reden.arpa-docs.ch Rektorats Reden © Prof. Schwinges
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Arteriosklerose

Rede
gehalten am Jahresfest der Universität Basel,
21. Dezember 1917
Dr. med. Ernst Hedinger
Professor der allgemeinen Pathologie und
pathologischen Anatomie, zur Zeit Rektor der Universität
Benno Schwabe &Co., Verlag
Basel 1918


Schweighauserische Buchdruckerei, Basel.

Hochansehnliche Versammlung!

Die schwierigen Zeitumstände, unter denen wir leben und welche das Hochschulstudium gerade in diesem Semester besonders schwer getroffen haben, geben sich auch darin kund, daß der Dies academicus zu einer ganz ungewohnten Zeit stattfinden muß. Da die altgewohnten Räumlichkeiten, die Martinskirche und die Aula des Museums aus verschiedenen Gründen nicht in Betracht kommen konnten, auf der anderen Seite die Hochschule nicht auf ihren Festtag verzichten wollte, so haben wir beschlossen den Dies academicus in noch bescheidenerem Rahmen als früher im Bernoullianum abzuhalten.

Es ist ein alter Brauch, daß der bald abtretende Rektor am Dies academicus aus seinem speziellen Arbeitsgebiet eine Frage behandelt, die auch für diejenigen, denen dieses Forschungsgebiet ferner liegt, ein Interesse beanspruchen darf. Zufälligerweise ist die Ehre des Rektorates während des Krieges an mehreren deutschen Hochschulen der medizinischen Fakultät und speziell meinen Fachkollegen, den pathologischen Anatomen, zugefallen. Einige von ihnen haben versucht in ihrer Rektoratsrede Beziehungen zwischen dem Kriege und biologischen, namentlichen pathologischen Prozessen nachzuweisen. Sie glauben im Kriege gewisse Reaktionsprozesse zu erkennen, die wir auch beim einzelnen Menschen während seines Lebens und überhaupt bei Metazoen unter bestimmten Bedingungen immer wieder finden können. Wenn es auch sehr verlockend erscheinen mag, das Problem Krieg und Pathologie vom Standpunkt eines neutralen Pathologen zu besprechen, so tue ich es heute doch nicht, weil ich mich nicht überzeugen konnte, daß ein solcher Vergleich irgendwelche innere Berechtigung hat.

Wenn wir die Bedingungen betrachten, die neben Infektionskrankheiten, mechanischen Schädigungen, bös- und gutartigen Geschwülsten bedingen, daß das menschliche

Geschlecht nicht nur nicht die physiologische Altersgrenze erreicht, sondern schon vor Eintritt des Greisenalters an einem pathologischen Tod stirbt, so ist es namentlich ein pathologischer Prozeß, der dem Menschen fast eigen zu sein scheint, die Alteration des Blutgefäßapparates im Sinne der Arteriosklerose oder der Atherosklerose. Da jedes Organ von der Beschaffenheit seiner Gefäße in weitem Maße abhängig ist, so müssen bei Alterationen des Cirkulationsapparates sich die mannigfachsten Organstörungen ausbilden können. Wenn wir unsere Mitmenschen von einer bestimmten Altersperiode an betrachten, so können wir an ihnen oft mit Leichtigkeit eine Reihe von somatischen und psychischen Eigentümlichkeiten erkennen, die meist nichts Anderes darstellen als den Ausdruck der Folgen eines bald mehr cirkumscript, bald allgemein veränderten Cirkulationsapparates.

Die Arteriosklerose steht seit Jahren im Centrum des medizinischen Interesses und der medizinischen Forschung. Es ist gerade die neueste Zeit, die eine Reihe wichtiger und neuer Daten in der Lehre der Arteriosklerose geliefert hat. Da diese neuen Befunde auch für die Allgemeinheit ein größeres Interesse beanspruchen dürfen, und da auch das Basler pathologische Institut gerade an diesen Fragen mitgearbeitet hat, so möchte ich in meiner heutigen Rede etwas genauer auf dieses Kapitel der pathologischen Anatomie eingehen. Es ist selbstverständlich, daß ich bei dem Umfang des Arbeitsgebietes und der Kompliziertheit der einzelnen Fragestellungen nur einzelne Punkte in der mir zur Verfügung stehenden Zeit herausheben kann.

Unter Arteriosklerose verstehe ich, ganz entsprechend der Definition, die Marchand am Kongreß für Innere Medizin 1904 gab, alle diejenigen Veränderungen der Arterien, die zu einer Verdickung der Wand, besonders der Intima führen, in deren Entwicklung degenerative Veränderungen (fettige Entartung mit ihren Folgen, Sklerosierung und Verkalkung, [mit Einschluß der Verkalkung der Media]), aber auch entzündliche und produktive Prozesse auftreten. Der arteriosklerotische

Prozeß kann sehr verschieden ausgedehnt und lokalisiert sein. Bald sind es die großen und größten Arterien des Körpers, bald sind es nur die kleinen, und bald endlich findet man eine ganz ausgebreitete Erkrankung der großen und kleinen Gefäße. Die Beobachtung, daß es gewöhnlich Individuen über 40 Jahre sind, die Symptome arteriosklerotischer Gefäßprozesse aufweisen, haben vielfach auch zu der Ansicht geführt, die Arteriosklerose einfach als Altersprozeß zu bezeichnen und sie zum Teil als eine Greisenkrankheit hinzustellen. So wahrscheinlich eine solche Annahme zunächst auch sein mag, so falsch ist sie aber, wenn man dieser Frage etwas näher rückt. Sicher ist ja, daß man im Alter nicht mehr dieselbe Arterienwand aufweist wie in den Jugendjahren und daß die Gefäßwand rascher degenerativen Prozessen anheim füllt. Hierüber existieren ausgedehnte Untersuchungen, sowohl in rein morphologischer Beziehung als auch in funktioneller Hinsicht. College Bay hat vor einigen Jahren anläßlich einer Beobachtung von ganz auffallender Brüchigkeit der Hauptschlagader eine große Reihe konsequenter Untersuchungen der Aorta ausgeführt. Wenn man sich in die Materie eingearbeitet hat, so kann man fast am mikroskopischen Schnitt das Alter eines Patienten bestimmen, weil die Aorta mit den zunehmenden Lebensjahren einen ganz spezifischen Umbau erleidet. Es sind Untersuchungen, die schon seinerzeit von Langhans in Bern, dann aber besonders von Thoma während seiner Wirkungszeit in Dorpat und zuletzt von Jores und anderen vorgenommen wurden, und die den gesetzmäßigen Umbau dokumentieren, den eine Aorta bei jedem Individuum durchmachen muß. In der zarten Aorta des kleinen Kindes zeigen sich schon in den ersten Jahren nach der Geburt Verdickungsprozesse, die namentlich die innerste Lage der Aorta, die Intima betreffen. Wenn man etwas genauer diese Verdickungsprozesse, die für die ganze Auffassung der Arteriosklerose von fundamentaler Bedeutung sind, beobachtet, so sieht man zunächst in der Hauptschlagader des neugeborenen Kindes nach innen von der Media, der Ringmuskulatur, eine

durch zwei elastische Membranen begrenzte muskulöse Längsschicht. Diese ist bei der Geburt äußerst schmal, wird aber schon im Verlaufe des ersten Lebensjahres breiter. Nach innen von dieser Schicht tritt eine Lage von elastischen Lamellen auf, die von einander abzweigen und sich wieder vereinigen. Diese elastisch-hyperplastische Schicht, wie sie durch Jores in Marburg, dem wir auf diesem Forschungsgebiet besonders gründliche Arbeiten verdanken, genannt wird, bildet ihre Lamellen dadurch, daß sich an der Lamina elastica interna vorhandene elastische Streifen verdicken und abheben. Wenn diese Verdickung sich ausgebildet hat, eine Periode, die auch als aufsteigende Periode des Gefäßwachstums bezeichnet worden ist, bleibt nun die Hauptschlagader eine kürzere oder längere Zeit in ihrem Aufbau gleich. Bei einem Individuum früher, bei einem andern etwas später, tritt nun die dritte Periode des Gefäßlebens ein, die wir am besten mit Albert Aschoff als Altersperiode bezeichnen können. Hier kommt es nun namentlich zu einer Bindegewebswucherung in der innersten Schicht der Gefäßwand. Zwischen den Lamellen der elastischen-hyperplastischen Schicht tritt unter Auseinanderdrängen der elastischen Lamellen Bindegewebe auf. Dann findet man auch eine Bindegewebswucherung nach innen von der elastisch-hyperplastischen Schicht, in der außer neugebildetem Bindegewebe auch neue feine elastische Fasern auftreten. Dieser Umbau der Gefäßwand, den man zum Teil auch in kleineren Arterien, besonders an den Verzweigungsstellen beobachten kann, ist ein regelmäßiger Vorgang, den wir immer bei jedem Individuum, das ein gewisses Alter erreicht, verfolgen können.

