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Ueber den Werth der technischen Studien,

Professor Dr. Rambert
Professor am eidgen. Polytechnikum in Zürich.
ZÜRICH.
Trüb'sche Buchhandlung (Th. Schröter). 1880

Von

Ueber den Werth der technischen Studien,

Rede des Herrn Prof. Dr. Rambert am Jubiläum des eidgenössischen Polytechnikums am 31. Juli 1880.

(Autorisirte Uebersetzung aus dem Französischen von Dr. E. Schaerer.)

Meine Herren, hochgeehrte Zuhörerschaft!

Die Redner, welche Sie soeben gehört*), haben nicht nöthig gehabt, Ihnen ihre Berechtigung zum Auftreten vor Ihnen nachzuweisen. Ich dagegen, dessen Beruf hier das Wort zu ergreifen nicht ebenso einleuchtend sein dürfte, muss Ihnen zunächst gestehen, dass ich mich etwas beschämt fühle, mich von so vielen Kollegen umgeben zu sehen, welche unendlich besser befähigt wären, Ihnen über die Anstalt zu sprechen, deren Gründung wir heute festlich begehen, und welche dies in einer Sprache zu thun vermöchten, die von der Mehrheit des Schweizervolkes und der hier versammelten Personen gesprochen wird. Allein gerade was mich hätte sollen zurücktreten lassen, meine Herren, ist das, was meine Wahl hierzu herbeiführte. Man wollte aus Rücksichten der Höflichkeit und Gerechtigkeit wenigstens eine der Sprachen zum Worte gelangen lassen, die nur in einigen unserer Kantone gesprochen werden. Das ist der Grund, warum Sie mich an dieser Stelle sehen, beschämt und stolz zugleich, sowohl den Lehrkörper der polytechnischen Schule, als auch jenen Geist des gegenseitigen Wohlwollens zu vertreten, vermöge dessen an unsern Festen — und nicht nur an diesem — sich für Jeden eine Stelle findet.

Meine Herren, man hat Ihnen von der Vergangenheit unseres Polytechnikums und von dessen Bedeutung als nationaler Anstalt gesprochen. Gestatten Sie mir, Sie in ein anderes, mehr abstraktes Gebiet des Denkens zu führen, um Ihnen über die technischen Studien im Allgemeinen und von dem Platze, den dieselben in der Rangordnung der Wissenschaft und der Schulen einnehmen, zu sprechen. Wenn diese wenigen Gedanken einen Titel verdienen sollten, so könnte er etwa lauten: Ueber die Wichtigkeit der Würde der technischen Studien.

Wenn wir statt der Gründung einer polytechnischen Schule das Jubiläum irgend einer Universität, sei es einer schweizerischen oder einer ausländischen, feiern würden, so könnten Sie gewiss sein, meine Herren, dass auf dieser Tribüne oder auf der unserer Bankette, ein Redner stehen würde, der Ihnen den Beweis zu liefern suchte, dass der Vorzug der Universitätsstudien darin bestehe; dass sie erhaben seien über jegliche gemeine Anwendung, dass sie die höchste Interesselosigkeit des menschlichen Geistes, die um ihrer selbst willen gepflegte Wissenschaft, die Wahrheit, die gesucht wird, weil sie Wahrheit ist, anstreben — ohne Hoffnung auf einen andern Gewinn, als auf die Freude, sie zu besitzen. ,Edle Studien!' würde man da ausrufen, wahrhaft menschliche Studien (Humaniora), Studien von freien Männern nicht von an die Scholle des Faches gefesselten Sklaven, Studien, welche allein die ganze Fülle der Würde wissenschaftlicher Arbeit kundgeben und welche stets, trotz der Invasion der Nützlichkeits-Barbaren, die Ehre der Civilisation und die feste Burg der Intelligenz bleiben werden!'

Eine solche Rede, meine Herren, haben wir Alle gehört und vielleicht haben wir Alle ihr Beifall gerufen. Indessen darf ich mir die Gerechtigkeit widerfahren lassen, zu behaupten, dass ich niemals einer dieser stets wiederkehrenden Reden beiwohnte, ohne dass sich mir die Gedanken aufgedrängt hätten, die ich Ihnen hier vorzulegen wünschte. Fürchten Sie übrigens nicht, dass ich etwa einen Bürgerkrieg in der gelehrten Welt zu entzünden gedenke. Nicht will ich Altar gegen Altar aufrichten. Mein Ehrgeiz erstrebt Höheres: ich wünschte gerecht zu sein gegen Alle.

