Rede gehalten bei der Feier des Jahrestages der

Eröffnung der Hochschule in Bern

den 15. November 1836,
Dr. Carl Brunner.

ordentl. Professor und d. Z. Rektor der Hochschule.

Bern 1836 Gedruckt
bei C. Fischer u. Comp. .

Hochgeachtete Herren Mitglieder des Erziehungs-Departements! Hochzuverehrende Herren Professoren, Doktoren und Lehrer der Hochschule! Wertheste studirende Jünglinge! Nach Stand und Würde zu ehrende übrige Anwesende!

Wir treten heute zusammen zu einer Feier, die wohl auf allen Hochschulen begangen und als eine der wichtigsten im Jahre angesehen wird. Es ist die des jährlich einmal wiederkehrenden Tages, an welchem ein Blick auf einen zurückgelegten Zeitabschnitt geworfen, an welchem die Leistungen sowie auch die Bedürfnisse, die Wünsche und Hoffnungen der Anstalt in's Auge gefasst und zur Beherzigung allen Theilnehmenden vorgeführt werden, an welchem eine neue Aera eröffnet wird, in der die Mängel und Gebrechen geheilt und die Schule der Vollkommenheit näher gebracht werden soll. Es ist aber der heutige Tag nicht blos in dieser Beziehung für uns wichtig. Er ist es noch ganz besonders durch den Umstand, dass er zugleich als Erinnerungstag an die Eröffnung unserer Hochschule, ein eigentlicher Festtag für dieselbe seyn soll. Ist aber eine solche Feier für jede Bildungsanstalt eine wichtige Handlung so ist sie es gewiss in höherem Masse für eine

noch junge, wo nicht zu besorgen steht, dass sie durch die öftere Wiederkehr wie alle menschlichen Dinge bereits einen Theil von ihrem Interesse eingebüsst haben, und zu leerer Förmlichkeit herabgesunken sey. Sie ist es ganz besonders in unserer Zeit, da mehr denn sonst die geistigen Interessen des Einzelnen sowohl als diejenigen der Gesammtmasse angeregt sind, da das Wort Bildung so allgemein als Losungswort gehört, und wohl nicht selten auch missbraucht wird.

Der bei uns und wohl überall angenommenen Sitte gemäss liegt es demjenigen ob, welcher zum jeweiligen Vorsteher der Anstalt gewählt worden, an diesem Tage einige Worte an sämmtliche Theilnehmende zu richten, einige Betrachtungen über die Anstalt, über die Aufgabe, die sie sich gestellt, über die Forderungen des Vaterlandes, der Menschheit an sie und über die Mittel und Wege diesen zu genügen, öffentlich auszusprechen. Es ist fürwahr eine schöne, eine hohe Aufgabe, im Kreise wissenschaftlich gebildeter Männer, lernbegieriger mit redlichem, offenen Sinn für Wissenschaft ausgerüsteter Jünglinge von Wissenschaft, deren Bedeutung, Förderung, Ausbreitung im Vaterlande zu reden. Möchte doch die Kraft der Aufgabe entsprechen!

Kaum wird heut zu Tage ein civilisirter Staat gefunden werden können, in welchem nicht die Unentbehrlichkeit einer höchsten Bildungsanstalt als unbestrittene Wahrheit gilt, welcher nicht nach Kräften und mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln zur Aufstellung und Ausbildung einer solchen das Mögliche thut. Sind auch die innern Verhältnisse verschieden, verschieden die Charaktere der

Völker, die Formen ihrer Regierungen, dieses Bedürfnis fühlen sie alle, ihm zu begegnen streben sie alle. Das dieses auf sehr verschiedene Weise geschieht ist eine natürliche Folge der Verhältnisse. In den monarchischen Staaten, wo grössere Mittel zu diesem Zwecke verwendet werden können, ist manches zu erreichen möglich, welches die kleinern niemals erreichen können. Dagegen ist vielleicht die verhältnissmässig grössere Vertheilung der Interessen und die weiter nach allen Classen hin verbreitete Theilnahme an den öffentlichen Institutionen bei kleinern Staaten ja vielleicht selbst in mancher Beziehung das regsamere Leben der Republik geeignet, gewisse Ansichten zur wissenschaftlichen Untersuchung zu bringen, deren Erläuterung in jenen weniger als Bedürfniss erscheint. Vielleicht ist sogar die Beschränkung der Hülfsmittel zuweilen Veranlagung neue Bahnen zu brechen, so wie überhaupt im Gebiete menschlicher Thätigkeit nicht selten der Mangel zur Quelle von Erfindungen wird. Die durch diese Umstände herbeigeführte Verschiedenheit in der Einrichtung und in dem Wesen der Hochschulen mag daher wohl für die Wissenschaft selbst wohlthätig seyn, welche eine möglichst vielseitige Behandlungsart des Stoffes zu ihrer Ausbildung nothwendig verlangt.

Wir sollen es daher nicht als einen Nachtheil ansehen, dass die Einrichtungen der Hochschulen so mancherlei Verschiedenheit darbietet, wir sollen es nicht als eine Unvollkommenheit in unserm vaterländischen Staatshaushalt betrachten, dass selbst in unserm so kleinen Lande mehrere in Form und Ausdehnung verschiedene neben einander bestehen. Wir sollen nicht wünschen dieselben in eine

vereinigt zu sehen, wodurch gerade diese so wohlthätigen vielseitigen Bestrebungen zum Theil aufgehoben würden. Wir wollen uns vielmehr dieser Mehrzahl freuen, wir wollen darin einen von der schweizerischen Nation allgemein ausgesprochenen Willen, gründliche Bildung zu verbreiten, verehren und recht herzlich allen ein freudiges Fortblühen wünschen. Dass eine gewisse Vertheilung der Bildungsanstalten mehr geeignet sey, die Wissenschaft in's Leben einzuführen und dem Staate nutzbar zu machen, als eine Centralisirung derselben, dürfte nicht schwer seyn zu zeigen. Ein vergleichender Blick auf den Bildungszustand der beiden grossen unserem Vaterlande zunächst anwohnenden Völker lässt hieran kaum zweifeln.

Diesen Grundsätzen in Verbindung mit äussern Ursachen verdankt unser Vaterland seine Hochschulen, verdanken wir in's besondere die unsrige. Aus einer seit vielen Jahren, obgleich in bescheidener Ausdehnung, doch aber nicht ohne Segen wirkenden Anstalt hervorgegangen, um Theil wohl blos als eine Erweiterung derselben anzusehen, trat sie heute vor zwei Jahren in's Leben. Niemand wird so unbillig seyn, bereits glänzende Leistungen von ihr zu fordern. Wer die Schwierigkeiten in der Errichtung, der Leitung und Vervollkommnung eines solchen Institutes nur einigermassen in Erwägung zieht, der wird gewiss nicht ganz ungünstig von uns urtheilen. Der grossartige Plan, welchen die Stifter zu Anfang der Anstalt vorzeichneten, ist bereits in dieser kurzen Zeit seiner vollständigen Ausführung nahe gerückt; seiner gänzlichen Vollendung stehen wohl mehr materielle als geistige Hindernisse entgegen. Wir wollen hoffen, dass auch dieses Jahr einige beseitigen

werde. Sonnte solches in einer, wie kaum mit Recht anders behauptet werden durfte, nicht eben durch äussere Umstände begünstigten Zeit geschehen, so muss uns dieses mit nicht geringen Hoffnungen für die Zukunft erfüllen, für eine Zeit, da unser Vaterland wieder in ein gewisses Gleichgewicht seiner Interessen und Ideen gelangt seyn wird.

Es ist ein grossartiger und je länger je allgemeiner werdender Gedanke, dass die Wissenschaft Gemeingut aller Stände so wie auch aller Nationen sey, dass durch sie alle Völker zwar nicht zu einem Volke aber zu einer grossen Völker Familie verbunden werden, in welcher jedem zu Gute kommt, was jeder andere beiträgt. Jedes Fortschreiten in der heutigen Behandlung der Wissenschaft ist nach diesem Ziele gerichtet. Deutlicher ist es ausgesprochen in denjenigen Theilen, welche sogleich eine praktische Anwendung gestatten oder wenigstens sich mit .sinnlich wahrnehmbaren Dingen beschäftigen, weniger deutlich in den mehr blos auf geistigen Verkehr beschränkten. So wird z. B. keine auch noch so unbedeutende Entdeckung oder Erfindung im Gebiete der Naturwissenschaften gemacht; welche nicht binnen einem Jahre da ganzen civilisirten Welt bekannt würde. Die Verschiedenheit der Sprache, die Entfernung des Ortes, wo die erste Kunde auftrat; bieten kein Hindernis mehr dar.

Durch diesen lebhaften Verkehr hat in unserer Zeit die Wissenschaft in ihrer Ausbreitung eine entschieden weltbürgerliche Richtung genommen. Es ist aber oft die Frage aufgeworfen worden, in wiefern die Unterrichtsanstalten sich dieser weltbürgerlichen Richtung hinzugeben, in wiefern sie dagegen mehr einer eigenthümlichen, gleichsam

nationalen zu folgen haben. Sie wurde verschieden beantwortet. Im Allgemeinen scheint man geneigt die mehr vaterländische Richtung der Studien den untern Schulen, die allgemeine den Hochschulen zu empfehlen und wohl mit Recht. Es dürfte jedoch auch für letztere die vaterländische Richtung nicht ausser Acht zu lassen seyn unb sogar zu einem wesentlichen Beförderungsmittel der Ausbildung der Wissenschaft an sich gemacht werden können. Um dieses zu zeigen, wollen wir zuerst die Hochschule nicht blos als Unterrichtsanstalt, sondern auch als einen Verein von Gelehrten, von Männern der Wissenschaft überhaupt betrachten, und dann zu zeigen suchen, wie aus dieser Betrachtungsweise eine gewissermassen nationale Behandlung der verschiedenen Unterrichtsfächer sowohl im Interesse der Wissenschaft an sich als in demjenigen ihrer Verbreitung im Vaterlande abgeleitet werden kann.