Daß die Gefäßwand, besonders diejenige der großen Gefäße mit zunehmendem Alter eine wesentliche Aenderung eingeht, kann man auch mit physikalischen Untersuchungsmethoden demonstrieren.

Die normale Arterie ist namentlich durch drei Eigenschaften ausgezeichnet, durch die Elastizität, die Kontraktilität und die Festigkeit (Widerstand gegen Zerreißung). Die normale,

jugendliche Aorta besitzt im Sinne der Physik eine geringe, aber vollkommene Elastizität; sie ist sehr dehnbar, vermag aber die Veränderung der Form in sehr vollkommener Weise auszugleichen. Kontrahiert sich eine Arterie, so ist die Elastizität noch stärker. Im zunehmenden Alter werden namentlich die großen Arterien weniger dehnbar, ihre Elastizität wird größer, sie haben aber weit größere Mühe Veränderungen der Form wieder gänzlich auszugleichen. Um die Elastizität zu vermindern und namentlich bleibende Ueberdehnung möglichst zu eliminieren, kommt es im Alter, in dem als ganz allgemeine Erscheinung eine allmälige Funktionsbeschränkung der elastischen Elemente des Körpers eintritt, zu einer Verstärkung der Gefäßwand in dem Sinne, wie ich ihn vorhin geschildert habe. Die drohende Angiomalacie wird, um mit Thoma zu reden, durch eine Angiosklerose korrigiert. Man kann sich über diese Verhältnisse auch physikalisch sehr leicht durch konsequente Dehnungsversuche an Gefäßen Verstorbener orientieren. Wir haben zusammen mit Collegen Gerhardt vor einigen Jahren aus anderen Ueberlegungen heraus reichliche Dehnungsversuche an verschiedenen größeren Gefäßen durch unseren Schüler Israelsohn nach einer Methode vornehmen lassen, die seiner Zeit von Collegen Suter für ähnliche, größere Versuchsreihen ausgearbeitet wurde. Ganz den Suter'schen Angaben entsprechend fanden wir auch eine allmälige Zunahme des Umfanges der großen Arterien mit zunehmendem Alter und eine allmälige Abnahme der Dehnbarkeit der Gefäße. Bei Individuen von 20-30 Jahren beträgt bei einem Aortenumfang in der Leiche von 6 cm die Dehnbarkeit für eine Belastung mit 1167 gr 3,15 cm, bei Menschen von 31-40 Jahren und einem mittleren Aortenumfang von 6,3 cm die Dehnbarkeit 2,99 cm, bei Menschen zwischen 50-60 Jahren mit einem mittleren Umfang der Aorta von 7,1 cm die Dehnbarkeit 2,10 cm, um bei Greisen zwischen 71-80 Jahren bei einem mittleren Aortenumfang von 8,0 cm auf 1,13 cm zu sinken.

Die Bindegewebsverdickung der innersten Gefäßwandschicht, die zur Korrektur der sich erweiternden Gefäße eintreten

muß, ist, so weit wenigstens nicht sekundäre degenerative Prozesse hinzutreten, kein Prozeß, den man stets als pathologische Sklerose der Gefäße bezeichnen muß. So erledigt sich also die Behauptung, daß die Arteriosklerose eine Alterskrankheit sei, dahin, daß jeder Mensch wohl mit zunehmendem Alter, namentlich vom 40. Jahre an, eine Gefäßveränderung eingeht, die aber nicht als Ausdruck einer Atheromatose im pathologischen Sinne, sondern nur als Konsequenz einer Altersentwicklung aufgefaßt werden muß. Diese Ansicht wird auch durch Sektionsbefunde erhärtet, indem man doch nicht allzuselten bei hoch betagten Leuten von 80 Jahren und mehr ganz zarte Gefäße findet, die nur die Zeichen der Altersverdickung der Intima ohne regressive Prozesse aufweisen. Diese Gefäße zeichnen sich dann bei der funktionellen Prüfung auch dadurch aus, daß sie eine relativ vorzügliche Dehnbarkeit zeigen..

Ist die Intimaverdickung des Arterienrohres im Alter ein physiologischer Altersprozeß, so ist allerdings zuzugeben, daß aus diesem Altersprozeß sehr leicht degenerative Alterationen sich entwickeln können, die dann zur richtigen Atherosklerose führen. Ich will auf diese Frage später in einem andern Zusammenhang noch einmal zurückkommen.

Welches sind nun die genauen Ursachen dieser allmälig sich ausbildenden Intimaprozesse im Sinne einer Verdickung? Wir können diese Gefäßveränderungen nur verstehen, wenn wir an funktionelle, mechanische Bedingungen denken. In Betracht kommen das Verhalten des Blutdruckes und die funktionelle Güte des Gefäßrohres. Der Blutdruck steigt mit zunehmendem Alter. Der Blutdruck ist eine wesentliche Bedingung für das Maß an Längsspannung in den Arterien. Dieselbe wird außerdem bedingt durch die Differenz des eigenen Längenwachstums der Gefäße und ihrer Unterlage. Diese Verhältnisse sind namentlich von anatomischer Seite genau untersucht worden. Je nach der Oertlichkeit wechselt das Wachstum der Unterlage und das Wachstum des von der Arterie versorgten Körpergebietes. Die einzelne Arterie ist dann auch

besonders abhängig von der allgemeinen Gefäßspannung und der Art der Herzbewegung. Die Pulszahl nimmt nach einer Reihe von Autoren bis zum 25., nach andern bis zum 42. Jahre ab; das Schlagvolumen des Herzens nimmt mit dem Alter zu. Fuchs nimmt in seiner "Physiologie und Wachstumsmechanik des Blutgefäßsystemes 1902" an, daß der Binnendruck das Längswachstum der Arterien, die Längsspannung aber das Durchmesserwachstum der Arterien hemme. Man findet im Kindesalter im Vergleich zur Körperlänge die relativ weiten Lichtungen der Arterien. Die Verdickung der Innenhaut mit der Wucherung des Bindegewebes und der elastischen Elemente entspricht zeitlich und topographisch der jeweiligen Intensität der Längsspannung. Für diese Auffassung lassen sich in der pathologischen Anatomie der Gefäße sehr gute Beweisstücke finden. Wir haben vor zwei Jahren, anläßlich der Sektion eines Bahnbeamten, eine ganz eigentümliche leistenförmige Verdickung der Innenhaut an der Hinterwand der Becken- und Beinarterien gefunden, und zwar in der Höhe der Schenkelbeuge. Das ist die Stelle, an der ja schon bei Bewegungen, die das gewöhnliche Leben mit sich bringt, starke Längsdehnungen vorkommen müssen. Diese Beobachtung veranlaßte uns einmal in konsequenter Weise diesen Verhältnissen nachzugehen. College des Ligneris hat über das Resultat kürzlich in der englischen Zeitschrift "Heart"Bericht gegeben. Aus dem reichlichen Beobachtungsmaterial, das uns zur Verfügung steht, hat des Ligneris ohne Auswahl 100 aufeinanderfolgende Fälle auf diese eigentümlichen leistenförmigen Verdickungen in den Schenkelgefäßen untersucht. Er fand dieselben in 33 % aller untersuchten Fälle, allerdings selten so stark ausgesprochen wie in dem Falle, der uns zur Bearbeitung dieser Frage speziell Anlaß gegeben hatte. In Fällen mit geringgradiger Verdickung besteht die Hyperplasie fast nur in einer Bindegewebswucherung zwischen den einzelnen elastischen Fasern der Gefäßwand. Dann kommt es zu einer Vermehrung der elastischen Fasern der Innenhaut. In einigen, wenn auch ziemlich seltenen Fällen kann sich der Verdickungsprozeß auch mit

sekundären degenerativen Veränderungen kombinieren, so daß dann Bilder zu Stande kommen, die direkt der eigentlichen Arteriosklerose zugezählt werden müssen. Daß diese eigentümlichen Gefäßverdickungen nur rein mechanisch erklärt werden können, braucht wohl kaum weiter diskutiert zu werden.