Die Art von Missachtung, die schon lange und noch jetzt immer, wenn auch in stetig abnehmendem Maasse, auf den technischen Studien lastet, erklärt sich zum Theil aus geschichtlichen Gründen. Es sind eben angewandte Studien, d. h. Studien, welche erst auf viele andere folgen. Sie stellen ein Ende und ein Ziel dar und können nicht ein Anfang sein. Das Erste, worauf der Mensch verfiel, als er sein Auge öffnete über die Welt und sich selbst, war, dass er nach dem lebenzeugenden Princip, nach dem Worte der Schöpfung suchte. Das sieht man auch heute noch die Kinder thun, die mit einem sinnenden Geiste begabt sind. In ihrem zehnten Jahre und noch früher thun sie Fragen, die durch ihre Tiefe und Allgemeinheit überraschen. Sie beginnen gleich mit hoher Spekulation. Kaum können sie laufen, so wollen sie schon den Himmel erklettern und suchen das Feuer dort oben zu stehlen. In jedem Kinderkopf steckt ein Prometheus. Daher eine erste Form des Wissens, naiv und erhaben, fruchtbar an grossartigen Kosmogonien und. die zu keinerlei praktischer Anwendung zu verwerthen

ist. Erst später, viel später gibt sie allmälig einem andern Wissen Raum, das positiv, aus Beobachtung und Experimenten sich aufbaut und auf richtigen Klassifikationen ruht.

Ein Aristoteles folgte erst auf einen Heraklit, einen Pythagoras, einen Platon. Die Männer wie Aristoteles, sie kommen endlich auch; aber das Werk, das sie weihevoll beginnen, ist eines jener Werke der Jahrhunderte, deren Anfänge schwer, deren Entwickelung lange Zeit hindurch durch die Unsicherheit der Methoden, durch trügerischen Schein, durch zähe Vorurtheile, durch die Unzulänglichkeit der Mittel aufgehalten wird. Es ist so schwer, richtig zu sehen, es bedarf einer so langen Lehrzeit, um mit Genauigkeit beobachten zu können, die Erscheinungen sind so verwickelt und man muss so viele Dinge kennen, um ein einziges recht zu verstehen! Lange Zeit erliegt fast die Wissenschaft angesichts der Unendlichkeit der Natur, angesichts der verschwenderischen Schöpferkraft. Dahn, im Augenblick, wo irgend ein Licht aufgehen will, da bricht eine Fluth der Barbaren herein, die Civilisation wird umgepflügt und es muss wieder von vorn angefangen werden. Die ununterbrochene Arbeit einer langen Reihe von Geschlechtern ist unentbehrlich, wenn die Wissenschaft eine Form annehmen, sich organisiren, sich Methoden schaffen, wenn eine richtige Arbeitstheilung die Gleichmässigkeit des Fortschrittes sichern soll. Dann sieht man, in dem Maasse, wie sie fortschreitet, die praktischen Anwendungen, die sie herbeiführen kann, allmälig auftreten. Zunächst erscheinen dieselben nur vereinzelt und wie verloren; dann, wenn sie zahlreicher werden, fangen sie an, sich zu gruppiren und schliesslich bilden sie geschlossene Gruppen, die nun selbst wieder zum Gegenstand eines regelmässigen und systematischen Studiums werden können.

Indessen warteten die Künste mit ihrer Entstehung nicht, bis sie behelmt und gewappnet aus dem Schoosse der Wissenschaft hervortreten konnten. Die erfinderische Noth hat für ihre ersten Entwickelungen Sorge getragen. Nicht die Abhandlungen über Metallurgie lehrten den Menschen das Eisen schmieden. Er waltete nicht die moderne Chemie ab, um die Stoffe für seine Kleidung zu färben, und er machte sich Hebel, Winden, Flaschenzüge, Maschinen, lange bevor ein Professor der angewandten Mechanik ihm deren Theorie hätte beweisen können. Die Werkstätten der Handwerker, die Zimmerplätze der Bauleute, die Laboratorien der Alchemisten waren die ersten polytechnischen Schulen. So bahnten sich die Künste ihren eigenen Weg, parallel mit der Wissenschaft: sie machten Anleihen bei ihr, erlauschten ihre Geheimnisse, ersetzten die Methoden, die dieselbe ihnen noch nicht geben konnte, mit Versuchen, mit Herumtasten und triumphirten nicht selten kraft ihres Genies über die Armseligkeit ihrer Mittel. Da die Wissenschaft

noch auf Vermuthungen beruhte, so musste die Kunst nothwendig erst empirisch sein.

Diese Zeiten sind nun vorüber und wir wohnen heutzutage einem grossartigen Schauspiele bei, dem Schauspiele der endgültigen Verbindung, der unauflöslichen Vermählung der Wissenschaft und der Kunst, der Theorie mit der Praxis. Dieses Ereigniss vollzog sich nicht gleichzeitig in allen Richtungen, wo sich die doppelte Bethätigung der Hand und des Geistes bewähren kann. Die Wissenschaften, welche am unmittelbarsten von der Mathematik sich ableiten oder vielmehr — denn je mehr man vorschreitet, desto mehr erkennt man, dass die Mathematik überall dabei ist — die Wissenschaften, welche mit derselben in dem unmittelbarsten und handgreiflichsten Zusammenhang stehen, waren die ersten, die sich ihrer praktischen Anwendung bewusst wurden und sich derselben selbst bemächtigten, um so eine sichere Methode in den Künsten zur Herrschaft zu bringen, deren Prinzipien sie enthalten und sicher stellen. Die Mechanik und die Astronomie überholten die Physik, welche dann ihrerseits der Chemie voranleuchtete. Fasst man aber die Dinge im Grossen und Ganzen,, so darf man, trotz dieser mehr oder weniger raschen Aufeinanderfolge, behaupten, dass die Ehe zwischen der Wissenschaft und der Kunst eine wesentlich moderne Thatsache ist, — so modern, dass unsere Greise beinahe deren Anfänge noch geschaut haben. Dies ist der Triumph dieses Jahrhunderts und dies wird die fruchtbringendste aller Revolutionen bleiben, deren Zeuge es geworden.

