemmt die Ausbreitung des Steppenbewohners,
der Fels, die Klippe diejenige des im Ozean lebenden
Schlammbewohners. Und wo auch die Bodenverhältnisse
dieselben sind, kann die Aenderung der Temperatur, das
Steigen oder Fallen derselben eine unübersteigliche Schranke
darstellen. Treffen wir zu beiden Seiten der Schranke dieselben
Lebewesen, so wir diese in früherer Zeit nicht vorhanden.
Nehmen wir ein uns naheliegendes Beispiel: Auf
den Höhen unserer Alpen, wo der Baumwuchs zurückgeblieben
ist, und wo nur Klippen und kleine rasenbedeckte
Oasen aus der kalten Oede des Gletschers und des Firnmeeres
hervorragen, finden wir noch eine Tier- und
Pflanzenwelt, welche uns in ihrem wesentlichen Charakter
fremd anmutet, ganz verschieden von derjenigen der lachenden
Täler und der waldigen Ebenen. Von höheren Tieren
treffen wir da den veränderlichen Hasen, dessen braunes
Kleid im Sommer so wunderbar angepasst scheint an die
dunkle Färbung des Bodens und den rötlichen Schimmer
der heideartigen Flora, während im Winter ein weisser
Haarbalg von der blendenden Weisse des Schnees ihn
von dem kalten Lager, in das er sich birgt, nicht unterscheiden
lässt. Eben da lebt das Schneehuhn, mit gleicher
Anpassungsfähigkeit an die wechselnde Farbe des Bodens,
versehen. Gehen wir tiefer an die obere Grenze des Holzwuchses,
wo der Bannwald seine knorrigen Urwaldsstämme
trotzig der drohenden Lawine entgegenstemmt,
da treffen wir den dreizehigen Specht, die nordische Meise,
den Nusshäher, dort jagt des Nachts der kleine Rauchfusskauz
und die zierliche amselgroße Sperlingseule und kreist
in der Luft der niedliche Blaufalk. Vergebens suchen wir
im Tale nach ähnlichen Erscheinungen; höchstens im
Winter überrascht uns als seltener Gast einer dieser Höhenbewohner
auch in der Tiefe; aber weiter entfernt vom
Fusse des Gebirges sehen wir umsonst uns nach diesen
Gästen um. Erst wenn wir das bewaldete Gebiet Europas
nach Norden hin überschritten haben, dort in den wüsten
Fichten- und Arvenwäldern und den Tundragebieten Sibiriens,
Skandinaviens und des Nordens von Amerika bis zu den
Eiswüsten Spitzbergens oder Grönlands, finden wir wieder
die Bekannten unserer heimischen Hochalpen. Und dieselbe
Erfahrung werden wir machen, wenn wir die bunte
Welt der Insekten oder die lieblichen Kinder der Flora
betrachten.
In früherer Zeit glaubte man diese merkwürdigen Erscheinungen
dadurch erklären zu können, dass man annahm,
dass gleiche Bedingungen gleiche Geschöpfe hervorrufen;
wir wissen jetzt aber, dass sich die Sache anders
verhält. Es gab eine Zeit, wo die Eismassen und Gletscher
der Alpen sich weit nach Norden über unsere jetzt fruchtbaren
Täler und Ebenen erstreckten und wo ihnen entgegen
von Norden her furchtbare Eismassen sich schoben,
die bis nach Mitteldeutschland ihre frostiges Zungen erstreckten.
Die Bedingungen, die wir jetzt nahe den hohen
Alpenzinnen oder im Polarkreise antreffen, waren so nach
dem mittleren Europa versetzt, und die Tierwelt des
Nordens tummelte sich in der schmalen Zone, welche die
Eisfelder übrig liessen. Als aber milderes Klima das Eis
nach seinen jetzigen Grenzen zurückdrängte, da folgten die
kälteliebenden Geschöpfe nach beiden Seiten der rückweichenden
Eisstirne und zogen sich einerseits nach dem
Polarkreis, anderseits, wie der Ertrinkende auf die ragende
Klippe, auf die Zinnen der Alpen zurück. Freilich bot
sich hier nur geringer Raum, und nur inselartig isolirte
Partien besassen günstige Existenzbedingungen; es darf
uns deshalb nicht wundern, dass wir nicht alle polaren
Tiere, wie das Renntier, und seinen Verfolger, den Vielfrass,
den Moschusochsen und so viele andere hier antreffen,
sondern nur eine kleine Auswahl, die geeignet war, unter
den knapperen Lebensbedingungen Stand zu halten.