Diese kurzen Auseinandersetzungen über die regelmäßig eintretenden Modifikationen der Gefäßwand mit zunehmendem Alter und bei besonderer Beanspruchung der Gefäßwandung durch Zug oder Druck waren notwendig, um sich nicht in der Auffassung der Arteriosklerose oder besser der Atherosklerose, wie es Marchand vorschlägt, zu prinzipiellen Irrtümern verleiten zu lassen. Zu der eigentlichen Arteriosklerose gehören nun, wenn wir auf die Definition zurückkommen, die ich eingangs gegeben habe, außer der Verdickung der Wand, besonders der Intima, noch eine Reihe degenerativer Veränderungen, wie fettige Entartung, Sklerosierung und Verkalkung, eventuell Geschwürsbildung, so daß in hochgradigen Fällen die Hauptschlagader in ein starres, vielfach usuriertes Gefäßrohr umgewandelt werden kann. Diese degenerativen Prozesse können sich nun sehr häufig gerade an den Stellen finden, an denen schon physiologischerweise eine Intimaverdickung sich mit zunehmendem Alter entwickelt. Diese Beobachtung war es, die dazu führte, die Arteriosklerose einfach als Alterskrankheit zu bezeichnen und die physiologische Intimaverdickung schon der Arteriosklerose als eigen zu erklären.

Neben diesen physiologisch bedingten Verdickungsprozessen der Gefäßwandung kann nun der Organismus unter sehr verschiedenen Bedingungen dazu kommen, lokale Gefäßschwächungen durch eine Sklerose der Gefäßwandung kompensieren zu müssen. Diese Verhältnisse besonders erforscht und klargestellt zu haben wird das bleibende Verdienst der pathologischen Schule in Dorpat unter Thoma sein. In einer Reihe bedeutsamer Publikationen wurden namentlich in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts die verschiedenen Punkte, die hiebei in Berücksichtigung gezogen werden müssen, in alle Details ausgearbeitet.

Thoma hat vor einigen Jahren die wichtigsten Ergebnisse seiner Arbeiten über Arteriosklerose zusammengefaßt und diese dahingehend formuliert:

1. Die Arteriosklerose beginnt mit einer durch verschiedene Ursachen herbeigeführten, vorläufig mikroskopisch nicht erkennbaren, jedoch durch das physikalische Experiment nachgewiesenen Schwächung der Tunica media. Diese Angiomalacie gibt sodann zu einer passiven Dehnung der Gefäßwand durch den Blutdruck und damit zu einer lokalen Verlangsamung des Blutstromes Veranlassung.

2. Die angiomalacische gedehnte Gefäßwand reagiert auf die lokale Störung des Blutstromes in gleicher Weise wie eine bis dahin gesunde Arterie, in welcher durch eine Ligatur eine Stromverlangsamung hervorgerufen wird.

3. Diese Reaktion stellt sich im wesentlichen dar als eine Neubildung von Bindegewebe, elastischen Fasern und Muskelfasern in der Intima, welche die Lichtung der erweiterten Arterie wieder verengt.

4. Bei dieser Verengung wird, solange keine regressiven Metamorphosen der Gewebe eintreten, der Querschnitt der Arterie wieder regelmäßig kreisrund oder, wenn die Achse der Arterie durch die Dehnung verkrümmt wird, annähernd elliptisch gestaltet.

5. Wenn in einzelnen Fällen die mehr oder weniger vollständige Wiederherstellung der ursprünglichen Gestalt der Gefäßlichtung vermißt wird, so erklärt sich dies durch die bei zunehmender Dehnung eintretenden starken Spannungen einzelner Teile der Gefäßwand, welche Verfettung, hyaline Quellung, Verkalkung und atheromatösen Zerfall veranlassen. Diese regressiven Metamorphosen sind mit einer Volumszunahme der Gewebe verknüpft, durch welche die Innenfläche der Intima vorgewölbt und die Gefäßlichtung deformiert wird. Ueber hyalinen und atheromatösen Herden sind die Vorwölbungen zuweilen erhebliche, während Verfettungen und Verkalkungen in dieser Beziehung wenig wirksam sind. Bei der diffusen primären Arteriosklerose kommt es nur zu einer gleichmäßigen

Dehnung; die Dehnung ist fast immer verbunden mit einer Verkrümmung der Arterienachse. Das weist daraufhin, daß die Arterie nicht nur nach der Quere sondern auch nach der Länge gedehnt wird.

Thoma und seine Schüler weisen vielleicht etwas einseitig auf die Bedeutung primärer Mediaalterationen hin. Neuere Untersucher haben sich allerdings der Thoma'schen Ansicht teilweise völlig angeschlossen. So hat sich erst vor einigen Jahren Arne Faber in einer größeren Arbeit über Arteriosklerose dahin ausgesprochen, daß auch nach seinen Befunden bei der Arteriosklerose eine Schwächung der Gefäßwand als das Primäre angesehen werden muß, wobei zunächst die Media geändert wird und dadurch sekundär die Intimaveränderung ausgelöst wird. Daß Mediaprozesse für die Veränderung der Gefäßinnenhaut eine außerordentliche Rolle spielen können, sehen wir allerdings auch nicht selten bei unsern Sektionen. Wir können die schwersten Grade von Intimaverdickungen und von sekundären Zerfallsprozessen in den verdickten Partien der Innenhaut der Hauptschlagader dann sehen, wenn die mittlere Gefäßschicht durch syphilitische Prozesse primär geschädigt worden ist.

Nach den bisherigen Auseinandersetzungen muß jeder Prozeß, der zu einer dauernd zu großen Inanspruchnahme des Gefäßrohres in mechanischer Beziehung führt, unter bestimmten Bedingungen Arteriosklerose veranlassen können. So kann man die Arteriosklerose wenigstens für manche Fälle einfach als Folge der stärkeren Inanspruchnahme oder der funktionellen Ueberanstrengung der Arterien auffassen. Die stärkere Inanspruchnahme der Gefäße wird namentlich bedingt durch eine dauernde oder häufig wieder eintretende stärkere Blutfüllung und Dehnung der Wand, teils infolge erschwerten Abflusses durch die Kapillaren, teils durch stärkeren Zufluß, der namentlich von nervösen vasomotorischen Störungen abhängig ist. Dann kommt namentlich der oft wechselnde Druck in Betracht, wie er unter manchen anderen Umständen, namentlich auch durch psychische Momente ausgelöst werden kann.

Schon seit langem wurden eine Reihe toxische Schädlichkeiten aufgeführt, die oft aber nicht direkt toxisch auf das Gewebe der Arterien wirken, sondern oft auf dem Wege der Vasomotoren, der stärkeren Blutfüllung etc für die Gefäßwandung gefährlich werden können. Von Bedeutung kann namentlich für die primäre Mediaschädigung im Sinne Thomas eine anstrengende Muskeltätigkeit sein. Daß alle pathologischen Prozesse im Körper, die an und für sich zur stärkeren Füllung der Arterien oder zu dauernden oder sich sehr oft wiederholenden Drucksteigerungen Anlaß geben, zur Arteriosklerose prädisponieren, ist ja selbstverständlich.