Nun aber war diese Revolution nothwendig, wenn die technischen Studien ihren Platz und ihren Rang sich erringen sollten.

Wenn die Zeit es uns erlaubte, diesem nur, allzu flüchtigen Rückblick auf die Vergangenheit eine kurze Geschichte der grossen europäischen Schulen hinzuzufügen vom Mittelalter bis auf unsere Tage, so würden wir eine ganze Anzahl von Thatsachen finden, welche denjenigen entsprechen, über die wir uns Rechenschaft zu geben suchen. Wir würden da die im Werden begriffenen Wissenschaften sehen, wie sie eine nach der andern um ihre Anerkennung und Aufnahme in die Universitätsprogramme ringen und sich um die Beachtung und Gunst der Staatsgewalt je nach dem Maasse ihrer Bedürfnisse bewerben. Einige der wichtigsten unter den Naturwissenschaften sind unter den letzten gewesen, die alle ihre Rechte geltend zu machen wussten. Die ältern Zweige blickten nicht immer mit günstigen Augen auf die jüngern. Heute sind es die Jüngsten unter den Jungen, welche ihr Recht verlangen. Es sind die angewandten Wissenschaften, welche die Forderung stellen, dass der Rahmen des höhern Unterrichts erweitert werde, um sie aufnehmen zu können. Man hat mit Verwunderung

auf diese Prätention geblickt, man hat ihren Adelstitel einzusehen begehrt. Sie werden triumphiren über diese Verwunderung, schon jetzt triumphiren sie alle Tage darüber und bald wird man sich noch darüber wundern, dass man hatte zögern können, ihnen die Pforten des Heiligthums zu öffnen.

Denn was hat man ihnen eigentlich vorzuwerfen?

Man wirft ihnen — in mehr oder weniger unbestimmten Worten — vor, sie seien keine interesselosen Studien.

Was will man damit sagen? Dass sie zu einer Carrière führen? Aber dasselbe ist bei sämmtlichen Universitätsfakultäten der Fall — ohne Ausnahme. Die jungen Leute, die um des blossen Vergnügens am Studium willen studiren und ihre Kenntnisse nicht nutzbringend anzulegen beabsichtigen, bilden nur eine kleine Zahl, und man braucht dies nicht zu bedauern, denn diese Dilettanten des Wissens sind selten die nützlichsten Arbeiter. Der Studirende des Rechts wird Anwalt, der Theologe wird Pfarrer: das ist genau so wie an der polytechnischen Schule, wo man sich bei aller unmittelbaren Beschäftigung mit der Wissenschaft, bei allem Bestreben, sie durch originale Arbeiten, die unaufhörlich verfolgt werden, zu fördern, mit der Heranbildung von Männern beschäftigt, die sich zu gesellschaftlichen Leistungen befähigen wollen, welche diese Schule allein zu gewähren vermag. In dieser Beziehung ist der Parallelismus zwischen den beiden Gattungen von Anstalten ein vollständiger.

Allein die Wissenschaft, sagt man, hat das Wahre zu ihrem Gegenstande, und die Anwendungen der Wissenschaft haben keinen andern Zweck als das Nützliche.

Ah, damit ist das Wort heraus! Das ist der alte, der ewige Gegensatz. Das Wahre und das Nützliche! Ich beeile mich, der Behauptung, dass es eine gewisse Auffassungsweise des Nützlichen gibt, die der Würde des Studiums wenig entspricht, meine Anerkennung nicht zu versagen. Ein junger Mann, der die Mathematik nur so weit erlernen wollte, als er sie braucht, um Stunden zu 2 oder 5 Franken geben zu können, würde vom wissenschaftlichen Gesichtspunkt aus nicht dieselbe Achtung verdienen, wie der, welcher bei deren Studium dieselbe vor allen Dingen gründlich erlernen wollte. Es gibt einen Unterschied, den ich nicht im mindesten abschwächen möchte, zwischen Demjenigen, der die Wissenschaft ergründen, und Dem, dessen einziger Ehrgeiz darin besteht, mit derselben ein Geschäft zu machen. Aber diese Geschäftsmänner der Wissenschaft, so achtungswerth sie sind, wenn sie ihr kleines Geschäft ehrlich betreiben, preisen ihre Waare nicht allein in den Verhallen der polytechnischen Schulen an, und Griechisch und Latein wird eben so oft feilgeboten, wie Algebra.

Halten wir uns nicht länger bei diesen Betrachtungen untergeordneten Werthes auf; sondern gehen wir gleich auf den bestrittenen Punkt selbst los!