Zu den seit vielen Jahrhunderten in den meisten europäischen Staaten bestehenden Institutionen der Universitäten hat die neuere Zeit als ein zweites Mittel zur Förderung der Wissenschaft die sogenannten gelehrten Gesellschaften und Akademien hinzugefügt. Erstere durch freiwillig zusammentretende Männer zur gemeinschaftlichen Bearbeitung eines gegebenen wissenschaftlichen Faches gegründet, letztere durch Regierungen oft mit grosser Freigebigkeit in's Leben gerufen, haben einen nicht unbedeutenden Einfluss auf die Wissenschaft ausgeübt. Sind ihre Wirkungen auch zuweilen mit Missgriffen und Irrthümern behaftet; wie dieses bei menschlichen Einrichtungen wohl nicht vermieden werden kann, so wäre es doch unrecht, sie, wie man es zuweilen thun hört, des Hemmens der Wissenschaft

anzuklagen. Die Stellung der Akademien im Staate ist verschieden. Bald stehen sie für sich als eigene Stiftungen unabhängig da, und sind nur zufällig durch die Persönlichkeit ihrer Mitglieder mit den Lehranstalten verbunden, bald aber suchte man sie mit diesem in unmittelbare Verbindung zu bringen. Obgleich der Zweck dieser Institute streng genommen mit dem der Hochschule nicht zusammenfällt; so zeigt doch jene durch die Natur der Mitglieder einer Akademie von selbst eintretende Verbindung mit der Universität die nahe Verwandschaft an. Sie liegt übrigens in der Natur der Sache selbst. Beide Anstatt beschäftigen sich mit der Wissenschaft. Der Lehrer kann nicht gründlich lehren, seine Vorträge entbehren den überzeugenden belebenden Geist, wenn er nicht selbst im Gebiete seiner Wissenschaft forscht. Unmöglich ist es aber, in der Wissenschaft zu arbeiten, ohne etwas neues darin zu finden, sei es dei in Forschen in der unendlich reichen Natur, sei es in den unerschöpflichen Quellen der Geschichte, der Philosophie oder anderer geistigen Thätigkeit. Ja .nicht selten bieten sich dem Lehrer bei seinem Vortrage selbst; wenn er vor einer Versammlung lernbegieriger Zuhörer durch das Feierliche, das Wichtige seines Amtes begeistert spricht, neue Ansichten oder auch wohl eigentliche Entdeckungen dar, und es ist mit Recht schon gesagt worden, das manche Wahrheiten auf dem Katheder gefunden worden. Docendo discimus. Der Lehrer hat also, wenn er seine Wissenschaft so vortragen will, wie von ihm verlangt werden darf, ohne eigens darauf auszugehen, beständige Veranlassung die Wissenschaft zu fördern und es findet zuletzt nur die zufällige Verschiedenheit statt, dass

er das Ergebniss seiner Forschungen einem Auditorium lernbegieriger Jünglinge, der Akademiker aber die seinigen einem Kreise sachkundiger Männer vorträgt. Ja selbst die Benennung von Akademie, welche bekanntlich von dem Namen einer Schule zu Athen entlehnt ist, und die noch jetzt sehr oft als gleichbedeutend mit der neuern Benennung Universität gebraucht wird, bezeugt deutlich die nahe Verwandtschaft. Da jedoch der Lehrer durch vielseitige Thätigkeit in Anspruch genommen, oft durch sein Lehramt verhindert ist, seine Zeit und seine Kräfte, so wie er es wohl wünschte, der Erweiterung der Wissenschaft zu widmen, da es dagegen viele ferne von dein Lehrstuhle lebende Gelehrte giebt, die in einsamer Stille nützlich für die Wissenschaft wirken, so ist eine solche Bereinigung von Gelehrten ausserhalb der Lehranstalten für die Ausbildung der Wissenschaft gewiss sehr wohlthätig. In grössern Staaten sehen wir dieselben zuweilen von den Regierungen mit bedeutenden Hülfsmitteln ausgestattet, ja nicht selten gewissermassen zu Gerichtshöfen für die Wissenschaft erhoben und auch in dieser Beziehung können sie, wenn sie ihre Aufgabe richtig auffassen und ihre Thätigkeit nicht durch Leidenschaft und andre menschliche Gebrechen getrübt wird, sehr nützlich wirken. In kleinern Staaten, wie bei uns, wo die Mittel solche Anstalten auszustatten abgehen, werden dieselben einigermassen durch freiwillige Vereine von Männern, welche eine einzelne Wissenschaft oder einen Cyclus von Wissenschaften zum Gegenstand ihrer Forschung gemacht haben, ersetzt. So entstanden in unserm Vaterlande geschichtforschende, naturforschende , medizinische, Ackerbau fördernde, kunstlerische,

militärische Vereine. Alle stehen mit den Lehranstalten durch ihre Mitglieder in mittelbarer Verbindung. Sie unterscheiden sich wesentlich von einer für sich bestehenden Akademie durch den Mangel an Zusammenhang und verhalten sich zu einer solchen etwa wie die Spezialschulen zu einer Universität.

Wenn aber der einzelne Lehrer einer Hochschule, will er seiner Aufgabe vollständig Genüge leisten, die Wissenschaft fördert und also gewissermassen zugleich als Akademiker wirkt, so wird auch die Summe der Leistungen einer Hochschule derjenigen einer Akademie ähnlich seyn.

Die Wissenschaft der neuern Zeit könnte vielleicht; wenn es erlaubt ist, auf ein geistiges Ganze eine Vergleichung von einem materiellen Gegenstande entlehnt anzuwenden, nicht ganz unpassend mit einem gothischen Gebäude verglichen werden, dessen Plane eine Einheit des Gedankens, des Hauptzweiges zum Grunde liegt, dessen einzelne Theile aber für sich betrachtet wieder reichhaltige Ganze bilden, welche unter einander zweckmässig verbunden jener Einheit nicht nur nicht schaden, sondern dieselbe vielmehr unterstützen. So wie aber bei der Errichtung eines grossen materiellen Werkes, an welchem so viele Hände thätig sind, einem jeden diejenige Arbeit anzuweisen ist, welcher er gewachsen, zu welcher er mehr als ein anderer geschickt ist, so kann auch die Wissenschaft als das wichtigste Menschenwerk durch eine ähnliche zweckmässige Vertheilung der Arbeit nicht wenig gefördert werden. Bei Akademien und Hochschulen ist zwar diese Vertheilung der Arbeit durch die Uebertragung der Fächer für jeden Einzelnen gegeben. Da aber die Fächer, in welche wir die Wissenschaft

zu zerspalten gewohnt sind, immer noch sehr ausgedehnt sind, so lässt sich weiter fragen: soll jeder die ihm anvertraute Wissenschaft in allen ihren Theilen zu fordern streben oder hat er gewisse Zweige vorzugsweise zu wählen, wenn er hoffen will mit Erfolg zu arbeiten? Es scheint wohl von den bewährtesten Gelehrten unsrer Zeit diese Frage ziemlich allgemein, nach der letztern Ansicht entschieden zu seyn, oder wo findet sich wohl der Jurist, der Mediziner, der Theologe, der sich rühmen kann, in allen Zweigen seine Wissenschaft gefördert zu haben? Und eben so können wir noch mehr in's Einzelne gehend, bei sehr vielen einzelnen aber dennoch ausgedehnten Doctrinen, wie z. B. Physik, Naturgeschichte, Geschichte u. s. w. die nämliche Frage thun.

Dass die Auswahl des Faches, welches jeder zu bearbeiten unternimmt, ihm selbst obliegt, ist wohl natürlich. Wird auf der Hochschule Freiheit der Lehre als eines der ersten Lebensprinzipien anerkannt, um wie viel mehr muss nicht Freiheit der Forschung gestattet seyn. Wie mannigfaltig ist nicht die wissenschaftliche Richtung des menschlichen Geistes? Wie nothwendig ist es nicht, dass jeder dasjenige Fach erwähle, zu welchem ihn sein Genius treibt, wenn er hoffen will mit Erfolg zu arbeiten! Allein nicht nur persönliche Anlage und Neigung sind hierin in Betracht zu ziehen. Nicht selten können auch äussere Verhältnisse und zufällige Umstände auf diese Auswahl bedeutenden Einstand ausüben. Unter die wichtigsten dieser äussern Momente gehören unstreitig die Lage und Verhältnisse des Vaterlandes. So wie nicht jeder Boden zur Hervorbringung gewisser Erzeugnisse gleich geeignet ist und auf dem einen eine Pflanze kümmerlich

gedeiht, die auf einem andern kräftig emporwächst, so giebt es auch gewisse Verhältnisse, die zu der Ausbildung einer Wissenschaft oder eines besondern Theiles einer solchen mehr als andere geeignet sind. Dass auch unser Vaterland solche besonders günstige Verhältnisse darbiete, dürfte in vielen Beziehungen nicht schwer zu zeigen seyn.