Schon frühzeitig macht sich in der Literatur die Idee bemerkbar, daß neben mechanischen Momenten doch auch chemische Gifte eine Rolle spielen müssen, die eventuell direkt die degenerativen Prozesse bedingen können. Mit dem Aufschwung der Bakteriologie, mit der Erforschung der von den Bakterien gelieferten Gifte, gewinnt diese Idee mehr und mehr an Boden. Da das menschliche Leben mit seiner relativen langen Dauer, mit der Unsumme der verschiedensten Schädlichkeiten, die den Organismus und dessen Gefäßsystem treffen können, außerordentlich schwer zu übersehen ist, so ist diese Frage durch das Studium der menschlichen Pathologie allein kaum zu lösen.

Von ganz besonderer Bedeutung könnte für die Aufklärung der menschlichen Arteriosklerose die Beobachtung ähnlicher Verhältnisse beim Tiere sein, bei dem ja die Lebensbedingungen viel einfachere sind und auch die Möglichkeit von schädigenden Einflüssen von außen oder von innen durch andere Krankheitsprozesse bedeutend geringer ist. Darüber existieren leider nur sehr mangelhafte Literaturangaben. Wenn man die gewöhnlichsten Lehrbücher der Veterinär-Pathologie konsultiert, so wird kurz angegeben, daß bei Rindern und Pferden hie und da Veränderungen in der Aorta vorkommen, die mit denjenigen der menschlichen Pathologie mehr oder weniger Aehnlichkeit haben. im Gegensatz zum Menschen, bleiben die Prozesse, die man beim Tiere beobachtet und die

mit mehr oder weniger Recht mit der menschlichen Arteriosklerose verglichen werden können, auf die großen Arterienstämme, das heißt auf die Aorta beschränkt. M. Schmidt konnte unter 2069 im pathologisch-anatomischen Institut zu Budapest obduzierten Pferden bei 0,5 % eine Endarteriitis der Aorta schon makroskopisch nachweisen. Lyding fand bei der Autopsie von 100 Rindern bei 35 in der Aorta endoarteriitische Veränderungen. Eine ganz eigentümliche seuchenhafte Arteriosklerose hat Lignières bei Schafen in Argentinien beobachtet, die nach seiner Ansicht aus einer intestinalen Infektion hervorgehen soll. Bei den Tieren entstehen ziemlich häufig endoarteriitische Prozesse, die sich nur in gewissen Punkten mit der menschlichen Arteriosklerose decken, durch Infektion mit Würmern. So ist allbekannt die Veränderung der Arteria mesenterica anterior und der Aorta bei Pferden bedingt durch die Ansiedelung des Sclerostomum vulgare. Aehnliche Prozesse können beim Hunde in der Aorta durch die Spiroptera sanguinolenta hervorgerufen werden. Die Filaria Poels und die Filaria Blini können in der Aorta von Büffeln und mitunter auch der Rinder in Sumatra Veränderungen bedingen. Bei alten Vögeln findet man nicht allzu selten Verkalkung der Aortenwand.

Vor 4 Jahren hat Zinserling über Untersuchungen bei Pferden betreffs Atherosklerose und ihre Beziehungen zur menschlichen Atherosklerose berichtet. Er stützt sich dabei auf die Untersuchung von 78 Pferden, die in Petersburg meist aus Altersrücksichten zur Schlachtung kamen. Er konnte fast in der Hälfte der Fälle Gefäßveränderungen nachweisen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß er auch die Veränderungen der Gefäße hinzuzählt, die durch Parasiten bedingt werden. Man kann schon makroskopisch 2 Gruppen unterscheiden. Bei der ersten Gruppe sitzen die Veränderungen namentlich in der Intima. Bei der zweiten sind sie in der Media lokalisiert. Die Intimaprozesse sind bedeutend häufiger; in seinem Material fand er sie in der Aorta 30 mal. Diese veränderten Stellen zeigen bald regelmäßige runde Form, bald

sind es längsovale Plaques oder dann ganz unregelmäßig konfigurierte Herde. Die zweite Gruppe, die sich in der mittleren Schicht der Aortenwand lokalisiert, ist bedeutend seltener. Sie findet sich im dickwandigsten Teil der Aorta, das heißt im Brustteil der Aorta descendens und zieht meistens größere Abschnitte der Gefäßwandung in Mitleidenschaft. Wenn es sich um parasitär bedingte Intimaprozesse handelt, muß der Prozeß nach seinem histologischen Aufbau nicht sowohl als Atherosklerose, sondern als Endo- resp. Mesaortitis acuta, je nachdem die Veränderung mehr in der Intima oder Media sitzt, bezeichnet werden. Der Verfasser verwirft auch für die übrigen, aetiologisch unklaren Fälle eine Identität mit der menschlichen Arteriosklerose und kommt zu dem Schlusse, daß Atherosklerose bei Pferden bis jetzt mikroskopisch nicht nachgewiesen worden ist und höchst wahrscheinlich überhaupt nicht vorkommt. Hornowski in Lemberg hat im Anschluß an rein morphologische und experimentelle Untersuchungen über Atherosklerose auch einige Kühe und Pferde auf das Verhalten ihrer Gefäße untersucht. Er stellt zusammenfassend fest, daß in dem selbständigen Prozeß von degenerativem Charakter sowohl bei der Kuh wie auch beim Pferde deutliche und. scharf ausgeprägte Veränderungen in den elastischen Fasern auftreten, die in den Arterien vom elastischen Typus bei beiden Tieren sowohl in der Intima als auch in der Media zu finden sind, daß jedoch, während bei der Kuh die Veränderungen in der Media überwiegen und auf den ersten Plan treten, sie beim Pferde am ausgeprägtesten in der Intima auftreten. Hauptsächlich diese Lokalisation macht nach Hornowski den prinzipiellen Unterschied zwischen den beiden Tierarten aus.

Ich habe im Verlauf der Jahre namentlich dank dem Umstand, daß wir hier alle Tiere, die im Zoologischen Garten sterben, sezieren können, eine recht beträchtliche Zahl verschiedener Tiere auf ihre Gefäßverhältnisse makro- und mikroskopisch untersuchen können. Vor 4 Jahren hatte ich außerdem Gelegenheit, in Südafrika fast hundert Rinder und Kühe, die

zum Teil ganz akut an Lamziekte zugrunde gingen oder von uns getötet wurden, genau makro- wie auch mikroskopisch zu untersuchen. Endlich konnte ich in dieser Zeit wohl über 100 Pferdesektionen beiwohnen oder dieselben teilweise selbst ausführen. Es handelt sich meistens um ältere oder dann aus irgend einem, meist chirurgischen Grunde zum Reiten und Ziehen untaugliche Pferde, die jetzt noch zur Gewinnung von spezifischen Sera, namentlich zur aktiven Immunisierung gegen die Horsesickness verwendet werden. Besondere Bedeutung kommt meiner Ansicht nach den Befunden bei Kühen zu, da es sich hier wirklich um physiologisch und frei lebende Tiere und nicht um Milchkühe handelt. Wenn das Kalb selbständig geworden ist, was ungefähr nach 6-7 Monaten eintritt, geht die Laktation zurück und tritt dann erst wieder im nächsten Jahre mit der Geburt eines neuen Kalbes ein. Ich fand nun, um zunächst die Verhältnisse bei den Kühen zu erledigen, außerordentlich häufig Veränderungen in der Aorta, besonders in der Bauchaorta.. Wenn die Kühe über 4 Jahre alt sind, so weist ein größerer Prozentsatz teils bereits makroskopisch, teils nur mikroskopisch erkennbare Veränderungen auf. Es handelt sich bei den makroskopischen Prozessen um kleine 1-2-4 mm messende weiße, zum Teil etwas prominente Herde, die aber meistens eine deutliche zentrale Delle aufweisen. Bei der mikroskopischen Untersuchung handelt es sich fast durchwegs um exquisite Mediaprozesse mit Nekrose der Muskulatur und Streckung und Verkalkung der elastischen Lamellen und Fasern. Die Innenhaut der Aorta ist gar nicht verändert oder höchstens, namentlich im Bereich der Delle, sekundär etwas verdickt. Einen eigentlichen Intimaprozeß beobachtete ich ein einziges Mal bei einer älteren Kuh im aufsteigenden Teil der Hauptschlagader, bei der sich eine große, zum Teil verkalkte und geschwürige Platte fand. Der Prozeß griff allerdings auch stellenweise auf die Media über, machte aber doch im Großen und Ganzen den Eindruck einer .primären Intimaerkrankung.