Aber unsere Alpen beherbergen noch andere Arten von Geschöpfen,
die dem Bewohner der Ebenen nicht minder
fremd sind, und deren Vertreter wir vergebens in der
polaren Zone suchen. Es sind meistens eigentümliche und
auffallend isolirt dastehende Typen, die uns noch fremder
als die vorigen anmuten. Ich rechne darunter von Säugetieren
den Steinbock, die Gemse; von Vögeln den Lämmergeier,
den Alpensegler, die Felsenschwalbe, den Alpenraben
und die Alpendohle, den Alpenmauenläufer, die Stein- und Blaudrossel,
den Steinsperling, das Steinhuhn; alle
sind, wie schon ihr Name zum Teil sagt, felsigen, steinigen
Gebietern am meisten hold. Sehen wir nach ähnlichen
Vorkommnissen uns um, so finden wir, dass allen diesen
Typen ein ungeheures Verbreitungsgebiet angehört. Wir
finden sie meistens von den Küsten des Mittelmeers an, die
Pyrenäen, die Alpen, den Balkan, von da Kkeinasien,
den Hindukusch, den Himalaya bis China bevölkernd.
Die Gemse allerdings ist in ihrer typischen Arterscheinnng
nur bis zu den Karpathen verbreitet, aber
Antilopen ihres Gepräges finden wir wieder in den Hochgebirgen
Zentralasiens, von dort Ausläufer schickend nach
dem Süden bis Sumatra, weiter nach den tibetanischen
Hochländern, nach China und Japan, ja hinüberreichend
bis in die Hochgebirge der Rockey Mountains.
Der Steinbock gehört einer Reihe von ziegenartigen
Geschöpfen an, welche die felsigen Gebiete derselben Regionen
bis in die Hochländer Zentralasiens bevölkern, ohne dass
der Norden eine einzige ähnliche Form darbietet. Die vorgenannten
Vögel vom gewaltigen Lämmergeier bis zum
zierlichen rotflügigen Mauerläufer beleben ebenso die
Felsen und Klippen der Mittelmeerinseln, wie die steilen
Klüfte der Alpen, des Kaukasus, des Himalaya bis zum
Altaï und den Grenzen des chinesischen Reiches. Es deutet
diese weite Verbreitung auf eine Zeit, wo gleichartige
Bedingungen sich über weite Strecken ausdehnten, wo
vielleicht felsige Gebiete in weiter Erstreckung sich über
tief einschneidende Meeresarme erhoben.
Sehen wir uns die Typen näher an, so besitzen die
meisten ein Gepräge das ihnen nach den Begriffen der Systematik
eine unsichere schwankende Stellung gibt; eine Stellung,
die man heutzutage als Kollektivtypus, entsprechend
der Vermischung verschiedener Familien, zu bezeichnen
pflegt. Die Gemse wird wohl zu der Familie der Antilopen
gerechnet; aber die Charaktere ihres knöchernen
Skelets und ihres Zahnbaues nähern sich schon so sehr
derjenigen der Ziegen, dass wir sie geradezu als Uebergangsglied
zwischen beiden betrachten müssen.
Der Lämmergeier zeigt in seinen Charakteren eine
solche Vermischung von Kennzeichen der Familie der
Geier und derjenigen der Adler, dass er als Uebergangsglied
zwischen beiden anzusehen ist. Der Alpenrabe vermittelt
die Familien der eigentlichen Raben mit derjenigen
der gegenwärtig ganz auf den Südosten der Erde beschränkten
Familie der Paradiesvögel. Solche Kollektivtypen
deuten aber immer auf eine alte Zeit, wo die
Charaktere der heutigen Tierfamilien sich noch nicht so
scharf gesondert hatten, als in unserer jüngsten Erdperiode
und wir dürfen in ihnen noch Ahnen aus jener Zeit
suchen, wo vor der Eisperiode unter glücklicherem Himmel
ein Gürtel von älteren Felsmassen von den Alpen bis
nach Ostasien mit geringen Lücken die sie umflutende See
überragte.
