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Rede zur Jahresfeier der Eröffnung der Hochschule in Bern,

den 15. November 1837

gehalten

Dr. Maximilian Perty,

ordentl. Professor und d. z. Rektor der Hochschule.

Bern / 1837.

Gedruckt bei C. Fischer u. Comp. .

Hochgeachtete HH. Grossräthe, Mitglieder des Regierungsrathes und Erziehungsdepartements! Hochgeehrte HH. Professoren und Dozenten! Wertheste studierende Jünglinge! Verehrte übrige Anwesende!

Der vierte Jahrestag der Hochschule von Bern sieht uns in diesem an Erinnerungen reichen Saale versammelt, in bewegtem Gemüthe deren Vergangenheit und Zukunft zu erwägen, die zurückgelegte Bahn zu überschauen, die vor uns liegende zu erforschen. Das Vertrauen des akademischen Senats, die Billigung der hohen Behörden hat für den heutigen Tag mich berufen, dieser hohen und schönen Aufgabe nachzukommen. Möchten Sie, hochgeachtete und hochgeehrte Anwesende! mit meinem kräftigen Bestreben, ihr zu genügen, die Mängel der Lösung entschuldigen, möchten Sie an meiner Liebe und Hingebung für unsere schöne Anstalt nicht zweifeln, wenn meine Rede minder reich und treffend erscheint, als jene der verdienten Männer, welche vor mir an diesem Tage und an dieser Stelle gesprochen!

Ich wende mich vor Allen an Sie, hochgeachtete würdige Stellvertreter des Volkes, Gesetzgeber

der Republik, Mitglieder der hohen Regierung und des Erziehungsdepartements! Ihrer Erhebung, Ihrem Muthe, Ihrer Beharrlichkeit danken wir, das unsere Anstalt, die jüngste ihrer Schwestern, in's Leben getreten ist, dankt die Wissenschaft, dass ihr ein neuer Tempel errichtet wurde, dankt das Vaterland, dass seine Söhne auf eigener Erde zu den höhern Stufen des Wissens und der Geistesbildung emporzusteigen vermögen. Sie haben die Hochschule auf der Basis der alten Akademie aufgeführt, an welcher gelehrt zu haben, ich stets stolz sein werde, aber dessen ungeachtet nicht verschweigen kann, dass sie bei allen Vorzügen und trefflichen Leistungen doch den Forderungen eines umfassendern und reichern Unterrichts nicht mehr genügen konnte. Sie wollten nicht, dass Bern, das Herz und die Stärke der Eidgenossenschaft; dass das regenerirte Bern, in den höhern Unterrichtsanstalten hinter andern Kantonen zurückbleibe. Sie hörten auf den ernst mahnenden Ruf der Zeit, welcher gebieterisch fordert eine höhere Entwicklung der Intelligenz, die nur durch rastloses Fortschreiten auf der Bahn des Unterrichts und der Erkenntniss errungen wird ,— Sie hörten auf ihn, und kamen ihm nach. Es erstand diese Hochschule, mit verhältnissmässig grosser Kraftentwicklung gegründet, nicht nur in den Hauptfächern, sondern in allen nur einigermassen wichtigen Nebenfächern des Wissens gründlich und vollständig besetzt. Da wurde nicht um eine Kleinigkeit gemarktet, wenn es sich um Gewinnung eines verdienten Lehrers, um Erweiterung eines schon vorhandenen Attributs, um Gründung eines neuen handelte.

Gleich ferne von der geringsten Vergeudung des Nationalguts, wie von jener kümmerlichen Sparsamkeit, welche nichts freudig gedeihen, das angefangene Werk zwischen Tod und Leben schwanken lässt, (der verderblichste Zustand!) wurde, obschon mit weiser Oekonomie, nicht nur für das Nothwendigste, sondern auch für das Nothwendige, für das Gute und Schöne gesorgt. In den drei Jahren des Bestehens unserer Hochschule, fanden die bereits an der Akademie vorhandenen Attribute ihren Fortbestand gesichert, und hatten sich mancher Bereicherungen zu erfreuen. Nebstdem wurden neue gegründet: es erhob sich ein herrliches, grossartiges Anatomiegebäude, das chemische Laboratorium wurde verbessert und mit neuen Apparaten bereichert, eine Sammlung chirurgischer Instrumente wurde angeschafft, der Grund zu einer zoologischen Sammlung gelegt; bald wird sich ein neuer Kunstsaal erheben, dessen Bau bereits beschlossen ist, und dadurch auch für das physikalische Kabinet und die physikalischen Vorträge eine bessere Lokalität gewonnen werden. — Die Hochschule hat schon früher ihr Bestehen den übrigen Universitäten des gemeinschaftlichen Vaterlandes und des Auslandes angezeigt, und von vielen derselben, von einigen noch in der jüngsten Zeit, Glückwünsche und Geschenke ihrer Programme und Abhandlungen erhalten. —Im Volke selbst, durch und für welches die Hochschule gegründet ist, beginnt sie tiefere Wurzel zu schlagen, und innigere Anerkennung zu finden. Diese äussert sich nicht durch laute Lobeserhebungen, aber durch praktische Theilnahme. Die Bemühungen mancher Lehrer, die Anstalt dem Publikum zu