Da haben wir zwei Formeln. Die eine ist der reinen Mathematik entnommen: sie setzt eine ideale Figur voraus, die niemals existirte, den vollkommenen Kreis, und drückt das Verhältniss des Halbmessers oder Durchmessers zum Umfang aus. Die andere ist der angewandten Mathematik entlehnt, der Industrie: sie setzt eine Maschine voraus, die nach gewissen Bedingungen konstruirt ist, welche nothwendig auch mehr oder weniger idealer Art sind. Sie nimmt einen Kessel an, der Dampf enthalten soll, und sie gestattet den Punkt zu berechnen, auf welchem die Dampfspannung stärker wird, als der Widerstand der Wandung. Die eine dieser Formeln ist einfacher, allgemeiner, und wird. häufiger in Anwendung gebracht. Darf man aber behaupten, sie sei wahrer und es liege in ihr eine höhere Würde? Darf man aber behaupten, der Menschengeist steige abwärts, wenn er von der erstem zur letztem übergehe?

Das soll nur ein Beispiel sein. Fassen wir die Frage in ihrer Allgemeinheit auf.

Sind das Wahre und das Nützliche zwei Begriffe, die man einander entgegensetzen kann? Man behauptet es. Ich läugne es. Zwei Namen sind es, oder wenn Sie lieber wollen, zwei Seiten einer und derselben Sache. Was wahr ist, ist in dem Maasse, als es wahr ist, nützlich und das, was nützlich ist, ist in dem Maasse wahr, als es nützlich ist. Das absolut Wahre und das absolut Nützliche wären, wenn man sie erkennen könnte, identisch. Was versteht man denn eigentlich unter diesem geheiligten Namen des Wahren und der Wahrheit? Es giebt Leute, die da meinen, die Wahrheit bestehe in einer besondern Idee oder Vorstellung, die durch gewisse, bestimmte Worte ausgedrückt werden könne und müsse, welche, eines an das andere gereiht, eine Formel bilden, und. wenn sie ihre Formel ausgesprochen haben, so sprechen sie: "Verbeugt euch, das ist die Wahrheit!" Ich will gerne glauben, dass wir darüber alle einig sind, meine Herren, dass wir uns hierüber eine 'weniger grobkörnige Vorstellung machten möchten. Allgemein gesprochen und den subjektiven Charakter unserer Auseinandersetzung vorausgesetzt, kann man sagen, die Wahrheit bestehe in einer richtigen Vorstellung der Dinge. Diese Definition wäre nicht unbedingt wahr bei den Thatsachen sittlicher Natur. Es kommt oft vor, dass die Sittenlehrer dem Worte Wahrheit einen ähnlichen Sinn leihen, wie dem Worte Aufrichtigkeit. Für sie ist Wahrheit nicht nur das Gegentheil von Irrthum, sondern auch von Lüge. Wir halten uns aber hier an die Thatsachen wissenschaftlicher Art, für

welche die von uns gegebene Definition ausreicht. Eine wahre Wissenschaft ist somit eine solche, welche die beobachteten Thatsachen genau wiedergibt. Wahrheit und Erkenntniss werden so gleichbedeutend. Der, welcher eine grössere Zahl von Dingen erkennt, besitzt auch eine grössere Zahl von Wahrheiten. Bleiben diese Kenntnisse in seinem Geiste zerstreut, ohne gegenseitige Beziehungen, so wird er nicht sowohl die Wahrheit, als vielmehr nur Wahrheiten besitzen. Der Besitz der Wahrheit, der ganzen Wahrheit würde die Gesammtheit aller überhaupt möglichen Erkenntnisse und diese so gut vereinigt und gruppirt, so gut einander nebengeordnet und untergeordnet voraussetzen, dass der Anblick jedes Theiles von demjenigen des Ganzen unzertrennlich wäre. Was soll das anders heissen, meine Herren, als dass in der Wissenschaft das Reich der Wahrheit kein anderes ist, als das Reich der Intelligenz? — Und nun das Nützliche? 'Was fangen wir damit an? Was nützlich sei, das Wort sagt es, es ist das, was man brauchen kann. Ihr baut Strassen, Brücken, Kanäle, ihr baut Schiffe, Häuser, Lokomotiven; ihr pflanzt Bäume, ihr züchtet Heerden, ihr webt und färbt Stoffe; ihr erzeugt, bereitet und konservirt Nahrungsmittel: sie, sind nützlich, weil ihr euch derselben bedient. Sie sind die unentbehrlichen Mittel zum Lebensunterhalt und zur Ausübung einer freien Thätigkeit. Sie sind euer Handwerkszeug. Ihr bedient euch dieser Dinge mit freier Wahl, je nach dem Augenblick, nach der Gelegenheit, nach Bedürfniss. Es giebt aber ein Werkzeug, das weder von Gelegenheiten, noch von augenblicklichen Bedürfnissen weiss, weil es stets nothwendig ist, das Werkzeug aller Werkzeuge, dasjenige, das sich der andern Werkzeuge bedient und das, sie geschaffen hat, um sie zu gebrauchen; ist es die Hand? oder das Auge? Es ist besser als das Auge, mehr als die Hand: es ist das Werkzeug, das unter der Stirn verborgen liegt, unter der Stirn des denkenden Menschen. Die Intelligenz, das ist sein Name! Sie kann man gebrauchen, immer und ewig gebrauchen! Das Reich des Nützlichen ist somit auch das Reich der Intelligenz. In dieser vermischen sich die Nützlichkeit und die Wahrheit.