Aber verlassen wir die nächstliegenden Gegenden und
wenden uns nach demjenigen Kontinente, welcher in neuerer
Zeit in so erhöhtem Masse die Aufmerksamkeit aller Welt
auf sich gezogen hat, — nach Afrika. Der Begriff Afrikas
senkt unsere Phantasie in die Vorstellung trockener Wüsten,
mächtiger Ströme, umsäumt vom dunklen Urwalddickicht,
von grasbewachsenen endlosen Steppen; das Ganze denkt
sie sich bevölkert von schwerfälligen Dickhäutern, flinken
Zebras, bizarren Giraffen, leichtfüssigen Antilopen, raubgierigen
Löwen und Hyänen. Sie werden mir kaum
glauben, wenn ich Ihnen sage, dass diese als Charaktertiere
Afrikas betrachteten Geschöpfe eine der jüngsten Errungenschaften
find, welche dieser Kontinent heute sein
eigen nennt. Betrachten wir nämlich die Tierwelt Afrikas
genauer, so finden wir eine Welt, die sich der Zeit nach
in drei verschiedenen Perioden aufbauen lässt. Zunächst
eine Anzahl Geschöpfe, die uns noch das Gepräge verhältnismässig
alter Typen, gewissermassen älterer Versuche
der Natur, erkennen lassen; es sind das die höchst eigentümlichen
Säugetiere. die in ihrer Stellung den Affen
einesteils, den Insektenfressern andernteils angehören und
die man als Halbaffen, Makis oder Lemuren, zu bezeichnen
pflegt. Es sind die eigentümlichen Schleichkatzenformen
oder Viverren, die durch ihre Charaktere bald den
Mardern, bald den Katzen, bald den Hyänen zuneigen,
und gewissermassen den Grundstock dieser drei jüngern
Tiergruppen darbieten; kleine Moschustiere, deren nächste
Verwandte wir in den Knochenresten die sich in unsern
Bausandsteinen erhalten haben, suchen müssen, Insektenfresser
und Nagetiere. Alle diese Geschöpfe haben einen
uralten Ursprung, ihre Verwandten finden wir in Norden
in der mittleren Terziärperiode. Eine zweite Schicht bilden
die sogenannten Charaktertiere Afrikas, die Antilopen, die
Giraffen, gestreiften Pferde, die Löwen, Panther, Hyänen,
die Strausse, die Papageien. Wir brauchen nicht in eine
lange Zeit der Entwicklung der europäischen Tierwelt, in
die letzte Periode der Terziärzeit, zurückzugehen, so finden
wir, dass damals die klassischen Gebiete von Hellas und
der griechischen Inseln, Frankreichs und Jtaliens von den
Geschöpfen bevölkert waren, die wir jetzt als spezifisch
afrikanische zu bezeichnen pflegen. Antilopenheerden, Giraffen,
Zebras, verfolgt von Löwen, Panthern, Hyänen,
Elephanten, Rhinozeros neben jetzt ausgestorbenen Ungeheuern
hatten diese Strecken zum Tummelplatz gewählt.
Eine dritte Tierwelt beschränkt sich auf das Land im Norden
der Sahara, die gebirgigen und bewaldeten Gebiete von
Algerien. Die Säugetier- und Vogelwelt, ja selbst die Reptilien
sind im wesentlichen diejenigen der nördlichen Küste des
Mittelmeers. Hier wie dort bevölkerte Damhirsch und
Wildschwein die Wälder, Fuchs und Chakal beschleichen
das Wild und die gleiche Vogelwelt belebt den Busch und
Hain.