Ein ganz anderes Bild boten im Allgemeinen die Pferde dar. Ich gehe hier auf die entzündlichen, durch Würmer bedingten Veränderungen der Bauchschlagader und der Gekrösearterien nicht weiter ein. Diese Veränderung fand man bei einem sehr großen Prozentsatz der Tiere. Daneben konnte man aber auch häufig namentlich im Brustteil der Aorta herdweise Veränderungen der Intima finden, die sich besonders durch eine Verdickung des Bindegewebes, eine Wucherung der elastischen Fasern und sekundären fettigen und atheromatösen Zerfall auszeichneten. Es sind Veränderungen, die man wohl ohne Weiteres an die Seite stellen kann den Prozessen, die man in der menschlichen Pathologie der Atherosklerose zuzählt.

Bei der Sektion von Tieren aus dem hiesigen Zoologischen Garten finden wir nicht selten Gefäßveränderungen und zwar durchwegs im Sinne einer primären Mediaerkrankung mit Nekrose und Verkalkung, wobei die Intima fast immer unbeteiligt bleibt. Interessant ist, daß auch der 31jährige Elephant, die berühmte Miß Kumbuk, von der Arterienveränderung nicht verschont blieb; die Veränderung konnte ich allerdings nur bei der mikroskopischen Untersuchung entdecken, und zwar ebenfalls in Form einer typischen Mediaverkalkung. -

Ein reiches Arbeitsgebiet rein morphologischer und namentlich auch experimenteller Natur liegt für die Zukunft hier noch vor. Weswegen reagieren manche Tiere mit Intimaprozessen, weswegen andere mit Mediaalterationen? Diese Fragen sind für die Auffassung der menschlichen Arteriosklerose von der größten Wichtigkeit. Als Resultat der bisherigen Untersuchungen können wir registrieren, daß die meisten Tiere mit einem Prozeß in der Media antworten, der, wie wir gleich noch sehen werden, völlig demjenigen entspricht, wie wir ihn experimentell sehr leicht und in sehr kurzer Zeit bei Kaninchen hervorrufen können. Schwerere Gefäßprozesse, wie sie beim Menschen so außerordentlich häufig sind, fehlen beim Tiere. Vielleicht spielt allerdings hiebei auch der Umstand eine Rolle, daß die Tiere, die uns zur Verfügung stehen, meistens viel

zu früh für die Ausbildung einer schwereren Gefäßveränderung getötet werden.

Wann setzen nun diese arteriosklerotischen Veränderungen bei Mensch und Tier ein? Ich habe eingangs erwähnt, daß die Arteriosklerose oft einfach als Abnutzungskrankheit oder Alterskrankheit bezeichnet wurde. Wir haben diese Auffassung bereits abgelehnt. Wahr an dieser Behauptung bleibt nur, daß natürlich eine Arterie, deren elastische Elemente durch das Alter oder durch starken Gebrauch etwas weniger funktionstüchtig geworden sind, eher bei einer Ueberanstrengung der Gefäßwandung einer kompensatorischen Intimahypertrophie und sekundären Degenerationen rufen muß als ein jugendliches, dehnbares Gefäßrohr. Die letzten Jahre haben nun mehr und mehr gezeigt, daß die ersten Anfänge der Atherosklerose schon im frühesten Kindesalter zu suchen sind, so daß man direkt von einer juvenilen Atherosklerose sprechen kann. Bei unseren Autopsien treffen wir außerordentlich häufig bei Kindern schon im ersten bis zweiten Lebensjahr auf der Kammerseite des langen Segels der zweizipfligen Herzklappe weißliche trübe Streifen, die als Mitralflecken in der Literatur schon längere Zeit bekannt sind. Neben diesen Mitralflecken kann man fast ebenso häufig im Beginn der Hauptschlagader selbst bei ganz kleinen Kindern kleine weißliche, stellenweise etwas erhabene Flecken finden. Lange Zeit wehrte man sich, diese Flecken als Zeichen beginnender und wohl bleibender Arteriosklerose aufzufassen. Wenn man als Pathologe auch bald einmal zu dem pessimistischen Standpunkt kommt, daß alle Organismen dazu verdammt sind, kaum geboren, schon degenerative Prozesse zu zeigen, die vielfach nicht mehr heilbar sind, so kann man sich doch schwer mit der Idee befreunden, daß hier in den Gefäßen und in den Herzklappen kaum geborener Kinder sich Veränderungen finden, die man sonst als typische Altersprozesse ansah. Ich habe mich lange Zeit gegen diese Auffassung gesträubt und glaubte zunächst die Flecken auf den Herzklappen auf Entwicklungsanomalien zurückführen zu können und zwar auf Reste von Muskulatur, die aus der Entwicklungszeit

der Klappe übrig bleiben. Einschlägige Untersuchungen schienen diese Idee zunächst zu stützen. Als aber Kollege Hössli an einem größeren Beobachtungsmaterial die Frage noch einmal prüfte, so mußten wir diese Theorie fallen lassen und anerkennen, daß es sich hier um degenerative Prozesse handelt, die mit Mißbildungen nichts zu tun haben. In einem Punkte glaube ich noch auf meinem Standpunkte beharren zu können, darauf nämlich, daß doch ein Teil dieser im frühesten Kindesalter entstehenden Flecken wieder zurückgehen muß, da man ähnliche Prozesse nach meinen Erfahrungen bei etwas älteren Kindern seltener findet. Ich darf hier allerdings nicht verschweigen, daß dieser Ansicht entgegen doch von sehr namhaften Autoren festgehalten wird, daß hier Veränderungen vorliegen, die man nur als bleibende Atherosklerose bezeichnen kann.

Bei etwas älteren Kindern oder bei jungen Leuten nach der Pubertät findet man außerordentlich selten ein Individuum, das nicht irgendwo im Gefäßsystem bereits Prozesse im Sinne der Arteriosklerose aufweist. Dabei können die Prozesse selbst bei Individuen. die bis vor ihrem Tode kaum krank waren, recht beträchtlich sein. Vor einigen Tagen fanden wir bei einem 12jährigen Mädchen, das aus voller Gesundheit an einer Blinddarmentzündung gestorben war, in der Hauptschlagader Veränderungen, die fast so stark ausgesprochen waren wie die Gefäßdegenerationen, die man sonst bei einem 50jährigen Individuum finden kann.

Wohl in keinem Organ treten uns in so früher Lebensperiode mit großer Häufigkeit Arterienveränderungen im Sinne der Arteriosklerose entgegen wie in der Milz. Wir untersuchen konsequent mikroskopisch die Milz, ob sie nun makroskopisch Veränderungen gezeigt hat oder nicht. Wir finden nun außerordentlich häufig schon bei ganz jungen Individuen im Bereich der Follikelarterien Alterationen, die wohl nur der Arteriosklerose zugezählt werden können. Diese Befunde haben für die Arteriosklerose eine besondere Bedeutung, weil sie ein Licht werfen auf die Aetiologie der Arteriosklerose. Wohl

kein Organ ist einem so wechselnden Blutgehalt und einem so variierenden Blutdruck unterworfen wie die Milz. Die Natur hat zum Schutz der Milz gegen diesen starken Wechsel außerordentlich sinnreiche Vorrichtungen. Die größeren Milzgefäße, die in den Lymphknötchen der Milz verlaufen, verlassen dieselben, wenn ihr Lumen auf ein bestimmtes Maß gesunken ist. Die Gefäße zerfallen dann pinselförmig innerhalb der eigentlichen Milzsubstanz, der Milzpulpa, in zahlreiche Zweige. In einem bestimmten Abschnitt erhält nun die Arterie eine eigene Hülse, die sogenannte Kapillarhülse, wodurch eine Wandverdickung und Einengung des Gefäßlumens zustande kommt. Diese Hülsen halten das Lumen in unveränderlicher Enge ein, wodurch in den peripher von ihnen gelegenen Kapillaren eine starke Herabsetzung des Blutdruckes und der Blutzufuhr eintreten muß. Diese Hülle stellt eine Schutzeinrichtung für die nachfolgenden zarten Abschnitte des Venensystems der Milzpulpa dar und verhindert so eine allzu rasche Ueberschwemmung und ein Einreißen der venösen Kapillaren in der Pulpa. Gerade in dem Bezirk, der vor dem Uebergang der Follikelarterien in die sogenannten Hülsenarterien liegt, finden wir nun außerordentlich häufig schon bei jungen Individuen aus dem ersten und zweiten Lebertsjahrzehnt Verdickungen, hyaline Umwandlungen, Aufsplitterungen der elastischen Fasern der Arterienwand, also kurz gesagt Prozesse, die wir der Arteriosklerose zuzählen müssen. Wenn auch die Milz das vorzüglichste Blutfilter darstellt, dazu bestimmt, die verschiedensten im Blute. zirkulierenden Gifte aufzunehmen, so spricht gerade die Lokalisation dieser Gefäßveränderungen in den Follikelarterien doch vielmehr dafür, daß hier nicht sowohl toxisch-infektiöse als mechanische Verhältnisse, namentlich immer sich wiederholende Blutdrucksteigerungen für diese Gefäßveränderungen in Betracht gezogen werden müssen.