Es könnte jedoch hier leicht der Einwurf gemacht werden, dass durch eine solche Berücksichtigung der vaterländischen Verhältnisse und darauf gegründete Auswahl einzelner Theile der Wissenschaft zu spezieller Bearbeitung eine Einseitigkeit in der Richtung der Hochschule herbeigeführt werde, und dieselbe Gefahr liefe, die harmonische Ausbildung des Ganzen jenen einzelnen Bestrebungen aufzuopfern. Dieses darf allerdings nicht geschehen und gegen solchen Nachtheil muss die Universität sorgfältig verwahrt werden, wie, um das oben angeführte Gleichniss noch einmal zu benutzen der Baumeister strenge darauf zu achten hat, dass nicht die Harmonie seines Gebäudes durch Ueberwiegen einzelner Theile gestört werde. Denn es ist ja gerade einer der wesentlichsten Charaktere einer Hochschule, das sie als eine wahre Universität literarum alle Zweige des menschlichen Wissens umfasse und dieselbe so weit es Kräfte und Umstände gestatten, gleichmässig fördere und verbreite.

So wie aber der Einzelne bis auf einen gewissen Grad seiner allgemeinen Kenntnisse unbeschadet einen Zweig seiner Wissenschaft mit besonderm Fleisse bearbeiten kann, so wird auch die ganze Hochschule, ohne Nachtheil als Gelehrten-Verein oder gewissermassen als Akademie betrachtet in ihren verschiedenen Theilen dasjenige vorzugsweise zur Bearbeitung

auswählen können, wozu .sie mehr als eine andere ähnliche Anstalt Veranlassung und Hülfsmittel vorfindet. Sie wird auf solche Art einen eigenthümlichen, wenn man sich so ausdrücken darf, nationalen Charakter gewinnen, durch welchen sie sich unter ihren Schwester Anstalten im Auslande auszeichnet. Durch eine solche vaterländische Richtung kann dieselbe auch für unser Vaterland von grösserem Nutzen werden, indem sie gerade diejenigen Theile der Wissenschaft bearbeitet und deren Pflege den folgenden Geschlechtern empfiehlt, .die für uns von praktischer Anwendung sind und zu deren Ausbildung wir mehr als andere beizutragen vermögen. Ist, wie Fichte mit Recht annimmt, als die Bestimmung des Gelehrtenstandes "die oberste Aufsicht über den wirklichen Fortgang des Menschengeschlechts im Allgemeinen und die stete Beförderung dieses Fortganges" anzusehen, so dürfte gerade die angedeutete Richtung am ersten geeignet seyn, beides, und ganz besonders den letzten Theil dieser Forderung zu erfüllen.

Vielleicht wird man aber die Bemerkung machen, dass unser Vaterland in literarischer Rücksicht kein eigenes Gebiet bilden könne, dass es in Sprache und Charakter seines Volkes zu sehr von den Nachbarstaaten beherrscht werde. Ist auch der grössere Theil der Schweiz deutschen Stammes, so bildet doch seine Literatur immer nur einen sehr kleinen Theil der so reichen deutschen, diejenige unserer französisch sprechenden Mitbürger einen wenigstens eben so kleinen der französischen Literatur. Obgleich dieses zugegeben werden muss, so lasst sich doch aus der Geschichte der Wissenschaften nachweisen, dass, ohne eine eigene

Literatur zu begründen, die Gelehrten unseres Vaterlandes durch Bearbeitung einzelner Fächer, die ihnen die eigenthümlichen Verhältnisse desselben darboten, wesentlich zu der Ausbildung der Wissenschaften im Allgemeinen beigetragen haben.

Zwar giebt es Wissenschaften, von denen geradezu behauptet werden kann, dass sie über jede Beschränkung durch Nationalcharakter oder Beschaffenheit des Landes erhaben sind. So z. B. die Mathematik. Gienge die Welt in Trümmer, träte eine neue an ihre Stelle, so müsste sie auch auf dieser eben so gelten. So die Philosophie, in frühern Zeiten gewissermassen der Inbegriff alles menschlichen Wissens, später erst zu einer abgesonderten Wissenschaft erhoben, als die Lehre von dem Wesen der Dinge, von Gott, von der Bestimmung des Menschen, kann für sich selbst genommen, wohl keiner nationalen Behandlung unterworfen werden. In Bezug auf andere Wissenschaften ist sie dazu bestimmt, dieselben zu erleuchten und wohlthätig zu beherrschen.

Das es sich aber mit den meisten Wissenschaften anders verhalte, mögen einige Andeutungen zeigen.

Richten wir zuerst unsern Blick auf die materielle Beschaffenheit unseres Vaterlandes, wie viel Eigenthümliches, und zu wissenschaftlichen Forschungen Einladendes bietet sich uns sogleich dar! Waren nicht unsere Alpen seit der neuern Begründung der Naturwissenschaft immer einer der Punkte, auf welche sich die Blicke der Naturforscher der ganzen Welt mit besonderer Vorliebe richteten? Die höchsten Gipfel der europäischen Erdoberfläche besitzen wir in unserem Lande und den zunächst angrenzenden Staaten.

Von jeher wurden dieselben von den Gebirgsforschern des Vaterlandes fleissig durchsucht. Die Namen eines Bourrit, Saussure, Escher und vieler noch lebender Geognosten sind in die Geschichte der Wissenschaft übergegangen. Sind wir auch nicht Zeuge grosser, noch fortwirkender Ereignisse; geben auch unsere Gebirge nicht jenes Schauspiel vulkanischer Thätigkeit, welches auch den Laien in Erstaunen fest, sind sie selbst nicht eben reich an edlen Metallen und andern dem Menschen nützlichen Produkten; so bieten sich dagegen an den grossartig aufgeschlossenen Lagern und Schichten, an den ungeheuren Massen unserer Hochgebirge Thatsachen aus früherer Zeit dar, aus einer Zeit, die weit über alle Menschengeschichte hinaufreicht; welche zu kennen nicht nur das Gemüth erhebt und den interessantesten Fragen über menschliche Existenz entgegenführt, sondern auch für die übrigen Theile der grossen Wissenschaft der Natur die wichtigsten Beiträge liefert. Viele dieser Thatsachen sind bereits von unsern Geognosten gesammelt und aufgeklärt worden, allein diese gestehen selbst, dass noch bei weitem nicht alles gethan und das noch lange fortgesetzte Arbeiten erforderlich seyen um diese jüngste unter den Naturwissenschaften mit ihren ältern Schwestern auf den nämlichen Grad von Ausbildung zu erheben.

An die Forschungen des Geognosten und Mineralogen schliessen sich diejenigen des Physikers und Chemikers an. Durch diese suchen wir die Gesetze zu erkennen, nach welchen die Naturkräfte thätig sind. Wir suchen theils durch Beobachtungen in der freiwillig wirkenden Natur selbst Ursachen und Wirkungen mit einander in Uebereinstimmung

zu bringen, theils durch eigene Experimente uns dienstbar zu machen und ihre Kräfte so kund zu thun wie wir dieses zu unserer Belehrung nöthig haben. In beiden Rücksichten bietet unser Vaterland Veranlassungen und Hülfsmittel eigenthümlicher Art dar. Die grossen Fragen über die elektrischen, magnetischen, über die Mischungs-Verhältnisse unserer Erde und ihrer Atmosphäre, über Wärme und Licht führen nicht selten zu Beobachtungen und Versuchen auf hohen Gebirgen, auf Gletschern, in der Tiefe der Seen. Viele Beiträge zu dieser Art von Forschungen lieferten die Naturforscher unseres Vaterlandes in älterer und neuerer Zeit. Vieles ist noch zu thun übrig. Diese Forschungen, welche meistens anhaltende Reihen von Beobachtungen erheischen, sind durch ihre Natur recht eigentlich dem schweizerischen Naturforscher zugewiesen. Sie sind durch die grosse Bequemlichkeit der Reisen und des Aufenthaltes, welche die neuere Cultur und besonders die Neugierde und Beschäftigungslosigkeit so vieler Menschen herbeigeführt haben, in hohem Grade erleichtert worden. Mit welchen Beschwerden und Hindernissen hatte noch der treffliche Saussure zu kämpfen!

Die Kenntniss der Zusammensetzung der Produkte unseres heimatlichen Bodens, seiner Quellen, Flüsse, Seen bieten immer noch dem Chemiker ein weites Feld zur Ernte dar. Zwar können die meisten dieser Produkte ebenfalls in fremden Laboratorien zerlegt werden, allein haben wir nicht hiezu nähere Veranlassung? Uebrigens giebt es solche, die sich nicht in den Reisesack schieben lassen. Wie unentbehrlich aber diese Wissenschaften für die Naturkenntnis unseres Vaterlandes seyen, geht

auch aus ihrer Unentbehrlichkeit zur Ausbildung anderer verwandter Wissenschaften und Künste hervor.

An die Kenntniss der unorganischen Natur schliesst sich, wie die Pflanze mit dem Boden, dem sie entkeimt, die nächste Beziehung behält, die vaterländische Planzenkunde an. Bis auf die neueste Zeit war in der Botanik der systematische Theil bei weitem der vorherrschende, ja von vielen der ausschliesslich betriebene. Die genaue Unterscheidung und Benennung der Species und ihrer abweichenden Formen, etwa verbunden mit der Erforschung der Standorte, macht noch jetzt bei vielen, namentlich fast allen ältern Botanikern ihre ganze Kenntniss aus. Unser Vaterland ist in dieser Beziehung eines der am genauesten bekannten Länder Wer kennt nicht die trefflichen Arbeiten Scheuchzers, die zwar seither vervollständigten, aber nicht übertroffenen Werke unsers unsterblichen Haller, welche beide in genauer Bearbeitung spezieller Floren für alle Arbeiten dieser Art lange Zeit als Muster dienten. Auch die neuere Zeit hat treffliche, von der gelehrten Welt anerkannte Schriftsteller in diesem Fache aufzuweisen. Kaum möchte, Dank sei ihren Bemühungen, hierin sehr vieles zu thun übrig geblieben sein. Sind auch vielleicht in den so schwierigen Geschlechtern der kryptogamischen Gewächse einzelne Species in den Klüften unserer Alpen unentdeckt geblieben, so dürfte es doch kaum die Mühe lohnen, ihr Aufsuchen zu einem eigenen Geschäfte zu machen, sondern deren Entdeckung besser der Zeit anheimgestellt werden.