befreunden, indem sie einzelne Zweige der Wissenschaft einem grössern Kreise Gebildeter zugänglich machten, (ein nicht zu vernachlässigender Nebenzweck jeder höhern Unterrichtsanstalt) haben durch den Anklang; den sie gefunden, den schönsten Lohn und unzweideutige Anerkennung erlangt. Ist die Zahl unserer Studierenden auch nur mässig, so wissen wir Alle, dass die Gründe hievon in äussern Verhältnissen liegen, die zu ändern nicht in unserer Macht liegt, welche aber die Alles ausgleichende, gerechte Zeit zuverlässig ändern wird. Verwerflich ist aber das Argument, dass eine geringere Zahl von Studierenden auch geringere Lehrkräfte bedürfe. Eine Hochschule ist der Inbegriff aller Zweige des menschlichen Wissens; alle müssen repräsentirt sein, damit der Baum der Erkenntniss in all' seinen Organen sich entwickeln könne. Eine mässige Zahl von Studierenden verlangt dieselbe Vielseitigkeit, Vollständigkeit und Gründlichkeit des Unterrichts wie eine grössere: hierin besteht das intensive Verhältniss der Hochschule, das würdig zu erfüllen in unsere Macht gegeben ist, während die Frequenz ihr extensives Verhältnis bildet, welches durch eine Konkurrenz günstiger äusserer Umstände erzeugt wird, die später oder früher, aber jedenfalls gewiss sich für eine Anstalt vereinen werden, welche nach Kräften ihrer Bestimmung nachzukommen bemüht ist. Und ich glaube, hochgeachtete Herren! dass der Hochschule Bern's in dieser wie in jeder andern Rücksicht kein Vorwurf zu machen ist. Wie die hohen Behörden ihrer Aufgabe durch eine gründliche und vollständige Organisation der Lehrkräfte nachgekommen sind,

so haben auch Lehrer und Lernende die Ihrige durch möglichste Kraftentwicklung erfüllt. Die im letzten Jahre zu Stande gekommenen Vorträge sind — neben literarischen Leistungen, — ein sprechender Beweis hiefür. Ihre Zahl belief sich, nach den amtlichen Berichten meines Herrn Vorgängers, im Wintersemester 1836/37 auf 102, im Sommersemester 1837 auf 101. — Es kann nicht fehlen, hochgeachtete und hochgeehrte Anwesende, dass in wenigen Jahren schon die wohlthätigen Ergebnisse unserer Anstalt in der Masse der Bevölkerung fühlbar werden. Mit jedem Jahre wird eine Anzahl junger Männer dem Volke zurückgegeben, welches sie, sein theuerstes und edelstes Gut, uns anvertraut hat. Für die verschiedenen Zweige der Justiz, der Verwaltung, des Kultus, des Medizinalwesens, des höhern Unterrichts, werden junge Männer erstehen, — ein frischer Strom geistigen Lebens wird die Massen befruchtend durchdringen, und sie für die höhern Aufgaben des republikanischen Lebens insbesondere, des menschlichen Lebens überhaupt, tüchtig machen. —Wer könnte zweifeln, Gesetzgeber der Republik, Mitglieder der hohen Behörden, dass Sie jene Liebe, jenen Eifer, welcher Sie zur Gründung der Hochschule begeisterte, ihr auch für ihre Fortdauer bewahren werden? Wer könnte daran zweifeln, wenn er anders den in der Geschichte beurkundeten Geist des edeln Volkes von Bern kennt, das sich stets in grossartigen, für Jahrhunderte berechneten Schöpfungen gefallen hat? Ja, wir sind überzeugt, hochgeachtete Herren, dass dem Feuer und der Erhebung, womit die Gründung der Hochschule beschlossen wurde, nur die Besonnenheit, Ausdauer und Liebe gleichkommen

könne, mit welchen Sie für die Hochschule wachen, und jeden Angriff auf ihre Existenz, von welcher Seite und in welcher Maske er auch kommen mag, zurückweisen werden. Denn fürwahr, nur in diesem beharrlichen Wohlwollen ist deren Gedeihen möglich. Sie ist ein zartes Gewächs, das keine rauhe Behandlung verträgt, das lebendige Theilnahme verlangt, wenn es blühen und die süssen Früchte tragen soll, die Sie von ihr erwarten dürfen, wenn sie sich Ihrer bisherigen Sorgfalt, Ihres bisher bethätigten Wohlwollens erfreuen wird!