Was fast uns diese Zusammenstellung? Sie belehrt
uns über den früheren Zusammenhang zweier jetzt getrennter
Kontinente. Zunächst scheint sich die ursprüngliche
Tierwelt Afrikas, getrennt von Europa und Asien,
wahrscheinlich durch das frühere eozäne Saharameer, das
östlich sich erstreckend auch die indische Halbinsel von dem
asiatischen Kontinente trennte, selbständig entwickelt zu
haben. Damals hing die Insel Madagaskar noch mit
Afrika zusammen und teilte mit ihr die eigentümliche
Tierwelt. Erst mit der Hebung des Meeresgrundes, dessen
Ueberflutung Nordafrika von Zentralafrika trennte, erhielt
der alte Kontinent eine Verbindung mit den nördlichen
Gebieten. Es muss aber dieselbe eine bedeutendere gewesen
sein, als dieses heutzutage der Fall ist. Die jungterziären
Gesteine von Attika, der Insel Rodos und Frankreichs,
bergen eine Fülle von Knochenresten von Antilopen,
Pferden, Elephanten, die wir uns nicht auf dem kleinen
Raume konzentrirt denken dürfen, auf dem sie gegenwärtig
gefunden werden, sondern deren Besitzer einen Raum verlangten,
wie ihn gegenwärtig ihre Verwandten und Nachkommen
in den weiten Steppengebieten Afrikas besitzen.
Es musste also eine breite, weite Landfläche mit Steppencharakter
beide Kontinente verbunden haben, die freie
Kommunikation zwischen beiden Landgebieter gestattete,
und plötzlich der damaligen europäischen Tierwelt den
Uebergang in das bisher unbetretene afrikanische Land
erlaubt hat, bis durch Einsenkung des Mittelmeerbeckens
die Landbrücke zersplittert und zerbrochen wurde und die
nördlich davon lebenden Vertreter zum teil dem hereinbrechenden
kalten Klima zum Opfer fielen. Ich sage zum
teil, denn die Elephanten, Rhinozerosse, die Löwen und
Hyänen waren imstande dem kalten Klima zu trotzen und
sie waren es noch, die dem ersten Menschen, der Europa
betrat, den Boden streitig machten; bis auch sie am Ende
der höhern Macht, der Macht des menschlichen Geistes erlangen.
Haben wir aber noch Spuren der ursprünglichen
Tierbevölkerung des afrikanischen Kontinents? Wenn
wir die Karte betrachten, so finden wir , sich anlehnend
an die Kontinente, oft nur durch schmale und
seichte Meeresarme getrennt, Inseln, welche für unsere
Forschungen denselben Wert haben, wie eine Fundstätte
von gut erhaltenen Fossilien unter wohl definierten Erdschichten
für den Geologen. Es find dieses gewissermassen
Splitter des Kontinents, die zu irgend einer Zeit abgetrennt
wurden durch zwischenhineindringende Fluten, und
die nun das Gepräge des Kontinentes, wie es vor der
Katastrophe war, noch treulich erhalten haben. Ein solcher
Splitter ist die Insel Madagaskar und sie zeigt uns in
ihrer Bevölkerung den Charakter derjenigen Afrikas vor
dem Eindringen der nördlichen Geschöpfe, unter denen
wir nicht nur die alten Bewohner dieses Kontinentes
wieder finden, sondern auch das Ergebnis, dass derselbe
früher mit Südindien und seinen Inseln einen
nähern Zusammenhang gehabt haben müsse als gegenwärtig.
Wenden wir uns nun noch weiter nach Süden, dorthin
wo die Kontinente in spitzen, felsigen Kaps auslaufen
und wo der schrankenlose Ozean sich ausdehnt bis zu
dem Eismeere, das den Südpol mit undurchdringlichem
Panzer umgürtet. Dort unter dem 50.° südlicher Breite
ragen nur einzelne öde Klippen und firnbedeckte Inseln
aus den stets von Sturm gepeitschten Fluten. Aber auch
auf diesem weltvergessenen Boden hat die Flora und die
Fauna einige Gaben ausgestreut; in geschützten Tälern,
an sonnigen Abhängen sprosst noch Grün, untermischt mit
spärlichen Blüten und auch hier finden noch einige Insekten,
Spinnen und Weichtiere während der kurzen
Sommerzeit ihre kärgliche Nahrung; hier sammelt sich
zur Brütezeit das Heer der Seevögel, die in dem dichten
Rasen, fern von Störungen, dem Brutgeschäft obliegen.