Allein welches weite und noch wenig angebaute Feld hat die neueste Zeit auch in der Pflanzenkunde eröffnet! Seit der Ausbildung der übrigen Theile der Naturwissenschaft

sind Fragen zur Sprache gebracht worden, deren Beantwortung früher kaum versucht werden konnte. Man hat angefangen, nicht nur nach dem Namen der Pflanze, nach der Zahl ihrer Organe, nach ihrer Stellung in Systeme zu fragen, sondern nach den Gesetzen ihrer Bildung. Man hat die Erscheinung der Pflanzenwelt als eine einzelne Wirkung der ganzen Naturthätigkeit, betrachtend nach ihrem Verhältniss zu den übrigen Naturkräften und Naturkörpern, geforscht. So entstanden die im verstossenen Jahrhundert kaum geahnten oder wenigstens kaum in einzelnen Theilen angebahnten Lehren der Morphologie der Pflanzen, der Pflanzenphysiologie und Pflanzengeographie. In allen diesen Fächern verspricht unser Vaterland noch eine reiche Ausbeute. Noch ist nicht gehörig erforscht Zusammenhang des Vorkommens der verschiedenen Pflanzenspecies auf den geognostisch verschiedenen Gebirgsformationen, die Frage ob gewisse Gebirgsarten auch gewisse ihnen eigenthümliche Pflanzen ernähren, welches von einigen gewiss zu dreist geläugnet, von andern vielleicht zu speciell als erwiesen bejaht wird. Eben so wenig ist die Verbreitung der Pflanzen nach ihrer Höhe über der Meeresfläche, die Vergleichung unserer beinahe alle europäischen Climata umfassenden Flora mit derjenigen verwandter Gebirgsländer ganz ins Reine gesetzt, obgleich wir über diesen Gegenstand bereits mehrere treffliche Schriften von einheimischen und fremden Pflanzenforschern besitzen. Viele mit diesen Untersuchungen zusammenhängende und überhaupt für Pflanzenkunde wichtige Fragen über Physiologie der Pflanzen, über Einfluss von Licht, Wärme, Luftbeschaffenheit könnten ebenfalls durch Beobachtungen auf

unsern Alpen in's Reine gebracht und dadurch sowohl die Pflanzenkunde im Allgemeinen gefördert, als auch nützliche Anwendungen auf Landwirthschaft und Gartenbau begründet werden.

Die Zoologie, deren Ausbildung mit derjenigen der Planzenkunde immer beinahe gleichen Schritt hielt, scheint ähnliche Ansprüche auf den schweizerischen Naturforscher zu haben. Obgleich in dieser Wissenschaft wohl noch mehr Entdeckungen im Gebiete der Systematik zu machen sein möchten als in der Botanik, und namentlich in den so schwierigen Ordnungen der kleinen Insekten unser Vaterland wohl noch unbekannte Akten enthalten dürfte, etwa den kryptogamischen Gewächsen (wenigstens in der Schwierigkeit der Bearbeitung und der Auffindung) vergleichbar; so bietet immerhin das Studium des bereits Bekannten, wenn wir in der unendlichen Mannigfaltigkeit der Formen die Grundgesetze des Organismus aufsuchen wollen, eine grosse noch wenig ausgebeutete Quelle von Entdeckungen dar. Das Nämliche möchte auch wohl hinsichtlich der Lebensart der unsere Alpen bewohnenden Thierwelt zu bemerken sein.

Der wichtigste Theil unserer naturhistorischen Kenntniss der lebenden Bewohner unsers Landes ist ohne Zweifel die Kenntniss des Menschen. Es ist öfters behauptet worden, dass die Bewohner unserer Alpen nordischen Ursprungs seien. Dunkle Sagen sind daselbst verbreitet, welche hierüber sehr unbefriedigenden Aufschluss geben. Neuere, wie es scheint; gründliche historische Untersuchungen *) haben

noch kein hinlängliches Licht verbreitet. Nicht nur wird zur Unterstützung jener Behauptung zuweilen eine Uebereinstimmung in der Sprache, in gewissen Gebräuchen, sondern auch eine solche in der physischen Beschaffenheit dieses Theils unseres Volkes mit den Einwohnern des Nordens angeführt. Noch ist jedoch diese Frage nie gründlich von dieser naturhistorischen Seite beleuchtet worden.

Aber nicht nur der Mensch in seinem Normalzustande, sondern seine Eigenthümlichkeiten in den krankhaften Erscheinungen bieten dem aufmerksamen Forscher wichtige Thatsachen dar. Mehrere Probleme dieser Art scheinen ganz eigentlich dem schweizerischen Naturforscher zur Untersuchung zugewiesen zu sein, wie z. B. die bei uns in so vielen Gegenden verbreitete Anlage zum Cretinismus, die unser Vaterland mit den übrigen Gebirgsländern des mittlern Europa gemein hat. Dass diese Sache als wichtig anerkannt wurde, beweist der Umstand, dass wir bereits mehrere schätzbare Arbeiten hierüber von vaterländischen Gelehrten besitzen.

Eben so wichtig ist für uns, so wie für die Wissenschaft im Allgemeinen die genaue Kenntnis anderer unserm Vaterlande eigenthümlichen Krankheitsformen, die bei der

einer ostfriesischen Colonie ist schon in ältern Zeiten mehrmals in geschichtlicher Rücksicht untersucht worden. In neuerer Zeit wurde sie wieder bearbeitet von Wirsen (de colonia Suecorum in Helvetiam deducta. Upsalae 1828.), welcher ihr Glauben beizumessen scheint, von einem Ungenannten aber (im schweizerischen Geschichtsforscher VIII. 305) widerlegt wird. Doch gesteht dieser selbst am Schlusse seiner Abhandlung, die Sache sei noch nicht als abgethan anzusehen.

so mannigfaltigen Beschaffenheit des Landes, besonders seiner klimatischen Verhältnisse, so wie auch der Lebensart seiner Bewohner eine grosse Verschiedenheit darbieten. Die ärztlichen Gesellschaften, so wie auch einzelne Schriftsteller haben bereits vieles hierin aufgeklärt.

Es wäre nicht schwer, diese Beispiele von eigenthümlichen Aufgaben für die Wissenschaft, aus den Verhältnissen der materiellen Natur unsers Vaterlandes hergenommen, noch um viele zu vermehren. Gehen wir aber über auf dessen geistige Interessen, so finden wir auch hier des eigenthümlichen Stoffes genug zur Forschung und zur Erweiterung der Wissenschaft. Am deutlichsten spricht sich dieses zunächst aus in der Geschichte unsers Volkes. Wohl dürften wenige Länder gefunden werden, in denen die Kenntniss der vaterländischen Geschichte mehr unter alle Classen der Gesellschaft verbreitet wäre als bei uns. Allein nicht nur allgemeine Theilnahme fand von jeher diese Wissenschaft, auch tüchtige Forscher hat unser Vaterland aufzuweisen, Männer, die theils durch spezielle Bearbeitung einzelner Theile schätzbare Beiträge für das Ganze geliefert haben, theils solche, welche rücksichtlich der Behandlung des vorliegenden Stoffes selbst fremden Nationen als Muster dienen.

Die Bearbeitung der vaterländischen Geschichte hat vielleicht bei uns besondere Schwierigkeiten, bietet aber auch im gleichen Verhältnisse besonderes Interesse dar. In welchem Lande der civilisirten Welt sind wohl verhältnismässig zu seiner Ausdehnung die Ereignisse zahlreicher und verwickelter? In der Schweiz haben vielleicht mehr als in irgend einem andern Lande, das celtische und das

römische Alterthum einander auf die mannigfaltigste Art durchdrungen. Beide haben uns ihre Denkmäler, sowohl in sichtbaren Ueberresten als in Institutionen, die zum Theil noch im Leben sind, zurückgelassen. Wenige Länder sind durch so mannigfaltige Uebergänge aus den Finsternissen des Mittelalters, in .welchem die Wurzel aller neuerer Geschichte wie in einem finstern Boden begraben liegt, hervorgegangen. In welchem haben die Kämpfe des Volkes, der Bürger freier Städte gegen die sie bedrängenden Feinde heftiger angedauert? so lange bis die einen bewegt waren, die andern sich freiwillig jenen Bürgern anschliessend ihre mächtigste Stütze wurden. In welchem Lande finden wir eine solche Verschiedenheit der Abstammung, der Religion, Sprache, Sitten und Gewohnheiten, durch alle Epochen der Geschichte hindurchgeführt? Die Schweiz, im Mittelpunkte Europa's, gelegen musste natürlich bei den meisten grossen Bewegungen des Mittelalters und der neuern Zeit betheiligt seyn. Ihre Geschichte ist mit derjenigen. der sie umgränzenden mächtigsten europäischen Staaten mannigfaltig verschlungen. Sie kann nicht abgesondert von derjenigen dieser Länder studiert werden. Es muss daher der schweizerische Geschichtforscher durch die Natur seines Gegenstandes zu wissenschaftlicher Gründlichkeit und zu umfallender Berücksichtigung auch desjenigen, was nicht unmittelbar zu seiner speziellen Aufgabe gehört, getrieben werden, und gerade dadurch wird er auch in den Stand gesetzt, durch seine Untersuchungen ohne die vaterländische Richtung zu verlassen, Licht auf die historische Wissenschaft überhaupt zu verbreiten.