Die politischen Gegner wissen einem Institut, welches sie, als von der neuen Ordnung der Dinge ausgegangen, nicht lieben, nichts Böses nachzusagen. Möchte eine Zeit kommen, wo ihre Gleichgültigkeit, ihre Kälte und scheue Zurückhaltung sich in aufrichtige, in freundliche Theilnahme verwandelt! Möchten sie erkennen, dass Abneigung nur Abneigung erzeugt, dass Vornehmthun Männern von weitem Geisteshorizont nicht imponiren kann, und dass das Gleiche niemals wiederkehrt. — Sollen hier jene unverdienten Vorwürfe berührt werden, die den von auswärts gekommenen akademischen Lehrern als Fremden gemacht wurden? Wurden nicht .auch zur Zeit, als ein anderes System in diesem Lande herrschte, wissenschaftliche Männer aus der Ferne berufen, wie überall? Verlassen wir einen Gegenstand, über welchen die Verständigen jeder politischen Ansicht längst entschieden haben. — Als Ganzes, als Korporation dient die Hochschule keiner Parthei, erkennt jedoch die Staatsgrundsätze an, welche die Majorität des Volks, das sie gegründet, ausgesprochen

hat. In ihren Zwecken ist sie für Alle! Ihr Wahlspruch ist: Wahrheit und Vernunft! Ihr Endziel: Wissenschaft und Humanität! — Sie ist eine schweizerische, eine Bernische Anstalt. Möchte sie wenigstens als solche von den politischen Gegnern anerkannt und gefördert werden. Ein grossherziges Entgegenkommen, ein Anerkennen des allgemein Guten und Wahren auch bei anderer Denkweise, versöhnt die Gegensätze, und füllt die tiefe Kluft zwischen verschiedenen Ueberzeugungen. Möchten diejenigen, welche bis jetzt nur Kaltsinn für die Hochschule hatten, die doch für sie eben so gut vorhanden ist, und von ihnen benützt wird, auch werkthätig sie fördern helfen! Möchten sie zu den bedeutenden Opfern des Staates auch die ihrigen fügen! Die Bibliothek der Stadt bedarf einer reichern Dotation, wenn sie den wissenschaftlichen Forderungen der Zeit genügen soll, der botanische Garten einer Umgestaltung und Erweiterung, das Naturalienkabinet, welches bis jetzt keine andere Bestimmung hatte, als die Schaulust der neugierigen Menge zu befriedigen, kann unbeschadet dieses bisher alleinigen Zweckes seines Daseins, eine edlere Bedeutung erlangen, wenn es auch für den Unterricht der Hochschule, wenn es für die Wissenschaft geöffnet wird. Hier ist Gelegenheit zu zeigen, ob man es mit der studierenden Jugend, mit der Hochschule, mit dem Vaterlande redlich meine, und ihr Bestes wolle, hic labor, hic opus!

Ich wende mich an Sie, hochgeehrte Herren Professoren und Dozenten, verehrteste Herren Kollegen im Lehrfache! Von Nord und West hat uns die Regierung dieses schönen Landes zu gemeinsamer Thätigkeit

berufen, beizustehen den verdienten und würdigen Männern, welche diesem Boden entsprossen, schon früher an ähnlichem Werke thätig waren. Obwohl an Vaterland, an Meinungen und Sprache verschieden, hat der gemeinschaftliche erhabene Zweck all' unsere individuellen Rücksichten in den Hintergrund treten lassen, um mit ganzer Kraft für ihn zu leben. Freudig erkennen die von auswärts Gekommenen unter uns jede Liebe, jede Hingebung an, die ihnen von den eingebornen Kollegen erwiesen worden ist; in dankbarem Gemüthe lebt ihnen die Nachsicht, mit welcher ihre Eigenthümlichkeit, mit welcher das Fremde; was ja der Natur der Sache nach, ungewohnt berühren musste, ertragen wurden. Ich bin überzeugt, dass ein schönes und friedliches Verhältniss zwischen uns Allen fortbestehen werde, und dass vorübergehende Differenzen, wie sie im Leben einmal unvermeidlich sind, durch versöhnliches Entgegenkommen nicht verewigt werden. Weit entfernt, einigen Kampf, einige Opposition und Rivalität zwischen den Fakultäten oder zwischen Einzelnen für ein Uebel zu halten, — sie erfrischen ja, und bewahren vor Erschlaffung, — wollen wir uns nur hüten, dass sie nie, statt als Zeichen lebendigen Strebens zu erscheinen, den Charakter der Bitterkeit und Leidenschaftlichkeit annehmen. Nie möge kleinliche Eifersucht unter uns sich einschleichen, und Eintracht und Geselligkeit stören; nie soll uns die freudige Anerkennung des Verdienstes unserer Kollegen verlassen, nie eine bestimmte Richtung, die wir eingeschlagen haben, uns blind machen gegen die Leistungen Anderer, deren Weg mehr oder weniger von dem unsrigen

abweicht, ja ihm vielleicht entgegengesetzt ist. Will nicht der grosse Geist, welcher das All durchdringt und belebt, Mannigfaltigkeit, als Verkünderin seiner Macht und Fülle? Sollen nicht auch in der Wissenschaft, wie in der Natur und im Menschenleben verschiedene Gestaltungen erstehen, verschiedene Wege gegangen werden? Wer masst sich an, zu behaupten, er allein habe das Wahre gefunden, das kein Sterblicher weiss? Ach die Zeiten ändern die Systeme, und im grossen Kreislauf der Dinge wähne das Einzelne nicht, unbewegt im Centrum bleiben zu können! Ueber allen wissenschaftlichen Leistungen steht die sittliche Kraft, welche zu ihrer Vollbringung nöthig war. Das Talent und die Geschicklichkeit haben wir uns nicht gegeben, sondern sie nur geübt; die Umstände sind nur zum Theil unser Werk; so bleibt als unser eigenstes Theil nur jene in unserm freien Willen sich äussernde moralische Kraft, welche Ueberwindung dei Trägheit, Verzichten auf manche Freude des Lebens, Opfer von vielerlei Art erfordert, und die zur Vollbringung alles Grossen, zum Erreichen jedes Gipfels im Menschenleben unentbehrlich ist. Dieses mögen wir beherzigen; wenn wir unsern eigenen Werth bemessen; an Andern wollen wir aber das Gute und Schöne schätzen, wo wir es finden, ohne ängstlich nach seinem Ursprung zu forschen, und ohne Verkleinerungssucht den achten, der mit ihm geschmückt erscheint. — Die Wege des Hochschullehrers sind rauh und schön, wie die Felsenpfade der Alpen. Aufwärts klimmen zur reinen Atmosphäre reicht er der jüngern Generation die Hand, sie auf die Höhen der

