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Universitätsreform und New Public Management

Eigentlich hatten wir uns manches etwas anders vorgestellt. Mit dem einstimmigen Beschluss des Senates, eine Reform unserer Universität einzuleiten, tat die Universität vor drei Jahren einen mutigen Schritt, um den Herausforderungen der Zukunft wohlvorbereitet entgegengehen zu können. Wir strebten nach mehr Selbständigkeit und erklärten uns bereit, mehr Eigenverantwortung zu übernehmen. Einiges davon haben wir bereits erhalten —gleichzeitig aber auch den Auftrag, unser Budget innert Jahresfrist um einen zweistelligen Millionenbetrag zu kürzen.

Wir strebten eine Flexibilisierung der Bewirtschaftung der Ressourcen an. Dadurch sollte die Universität zusätzlichen Schwung, Innovationskraft, einen neuen Entwicklungsschub erhalten. Und was tun wir heute? Wir diskutieren, wo wir Leistungen abbauen, ersatzlos streichen können.

Wir waren bereit, Finanzverantwortung zu übernehmen. Doch wir erkennen mehr und mehr, wie undurchsichtig unsere Rechnung ist und wie viele Hände sich an unserem Budget beteiligt haben; und die Linke wusste nicht, was die Rechte tat. Noch lange sind nicht alle «toten Hunde» in unserer Rechnung ausgegraben — und da sollen wir die Gesamtverantwortung übernehmen?

Zwei Jahre lang bemühten wir uns darum, die Regierung für unser Reformprojekt zu gewinnen, mit WIF! ist das nun gegeben, mit dem Regierungsprojekt der Wirkungsorientierten Verwaltungsführung (WIF mit staatlich verordnetem Ausrufezeichen!). Wir erwarten davon viel; doch auch dies wird überlagert durch das eine Stichwort «Einsparen».

Mit dem WIF!-Projekt verbunden kommt schliesslich noch das Konzept des «New Public Management» über uns, das uns nicht nur eine neue

Philosophie verheisst, sondern auch eine neue Sprache beschert. Die Finanzen, bemessen nach den Gesichtspunkten des «Benchmarking» werden zum «Input», die Studierenden zu «Kunden» und die Absolventen zum «Output» der Universität. Wir fühlen uns wie in einem Robotikunternehmen.

War das gemeint, wenn wir von einer Universitätsreform sprachen? Ist das gemeint, wenn heute gross und breit vom «New Public Management» die Rede ist?

Eigentlich kann nicht das gemeint gewesen sein. Und doch ist das die Situation, in der wir stehen. Unser «uni 2000», die Verwaltungsreform des Kantons, die Theorie des New Public Managements und der eiserne Wille unserer Regierung zur Sanierung der Staatsfinanzen haben sich ineinander verfangen und sind zu einem fast unauflösbaren Problemknäuel geworden.

An einem Punkt möchte ich heute einen kleinen Beitrag zur Entwirrung leisten. Ich rede nicht von den Budgetkürzungen, das tun wir ohnehin schon genug. Das Thema, das ich gewählt habe, ist grundsätzlicher und, wie ich hoffe, längerfristiger als das derzeitige Gerangel um das Geld: Ich möchte einige Überlegungen zum Verhältnis von Universitätsreform und New Public Management anstellen.

Als —im Jahre 1991 —im Rektorat die ersten Grundlagen für eine Universitätsreform erarbeitet wurden, war der Begriff des «New Public Management» (in England) eben gerade geprägt worden 1. Seinen Weg über den Ärmelkanal hatte er allerdings noch nicht angetreten. Das New Public Management war nicht der Vater unserer Universitätsreform.

Überhaupt ging unser Reformprojekt nicht von einer betriebswirtschaftlichen Theorie aus. Es erwuchs vielmehr aus der täglichen Praxis und aus den unmittelbaren Erfahrungen mit dem Betrieb der Universität. Es war immer deutlicher geworden: Die rasante Entwicklung unserer Universität in den letzten 20, 30 Jahren hatte ihre noch aus dem 19. Jahrhundert stammende Organisations- und Leitungsstruktur in vielen Teilen überrollt. Eine Neuorientierung war unausweichlich geworden. Im Unterschied zu anderen Schweizer Hochschulen, die in einer ähnlichen Lage waren, brauchten wir allerdings keinen Hayek, um dies festzustellen; die Probleme lagen offen auf dem Tisch.