Wenn man durchaus eine Rangordnung der Würde der verschiedenen Wissenszweige aufstellen wollte, so müsste man die verschiedenen Stufen je nach dem Grade ihrer Wichtigkeit für das Werk der Civilisation ordnen, zu welcher letzteren nicht nur die Wissenschaften und die technischen Künste, sondern auch die schönen Künste, die Industrie, der Handel, die Politik und die Religion beitragen. Man müsste die Frage aufwerfen, welches Diejenigen seien, deren Ausscheiden für die Menschheit den empfindlichsten Verlust herbeiführen würde. Meistentheils jedoch würde man Mühe haben, eine Antwort zu finden,

und bald würde man sich überzeugen, dass alle solidarisch mit einander verbunden sind. Ich gehe selbst noch weiter und behaupte, dass diese Solidarität nicht nur zwischen allen Zweigen der Wissenschaft, sondern auch überhaupt zwischen allen Thätigkeiten des menschlichen Geistes besteht. Sie sind solidarisch, d. h. eine kann nicht ohne die andere bestehen und dadurch stellen sie sich von Grund aus auf die gleiche Linie an Wichtigkeit und Würde. Betrachten Sie z. B. die Philologie, dieses Werk der reinen Wissenschaft, und die Sprache, deren Bildung das Ergebniss einer mehr oder weniger instinktiven Kunst und nicht einer systematischen Ausarbeitung gewesen. Es führt uns dieses Beispiel zwar ein wenig von den technischen Studien ab, aber es dient uns dafür nur um so besser, weil es uns einen Beweis liefert von der Tragweite der Solidarität zwischen den sich folgenden und unendlich mannigfaltigen Manifestationen der intellektuellen Thätigkeit. Ihr erster Gedanke wird sein, dass Sie die ungeheure Ueberlegenheit der Sprache betonen. Wenn Sie aber der Sache näher auf den Grund gehen, werden Ihnen Zweifel aufsteigen. Zunächst werden Sie sofort zugeben müssen, dass die Arbeit der philologischen Wissenschaft, welche die verloren gegangene Bildungsgeschichte der verschiedenen Sprachen, das Geheimniss ihres Ursprungs und des Ursprungs der Sprache überhaupt zu enträthseln strebt, im Grunde nicht weniger Erstaunen erregt, als die Entstehung jener wunderbaren Kunst, welche das Wort organisch bildete. Dann werden Sie zu der Ueberzeugung gelangen, dass trotz der Verschiedenheit der Zeiten und des Verfahrens eine grosse Aehnlichkeit zwischen den Wundern von Scharfsinn, den wir unsere modernen Philologen aufbieten sehen, und denjenigen besteht, welche nothwendig geschehen mussten, um sich eine Sprache wie diejenige unserer Voreltern, der ersten Arier, allmälig aus dem Chaos entwickeln zu lassen, das wir jenseits derselben voraussetzen müssen. Die Aehnlichkeit wird Ihnen schliesslich so gross erscheinen, dass Sie in der gegenwärtigen Wissenschaft eine Art von Fortsetzung der Kunst von ehemals erkennen werden. Die verlorene Geschichte der Schöpfung der Sprache wieder auffinden, heisst gewissermaassen dieselbe auf's Neue schaffen. Endlich werden Sie zu dem Ergebniss gelangen, dass jene beiden Schöpfungen, die Bildung der Sprachen und die Schaffung der Philologie, zu verschiedenen Zeiten zwei Nothwendigkeiten der Civilisation waren, und zwar so sehr, dass die erstere nicht stattgefunden hätte, wenn sie nicht späterhin die letztere hätte aus sich erzeugen sollen. Die Sprache ist auch in der That nicht bloss einfaches Werkzeug zur gegenseitigen Mittheilung unter den Menschen, sie ist ein Werkzeug für das Denken selbst. Das Denken hat sie geschaffen und vervollkommnet. Der Mensch wollte sich

selbst Rechenschaft geben über das, was er dachte, und dies Bedürfniss war es, welches bei den ,am höchsten begabten Völkern die vollkommensten Sprachen hervorbrachte. Heute will der Mensch, von demselben Bedürfnisse getrieben, sich über das Rechenschaft geben, was er spricht und was er überhaupt je hat sprechen können, und darum betreibt er die Sprachforschung mit so leidenschaftlichem Eifer. Die Bildung der Sprache und die der Philologie sind also zwei aufeinanderfolgende Wirkungen der einen und selbigen Ursache. Die thatsächliche Wirkung dieser Ursache aufheben, hiesse die heutige Civilisation aufhalten, in derselben Weise wie dies vor einigen Jahren geschehen wäre, wenn man die fortschreitende Entwicklung der Sprachbildung aufgehalten hätte. Und glauben Sie nicht etwa, dass uns die Wohlthat des zurückgelegten Fortschrittes in der Zwischenzeit bleiben würde. Denn, wenn es eine Regel von allgemeiner Gültigkeit giebt, so ist es die, dass der Menschengeist nie unbeweglich stehen bleibt. Wenn er nicht fortschreitet, so geht er zurück. Mit der Philologie würden auch die Geschichte, die Dichtkunst, die schönen Künste überhaupt zu Grunde gehen. Der Fortschritt würde unterbrochen, die Civilisation würde Stück für Stück verschwinden und das Resultat wäre unter beiden Voraussetzungen dasselbe, nämlich ein Rückschritt zur Kindheit oder vielmehr ein Verfallen in Stumpfsinn.