Wissenschaft zu geleiten, wohin das niedrige Treiben nicht reicht, und wo sich der Gesichtskreis des Geistes in unbegrenzte Fernen erweitert. Ist es nicht, hochgeehrte Herren Kollegen! eine herrliche Bestimmung, für Menschenbildung thätig zu sein? Setzen wir nicht gleichsam das Werk fort, welches der Schöpfer selbst begonnen hat? Bestreben wir uns, nach seinem Vorbilde zu wirken; suchen wir, in der uns anvertrauten Jugend jene harmonische Entwicklung aller Geistes- und Gemüthsvermögen. herbeizuführen, welche die Natur im menschlichen Organismus, ihrem edelsten Gebilde erreicht hat. Lassen wir nie den sittlichen, den übersinnlichen Grund ausser Augen, auf welchem die Wissenschaften wurzeln müssen, wenn sie wohlthätig wirken sollen. Die Masse zusammengehäufter Erfahrungen, Sätze und Kenntnisse, wie sie der künftige Beruf verlangt, kann nicht für den mangelnden organischen Zusammenhang entschädigen, und schlecht ist für die edlern Bedürfnisse, für die edlere Bestimmung des studierenden Jünglings, des Menschen gesorgt, wenn jenen die Beziehung auf den ideellen Urgrund aller Erkenntnis fehlt, wenn stets nur das handwerksmässige gewöhnliche Bedürfniss befriedigt wird, wenn neben einseitiger Verstandesbildung das Gemüth ohne Wärme, ohne Befruchtung, ohne höhere Eingebung bleibt. Die Wissenschaften sollen nicht bloss das Gedächtnis erfüllen, den Verstand beschäftigen und aufklären, zur Ausübung des irdischen Berufes befähigen: sie sollen die Schönheit auch in der Wahrheit erscheinen lassen, sie sollen auch den Geist erheben und beflügeln, damit er seiner

wahren Heimat nicht vergesse, und des Aufschwungs zu ihr mächtig sei. — Ich halte dafür, hochgeehrte Herren Kollegen im Lehrfache! dass die Wissenschaften unbeschadet ihrer Wahrhaftigkeit und Würde auch mit dem Leben in nähere Beziehung zu treten vermögen. Wenn es der Akademie mehr eigen ist, (dieses Wort in der Bedeutung genommen, welche in Deutschland und Frankreich damit verbunden wird) sich in abstrakten Forschungen abzuschliessen, welche nur für den Fachgelehrten Interesse haben, der sie an seinem Pulte verarbeitet, und im engen Kreis der Männer vom Fach verbreitet: so möchte es zum Wesen der Hochschule gehören, dass sie, versteht sich, ohne ihre nächsten Zwecke zu verabsäumen, ihren Lehr- und Wirkungskreis auch über die studierende Jugend hinaus erweitere. Die Menschheit will ein lebendiges Eingehen in ihre Bedürfnisse, eine thätige Wechselwirkung zwischen allen ihren Gliedern, welcher sich die Wissenschaft auch dieser Richtung nach, nicht entziehen darf. Es scheint auch, als wenn die hier ausgesprochene Ansicht auf sehr vielen Hochschulen vorherrschte, an welcher ihr zu Folge Vorträge für ein grösseres Publikum gehalten werden, ohne dass bis jetzt andere als wohlthätige Wirkungen sichtbar geworden wären. — Vergessen wir nie, hochgeehrte HH. Kollegen, dass alle Wissenschaften zusammen erst die Wissenschaft bilden, gleich den Zweigen eines Baumes, die dem gleichen Stamme entsprossen, sich zu seiner Fülle und Schönheit entfalten, gleich den Quellen, welche zusammenrinnend den mächtigen befruchtenden Strom bilden, oder besser, gleich den Systemen