Dennoch ergab sich fast von selbst, dass die Perspektiven und die Ziele, die wir formulierten, weitgehend konform gingen mit neueren betriebswirtschaftlichen Postulaten. Ich nenne nur wenige Stichworte wie

— «Lean Management», flache Strukturen,

— Delegation von Aufgaben und Kompetenzen an nachgeordnete Positionen,

— Aneinanderrücken von Sach- und Entscheidungsebenen,

— Subsidiarität,

— Flexibilisierung des Ressourceneinsatzes,

— unternehmerischeres Denken und ähnliches mehr.

Auf diesen Elementen beruht auch das Konzept des New Public Managements. Es fasst sie zusammen und stellt sie in den noch weiteren Rahmen einer grundsätzlich neuen Struktur — und Kultur — staatlichen Handelns.

Nach dem Konzept des New Public Managements soll die Regierung von der unmittelbaren operationellen Leitung der verschiedenen staatlichen Bereiche und Betriebe entlastet werden und sich —in Analogie zu einer Holding —auf die strategische Leitung der Staatsgeschäfte beschränken. Mit ihren Verwaltungsbereichen und Betrieben soll sie Leistungsvereinbarungen abschliessen, die erforderlichen Globalkredite sprechen und den einzelnen Bereichen dann in der konkreten Erfüllung ihrer Aufgaben Freiheit und Eigenverantwortung zugestehen. Der Erfolg staatlichen Handelns soll an dessen Wirkungen gemessen werden; dem entsprechend soll sich das Mass der staatlichen Finanzierung nicht nach den derzeitigen Kosten, sondern nach den Leistungen, dem «Output» der einzelnen Bereiche, bemessen. Die Staatsverwaltung soll vitalisiert werden und sich mit den Herausforderungen der Privatwirtschaft messen können.

Es steht ausser Zweifel, dass dieses neue Konzept den Absichten und Zielen unserer Universitätsreform in hohem Masse entgegenkommt. Insofern die heutige Universität ein komplexes Gebilde, ein Grossbetrieb geworden ist, hat auch sie beträchtliche Verwaltungsaufgaben zu bewältigen. So waren unsere Reformbestrebungen mit besonderer Priorität darauf ausgerichtet, die Universität, ihre Leitung und ihre Verwaltung aus ebenjener staatlichen Ministerialbürokratie herauszulösen, auf deren Überwindung auch das New Public Management zielt. Seitdem die Zürcher Regierung die Verwaltungsreform zum Schwerpunkt der laufenden Legislaturperiode gemacht hat, sind in dieser Richtung viele und auch erfreuliche Entwicklungen an der Universität bereits in vollem Gange.

Und dennoch: Universitätsreform und New Public Management sind nicht einfach identisch, und darauf aufmerksam zu machen, scheint mir wichtig zu sein.

Dass hier Probleme liegen können, zeigt schon der Begriff «New Public Management», auch in seinem deutschen Äquivalent, der «Wirkungsorientierten Verwaltungsführung»: Das New Public Management ist

— erstens ein neues Konzept von Verwaltung,

— zweitens ein Konzept von staatlicher Verwaltung, und es orientiert sich,

— drittens, an betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten.

Die Frage lautet: Wie verhalten sich Verwaltung, staatliche Verwaltung und Betriebswirtschaftlichkeit zu einer Universität, wenn wir nicht zuerst an ihre Organisation denken, sondern an ihren inhaltlichen Auftrag und an die für sie spezifischen Arbeitsweisen?

Lassen Sie mich — mehr aphoristisch als systematisch — einen kleinen Blumenstrauss von Themen binden, bei denen sich eine Universität bemühen muss, eher ein New University Management als ein New Public Management zu entwickeln.

1. Verwaltung

Die Kernaufgabe einer Universität, die Pflege der Wissenschaft in Forschung und Lehre, kann dem Begriff «Verwaltung» nicht subsumiert werden. Wir verwalten die Forschung nicht, und wir verwalten das Wissen nicht zuhanden der Ausbildung der Studierenden. Wir betreiben Forschung und wir betreiben akademische Ausbildung, und das ist etwas anderes als Verwaltung. Verwaltet die Universität Forschung und Lehre nur noch, ist sie keine Universität mehr.

Eine Sache verwalten heisst, sie nach feststehenden Regeln zu handhaben. Wissenschaft aber zielt auf die Entdeckung neuer Sachverhalte, neuer Zusammenhänge, neuer Methoden und Techniken. Während die Verwaltung einer Sache verlässlicher Vorgaben und Ziele bedarf, lebt die Wissenschaft von Kreativität und Innovation —und dann der sorgfältigen Reflexion —, und die Wissenschaft erzielt da ihre grössten Erfolge, wo angeblich gesicherte und selbstverständlich gewordene Vorgaben überschritten werden, wo das Ergebnis gerade noch nicht bekannt ist. Während die Verwaltung in aller Regel in Bürostunden arbeitet, kennen Kreativität und Innovation grundsätzlich weder Uhr noch Kalender noch auch festgeschriebene Dienstwege und Hierarchien. Der Geist weht, wo er will, die Inspiration kommt oder kommt nicht, das Experiment gelingt oder gelingt nicht. Selbst die gelingende Lehre lebt von der Gunst der Stunde. Und solches Gelingen ist nicht verwaltbar.