Nicht ebenso wie mit dein intellektuellen Organismus verhält es sich mit demjenigen, den wir im Pflanzenreich bewundern. Pflücken Sie ein Blatt von einem Baume, schneiden Sie einen Zweig ab, — der Saft wendet sich anderswohin, der verstümmelte Baum lebt und wächst fort. Im Thierreiche sind die Amputationen schon viel schwieriger und gefährlicher. Erheben Sie sich noch eine Stufe höher, treten Sie an's Reich der Intelligenz heran und Sie werden dieselben zur Unmöglichkeit werden sehen. In diesem ungeheuren Ganzen, das man Civilisation nennt, in diesem wunderbaren Organismus, der sein Geschäft verrichtet, ohne dass man weiss, wie es zugeht, ist der ganze Menschengeist überall gegenwärtig. Einen Zweig vernichten, heisst hier den Stamm verletzen, ein Blatt wegnehmen, heisst hier die Wurzel gefährden. Jeder Angriff der Unwissenheit oder der Barbarei auf die Civilisation setzt sich fort bis in's Herz, und wenn nicht eine wieder herstellende Thätigkeit auf dem angegriffenen Punkte selbst entstände, wenn das entfernte Organ nicht wieder hergestellt würde, so müssten alle Verwundungen schliesslich zum Tode führen.

Wir müssen freilich zwischen den verschiedenen wissenschaftlichen, Disciplinen einen Unterschied machen, — wir werden dazu durch die Schranken unseres Geistes und durch die kurze Dauer unseres Lebens genöthigt. Allein im Grunde gibt es nicht mehrere Wissenschaften: es

gibt nur die Wissenschaft, welche in ihrer Verschiedenartigkeit doch nur eine und überall sich selbst gleiche ist. Ihre sich folgenden Fortschritte bringen nothwendige Folgen mit sich, welche je nach den Zeiten verschiedene sind. Eine der gegenwärtig sich geltend machenden Nothwendigkeiten besteht darin, dass das Studium der angewandten Wissenschaften nicht mehr als eine blosse Nebensache betrachtet werde, die man den "Profanen" überlässt, sondern dass es sich zu einem selbstständigen Theil der Wissenschaft erhebe, der einen Leib mit der Gesammtheit bildet und von dieser nicht mehr abgetrennt werden kann. Weit entfernt, sich zu erniedrigen, vervollständigt sich so die Wissenschaft und setzt sich selbst die Krone auf und wird menschlicher, sittlicher, indem sie sich der' Praxis zuwendet und sich wohlthätig über das ganze Leben verbreitet. Ausser dem Nutzen einer grössern Popularität, einer rühmlichen Beachtung zieht sie hieraus und wird sie immer mehr ziehen ' einen unmittelbaren Vortheil, d. h. Vermehrung ihrer eigenen Kraft. Neue Vorzüge wird. sie hieraus sich erwerben, sie wird etwas von der Geschmeidigkeit und dem Zartgefühl der Kunst gewinnen; sie wird sich schliesslich von der Steifheit und Pedanterie losmachen, die von ihrer Isolirung stammten. Man wird sie mehr und mehr sich vor der Natur beugen, sich ihr anschliessen, diese mit einer immer schärfern Aufmerksamkeit befragen und noch erfinderischer in ihren Methoden und ihrem Verfahren werden sehen, so dass es schliesslich schwer fallen dürfte, die gegenseitigen Dienste abzuwägen: die Kunst wird der Wissenschaft zurückerstattet haben, was die Wissenschaft ihr geliehen hatte.

Die Würde der Studien beruht somit nicht auf deren Gegenstand. Sie beruht einzig und allein auf dem Geiste, mit dem sie betrieben werden. Dies führt mich zu dem einzigen thatsächlichen Grunde, der jenen missgünstigen und eine geringschätzige Protektion verrathenden Blick erklärt und bis zu einem gewissen Punkte rechtfertigt, den die reinen Universitätsmänner noch zuweilen den polytechnischen Schulen zuzuwerfen pflegen. Letztere haben ihre Stelle beansprucht, ohne gleich von Anfang die Forderung zu stellen, an den schon bestehenden Anstalten für den höhern Unterricht Theil zu nehmen. Sie haben nicht an den Pforten der Universität angeklopft; im Gegentheil, sie haben sich gegenüber der Universität angesiedelt und sich nach ihren besondern Bedürfnissen organisirt. Die Universität war keineswegs vorbereitet, sie aufzunehmen, ebenso wenig als die jungen Männer, zu deren Gunsten man sie schuf, zum Eintritt vorbereitet waren. Da sie die Ueberlieferungen der empirischen Kunst, ihre unregelmässigen Schulen und das Beispiel der geschickten Maschinenbauer, Ingenieurs und Mechaniker aller Art hinter sich hatten, welche keine klassischen Prüfungen