und Organen eines Leibes, in deren Zusammenwirken erst die lichte Flamme des Lebens erscheint. Blicken Sie auf sie, wie sie sich gegenseitig erregen und beleben, wie die scheinbar entgegengesetzten zur Harmonie in einander greifen, wie jedes vom andern giebt und nimmt. Und die Wissenschaften sollten das Band zerreissen, welches die geistige, wie dort die physische Natur, um sie geschlungen hat? Möchten wir diesen innern, geistigen Zusammenhang nie aus den Augen verlieren. Auch hier, wie überall, ist nur in der Vereinigung und Wechselwirkung Leben und Gedeihen. Wenn etwas beklagenswerth an unserer Hochschule ist, so ist es der fast gänzliche Mangel an literarischen Berührungspunkten, an wissenschaftlichem Verkehr zwischen den verschiedenen Fakultäten, und ihren einzelnen Mitgliedern. Wie leicht wäre hierin zu helfen, wenn die Mitglieder der Hochschule in verschiedene Sektionen zusammentraten, welche sich versammeln, um sich die Ansichten und die Ergebnisse ihrer speziellen Forschungen mitzutheilen, während in periodisch statt findenden Plenarsitzungen alle Sektionen sich vereinigten, um das mehr allgemein Verständliche und Interessante in Vorträgen gegenseitig auszutauschen. Dadurch würde jene lebendige Anregung und Aufmunterung herbeigeführt, welche die Bedingung zum Fortschritt ist, welche die Mühe versüsst, und dem Erstarren in Spezialitäten am besten vorbeugt . Hoffen wir, dass die Zukunft auch hierin eine wohlthätige Aenderung herbeiführe, die um so nothwendiger erscheint, als die Hochschulen der Schweiz, in welchen (wie in allen kleinern Staaten Deutschlands) keine

Akademieen bestehen, nicht nur den Zweck haben, die Jugend für die Staatsbedürfnisse zu bilden, sondern auch die Wissenschaft um ihrer selbst willen zu pflegen. — Unsere Hochschule hat, eingedenk ihrer vaterländischen, ihrer universellen Bedeutung, nie nach einer besondern politischen Rolle gestrebt. Wenn einzelne ihrer Lehrer sich für berufen hielten, durch Wort oder Schrift in die Gestaltung der öffentlichen Verhältnisse einzugreifen, so thaten sie es nicht als öffentliche Lehrer, sondern als freie Männer, wie es jedem in der Republik zusteht, und nahmen als solche auch die Verantwortlichkeit ihrer Handlungen auf sich. Möge mir es jedoch Niemand verargen, wenn ich hier an einen Ausspruch von Sokrates erinnere, welcher bekanntlich auf die Frage, "warum er, als der Tauglichste hiezu, nicht selbst den Staat regiere,"so zur Antwort gab: "weil der, welcher Viele zum Regieren Tüchtige bildet, nützlicher wird, als wenn er selbst die Regierung übernähme."

Ihnen gehört nun mein Wort, wertheste junge Freunde, Studierende der Hochschule von Bern! Für Sie ist sie gegründet worden, für Sie haben sich diese Hallen der Wissenschaft aufgethan. Auf Ihnen beruht unsere, beruht Ihrer Angehörigen, beruht des Vaterlandes Hoffnung. Sie werden sie erfüllen, wir zweifeln nicht, nein, wir glauben daran mit fester Zuversicht. Bei Ihrem Anblicke erfüllen mein Herz süsse Erinnerungen der schönen Jugendtage, verschwundene Bilder einer heitern Zeit. Nicht umsonst haben die Dichter ewige Jugend gepriesen: da ist der Geist noch frisch, von keinen Zweifeln gemartert, das Gemüth für alle Eindrücke der

Welt empfänglich, die ungebrochene Kraft des Lebens überwindet leicht die geringern Schwierigkeiten, die jenen Theil der Lebensbahn erfüllen, das immer fröhliche Gemüth vergisst leicht bittere Erfahrungen, und das Zauberlicht der Phantasie verklärt den Reiz jeder Schönheit, die uns im Leben, in Poesie und Wissenschaft entgegen tritt. Wohl dem Jüngling, der aus dem Paradiese der Jugend ein reines Gemüth in das Land der Erkenntniss bringt! der für den Ernst des spätern Lebens das für den Nächsten offene Herz, die Klarheit des äussern und innern Sinnes, die innere Zuversicht und Gewissheit rettet, welche, — eine beglückende Täuschung, — die gütige Natur der Jugend verliehen hat! Sie können aber diese Güter, werthe junge Freunde! wenn auch nicht in ursprünglicher Gestalt erhalten, denn dieses soll nicht sein, — doch in einer vollkommnern wieder erobern, wenn Sie auf die Stimme der Erfahrung hören, und die Wege wandeln, welche Ihnen bereitet sind. Die Wissenschaft ist die edle Vermittlerin der Poesie und Prosa des Lebens, welche den Jüngling mit liebevollem Ernste zum Manne weiht. Damit Sie aber diesen Preis von ihr erlangen, müssen Sie sie nach ihrem innersten und eigentlichen Wesen zu erfassen suchen. Sie müssen das Göttliche in ihr ehren, Sie müssen sich mit allen Kräften ihrem Dienste weihen. Nicht ein mechanisches Auswendiglernen oder Nachschreiben, nein, nur eine lebendige Erkenntnis der Ergebnisse der Wissenschaft kann sie zum Ziele führen. (So gab Antisthenes einem Bekannten, der den Verlust seiner Schriften bedauerte, zur Antwort: "du hättest sie lieber deinem Gemüthe einprägen,