Eine genaue makro- und mikroskopische Untersuchung der Gefäße zeigt immer mehr, daß man den Beginn der Arteriosklerose in sehr vielen Fällen schon in die Jugend, selbst in die ersten Lebensjahre verlegen kann. Saltykow hat

wohl recht, wenn er darauf hinweist, daß, wenn man die Resultate solcher Untersuchungen nicht immer folgerichtig zu verwerten wagte, dies aus Scheu geschah gegen das althergebrachte Dogma der Atherosklerose als Alterskrankheit verstoßen zu müssen. Auf eine genauere Besprechung der aetiologischen Seite dieser juvenilen Arteriosklerose will ich hier in diesem Zusammenhang nicht weiter eingehen.

Einen außerordentlichen Impuls bekam die Erforschung der Arteriosklerose durch die Publikation von Josué im Jahre 1903, daß es ihm gelungen sei, durch Injektion von Adrenalin, einer Nebennierensubstanz, beim Kaninchen Atheromatose hervorzurufen. Diese Versuche von Josué sind von den verschiedensten Seiten weitergeführt worden.

Ich habe selbst ebenfalls mit ähnlichen Präparaten Versuche an Kaninchen angestellt und möchte jetzt, wie ich später noch auseinandersetzen will, das Hauptresultat im Gegensatz zu meiner früheren Auffassung nicht in den positiv, sondern in den negativ verlaufenen Versuchen sehen. Durch ausgedehnte Versuchsreihen konnte gezeigt werden, daß neben Nebennierensubstanzen noch die mannigfachsten Gifte, Säuren etc. die gleichen Gefäßprozesse bedingen können. Interessant war z. B. ein Befund, den der verstorbene College Loeb und ich in gemeinsamen Untersuchungen erheben konnten. Wir gaben einzelnen Kaninchen längere Zeit hindurch Jodkali, das ja gerade bei arteriosklerotischen Prozessen des Menschen gerne und mit gutem Erfolg gegeben wird. Auch bei dieser Untersuchungsserie zeigten einige Tiere recht schwere Veränderungen in den großen Gefäßen. Bei diesen Untersuchungen über die Josué'sche Arteriosklerose der Kaninchen ergeben sich neben Gefäßalterationen noch andere Befunde, die fast noch mehr Interesse beanspruchen können. So fand Loeb, daß er regelmäßig mit aliphatischen Aldehyden Arterienveränderungen hervorrufen konnte, während ihm dies mit aromatischen Aldehyden nicht gelang. Loeb sieht in seinen Befunden einen sinnfälligen Zusammenhang zwischen Konstitution eines chemischen Agens und seiner Wirkung im Sinne von Paul Ehrlich.

Josuè und mit ihm eine Reihe französischer und deutscher Autoren haben die experimentell gefundenen Gefäßveränderungen als Arteriosklerose bezeichnet. Dies ist nun entschieden nicht richtig. Diese Veränderungen decken sich nicht mit der menschlichen Arteriosklerose, einem vorzugsweise in der Innenhaut der Gefäßwandung verlaufendem Prozeß, sondern sind an die Seite zu stellen den Nekrosen und Verkalkungsprozessen in der Media, wie man sie nicht selten beim Menschen und dann als Spontanerkrankung vieler Tiere, besonders in deren Aorta findet. So interessant diese Befunde Josués und seiner Nachfolger auch sind, so kann nicht scharf genug betont werden, daß damit für die Aufklärung der eigentlichen Arteriosklerose des Menschen noch relativ wenig gewonnen wurde.

Bedeutungsvoller sind in dieser Hinsicht schon die Befunde von Saltykow und Klotz. Daß infektiös-toxische Prozesse neben mechanischen Schädigungen der Gefäßwand eine Rolle spielen müssen, ist eine längst angenommene Hypothese. Saltykow und mit ihm eine Reihe anderer Autoren brachten nun den Tieren Bakteriengifte oder auch direkt Bakterien bei. Hier fanden z. B. Klotz und Saltykow in ihren Versuchen manchmal Herde in der Innenhaut der Aorta, die mit ihren degenerativen Erscheinungen die größte Aehnlichkeit mit der menschlichen Arteriosklerose aufwiesen. -

Eine ganz ungeahnte Bewegung kam in die Bearbeitung der Frage der Arteriosklerose durch die Entdeckung der alimentär bedingten Krankheiten, um die sich namentlich die Petersburger Militär-medizinische Akademie verdient gemacht hat. In seiner ersten Arbeit weist Ignatowsky darauf hin, daß der Mensch immer mehr und mehr Karnivore wird. Während in dem Zeitraum von 1820-1879 die Ernährung mit Kohlehydraten nur um 63 % zugenommen hat, ist der Fleischkonsum in der gleichen Zeit um das Fünfzehnfache gestiegen. Bei den Engländern hat er sich sogar um das Siebzehnfache vermehrt. Die französische Medizin hat seit langem ein besonderes Augenmerk auf die Bedeutung der Ernährung für die mannigfachsten Krankheiten gerichtet. In dieser Beziehung

brauche ich ja nur an die zahlreichen Diätvorschriften zu erinnern, welche die französische Dermatologie je und je bei ekzematösen Prozessen ausgearbeitet hat. Nach Bouchard. und anderen französischen Autoren bewirken toxische Substanzen, die als Folge animalischer Ernährung auftreten, einen mehr oder weniger lange dauernden Spasmus der peripheren Arterien und rufen dadurch Arteriosklerose hervor. Der Fleischabusus ist nach ihnen auch die Ursache der Gicht, der Arthritis, der Neurasthertie und der Blinddarmentzündung. Nach Lucas-Championniére soll es bei einer ausschließlich vegetabilischen Kost nie zu einer Appendizitis kommen. Im einzelnen Falle ist es aber außerordentlich schwer neben den andern Schädlichkeiten, die das Leben hindurch einen menschlichen Körper treffen, genau abzumessen, wie viel bei einem pathologischen Befund eventuell auf die Nahrungsweise eines Individuums bezogen werden kann.