Man sollte erwarten dass solche Inseln, die oft tausende
von Meilen vom nächsten Kontinente entfernt sind, ein
ganz eigentümliches Gepräge der Pflanzen- und Tierwelt
tragen sollten; das ist aber nicht der Fall. Von der Südspitze
Amerikas, dem Kap Horn, bis einen halben Erdumfang
weiter östlich zu den Kerguelen und Macdonaldinseln
finden wir denselben Charakter der Flora und der
Fauna verbreitet, obschon die einzelnen Inseln Tausende
von Meilen, durch ein stets aufgeregtes Meer getrennt,
auseinander liegen. An der Ostgrenze der Inselkette, die
vom Kap Horn sich erstreckt, auf Kerguelensland, finden
wir noch Vögel, die wenig fähig sind, durch den Flug
weite Strecken zurückzulegen, die nur der Art nach, aber
nicht der Gattung nach von solchen, welche die Küsten
Feuerlands und Patagoniens bewohnen, abweichen. Und
auf Südgeorgien, das 30 Längengrade von der Südspitze
Amerikas entfernt ist, finden wir noch einen Landvogel
und Pfanzen, die nur mit Mühe artlich von solchen des
amerikanischen Kontinentes zu trennen sind; und betrachten
wir die Seetiere, welche die Küsten jener Inseln bevölkern,
so finden wir, dass ein gemeinsamer Charakter alle diese
Formen fast um die ganze Zone des Südpolarkreises vereinigt.
Nach den im Eingang angeführten Sätzen kann man
sich nach diesen Funden nicht mehr der Ueberzeugung verschliessen,
dass einmal eine zusammenhängende Küstenlinie
diese jetzt so weit zersplitterten Eilande verbunden hat,
und dass das Ideal, das seiner Zeit die kühnen Seefahrer
und die alten Geographen bis an das Ende des vorigen
Jahrhunderts zu den weitgehendsten Bestrebungen begeistert
hat, nämlich der antarktische Kontinent, einmal in Wirklichkeit
bestand, bis er durch eine Senkung in tausende
von weitzerstreuten Inseln und Klippen zersplitterte.
Die neuen Untersuchungen zur Erforschung der Meere
haben aber noch weitere Gebiete eröffnet, in denen sich
die Wissenschaften die Hand reichen müssen: das Loth
und das Schleppnetz, welche die tiefsten Meeresabgründe
durchfurchen. haben uns einesteils den Boden zu Tage
gefördert, der sich in den tiefsten Meeresbecken ablagert
— andernteils die eigentümliche Tierwelt kennen gelehrt,
welche diese Tiefen bevölkert. Hier erhielten wir zum
ersten Mal Aufschluss über die Entstehung einer Reihe
von Gesteinsbildungen, welche auf dem Festlande mächtige
Lagen zusammensetzen und zugleich machten die Vertreter
der Tiefseefauna uns auch mit einer Anzahl von Tiertypen
bekannt, die man sonst nur gewohnt war in unvollkommenen
Resten versteinert aus längst erhärteten
Gesteinsschichten herauszugraben; denn die uralten Meeresabgründe,
deren Verhältnisse sich seit Aeonen nicht verändert
haben, bewahrten seit jüngst vergangenen Zeitabschnitten
Tierformen lebend, die in seichteren und leichter
dem Wechsel der Niveau- und Temperaturveränderungen
aufgesetzten Gewändern dem Kampf ums Dasein zum
Opfer fielen.
Auf diese Weise liessen sich die genannten Beispiele
mit Leichtigkeit vermehren, oder detaillirter ausführen, —
diese wenigen mögen genügen, zu zeigen, in welcher Weise
eine Durchdringung verschiedener Wissenschaften notwendig
ist, um gewisse allgemeine Resultate zu erzielen. Was
wäre es für den Zoologen oder Botaniker für eine Befriedigung,
eine Statistik der Tier- und Pflanzenformen
der verschiedenen Erdgebiete zu erlangen, ohne den Sinn
für das Verständnis der Verbreitung dieser. In erfolgreicher
Weise können dem Geologen die betreffenden Wissenschaften
zu Hülfe kommen, wenn ihm die Gesteinsurkunden fehlen.
Ich habe hier versucht, dieses Durchdringen der Wissenschaften
für einzelne Gebiete nachzuweisen; ich könnte dasselbe
auch noch auf andere Disziplinen ausdehnen, namentlich
auf diejenigen der angewandten Wissenschaften. Erst
die Grundlage allgemeiner naturwissenschaftlicher Kenntnisse
gibt dem Mediziner das Verständnis für die Erscheinungen,
welche bei einer Species, dem Menschen, mit
dem er sich künftighin zu besassen hat, vorkommen. Erst
dadurch wild er den Zusammenhang des Menschen mit
der übrigen organischen Welt, mit welcher er gemeinsam,
wenn auch mit besonderen Waffen, um seine Existenz
ringt, begreifen.