als dem Papiere anvertrauen sollen.) Hiezu ist eine unumgängliche Bedingung: Nüchternheit des äussern Lebens, Vermeidung von Ueppigkeit und Sinnenlust, welche den Geist zur Gemeinheit herabziehen, und ihn unfähig machen, die ätherischen Gestalten der Wahrheit und Schönheit zu schauen. Mögen Sie auf die Stimme der Erfahrung, auf die Aussprüche der Weisen jedes Zeitalters hören! Wer dem Niedern dient, hat das Recht verwirkt, sich dem Hohen zu nahen, wer an der Masse klebt, ist nicht fähig, die Idee zu fassen. — Stets sei Ihnen jene Pietät gegen ihre Lehrer eigen, welche sich mit der Selbstständigkeit der Jugend so gut verträgt, jene Pietät, welche Sie, wie wir gerne anerkennen, bis jetzt an den Tag gelegt haben. Sie haben in Gesittung und gutem Benehmen in vielfacher Hinsicht die studierende Jugend mancher andern Hochschule beschämt, trotz der Zwangmittel, welche anderwärts zu Gebote stehen. Ich bin überzeugt, dass sie stets auf diesem Wege fortschreiten, und somit früh die in der Demokratie doppelt nöthige Kunst üben werden, sich selbst regieren zu lernen. — Knüpfen Sie in diesen schönen Jahren, wo das gegenseitige Vertrauen noch nicht getrübt und erschüttert ist, die Bande der Freundschaft, damit diese ihnen später zum Trost und Haltpunkt im Leben werde. Jugendfreundschaft währt am längsten. Ringen Sie nach äusserer und innerer Vollendung. Glauben Sie nicht, das feinere Formen in Sitte und Umgang den Gehalt und die Kraft schwächen. Das edle Metall gewinnt durch edle Form, und der härteste Stahl nimmt die feinste Politur an. Lassen Sie sich von edler Begierde

nach wahrer Ehre durchdringen. Sie spornt zu kühner Wagniss, sie begeistert zu grosser That. Aber sie dürfen die Ehre nur im Nutzen des Ganzen, nur für das Ganze suchen; das ist das höchste Gesetz des Republikaners, das Gesetz, für das Vaterland Alles zu opfern. In der Republik muss das Individuelle dem Allgemeinen untergeordnet werden, wenn sie bestehen, wenn sie nicht am Ehrgeiz des Einzelnen scheitern soll. Hüten Sie sich aber vor einer andern Klippe, die Ihnen zu bezeichnen ich nicht umhin kann: vor jenem neidischen Herabziehen jeder Grösse, vor jener Scheelsucht, die keine Vortrefflichkeit, als die eigene anerkennen will. Hiebei lauert im Hintergrunde der Seele nicht die Sorge für das Allgemeine, nein, jene Selbstvergötterung, welche nicht dulden will, dass eine andere geistige Macht sich ihrer Würdigung erfreue. Hier scheiden sich die Gebiete der Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, welche letztere sicher zur Barbarei führt. — Streben Sie nach Bildung des Gemüths! Blosse Verstandesbildung, einseitig verfolgt, stürzt in die grössten Gefahren. Suchen Sie überhaupt, in sich jene Harmonie des Daseins zu erringen, welche die Freiheit nicht gefährdet, sondern verbürgt, und das letzte Ziel aller Menschenentwicklung und Menschenerziehung bildet; Wenn ich Sie, werthe junge Freunde! zu einer möglichst allseitigen Entwicklung ihrer Geistesvermögen auffordere, so glauben Sie nicht, dass ich Ihnen zumuthe, Sie sollten alle möglichen Wissenschaften und Künste zu erlernen suchen; nein, ich verstehe darunter nur eine Uebung und übereinstimmende Erhebung der Seelenkräfte, wie sie

in jedem Lebensverhältnis mehr oder minder möglich ist. Homo sum et nil humani a me alienum punto, sei mit weiser Beschränkung, ihr Wahlspruch. Suchen Sie daher in der Besonderheit die Allheit wiederholen, d .h. suchen sie, welchen Beruf sie auch wählen mögen, vollendete Männer nach der Richtung der Vernunft, des Verstandes und Gemüths zu werden. — Geben Sie sich mehr, als bis jetzt geschehen ist, dem Studium der klassischen Dichter und der allgemeinen Wissenschaften hin. Der künftige Jurist, Theolog, Arzt glaubt vielleicht keiner philosophischen, geschichtlichen, naturhistorischen Studien zu bedürfen. Wie gewaltig irrt er hierin! Ist es nicht eine Schande, wenn der Mann, welcher dem Volke als Gebildeter in allem Guten vorleuchten soll, über die Kräfte seiner eigenen Seele, über die Kräfte der Natur, die ihn umgiebt und trägt, über die unzählbaren Wunder, welche sie erfüllen, in gänzlicher Unwissenheit schwebt? Es giebt gewisse Dinge, meine jungen Freunde, welche jeder gebildete Mensch nothwendig wissen muss. Der Mensch soll nicht dem Thiere gleichen, welches die Gaben des Schöpfers täglich geniesst, und nichts von ihnen weiss, als dass sie des Leibes Bedürfniss befriedigen. Die Wissenschaften haben noch einen höhern Zweck, als die Stillung des leiblichen Hungers und Durstes. Die Philosophie, welche mit ihrer Fackel die unergründlichen Tiefen unseres eigenen Innern erleuchtet, lasst uns auch die verborgenen Beziehungen aller andern Wissenschaften zu einander und ihr tieferes Wesen erkennen/ und löst das Räthsel der Welt auf, so weit die Lösung Menschen vergönnt ist. Mit welch' anderm Blicke