Allein nicht nur Interesse in Bezug auf die Vergangenheit

bietet die vaterländische Geschichte dar. Auch für die Gegenwart ist sie von der höchsten Wichtigkeit, indem sie uns zeigt, wie aus allen den mannigfaltigen Ereignissen der jetzige politische Zustand unseres Vaterlandes und seine Stellung gegen die übrigen Staaten, wie der innere Zustand desselben, die Stellung der einzelnen Republiken gegen einander, ja der Rechtszustand der einzelnen Bürger hervorgieng. Durch ihr gründliches Studium durch ihre Vergleichung mit derjenigen ähnlicher Staatenbund oder Eidgenossenschaften, wie sie schon im Alterthume bei den Griechen, im Mittelalter, obgleich schon in sehr abweichender Form, bei den italiänischen Republiken vorkommen, kann diejenige Einsicht in das Wesen der Republik deren Vorzüge und Mängel erlangt werden, die so nöthig ist; um dieselbe in der ihr durch Recht und Umstände angewiesenen Stellung zu erhalten und sie eben sowohl vor elender Schwäche als noch bejammernswürdigerem Eigendünkel zu bewahren. Durch diese Kenntnisse können wir in den Stand gesetzt werden, die wichtige Aufgabe zu lösen, die uns die Vorsehung gestellt zu haben scheint, nämlich durch Besonnenheit und kluges Benehmen der Welt den Beweis zu leisten, das auch die Form der Republik bei einem genügsamen, bescheidenen und vor allem religiösen Volke der neuern Cultur nicht widerstreitet.

Allein gerade aus dieser Wichtigkeit des Studiums der vaterländischen Geschichte für den Bürger einer Republik erwächst auch in Bezug auf die Art, wie sie gelehrt werden soll, eine um so grössere Schwierigkeit. In der neuesten Zeit ist die Verbreitung dieser Kenntnisse sogar zu den ersten Elementen des Volksunterrichts gezählt

worden. Die Früchte eines solchen Bestrebens liegen noch nicht vor. Es lässt sich kaum bezweifeln, das zweckmässig geleiteter Unterricht in der Geschichte ein treffliches Bildungsmittel abgeben könne; allein eben so wenig kann geläugnet werden, dass, wenn hierin nicht mit grosser Besonnenheit verfahren wird, die Folgen sehr nachtheilig seyn können. Niemand wird wohl der Meinung seyn, das es überhaupt hinreiche, die Begebenheiten dem Zuhörer, nach ihrer Aufeinanderfolge geordnet, vorzuführen, etwa wie man eine laterna magica sehen lässt. Wahrhaft belehrend und nützlich kann die Geschichte nur dann werden, wenn sie nicht blos als ein trockenes Verzeichnis der Verbrechen der Menschheit dargestellt, sondern wenn darin aufgesucht und nachgewiesen wird, wie in dem Leben der Völker gerade so wie in demjenigen einzelner Menschen, ja gewissermassen wie in den Lebenserscheinungen der Natur Ursache und Wirkung in stetem Zusammenhange stehen, wie jede Uebertretung der Gesetze der Moral und der Religion unausweichlich mit Strafe belegt wird. In dieser Aufeinanderfolge erkennen wir das schützende und rächende Prinzip der Weltregierung, die Macht der Vorsehung, selbst wenn wir nicht dem Ausspruche des Dichters "die Weltgeschichte ist das Weltgericht" unsere unbeschränkte Zustimmung geben können.

Welche neuere Geschichte bietet übrigens mehr Beispiele der öffentlichen Tugend, der Treue, der Aufopferung für das Vaterland dar, als die Geschichte der Schweiz?

So wie nun aber die Geschichte uns über die Stellung des Vaterlandes zu den übrigen Staaten Aufschluss giebt, so bildet sie auch die eigentliche Grundlage der vaterländischen

Staatswissenschaft und der Kenntniss unsers innern Haushaltes. Durch sie nur kann eine klare Einsicht in die Rechtsverhältnisse der Einzelnen, so wie in diejenigen der Corporationen erlangt werden. Wie wichtig, wie nothwendig aber besonders in unserer Zeit diese Einsicht sei, wird wohl jeder einsehen. Allein ohne Zweifel ist das auf Geschichte gegründete Studium dieser Rechtsverhältnisse ein sehr mühevolles; es ist dieses um so mehr, da es keine glänzende Resultate, keine anziehende Darstellungen darbietet, und noch durch den besondern Umstand erschwert wird, das diese Verhältnisse, aus so unendlich vielen partiellen Verträgen, Erwerbungen, Käufen u. s. w. hervorgegangen, so äusserst verwickelt sind, so dass nur wenige allem diesem nachzuforschen den Muth haben.

Auf diesen Boden kann jedoch allein die vaterländische Rechtskenntniss begründet werden. Nur indem der Gesetzgeber alle diese Verhältnisse genau erwägend und jedem Einzelnen das erworbene Recht strenge sichernd durch weise, oft beinahe unmerkliche Abänderungen und Vervollkommnungen, welche die veränderten Verhältnisse und die vorrückende Zeit erheischen, immer mehr Harmonie in das Ganze zu bringen sucht, wirkt er wohlthätig ein. Nur auf diesem Wege kann eine dauernde und wahrhaft beglückende Gesetzgebung erzielt werden. Denn gewiss ist es nur scheinbar leichter zu regieren, wenn recht viele und einander widersprechende Gesetze zur Hand sind.

Dass aber die Ausbildung und Ausbreitung dieser Kenntnisse in einem republikanischen Staate besonders nöthig sei, wo so viele, oft nur auf kurz vorübergehende Zeit in die Stellung des Regenten gelangen, ist wohl hinreichend

klar. Kann auch in einem solchen nicht verlangt werden, dass alle, die an der Regierung Theil nehmen, Gelehrte seien, wäre vielmehr dieses nicht einmal zu wünschen, so ist doch nöthig, dass unter derselben sich deren in hinreichender Zahl vorfinden, um den falschen Propheten, die sich zuweilen einschleichen, und die durch Anmassung und Unverschämtheit auf das allgemeine Wohl oft lange Zeit nachtheilig wirken können, mit Nachdruck zu begegnen. Ist doch ja selbst der sogenannte gesunde Menschenverstand, von welchem viele glauben, das er zu allen diesen Dingen ausreiche und durch Wissenschaft nur verdorben würde, eigentlich nichts anders als die natürliche Anlage zur Wissenschaft, und dasjenige, wodurch die, welche ihm ausschliesslich huldigen, allerdings nützlich einwirken, nichts als Fragmente von Wissenschaft, durch Praxis oder Zufall aufgefasst und mittelst jener Anlage zu Nutzen gebracht!

Die theologischen Wissenschaften, obgleich für sich genommen, als die Lehre von Gott, unabhängig von menschlichen Satzungen, von politischen und staatsrechtlichen Verhältnissen, und nur in ihrer Anwendung mit diesen in Beziehung stehend, bieten eben blos in dieser Anwendung und Nutzbarmachung im Leben eine nationale Seite dar. In unserm Vaterlande, wo meistens Bekenner der beiden christlichen Kirchen neben und unter einander gemischt wohnen, nicht selten den Tempel zusammen theilen, thut wohl mehr als sonst irgendwo gegenseitige Duldung verschieden Denkender Noth. Wir sehen zwar, dass diese fast überall durch jahrhundertlanges Zusammengewöhnen praktisch geübt wird, doch hat leider die neueste Zeit auch einige traurige Beispiele des Gegentheils aufzuweisen. Ja wir sehen

selbst in der einen dieser Kirchen zuweilen Zwiespalt unter ihren Angehörigen entstehen, der schon einige Male recht traurige Ausbrüche zur Folge hatte. Wir sehen eine Anzahl übel Berathener erschreckt durch die Forschungen der Gelehrten, deren Ergebnisse ihnen zuweilen die Lehren der Religion zu untergraben scheinen, um diesen zu entfliehen, sich eine eigene; mehr auf unbestimmte Gefühle; als auf Forschung und Wissenschaft gegründete Lehre bildend, von der Landeskirche sich trennen; wir sehen sogar Verwickelungen entstehen zwischen den von ihnen angesprochenen Rechten und denjenigen des Staates oder der Kirche.

Gewiss sind alle diese Erscheinungen keinesweges der Mangelhaftigkeit der theologischen Studien in unserm Vaterlande beizumessen, sondern erklären sich theils aus der Natur der Sache selbst theils aus andern von aussenher wirkenden Verhältnissen; allein Veranlassung müssen sie uns geben zu gründlicher Forschung und unablässiger Belehrung auf diesem so hochwichtigen Felde der Wissenschaft. Auch hierin kann die Schweiz berufen sein, andern Nationen ein Beispiel zu geben von friedlichem Zusammenleben verschieden denkender christlicher Brüder unter den milden Lehren ihres gemeinschaftlichen göttlichen Lehrers, ja vielleicht dazu beitragen, diese Abweichungen dereinst in Harmonie aufzulösen.

Als Hülfswissenschaft und gewissermassen als Dienerin der Theologie war lange Zeit derjenige Cyclus von Wissenschaften betrachtet, welcher jetzt unter der Benennung der Literatur des Alterthums oder der sogenannten Philologie verstanden wird.