Specialisten, sondern auch und vor Allem das bedarf, dass in allen Hauptrichtungen, in denen sich die civilisatorische Thätigkeit entfaltet, die Männer, welche eine hervorragende Stellung einnehmen, Männer mit weitem Gesichtskreis und befähigt seien, die Gesammtheit der menschlichen Dinge zu begreifen. Ich sage, es ist verderblich, sich in einem Lande zwei Bildungen festsetzen zu lassen, die gleichzeitig ungleich und Nebenbuhler sind und von denen jede auf das Recht höherer Bildung Anspruch macht. Ich sage, das heisst den Samen von Missverständnissen und der Zwietracht ausstreuen, der in allen Kreisen des nationalen Lebens aufgehen wird... Aber ich darf nicht länger bei diesem Punkte verweilen. Die Sache, die ich führe, ist moralisch schon gewonnen und die praktischen Schwierigkeiten, die ihrem völligen Siege sich noch entgegenstellen können, werden jenem Bedürfniss nach Fortschritt, das eine der Zeitmächte geworden ist, keinen ewigen Widerstand leisten. Oder betrachten Sie nur die theils weisen oder vollständigen Reformen, welche in den letzten fünfzehn bizwanzig Jahren auf den grossen polytechnischen Anstalten Europa's stattgefunden haben. Sie hatten keineswegs den Zweck, die Programme einzuschränken, sondern dieselben vielmehr zu erweitern und zu verstärken. Statt die Aufgabe zu erleichtern, haben sie dieselbe zur Höhe der wachsenden Anforderungen der Wissenschaft und der Kunst erhoben. So hebt sich der beim Tangiren begangene Fehler wieder auf. Er wird ganz verschwinden und die Zeit ist nicht ferne, wo die Schulen für die angewandten Wissenschaften mit den Universitätsfakultäten ein harmonisches Ganzes bilden werden.

Ich verstehe darunter keineswegs, dass zwischen der Universitäts- und der technischen Schule eine Fusion im eigentlichen Sinne des Wortes stattfinden solle. Dies ist eine Frage für sich, die vorbehalten bleiben mag. Vielleicht gibt es Gründe, sie getrennt zu erhalten. Auch das meine ich nicht, dass die Kenntniss der alten Sprachen oder auch nur des Lateinischen als eine conditio sine qua non den Studien unserer künftigen Techniker auferlegt werden solle. Ein Mann, dessen Autorität gross ist, Goethe, hielt dafür, dass ein Deutscher ohne andere Mittel als mit seiner Muttersprache eine vollständige Bildung sich erwerben könne. Was von der deutschen Sprache gilt, wird aber wohl auch für andere Sprachen gelten, die eine nicht weniger reiche Literatur besitzen. Alles, was ich verlange, ist nur eine Garantie gegen das Hereinbrechen einer unwissenden, jedes umfassendem Gedankens und jedes höhern Blickes baren Menge in die höhern technischen Studien und Carrièren. Auf das Werkzeug der Bildung kommt es mir wenig an, wenn nur die Bildung vorhanden ist. Wenn einmal die jungen Leute, die sich den technischen Studien widmen, eine Reife des Geistes

haben werden, welche derjenigen entspricht, die zum Eintritt in die Universitätsstudien erfordert wird, dann werden die Fragen bezüglich der Disciplin bald gelöst sein, die Aufgabe der Direktoren wird verhältnissmässig leicht sein. Zahllose Konflikte werden vermieden werden und die studirende Jugend wird, statt zwei getrennte Lager zu bilden, welche Mühe haben, sich zu verstehen, nur ein einziges Volk von Arbeitern sein, die sich in unabhängige Gruppen vertheilen, aber stets bereit sind, sich die Hand zu drücken. Dann werden die eiteln Eifersüchteleien und kleinlichen Reibereien einem herzlichen gegenseitigen Verständniss, einem brüderlichen Wetteifer Platz machen, das Wahre und das Nützliche werden ihre Sache zu Einer machen, man wird nicht mehr von interessirten und beinteressirten Wissenschaften sprechen und nicht mehr Reden anhören müssen wie die, mit der ich Sie heute ermüde.