Hier kann nun bis zu einem gewissen Grade das Experiment aufklärend wirken. Ignatowsky machte zunächst auf Veranlassung von Roger Versuche an Kaninchen. Kaninchen, denen er ausschließlich Fleischnahrung gab, gingen schon nach einigen Tagen unter schweren Vergiftungserscheinungen zu Grunde. Der gleiche üble Ausgang, nur etwas später, stellte sich auch ein, wenn zum gewöhnlichen Kaninchenfutter Fleisch in mittlerer Menge gegeben wurde. Infolgedessen versuchte Ignatowsky zunächst die Kaninchen durch Beigabe ganz kleiner Fleischmengen zum gewöhnlichen Futter an die fremdartige Ernährung zu gewöhnen. Die Tiere konnten so bis 8 Monate gehalten werden. Bei der Autopsie fand man vielfach Leberverhärtungen, Nierenschädigungen und, was uns heute speziell interessiert, auch Veränderungen in den Arterien, die teils wie die durch Adrenalin bedingten Mediaprozesse aussahen, teils den Intimaveränderungen der menschlichen Arteriosklerose entsprachen. Eine Reihe von Nachuntersuchungen bewies die Richtigkeit der Befunde von Ignatowsky. Die Wichtigkeit dieser Erkenntnis ist ohne weiteres einleuchtend. Sie zeigt, wie vorsichtig man gerade bei experimentellen Untersuchungen

die Nahrungsweise der Tiere berücksichtigen muß. So wurden vor einigen Jahren größere Versuche unternommen, um die Giftigkeit des Alkohols auf die Gefäße nachzuweisen. Den Kaninchen wurde neben dem gewöhnlichen Futter Milch gegeben, die ja als möglichst indifferente Nahrung angesehen werden konnte. Dazu bekamen die Tiere Alkohol. Solche Tiere bekamen nun wirklich zum größeren Teil Gefäßveränderungen im Sinne der Arteriosklerose, die man natürlich ohne weiteres als Folgen der Alkoholvergiftung aufgefaßt hat. Wir wissen jetzt, daß hier ein falscher Schluß gezogen wurde, indem den Kaninchen nicht sowohl der Alkohol als die Milch gefährlich wurde. Ich habe s. Z., um die Bedeutung des Alkohols auf die Nieren nachzuweisen, während längerer Dauer Kaninchen neben dem gewöhnlichen Grünfutter größere Dosen von Alkohol gegeben. Ich konnte bei diesen Versuchen in den Gefäßen nie die geringste Alteration nachweisen. Setzt man hingegen Kaninchen auf eine einseitige Milchfütterung oder mischt man ihnen in ihr gewöhnliches Futter Milch, so zeigen viele Tiere Gefäß- und Leberveränderungen, die denen ganz an die Seite zu stellen sind, welche man nach Fütterung mit verschiedenen Organbreien oder auch mit gewöhnlichem Fleisch sieht.

Wir haben zu Beginn unserer Ausführungen auf die Bedeutung mechanischer Momente, namentlich der Blutdrucksteigerung, für die Entstehung der Arteriosklerose hingewiesen. Es erhebt sich bei den interessanten Befunden von Ignatowsky und mancher anderer Autoren sofort die Idee, ob nicht eventuell die Schädigung dieser alimentären Vergiftung noch mehr zum Ausdruck kommen muß, wenn die Gefäße auch rein mechanisch stärker in Anspruch genommen werden. Daß experimentell rein mechanisch Gefäßveränderungen ausgelöst werden können, hat der Amerikaner Klotz bewiesen. Hirsch und seine Mitarbeiter glaubten auch den Nachweis leisten zu können, daß bei Tieren, denen man den Nervus depressor exstirpiert, stärkere Gefäßschädigungen, z. B. durch Adrenalin bedingt werden. Wenn die Depressoren entfernt sind, so wird das

Gefäßsystem, da es nun gegen die physiologischen, täglichen Blutdrucksteigerungen mangelhaft geschützt ist, geschwächt und anfälliger für Giftwirkungen. Im Institut hatten sich aus einer anderen Fragestellung heraus College Gigon und Ludwig experimentell und auch rein morphologisch mit dem Nervus depressor beschäftigt. Wir glaubten unklare Fälle von Herzvergrößerungen, die sog. idiopathische Herzhypertrophie im engeren Sinne des Wortes auf Depressorenalterationen zurückführen können. Die experimentellen Untersuchungen von Gigon und Ludwig verliefen in diesem Sinne negativ. Und auch rein morphologisch konnte College Ludwig keinen konstanten Befund im Nervus depressor erheben. Dennoch versuchte der leider schon im Beginn des Krieges gefallene College Heusner noch einmal die Depressorwirkung in Kombination mit Behandlung mit Adrenalin und mit Fütterung von Leberbrei festzustellen. Zunächst ergaben. diese Versuche, daß nach Resektion der Depressoren bei den Kaninchen, die sonst bei normalem Futter gehalten wurden, weder eine Gefäßveränderung, noch eine Herzvergrößerung auftraten. Behandelt man Tiere, denen der Depressor reseziert ist, mit Nebennierensubstanz, so treten wohl häufig Gefäßveränderungen auf, aber nicht mehr als bei Tieren denen ohne Wegnahme der Depressoren die gleiche Nebennierensubstanz gegeben wird. Unsere Tiere mit Depressorresektion zeigten auch dann keine Gefäßveränderungen, wenn sie nach dem Vorgehen von Klotz mechanisch stärker in Anspruch genommen werden. Kombination von Depressorresektion und Fütterung mit Leberbrei lieferte auch keine besonders starke Gefäßalteration. In dieser Beziehung war das Resultat der Untersuchung recht negativ und scheint dafür zu sprechen, daß beim Tiere für die Gefäßalteration nach Adrenalindarreichung und Fütterung aus Leberbrei doch vielmehr direkte Giftwirkung als mechanisch Momente in Betracht gezogen werden müssen.

Die Resultate mit Verfütterung von Fleisch und verschiedenen Organbreien brachte man zunächst mit der Wirkung von giftigen Abbauprodukten des tierischen Eiweißes in Zusammenhang.

Stuckey, ebenfalls ein Schüler der Militär Medizinischen Akademie in Petersburg, untersuchte zunächst, ob nicht eine Differenz bestehen würde in der Wirkung des Eigelbes und derjenigen des Eiweißes. Er fand nur bei Fütterung von Eigelb Gefäßveränderungen. Er führte diese Wirkung schon damals 1910 nicht sowohl auf die Eiweißkörper als auf die Fette des Eigelbes zurück. In dieser Ansicht wurde er durch den positivem Ausfall von Fütterungsversuchen mit Hirnbrei bestärkt. Wesselkin bestimmte dann weiters, daß bei der Einwirkung des Eidotters nicht sowohl Lecithin als die Cholesterinester maßgebend seien. Mit dieser sehr wichtigen Feststellung war nun der Weg für die weitere experimentelle Forschung gegeben.

Das letzte Jahrzehnt hat nun in der Erforschung der Verfettungsprozesse manche neue Tatsache kennen gelernt. Wir wissen jetzt, daß bei den Verfettungsprozessen neben den Fettsäuren und den gewöhnlichen Neutralfetten doppeltlichtbrechende Lipoide, zu denen namentlich die Cholesterinester gehören, eine große Rolle spielen. Nun findet man gerade bei der Untersuchung der verfetteten Intimaherde bei der Arteriosklerose besonders reichlich doppeltlichtbrechendes Fett. Es ist ohne Weiterers einleuchtend, daß diese beiden Feststellungen, einerseits die Möglichkeit mit Cholesterinestern bei Kaninchen Gefäßveränderungen hervorzurufen, anderseits die Anwesenheit von reichlich Cholesterinestern in den Produkten der menschlichen Arteriosklerose zu neuen Untersuchungen Anlaß geben mußten.

Es waren zunächst wieder Petersburger Forscher, Chalatow und Anitschkow, die größere Untersuchungsreihen unternahmen. Sie gelangten nun dazu durch Fütterung der Kaninchen mit Nahrungsmitteln, die Cholesterin in reichlicher Menge enthalten, oder mit reinem Cholesterin Veränderungen in der Aorta hervorzurufen, die nicht nur topographisch und histologisch, sondern auch mikrochemisch mit den Veränderungen der menschlicher Arteriosklerose übereinstimmen. Sie konnten in ihren Experimenten auch den Nachweis leisten, daß die

Intimaveränderungen noch rascher auftreten, wenn sie die Aortenwand durch vorangehende Adrenalindarreichung oder auch durch mechanische Einwirkungen zunächst schädigten. Eine genauere histologische Untersuchung ergab, daß die Cholesterinester zunächst zwischen die Bindegewebsfasern der Innenhaut eingelagert werden, worauf dann erst die hyperplastischen Prozesse eintreten, die ich heute im Beginn meiner Auseinandersetzung kurz erwähnt habe.