Erst die neuere Zeit erhob denselben zu einer selbstständigen Wissenschaft. Dass früherhin ausschliesslich und zum Theil noch jetzt die Gelehrten und Lehrer in diesem Fache aus der Classe der Theologen herstammen, ist in der natürlichen Verbindung dieser Wissenschaften und vorzüglich in der Unentbehrlichkeit der philologischen Kenntnisse für den Theologen begründet. Von der nunmehr unabhängiger gewordenen Stellung der philologischen Studien war eine grössere Ausbildung der Wissenschaft selbst, eine gründlichere Kenntnis des Alterthums in seinem Leben und Wirken die nothwendige Folge. Es ist durch eine solche gewiss mehr als jemals vorher gezeigt worden, wie unmöglich eine unbedingte Nachahmung der Formen desselben in That und Sprache für unsere neue Zeit sei, wie sehr verschieden der dem Alterthum inwohnende Geist von demjenigen ist, der die jetzige Welt bewegt. Jenes Vorurtheil, dass durch eine, wenn auch zuweilen noch ungeschickte, Handhabung der alten Sprachen gründliche oder, wie man es nannte, elastische Bildung beurkundet werde, und das ohne eine solche Fertigkeit gar keine gelehrte Bildung überhaupt gedenkbar, ja erlaubt sei, ist in seine natürlichen Schranken zurückgeführt. Es dürfte leicht seyn, eine bedeutende Anzahl tüchtiger Gelehrter, wie Mathematiker, Aerzte, Naturforscher aufzufinden, welche geringe philologische Kenntnisse besitzen, demungeachtet ihre Wissenschaft gefördert haben. Nichts desto weniger hat aber die Philologie für uns immer einen hohen Werth. Sie giebt uns in der so reichen Literatur des Alterthums die trefflichsten Vorbilder zu neuen Geistesprodukten. Nicht deshalb soll der Jüngling Latein und Griechisch lernen, um in diesen

Sprachen neben die Schriftsteller des Alterthums zu treten, sondern um durch diese seinen Geschmack zu bilden, um durch die grossen Charaktere, die sie uns vorführen, begeistert zu werden. Dass aber die Vergleichung des Lebens und der Schriften des Alterthums mit denjenigen unserer Zeit noch ausserhalb der Philologie hohes Interesse darbiete, ist schon oben berührt worden, und gewährt eben wieder dem Sachkundigen Anhaltspunkte, um gewisse Theile seiner Wissenschaft in Bezug auf unsere vaterländischen Interessen und Bedürfnisse besonders zu bearbeiten.

Es ist öfter die Bemerkung gemacht worden, dass in demjenigen Lande der heutigen civilisirten Welt, in welchem allgemein die bürgerliche Freiheit als am weitesten ausgebildet angenommen wird, dass in England nämlich die philologischen Studien am meisten verbreitet seien, und einige meinen sogar, dass das Gedeihen der englischen Freiheit vorzüglich hierin seine Quelle habe. *) Wir wollen hier diese Behauptung nicht näher untersuchen, auch nicht den so oft in den untern Bildungsanstalten geführten Streit, ob es nützlich, ob es zweckmässig sei, dieselben für am verbindlich zu machen und, wie man sagt, durch sie die Grundlage zu jeder künftigen Bildung zu legen, oder ob es rathsamer sei, der Jugend zuerst eine mehr polytechnische Bildung zu geben und diejenigen, welche sich den sogenannten gelehrten Ständen widmen, später auf die philologischen Studien hinzuweisen; kurz ob man den industriellen, den modernen Staatsmann, den Mann des 19. Jahrhunderts auf den des Alterthums pfropfen solle oder umgekehrt;

Eine solche Untersuchung gehört nicht in den Bereich der Hochschule. Auf ihr darf die Philologie als Wissenschaft .für sich eine Stelle verlangen und wird sie auch überall erhalten.

So wie die philologischen Studien uns Aufklärung über die Geistesprodukte des Alterthums geben, so bieten sie uns auch durch ihre Vergleichung mit denen der neuern Literatur den richtigen Anhaltspunkt dar, um diese gehörig zu würdigen; nicht nur deshalb, weil die meisten neuern Sprachen aus denen der Alten abgeleitet sind, viele der berühmtesten neuern Geistesprodukte in denen der Alten ihre Vorbilder haben, sondern weil überhaupt unser Geschmack; unser ästhetischer Sinn im Allgemeinen durch ihre Jahrhunderte lang andauernde Wirkung gebildet worden. So sollen wir z. B. die Reden der Alten nicht darum studieren, um ihnen die unsrigen genau nachzubilden, sondern um im Allgemeinen aus ihnen Belehrung zu schöpfen, um von ihnen die Kunst zu lernen, auf eine klare und würdevolle Art öffentlich zu reden, auf unsere Zuhörer nicht nur überzeugend, sondern selbst veredelnd einzuwirken, und überhaupt durch solche Vorzüge unsern Zweck zu erreichen; dagegen jene schlechten Redekünste zu vermeiden, wie z. B. das Bestreben, mit unsern Reden zu glänzen oder gar bei unsern Zuhörern durch allerlei Schmeicheleien, ja selbst durch niedrige Spässe und schmutzige Bilder, durch welche wir sie belustigen, Eingang zu finden.

Dass aber auch der Unterricht in den neuern Sprachen, die Erklärung der wichtigsten Schriften aus der schönen Literatur der lebenden Völker einen Anspruch auf eine Stelle in der Hochschule habe, wird wohl niemand in

Zweifel ziehen. Abgesehen von der unumgänglichen Nothwendigkeit ihrer Kenntniss zu so mancher bürgerlicher Befähigung, bieten sie uns den eigentlichen Schlüssel dar zu der richtigen Kenntnis der Völker selbst. Auf vielen Hochschulen wird zwar dieses nicht gehörig anerkannt; die Hörsaale, in denen englische, italienische, französische Schriftsteller erklärt werden sollen, stehen an vielen Orten leer theils weil man glaubt; diese Kenntnisse besser auf andre Weise erlangen zu können, theils aber auch wohl durch eine blosse Nachwirkung des ehmaligen Uebergewichtes in dem Studium der alten, und der gänzlichen Vernachlässigung desjenigen der neuern Sprachen.

Dass in unserm Vaterlande die Kenntnis der neuern Literatur der gebildetsten europäischen Nationen Bedürfniss sei, ergiebt sich offenbar schon aus seiner geographischen Lage, aus seinem mannigfachen Verkehr mit denselben. Noch wichtiger ist aber der Umstand, dass die Einwohner der Schweiz selbst in Bezug auf Sprache und Charakter drei verschiedenen Nationen angehören. In keinem andern Lande Europas finden sich diese drei Nationen so nahe zusammengedrängt. Vielleicht ist daher auch in keinem die Veranlassung so nahe gelegt die Eigenthümlichkeiten dieser so verschiedenen National-Charaktere, die sich immer zunächst in der Sprache beurkundet im Leben zu beobachten und aus diesen Verschiedenheiten Belehrung für literarische Bildung, ja für Cultur im Allgemeinen zu schöpfen.

Mit der Anleitung in der sogenannten schönen Literatur der alten und neuen Völker steht in genauer Verbindung und ist zum Theil darin inbegriffen die Anleitung in dem Gebiete des Schönen sowohl in Wort als in Kunst.

Diese Kenntnisse, die man füglich die Blumen auf dem Felde der geistigen Thätigkeit nennen könnte, scheinen im Allgemeinen in unserer Zeit mit vielen Schwierigkeiten kämpfen zu müssen. Die Richtung unsers gesellschaftlichen Lebens bringt es mit sich, dass in dem Betriebe so vieler auf das materielle Wohlsein abzweckender oder auch abstrakt wissenschaftlicher Gegenstände das Streben nach dem geistig Schönen mehr als vormals, besonders mehr als zu gewissen Zeiten des Alterthums und der Zeit des Wiederauflebens der Wissenschaft und Kunst nach den Finsternissen des Mittelalters, in den Hintergrund tritt. Vorüber ist die Zeit, da ganze Völkerschaften durch die Gesänge eines Dichters, oder gar durch die Erzeugnisse des Künstlers in Begeisterung versetzt wurden. Hat auch die neuere Kunst herrliche Produkte aufzuweisen, so beschränkt sich doch deren Genuss und Einfluss meist auf einen verhältnissmässig kleinen Theil der Gesellschaft, man möchte oft sagen gerade auf denjenigen, der durch lauter Kenntnisse und durch dasjenige, welches wir mit dem Namen von Bildung zu bezeichnen gewohnt sind, auf einen gewissen Grad abgestumpft, zum Theil auch geradezu durch Vorurtheile und Gewohnheiten für das Auffassen des Schönen untüchtig geworden. Es ist schon die Bemerkung gemacht worden, dass in den Zeiten, in welchen die vorzüglichsten Werke in dem Gebiete der Kunst und Poesie geschaffen wurden, am wenigsten darüber gesprochen, besonders gelehrt worden sei. Es mag wohl seyn. Doch geht hieraus auf keinen Fall hervor, dass eine Anleitung hierin zu ertheilen, unzweckmässig oder gar schädlich sei. Es kann heut zu Tage eine solche Anleitung auf der Hochschule

um so weniger vermisst werden, da nun einmal Kenntnisse in diesen Dingen zu dem schwankenden Begriffe von allgemeiner Bildung bei allen civilisirten Nationen gehören.

Sehen wir uns nun auf diesem Gebiete nach demjenigen um, welches für uns im Besondern geeignet sei, so finden wir auch hier Stoff genug zur Bearbeitung.

Zwar klagen die Künstler nicht ohne Grund über das Verschwinden so vieler charakteristischer Züge in den Sitten, Gebräuchen und Trachten des Volkes, die ihnen sonst so mannigfaltigen Stoff darboten. Steht auch unser Land vielleicht in mehreren Rücksichten den südlichen Ländern Europas, wo ein selten getrübter Himmel und eine wärmere Sonne der Natur einen höhern Glanz verleiht, wo das Volk durch die fortschreitende Civilisation noch weniger als bei uns seine Eigenthümlichkeit eingebüsst hat oder mit dem Künstler zu reden, noch weniger verdorben ist, nach, fühlen sich die Künstler aller Nationen unwiderstehlich nach dem Vaterlande der neuern Kunst jenseits der Alpen hingezogen, so hat doch auch das unsrige der Vorzüge immer noch genug.