Das Bild, das ich soeben entworfen, ist in einigen Partien vielleicht etwas idealistisch. Aber dieses Ideal ist, ich bin davon auf's Innigste überzeugt, dasjenige, zu welchem die Wünsche der grossen Mehrheit der hier versammelten Personen und besonders die Ihrigen, meine Herren Kollegen, hinstreben, in deren Namen ich hier zu sprechen die Ehre habe. Ich bin auch versichert, meine Herren Abgeordneten der hohen eidgenössischen Behörden und meine Herren Mitglieder des eidgenössischen Schulrathes, dass es das Bild ist, auf welches Ihre Blicke sich richten. Schon lange arbeiten Sie an der Verwirklichung wenigstens von dessen wesentlichsten Bedingungen. Dessen Beweis finde ich in der Wichtigkeit, die Sie von Anfang an den theoretischen Studien beigelegt haben, welche in jeder Abtheilung den praktischen Uebungen und den Specialkursen vorhergehen: Sie wollten, dass die Grundlage breit und fest sei. Einen andern Beweis finde ich darin, dass Sie der Schule eine Abtheilung von freien Kursen über die mannigfaltigsten Zweige des Wissens beigegeben haben, damit jeder unserer Schüler Gelegenheit habe und die Mittel finde, die Lücken seiner allgemeinen Bildung auszufüllen. Einen dritten Beweis erblicke ich in einer Reihe von. Modifikationen, welche die Programme und die Studienpläne der verschiedenen Abtheilungen in diesem Vierteljahrhundert erlitten haben und welche nie einen andern hatten, als dieselben zu vervollständigen und zu kräftigen. .Einen letzten und nicht den uninteressantesten finde ich endlich in den jüngsten Berichten betreffend die möglichen oder demnächstigen Verbesserungen, welche einen entschiedenen Fortschritt auf der Bahn darstellen würden, die ich Ihnen nicht vorzuschlagen brauche, weil Sie sie sich selbst vorgesetzt haben. An Ihnen, meine Herren, ist es, Stunde und Maass zu bestimmen. Wir vertrauen auf Ihre Weisheit, und wenn unsere Wünsche für Sie eine Ermuthigung sein könnten, so dürfen Sie glauben, dass dieselben Ihnen nicht fehlen werden. Das ist auch das Ziel, das Sie, unsere ehemaligen Herren Schüler, verfolgen, welche wir hier so zahlreich um uns versammelt sehen. Diese Schule hat Ihnen offenbar, trotz der bei jedem

Anfang unvermeidlichen Unvollkommenheiten, ein gutes Andenken hinterlassen, da Sie mit so viel Eifer zu dessen Feier und Neubelebung herbeigeeilt sind. Die Schule hat aus Ihnen keine Männer des engherzigen Urtheils, keine bornirten Praktiker gemacht, da Sie ja die Ersten sind, die für Ihre Nachfolger die Wohlthat noch gediegenerer und erweiterterer Studien beanspruchen. Beharren Sie in dieser Haltung, meine Herren, fahren Sie fort mit Ihren thätigen Sympathien, mit Ihrer stets wachen Aufmerksamkeit und mit den Rathschlägen einer Erfahrung, die sich fortwährend erneuert und auffrischt, eine Anstalt zu stützen, deren Lehrer stolz darauf sind, Sie zu Schülern gehabt zu haben. Welche andere Unterstützung könnte derselben werthvoller sein? Von Ihnen gestützt, fühlt sie sich von den besten Kräften der Nation gestützt, von deren jungen und lebendigen Kräften. Sie für sich zu haben, heisst die Zukunft für sich haben. Und Sie, junge Männer, unsere gegenwärtigen Schüler, was soll ich zu Ihnen sagen in diesem Augenblicke? Denen, welche uns zu verlassen im Begriffe stehen, möchte ich einen Wunsch aussprechen, nämlich den, dass Sie, wenn in fünfundzwanzig Jahren ein ähnliches Fest wird gefeiert werden, sich Alle hier wieder einfinden möchten, froh der Laufbahn, deren Schranken Ihnen Ihre Studien werden geöffnet haben, und beseelt von denselben Bestrebungen wie Ihre gegenwärtigen Vorgänger. Denen die uns verbleiben und deren Nachfolgern, wenn meine Stimme sie zu erreichen vermag, habe ich nur Ein Wort zu sagen: Das Ideal, das ich eben erst zeichnete, es liegt nur an Ihnen, es zu verwirklichen. Jeder für sich selbst. Die Qualität der Studien hängt nicht allein vom Lehrer und von der Schule ab, sondern auch und zwar ganz besonders vom Schüler. Prägen Sie sich diese fruchtbare und täglich anwendbare Wahrheit tief in Ihren Sinn, dass nicht der Gegenstand des Studiums, sondern der Sinn, den man für dasselbe mitbringt, dessen Werth bestimmt. Denken Sie nicht zunächst an das, was heute nützlich ist, sondern an das, was es morgen sein wird, — übermorgen, immer. Denken Sie an das Werkzeug aller Werkzeuge. Studiren Sie nicht einzig und allein, um praktisch thätig zu werden, studiren Sie, um zu wissen und Sie werden nur um so praktischer werden. Setzen Sie die Zukunft, die Sie erwartet, nicht zum Voraus herunter. Nähren Sie sich mit hohen Gedanken. Veredeln Sie Ihre Arbeit durch jenen steten Hinblick auf das höchste Wahre, welches das höchste Nützliche ist, damit Sie von hier noch etwas Anderes mitnehmen als blosse Formeln, etwas Anderes als kalte Kenntnisse, einen Schatz an Muth und Begeisterung, den Glauben an Ihren Beruf und den festen Vorsatz, Ihnen selbst, der Schule. die Sie auferzogen, der Kunst, der Wissenschaft und dem Vaterlande, dem Sie dienen werden, Ehre zu machen.