sieht der philosophisch gebildete Mann die Erscheinungen der Welt und des Lebens an! Sie tröstet ihn über deren Eitelkeiten, und lässt ihn ihre Verluste verschmerzen. Antisthenes gab auf die Frage, "was er für Nutzen aus der Philosophie geschöpft?" zur Antwort, "den, dass ich mit mir selbst sprechen kann," und Dionysius, von der Herrschaft vertrieben, erwiederte Jemand, der ihn befragte, "was ihm jetzt Plato und die Philosophie helfe?" "So viel, dass ich den Wechsel meines Glücks gelassen ertrage."— Auf Universitäten monarchischer Staaten ist es Gesetz, dass niemand zu einem Fachstudium übergehen darf, welcher nicht 1-2 Jahre allgemeine Studien gemacht hat; in der Republik soll durch Ueberzeugung gewonnen werden, was anderwärts geboten wird; wir wollen hoffen, dass das Wahre und Rechte auch auf diesem Wege endlich seine Anerkennung finden werde.

Erlauben Sie, hochgeachtete und hochgeehrte Anwesende, dass ich, zum Schluss dieser Rede eilend, noch wenige Worte über unsern Kulturgang und das Eingreifen der Universitäten in denselben beifüge. — Betrachten wir aufmerksam die Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten in neuester Zeit, so kann uns nicht verborgen bleiben, welche Uebermacht des berechnenden Verstandes sich in ihnen geltend macht, wie das Gemüth und das Heilige in ihm in den Hintergrund gedrängt wird. Es scheint sogar oft, als wolle sich ein grenzenloser Skepticismus der Geister bemächtigen, als wollten die ewigen

Grundpfeiler des ganzen menschlichen Daseins wanken, und Alles bis jetzt für fest und sicher Gehaltene, gleich Nebelbildern in den Wolken der Abstraktion zerfliessen. Denn das ist eben das gewisse Verhängniss des blossen Verstandesmenschen, dass ihm alle Ideen, alle Wahrheiten, die im Gemüthe wurzeln, alle Schönheit verschwindet, und er von allen geistigen Organen nur diejenigen behält, welche, gleich dem Tastsinn in der physischen Welt, die Erkenntnis der greifbaren Masse vermitteln. Die Kunst wird ihm zum eiteln Spielwerk der Sinne, die Wissenschaft nach einer Richtung zu einem Konvolut von Spezialitäten, nach einer andern zum Acker, auf dem er pflügt und erntet, die Philosophie, deren Wesen er nicht begreift, zu einem Gewirre fruchtloser Spekulationen, die Religion zu einer Anweisung, welche nie realisirt wird, die aber dem Richter viele Geschäfte erspart. Es scheint manchmal, als wenn die Geister in ein allgemeines Fluthen gerathen wollten, um in den Steppen des Wahns umher zu irren, gleich wie die Völker im vierten Jahrhundert durch die Urwälder Europa's irrten. Es scheint, als wenn die ewigen Wiedersprüche, die tief im Grunde der Menschennatur gefesselt liegen, sich von ihren Banden losreissen wollten, um den Menschen und seine Schöpfungen zu zerstören. Wer hat sie denn dort gefesselt, dass sie ruhig liegen, und nicht zerstörend an das Licht des Tages hervorbrechen? Es ist das Christenthum, in welchem alle Humanität wurzelt; das den finstern Geist der Erde überwindet, den alten Drachen des Streites in seiner Höhle ankettet, und weit

entfernt, wie Manche irrig glauben, die Freiheit und Entwicklung zu gefährden, alle edeln Keime der Menschennatur im Licht der Liebe freudig gedeihen lässt. Der Verstand ist kalt und hell, wie das Nordlicht, scharf; wie ein zweischneidiges Schwert, das Freund und Feind verwundet. Sein Geschäft ist zu trennen, Gegensätze hervorzurufen, und sie feindlich gegen einander zu stellen; damit sie im Kampfe gegen einander sich selbst vernichten, gleich jenen Geharnischten, die aus der Saat der Drachenzähne emporgewachsen waren. Das Wesen des Christenthums hingegen ist die Liebe. Die Liebe einigt Alles, versöhnt die Gegensätze, löst sie in einer höhern Einheit auf. Sie führt alles Relative auf das Absolute, alles besondere Sein auf den allgemeinen Grund alles Seins zurück. Was der Verstand feindlich scheidet, als im innersten Wesen abweichend, das erkennt sich, von der Liebe durchleuchtet, als im innersten Wesen verwandt. Die Liebe gleicht der Wärme und dem Licht, sie ist die Sonne der Geisterwelt. Die Eisrinde um das verhärtete Gemüth wiedersteht nicht ihren Strahlen, so wie der kalte Fels ergrünt, und das Meer lebendig wird, wenn es die physische Sonne bescheint. — Im Christenthum erkennen wir die ächte Bürgschaft für den Fortschritt auf dem Wege der Humanität, und für Rettung der edelsten Interessen der Menschheit aus den Kämpfen, welche sie zu bestehen haben wird. Aus dem wilden Kampfe der Völker und der Parteien, aus dem rathlosen, sich selbst zerstörenden Getreibe der Meinungen, giebt es am Ende nur die Berufung zu ihm, vor welchem Alles besteht, nur