Diese Befunde sind derart, daß man Anitschkow unbedingt zustimmen muß, wenn er diese Ergebnisse, die er experimentell beim Kaninchen gewann, auch auf den Menschen übertragen will. Auch bei Menschen kommen, wie Chauffard und seither eine große Reihe deutscher und französischer Autoren festgestellt haben, Zustände von Hypercholesterinämie vor, die eventuell verbunden mit mechanischen oder toxisch-infektiösen Einflüssen auf die Gefäßwand zu arteriosklerotischen Prozessen führen können. Die experimentellen Befunde Anitschkows sprechen schon dafür, daß sich selbst die experimentelle, geschweige dann die spontane Arteriosklerose des Menschen nicht nur unter dem Einfluß einer einzigen Schädigung entwickelt, sondern daß sie vorzugsweise als das Resultat einer gleichzeitigen Einwirkung einer Reihe von Momenten, die während des Lebens eines Menschen wirkungsvoll sein können, aufzufassen ist. Es ist nicht richtig, wie es manche Autoren unter dem Eindruck, namentlich der alimentären experimentellen Arteriosklerose tun wollten, die Arteriosklerose einfach als eine rein toxische oder infektiös-toxische Krankheit zu bezeichnen, weil, wie wir eingangs erwähnt haben, daneben ganz sicher rein mechanische Prozesse eine sehr bedeutungsvolle Rolle spielen. Nach Ludwig Aschoff macht die mechanische funktionelle Abnutzung eine Lockerung der Kittsubstanz bestimmter Systeme; das eindringende Blutplasma läßt diese funktionelle Abnutzung je nach seinem Cholesterinester- oder Kalkgehalt hervortreten und führt dann durch sekundäre Prozesse und Nekrosen zu den schwereren Erscheinungen der Arteriosklerose.

Die Erhöhung des Cholesteringehaltes des Organismus bedeutet im Allgemeinen also ein begünstigendes Moment für die Entwicklung der Atherosklerose, die mechanischen Momente, namentlich dauernde oder oft sich wiederholende Blutdrucksteigerungen schaffen dann die Bedingungen, unter welchen die Infiltration der Arterienwand mit Cholesterinestern besonders ermöglicht wird.

Diese Befunde involvieren ohne Weiteres die Bedeutung des Cholesterinstoffwechsels für die menschliche Pathologie. Die Arbeiten der neuesten Zeit haben bei den Untersuchungen über Cholesterinstoffwechsel ein ganz neues funktionelles System erkennen lassen, das für die Regulierung des Lipoidstoffwechsels bedeutungsvoll ist, ich meine den Retikuloendothelialapparat der Milz und der Leber. Wir haben in die Abhängigkeit dieses Lipoidstoffwechsels von Drüsen mit innerer Sekretion ganz eigentümliche Einblicke gewonnen. Die Zeit verbietet es mir leider auf diese Fragen, die für die weitere Untersuchung der Arteriosklerose von außerordentlicher Bedeutung werden müssen, einzugehen.

Diese kurze Uebersicht möge Ihnen zeigen, wie kompliziert die ganze Frage der Arteriosklerose ist. Es genügt nicht einfach irgend eine schädliche Substanz einem Tiere einzuspritzen oder zu verfüttern und dann aus eventuellen Gefäßveränderungen gleich auf eine spezifische Schädigung des Gefäßrohres durch diese Substanz zu schließen. Wenn man diesen Weg einschlägt, so kann man mit dem gleichen Recht beweisen, daß es nach den experimentellen Befunden beim Kaninchen für den Menschen wohl nichts so gefährliches für den Gefäßapparat geben kann wie Milch, Eier oder Fleisch, da diese Substanzen ja erwiesenermaßen experimentell zu schweren Gefäßschädigungen führen können. Die Beurteilung der Schädlichkeit einer Substanz ist ferner noch dadurch sehr erschwert, daß wohl in keinem andern Organsystem die Disposition zu Erkrankungen eine solche Rolle spielt wie gerade beim Gefäßsystem. Wenn man experimentell arbeitet, so kann man immer wieder die Beobachtung machen, daß unter sonst

ganz gleichen Bedingungen die Versuchstiere sich sehr verschieden verhalten. Wir finden immer Tiere, die sich dem Versuch gegenüber vollkommen refraktär verhalten. Diese Feststellung ist für die Lehre der menschlichen Arteriosklerose außerordentlich wertvoll. Nirgends gilt mehr der Satz: Quid licet Jovi, non licet bovi. Wir kennen keine absoluten Gefäßgifte. Damit Arteriosklerose zu Stande kommen kann, braucht es nicht nur eine oder mehrere Noxen, sondern es braucht auch ein Individuum, das auf diese Noxen reagieren will.

In unserer täglichen medizinischen Arbeit fällt uns beständig auf, daß man bei der Arteriosklerose eine regionäre, familiäre und individuelle Disposition zu Gefäßerkrankungen unterscheiden muß. Regionäre Differenzen im Befallensein einer Bevölkerung an Arteriosklerose sind schon lange beobachtet. Leider haben wir hier in Basel, sowohl nach den klinischen als auch nach den pathologisch-anatomischen Erfahrungen, das Privilegium mit Arteriosklerose besonders behaftet zu sein. Als pathologischer Anatom ist man namentlich überrascht von der Häufigkeit sehr schwerer und ausgedehnter arteriosklerotischer Prozesse. Worauf diese erhöhte regionäre Disposition beruht, vermag ich nicht zu sagen. Nach meinen bisherigen Auseinandersetzungen werden Sie ohne Weiteres zugeben, daß damit sehr wenig für die Erklärung gewonnen ist, wenn jemand diese stärkere Arteriosklerosetendenz mit dem Markgräflerwein in Verbindung setzen will oder mit dem Umstand, daß hier vielleicht mehr Leute Gelegenheit haben Straßburgergänseleber zu essen als an andern Orten. Wir müssen diese regionäre Disposition vorläufig einfach registrieren und müssen zu ihrer Erklärung eine ganze Reihe mehr oder weniger coordinierter Ursachen gleichzeitig berücksichtigen.

Die familiäre Disposition zu Arteriosklerose ist eine schon seit den ältesten Zeiten unbestrittene Tatsache. Wir können nach unseren heutigen Kenntnissen diese familiäre Disposition bereits bis zu einem gewissen Grade erklären. Sie muß gelegen sein erstens in einer gewissen vererbten Minderwertigkeit

der elastischen Elemente der Gefäßwand, dann in einer gewissen Irritabilität des zentralen und peripheren nervösen Apparates der Gefäßwand, wozu auch die vererbte Disposition zu Neurasthenie und der sog. psychogenen Arteriosklerose hinzukommen kann, und dann endlich in einer gewissen Tendenz zu Störungen des Cholesterinstoffwechsels und des Retikuloendothelialapparates.

Die individuelle Disposition zur Arteriosklerose kann angeboren sein und dann wohl in jedem Moment des Lebens erworben werden, wobei sowohl mechanische als infektiös-toxische oder rein toxische inclusive alimentäre Einflüsse maßgebend werden können. Hier zeigt sich für die Medizin noch ein weites Gebiet für prophylaktische Tätigkeit. Ein Hauptmoment in der Bekämpfung der Arteriosklerose wird darin zu suchen sein, daß manches von dem, was der jetzigen Menschheit bis jetzt als zur Existenz notwendig erschien, verschwindet. Wenn der jetzige Weltkrieg wirklich, wie manche noch zu hoffen wagen, dazu führt, daß an Stelle des krassen Materialismus mit seinem nerven- und gefäßzerstörenden Existenzkampf eine mehr idealistische Lebensauffassung und eine einfachere Lebensweise treten, wenn er es bewirken kann, daß die vielen Millionen, die bis jetzt zum Bau von Kanonen zur Zerstörung der Menschheit und ihrer kulturellen Güter verbraucht wurden, dafür verwendet werden können, daß dem wirtschaftlich und körperlich Schwachen so geholfen werden kann, daß die bange Sorge um das tägliche Brot wegfällt, dann wird ein Hauptmoment in der prophylaktischen Bekämpfung der Arteriosklerose bereits erreicht sein. Dann wird die kommende Menschheit auch Ursache haben in diesem entsetzlichen Unglück, das zum Fluch der heutigen Menschheit geworden ist, den Beginn einer bessern und aufgeklärten Zeit zu preisen.