Denn welches, selbst Italien nicht ausgenommen, bietet so grossartige Naturscenen dar; welches solche Gegensätze von ernster wilder Natur mit den herrlichsten bebauten Wiesen, Aeckern und Wohnungen der Menschen? Ja selbst diese, zumal unsere Alpenbewohner, behalten immer noch in ihren Beschäftigungen und Sitten, die der modernen Cultur nie ganz unterliegen werden, viel Eigenthümliches. Auf dieses richte der Künstler seinen Blick. Er gehe hin in die Thaler, auf die Höhen unserer Gebirge ,

zu den Wohnungen der Landleute und Hirten, hier arbeite, hier studiere er, wenn er die Natur erfassen will. Eine Maler-Akademie mitten in unsern Alpen, gleichsam eine Schule unter freiem Himmel, dieses wäre eine Anstalt, welche für die Kunst in unserm Vaterlande etwas vor andern Ländern Ausgezeichnetes leisten könnte.

Weniger ergiebig dürfte für uns in künstlerischer Beziehung der Boden der vaterländischen Geschichte seyn. Abgesehen von den grossen, fast unübersteiglichen Schwierigkeiten, die für uns die Bearbeitung dieses Faches darbietet, verspricht auch dasselbe weniger Eigenthümliches, von dem Wesen anderer Nationen Abweichendes. Darstellungen aus der heroischen Zeit unserer Geschichte bedürfen meistens einer erklärenden Unterschrift. Die eigentlichen charakteristischen Begebenheiten sind auch wohl etwas abgenutzt. Mehrere sind auch schon über tausend Male abgebildet worden.

Oder sollte vielleicht die Ursache, warum in dieser Beziehung noch so wenig geleistet wurde, darin liegen, dass noch wenige Theile unserer vaterländischen Geschichte poetisch bearbeitet worden sind? Muss der bildlichen Darstellung einer historischen Begebenheit damit sie ein eigentliches Kunstinteresse gewinne, eine poetische Bearbeitung gleichsam als Mittelglied zwischen Begebenheit und Darstellung vorangehen?

In dem Fache der Architektur wird gegenwärtig überall über Mangel an wahrer Kunst; wenigstens in Bezug auf den ästhetischen Theil derselben, geklagt, indem dieser mehr als zu andern Zeiten dem Nützlichen hintangesetzt wird. Es ist, als ob die Alten bereits alles hierin Mögliche

geleistet hätten, denn die neuern Werke dieser Art können meist nur als Variationen der Typen des Alterthums nachgewiesen werden; etwa mit Ausnahme der im Mittelalter entstandenen herrlichen, sogenannten gothischen Baukunst. Allein eben diese beweist, das das Alterthum noch nicht alles erschöpft hat, und giebt uns Hoffnung, dass vielleicht auch unsere Zeit etwas ihr Eigenthümliches leisten werde. Dass hierin gerade wir etwas Bedeutendes thun sollen, kann wohl nicht verlangt werden, wohl aber gestattet unser Vaterland manche .schöne und ihm eigenthümliche Anwendung dieser Kunst. Seitdem ein grosses Nachbar-Volk uns gelehrt hat, die herrlichsten Strassen über früher unwegsame Gebirge zu führen, kühne Brücken über thurmhohe Abgründe zu hängen, hat auch wenigstens der nützliche Theil der Baukunst bei uns Fortschritte gethan. Bereits sind Bäche und Flüsse, welche grosse Landstrecken verwüsteten, wohlthätig eingedämmt, Sümpfe ganz oder theilweise trocken gelegt, Strassen nach allen Richtungen gebaut worden, und es darf wohl gehofft werden, dass künftighin auch der ästhetische Theil der Kunst Berücksichtigung finden werde.

Nicht geringer als bei den sogenannten bildenden Künsten sind die Schwierigkeiten, die sich uns bei der Bearbeitung der Tonkunst darstellen. Nicht nur fehlen uns beinahe alle Anstalten zur Ausbildung derselben, wie wir sie in so grosser Vollkommenheit bei unsern deutschen Nachbarn antreffen, von denen wir alles, was wir hierin besitzen, borgen müssen, sondern es bietet sich für dieses Kunstfach wenig unserm Vaterlande eigenthümlicher Stoff dar. Dass jedoch auch hierin, namentlich in dem freilich

untergeordneten Fache der Volkslieder, etwas geleistet werden könne, haben mehrere vaterländische Tonsetzer bewiesen.

Und endlich die edelste der sogenannten schönen Künste, die Dichtkunst, sollte diese wohl bei uns leer ausgehen? Nicht selten höre man uns Schweizer von Fremden, namentlich von Deutschen, tadeln als ein unedles, aller Poesie abgestorbenes Volk. Wer von uns hat nicht schon solche Fremdlinge aus den nordischen Sandebenen beim Anblicke der Alpen in Entzücken, in Ausrufungen der höchsten Ekstase ausbrechen sehen, und hat nicht dabei die selbsterniedrigende Bemerkung gemacht dass er keiner solchen Empfindungen fähig sei. Allein irren wir uns nicht! Dergleichen Empfindungen und Aeusserungen sind noch keinesweges Poesie. Es sind nur Beweise eines für die Einwirkung von Naturschönheiten empfänglichen Gemüthes. So wie durch Gewohnheit alle Eindrücke und die unmittelbar aus ihnen hervorgehenden Handlungen geschwächt werden, so ist es ganz in der Natur der Sache begründet, dass bei den Bewohnern der Alpen diese Aeusserungen gemildert erscheinen.

Dass der schaffende poetische Geist unserer Nation nicht fremd sey, beweisen Erzeugnisse älterer und neuerer Zeit. Freilich ist unser Zeitalter überhaupt kein poetisches. Die auf so mannigfaltige Gegenstände gerichtete Erziehung, deren Hauptcharakter das Bestreben ist, so vielerlei Dinge als möglich von aussenher in den menschlichen Geist hineinzuzwängen und nur weniger aus demselben zu entwickeln, wirkt der poetischen Ausbildung offenbar auf's Feindseligste entgegen. Dass Dichter gebildet werden, kann

übrigens von keiner Unterrichtsanstalt gefordert werden. Nascitur poeta. Allerdings! Aber der Geschmack kann gebildet, die richtige Methode gezeigt werden, und dieses ist doch wohl auch eine Aufgabe der Hochschule. Wie dieses geschehen könne, werden die Männer des Faches wohl wissen. Sie werden wahrscheinlich mit mir die Ansicht theilen, dass eine solche Anleitung mehr erregend, mehr positiv als kritisch und zurückschreckend sein müsse, dass mehr durch Erklärung guter Muster aus der alten und neuen Literatur, mehr durch Hervorheben der Schönheiten als durch kleinliches Zergliedern und pedantisches Aufsuchen von Fehlern gethan werden könne, dass vor allem aus die Jugend mehr zum Produzieren als zum Recensieren angeleitet werden müsse. Wenn in irgend einem Fache das Zuvielwissen der eigenen Produktion schädlich seyn kann, so ist dieses vielleicht in der freien Thätigkeit des schöpfenden dichterischen Genius.

Endlich sei billigerweise noch derjenigen Wissenschaften gedacht, welche die Nutzbarmachung und Bearbeitung der materiellen Erzeugnisse des Landes, die Ausbildung des Ackerbaues, der Gewerbs- und Kriegskunst zum Gegenstand haben, und welche alle in der Anwendung auf unser Vaterland so viele eigenthümliche Seiten darbieten.

Vom Ackerbau nährt sich mehr als die Hälfte der Einwohner der Schweiz. Man weiss, dass diese älteste Kunst der Menschen bei uns auf einen ziemlich hohen Grad von Vollkommenheit gestiegen ist. Sie ist, in ihrem ganzen Umfange genommen, die ursprüngliche Kraft, durch welche die Räder des öffentlichen und häuslichen Lebens eines Volkes in Bewegung gesetzt werden. Sie wirkt

mächtig zurück auf die Sitten und den Charakter desselben. Ihre Ausbildung ist daher nicht nur in materieller, sondern auch in geistiger Rücksicht für jede Nation wichtig. Eine Stiftung zu diesem Zwecke gieng von unserer Vaterstadt selbst aus, ein vormals auch im Auslande berühmter Agricultur-Verein, der aber leider durch die Ereignisse der neuesten Zeit in gänzliche Unthätigkeit versetzt worden ist.

Ein anderer bedeutender Theil unserer Bevölkerung nährt sich von Gewerbsthätigkeit im engern Sinne. In mehreren Zweigen derselben steht die Schweiz auf dem ersten Range neben den andern europäischen Nationen, und hat praktisch ein Beispiel geliefert von dem, was fortgesetzter Fleiss auch unter ungünstigen Umständen zu leisten vermag. Es ist zwar schon öfter und wohl nicht ohne Grund die Besorgniss geäussert worden, dass durch die so umsichtige Fürsorge für die Vervollkommnung des sinnlichen Lebens, durch welche sich unsere Zeit auszeichnet, der Geist von der Richtung nach den höhern Lebenszwecken abgelenkt werde, dass alle die so gerühmten erstaunenswürdigen Erfindungen das Menschengeschlecht in eine Art von geistiger Erstarrung zu versetzen drohen, und durch jene Wunder des Dampfes, der Räder und Maschinen aller Art ein Zustand von Barbarei eingeleitet werde. Ist auch vielleicht etwas Wahres an dieser Behauptung, so liegt es doch ausserhalb unserer Kraft, diesem Treiben Einhalt zu thun, und alle berechnenden Interessen gebieten für den Einzelnen wie für ein ganzes Volk das möglichst rasche Fortschreiten. Dass aber die Vervollkommnung der Gewerbe bei dem gegenwärtigen Zustand der Dinge nur durch Hülfe und unter der Leitung der Wissenschaft möglich

sey, ist eine so allgemein anerkannte Sache, dass eine nähere Auseinandersetzung überflüssig wäre. An Anleitung in diesen Dingen sollte es billig in einer Hochschule nicht fehlen. Es würden sich bei einer solchen Anleitung leicht die für unser Vaterland im Besondern anwendbaren Theile auffinden lassen.