das Schlechte nicht. —Europa scheint in eine neue Epoche zu treten. Seine Dynastieen, durch glänzende Waffenthaten der Urahnen auf die Throne gesetzt, Jahrhunderte lang durch eine eherne Mauer von Vasallen, später durch die Bajonette der stehenden Heere geschützt, —sind nicht mehr die einzigen Herrscher. Neben ihnen hat sich die Geldmacht erhoben, wurzelnd in Millionen darbender Arbeiter, welche für sie in den Fabriken frohnen, schwarzer Mitmenschen, welche den Boden unter der glühenden tropischen Sonne pflanzen, den Flotten der Kauffahrer, welche die Oceane durchfurchen, und gestützt durch die Kombinationen des scharf und schlau berechnenden Verstandes im Bunde mit dem Mechanismus. Soll Europa, soll die Welt dieser neuen Macht unterjocht werden? Mögen diejenigen, welche, wie sie sagen, nach Befreiung aus seinen Fesseln ringen, sich in Acht nehmen, es nicht in schlimmere zu stürzen. Ueber dem Kampfe der Massen um die Massen muss endlich der Geist emporsteigen, die Intelligenz sich erheben, welcher in letzter Instanz die Herrschaft gebührt. Das ist die natürliche Stufenfolge der Weltperioden, dass auf den Triumph der Waffengewalt, der des berechnenden Verstandes folge, und jener der aus dem Christenthum hervorgehenden, alles einenden und tragenden Intelligenz die Entwicklung schliesse. Glauben Sie nicht, dass ich einen vollkommenen Sieg der Intelligenz erwarte. Der Mensch bleibt der Erde Sohn, ihre Wucht lastet auf ihm. Ein goldenes Zeitalter lebt nur im Reiche der Poesie. Die Intelligenz wird, wenn sie zur Herrschaft gelangt, nicht allein herrschen, aber den Vorrang einnehmen, nach einem

allgemeinen Naturgesetz, dass bei dem Auftreten höherer Potenzen sich auch die niedern, früher herrschenden, stets noch in einer untergeordneten Stellung neben jenen behaupten. Die Idee des Vaterlandes muss sich in jedem mehr oder minder lebendig gestalten. Verfassungen und Gesetze müssen zu möglichster Klarheit durchgebildet, Achtung und Sinn für sie möglichst gesteigert werden. Die Völker müssen nach der möglichst vollkommenen Staatsform, nach der möglichst grössten Freiheit und Gerechtigkeit im öffentlichen Leben ringen. Zwar ist nicht zu hoffen, dass die Menschheit je zum Ideale eines vollkommenen Vernunft- und Rechtsstaats gelangen werde (welches wie alle Ideale über die Grenzen menschlicher Fähigkeit hinaus liegt), aber ohne Zweifel kann sie sich ihm beständig nähern. In der Persönlichkeit der Menschen beruht in letzter Instanz alle Garantie des Bessern. Jeder Bürger, der republikanische besonders muss sich als Glied eines grössern Organismus fühlen, besonnen, thätig, aufopfernd werden, frivoler Lebenslust, träger Bequemlichkeit entsagen. Der Staat darf weder in dem Einzelnen, wie in der Despotie, noch in den Einzelnen, wie in der Anarchie untergehen, so wenig als die Einzelnen im Staat. Ein hochverehrter Redner sprach bei Einweihung der Hochschule die Worte Les institutions politiques ne peuvent, que contenir et diriger l'esprit public, elles sont impuissantes à le créer. Il faut chercher la garantie de la liberté sans l'éducation et les moeurs républicaines. Les nations, qui veulent rester libres, sont condamnés à toujours grandir en intelligence, en

moralité, en énergie. Es ist keinem Zweifel unterworfen, hochgeachtete und hochgeehrte Versammlung! dass die Hochschulen der Schweiz den Theil, der bei dieser grossen Aufgabe der Nation auf sie trifft, erkennen, und würdig erfüllen werden. Hat nicht ein deutscher Gelehrter die Universitäten Deutschland's seine Magna charta genannt? Wohl, sind sie es; in ihnen sehen wir sein Palladium der Intelligenz und des vernünftigen Fortschrittes. Dem Schweizervolke haben tapfere Vorfahren mit Hellebarde und Morgenstern die äussere Freiheit erkämpft; die eigene Kraft und ein gütiges Schicksal wird ihm diese nebst jener innern erhalten und befestigen lassen, welche nur durch Bildung und Wissenschaft gewonnen wird. Die Humanität ist kein zu verachtender Schild, und die Blitze des Geistes, das beflügelte Wort reichen weiter und dringen tiefer ein, als alle Wurfgeschosse. Ja, hochgeachtete und hochgeehrte Anwesende! die Hochschulen der Schweiz, in die Mitte eines freien Volkslebens gestellt, werden läuternd, erhebend, begeistigend in dasselbe eingreifen, und die Hochschule Bern's — wird hinter ihren Schwestern nicht zurückbleiben .