Wir haben aber aus den erwähnten Beispielen gesehen,
dass es dazu nicht genügt, sich nur mit den näherstehenden
organischen Geschöpfen zu befassen, sondern auch
mit dem Boden, auf dem sie leben und der ihre momentanen
Existenzbedingungen bestimmt, und auch hier wird
wesentlich zur Klarheit der Auffassung beitragen die Kenntnis
der Entwicklung dieses Bodens und des umgebenden
Mediums. Wie nur derjenige das Recht hat, eine massgebende
Stimme in politischen Fragen einzulegen, der die
Entwicklung bestehe: dei Verhältnisse historisch verfolgt
hat, so kann nur da in biologischen Fragen ein endgültiges
Urteil gesprochen werden, wo dasselbe auf Kenntnissen
der entwicklungsgeschichtlichen Basis, sei es des Individuums,
oder der Art, beruht.
Es ist gegenwärtig vielfach die Frage erörtert worden,
ob nicht zur Vereinfachung des Studiums der Medizin
die Naturwissenschaften aus dem Lehrplan des Mediziners
entfernt und ganz dem vorbereitenden Studium der
Gymnasialzeit überlassen werden sollen. Abgesehen davon,
dass dadurch der Studienplan des Gymnasiums in wenig
praktischer Weise überbürdet würde, so glaube ich, dass
auch bei grösserer dafür bestimmten Stundenzahl die
Naturwissenschaften doch nur eine Rolle spielen könnten,
die für die Wissenschaft sowohl wie für den Lernenden
gleich unfruchtbar wäre. Als didaktisches Mittel sind die
beschreibenden Naturwissenschaften, da sie für ihr Verständnis
zu viele Voraussetzungen machen, schwer zu verwenden
und es würde sich daher, wie es zum teil schon geschieht,
ihr Unterricht sich auf das Beibringen eines Gedächtnisstoffes
beschränken, dessen Ballast in der freien Atmosphäre
der Universität mit möglichster Beschleunigung
über Bord geworfen würde. Gegenwärtig stehen noch im
Programm für das Studium der Medizin die Naturwissenschaften
als vorbereitende Studien. Unter diesen
Naturwissenschaften fehlt aber ein Fach, das in den
früheren kantonalen Programmen noch eine Rolle spielte,
in neuerer Zeit aber fallen getanen wurde; es ist dieses
die Geologie und physikalische Geographie. Sie haben gesehen,
wie die betreffenden Fächer der beschreibenden Naturwissenschaften
eng untereinander verknüpft sind, wie die
eine immer wieder bei der andern sich Rats zu erholen
hat, und wie das Verständnis einer einzelnen nur mit
Zuhülfenahme der andern endgültig erreicht werden kann.
Und deswegen sollte auch derjenige, den die eine oder
andere als vorbereitende Wissenschaft zu studiren hat, von
allen die grundliegende Basis kennen lernen.
Sollte es zu viel verlangt sein, wenn derjenige, dessen
Endziel die praktische Anwendung eines Teiles der biologischen
Wissenschaft ist, als Vorbereitung die Grundlagen
der sämtlichen biologischen Wissenschaften kennen lernen
würde? Je allgemeiner seine Vorbereitung, je gründlicher
sein Vorstudium, unter desto idealeren Gesichtspunkten
wird er später sein Spezialstudium auffassen und verstehen,
— um so weniger wird er riskiren, in der Ausübung
seines Berufes zum blossen Handwerker herabzusinken.
Je breiter und je fester wir die Fundamente des
Baues legen, um so harmonischer und schöner und um
so höher können wir die schlanke Spitze aufführen. Und
so sollen wir auch die Grundlagen unseres Hochschulgebäudes
im Sinne ihrer Stifter erhalten und festigen,
indem wir darauf bestehen. dass sie nicht eine Fachschule,
sondern eine universitas literarum zu sein bestimmt ist.