So wie die sogenannten Gewerbswissenschaften auf die materiellen Interessen eines Volkes positiven Einfluss ausüben, so ist die Wissenschaft des Krieges, man möchte sagen, auf negative Art zu gleichem Zwecke thätig. Nicht zum Zerstören an sich, sondern zum Verhindern und Abwehren der Gewalt von Aussen soll sie uns dienen, zum Schutze des Vaterlandes, da wo es widerrechtlich angegriffen ist. Wie sehr die Schweiz vor andern Ländern hiezu geschickt sey, lehrt die Geschichte, besonders früherer Zeiten. Dass heut zu Tage die sonst so einfache Kunst des Krieges zu einer umfassenden Wissenschaft geworden, ist eine nothwendige Folge der so grossen Ausbildung anderer Wissenschaften und besonders der technischen Künste. Es genügt nicht mehr blosse Tapferkeit, noch weniger genügen die so oft missbrauchten grossen Redensarten und Beschwörungen der Schatten unserer heldenmüthigen Väter; Nicht die Höhe unserer Berge wird den Feind verhindern in unser Vaterland einzudringen, denn, um mit unserm vaterländischen Geschichtschreiber zu reden: "siehe den Montblanc; er ist höher, und Savoyen gehorcht!" Nur durch festes Zusammenhalten, durch wahren eidgenössischen Sinn, verbunden mit Wissenschaft und Kunst, und bei einer gerechten Sache können wir einigen Erfolg hoffen.

Doch es ist Zeit, dass ich die Aufzählung aller dieser

uns gestellten Aufgaben schliesse. Es könnte vielleicht scheinen, als hätte ich meine Collegen über ihre Unterrichtsfächer belehren und ihnen Winke ertheilen wollen, wie sie dieselben vortragen oder gar wie sie in der Wissenschaft forschen sollen. Keineswegs war dieses meine Absicht. Ich weiss sehr wohl, dass es nicht Aufgabe eines Einzelnen seyn kann, alles dieses genau zu kennen, noch viel weniger darüber zu belehren. Es war vielmehr meine Absicht, auch den jüngern Freunden der Wissenschaft in einigen Andeutungen von einem allgemeinen Standpunkte aus zu zeigen, wie es für jedes Fach der Wissenschaften neben seinem absoluten Werthe auch einen relativen, einen vaterländischen geben könne, wie dieser gewissermassen in jenem enthalten und gerade derjenige Theil desselben sey, den unsere Hochschule nicht nur zum Wohl unseres Vaterlandes, sondern zum Besten der Wissenschaft und daher auch der Menschheit überhaupt auszubilden berufen ist. Nur indem sie auf solche Art den allgemeinen Standpunkt der Wissenschaft im Auge behaltend auch die spezielle Ausbildung einzelner Theile derselben anregt und befördert, extensiv und intensiv zugleich wirkt, nur dann erfüllt sie ihren Zweck ganz, sowohl Pflegerin als Verbreiterin der Wissenschaft, der Cultur überhaupt zu seyn.

Und gewiss ist es unnöthig, Ihnen, wertheste Jünglinge noch ferner Worte der Ermunterung zum Studium der Wissenschaft hier anzubringen. Der Blick, der durch jene Andeutungen auf das Vaterland gerichtet ist, allein ist für Sie eine mehr als hinreichende Aufforderung. So seyen Sie denn auch in der Wissenschaft Ihres Vaterlandes eingedenk! Jeder von Ihnen fasse ernstlich den Entschluss sich

nicht nur zur Verbreitung und Anwendung der Wissenschaft in dem bürgerlichen Leben zu befähigen, sondern auch dereinst wo möglich zu ihrer Vervollkommnung beizutragen. Sie sollen zwar nicht vor der Zeit Gelehrte seyn; sie sollen zuerst die Wissenschaften erlernen, das heisst sich mit dem Vorhandenen, mit dem durch Ihre Vorgänger Entdeckten gründlich bekannt machen. Dann aber sey auch Ihr Augenmerk darauf gerichtet, selbst beizutragen zu der Fortwirkung auf spätere Geschlechter durch eigenes Forschen, durch Weiterführen des seit Jahrtausenden begonnenen Werkes. Werden Sie auch so wenig als Ihre Lehrer Zeugen seiner Vollendung seyn, so können Sie dennoch gewiss seyn, schon in dem kleinsten Schritte, um den Sie durch Ihr Bestreben die Menschheit ihrer Vervollkommnung näher bringen, eine unaussprechliche Belohnung für Ihre Bemühungen zu finden. Sie werden das nicht zu theuer zu erkaufende Bewusstsein gewinnen nicht umsonst da gewesen zu seyn, sondern als ein Glied in der grossen Kette, welche die Cultur der Menschheit von dem ersten Augenblicke ihres erwachenden Selbstbewusstseyns an bis zum nicht abzusehenden Ende ihres Daseyns darbietet, gewirkt zu haben. Und selbst der Umstand, das Sie dieses grosse Werk nicht vollenden werden, soll Sie keineswegs entmuthigen. Er soll Sie vielmehr begeistern, denn gerade darin, dass der menschliche Geist zur Vervollkommnung bestimmt, dennoch den höchsten Grad der Vollkommenheit nie erreichen kann, liegt für uns eine Gewähr für seine ewige Fortdauer. Um aber zu diesem Ziele zu gelangen, seyen Sie eingedenk der Worte des Dichters:

"Wer etwas Treuliches leisten will
"Hätt' gern was Grosses geboren,
Der sammle still und unerschlafft
Im kleinsten Punkte die grösste Kraft."

Und welches ist wohl dieser Punkt, auf den jeder seine Kräfte zu richten hat. Niemand als Sie selbst kann Ihnen denselben anzeigen. Wohl können Sie eine Zeitlang bei seiner Wahl schwankend seyn, allein gewiss werden Sie ihn bei unablässigem Forschen auffinden.

Zwar weiss ich wohl, dass Sie nicht alle Gelehrte werden sollen, um als solche an der Ausbildung der Wissenschaft unmittelbar Theil zu nehmen, allein auch mittelbar befördert sie jeder Gebildete und trägt zur Cultur bei durch Anwendung des vorhandenen geistigen Gutes im Leben, durch Verbreitung von Wahrheit in seinem Wirkungskreise und Bethätigung der Lehren, die er von der Wissenschaft empfangen. Diese Pflicht wenigstens mittelbar zu dem grossen Werke der Vervollkommnung der Menschheit beizutragen, ist uns Allen auferlegt.

Und nun zum Schlusse meines vielleicht schon zu langen. Vortrages noch wenige Worte über die Hoffnungen und Wünsche für unsere Anstalt im Allgemeinen. Lassen Sie uns Alle, verehrteste Zuhörer, mit Dank gegen die Vorsehung erkennen, wie dieselbe auch im verstossenen Jahre der mannigfaltigen Bewegungen unserer so regsamen Zeit ungeachtet sich erhalten und ausgebildet hat. Lassen Sie uns Alle dahin streben, auch in dem so eben angetretenen neuen Abschnitte ihres Lebens sie in fortwährender Thätigkeit zu erhalten. Lassen Sie uns in Sonderheit nie den Zweck derselben, welcher die Ausbildung und Ausbreitung der Wirtschaft ist, aus den Augen verlieren.

Es ist jedoch dieses keineswegs so zu verstehen, dass derjenige, der sich den Wissenschaften widmet, alles andere bei Seite setzen solle. Ich weiss wohl, dass es neben den Pflichten des Gelehrten als solchen, so wie des zukünftigen Gelehrten oder Studirenden und zum Theil über diesen Pflichten noch andere giebt, denen wir uns nicht entziehen sollen. "Denn wer hat wohl eine so unmässige Begierde nach Wissenschaft," sagt Cicero, "dass, wenn ihm während der Untersuchung der wissenswürdigsten Gegenstände eine Gefahr seines Vaterlandes hinterbracht würde, welche er abwenden, oder in der er ihm beistehen könnte: er nicht jenes Alles bei Seite legen sollte, um diesem zu Hülfe zu eilen, gesetzt auch, dass er gehofft hätte die Sterne zu zählen oder die Grösse der Welt auszumessen?" *)

Allein nicht ohne solche bestimmte Aufforderung sollen wir den Dienst der Musen verlassen um in denjenigen anderer Götter zweifelhafterer Natur überzutreten. Jene würden mit Recht uns zürnen, sie würden uns aus ihrem Reiche verstossen als unächte Priester und Schüler. Lassen Sie uns also so lange als möglich entfernt bleiben von jedem den Wissenschaften fremden Treiben. Nur dann kann unsere Hochschule hoffen, ja verdient sie ihre Erhaltung, ihre Anerkennung von einem redlichen Volke, von der parteilosrichtenden Nachwelt.

reden.arpa-docs.ch
Rektorats Reden © Prof. Schwinges
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