Der Verwaltbarkeit entzieht sich die Wissenschaft insbesondere darum, weil sie nicht als eine «Sache» greifbar wird. Gewiss, es gibt Ergebnisse der Wissenschaft, die zu Papier gebracht und gelesen werden können; es gibt Ergebnisse der Wissenschaft, die demonstrierbar sind, und es gibt Ergebnisse der Wissenschaft, die konkret ausgewertet werden können. Doch die Wissenschaft selbst ist etwas anderes, sie ist ein Prozess, ein geistiger Prozess, ein Prozess des Wahrnehmens, des Beobachtens, des Kombinierens, des Denkens. Die Wissenschaft findet — auch in ihren experimentellen Bereichen —in unseren Köpfen statt.

Das gilt wie für die Forschung so auch für die Lehre. Die Weitergabe wissenschaftlicher Ergebnisse allein ist noch keine Wissenschaft, ebensowenig wie das pure Auswendiglernen und der Erwerb des in der Prüfung reproduzierbaren Wissens. Wissenschaft in der Lehre entsteht erst da, wo Studierende selbst wissenschaftlich zu denken beginnen, zuerst im aktiven Nachvollzug vermittelter Erkenntnisprozesse und später im selbständigen wissenschaftlichen Umgang mit vorgegebenen Problemen.

Solche —Ereignis werdende — Wissenschaft kann nicht verwaltungstechnisch eingefangen werden. Sie braucht ihre eigenen Rahmenbedingungen, und darin kann sich ein New University Management nicht allein auf das Verwaltungsparadigma des New Public Management verlassen.

2. Staatliche Verwaltung

Das New Public Management ist ein neues Konzept staatlicher Verwaltung. Der spezifisch staatlichen Verwaltung entzieht sich die Wissenschaft noch aus anderen Gründen. Auch wenn die Universität unter staatlicher Trägerschaft steht und zu wesentlichen Teilen vom Staat finanziert wird, erfüllt sie dennoch nicht eine spezifisch staatliche und schon gar nicht eine obrigkeitliche Funktion wie z. B. die Einwohnerkontrolle, das Steueramt, die Polizei oder das Militär. Denn Wissen und Wissenschaft sind nicht staatliche, sondern staats- und gesellschaftsübergreifende Güter, die vom Staat zwar unterstützt und gefördert, aber nicht grundsätzlich in Verwaltung genommen werden können. Immerhin galt das Studium, die Wissenschaft während langen Jahrhunderten als eine gegenüber dem Staat und der Kirche —und später auch gegenüber der Wirtschaft —selbständige gesellschaftliche Kraft.

Gewiss, es gab Zeiten, in denen das Wissen und die Wissenschaften staatlich verwaltet wurden. In gewisser Weise galt dies für die Zeit des 16. und 17. Jahrhunderts, in der fast jeder grössere deutsche Landesherr eine Universität gründete, um seine Beamten, seine Juristen, Arzte, Pfarrer und Lehrer, im eigenen Land und im eigenen Geist auszubilden. Noch deutlicher — und viel extremer — artikulierte sich die staatliche Wissens- und Wissenschaftsverwaltung in den totalitären Staaten unseres Jahrhunderts.

Gegen die staatliche Wissensverwaltung wandte sich am prominentesten Wilhelm von Humboldt. Nicht der Staat, postulierte er, hat über Wissen und Wahrheit zu befinden, sondern die auch dem Staat gegenüber freie Wissenschaft. Gewiss, auch nach Humboldt sollte die Arbeit der Universität dem Staate zugute kommen, und Humboldt erachtete es als eine der zentralen Aufgaben des Staates, die Universität zu tragen und zu finanzieren. Doch er war überzeugt, dass der Staat auf die Dauer von einer sich frei entfaltenden Wissenschaft viel mehr profitiert, als wenn er dieser ihre Ziele und Themen hoheitlich vorgeben würde. 2

Das weiss heute —grundsätzlich jedenfalls —auch der Staat. Er ist es ja, der den Universitäten die Lehr- und Forschungsfreiheit garantiert und damit zumindest darauf verzichtet, die Ergebnisse der Forschung oder den Inhalt der Lehre vorherbestimmen zu wollen.

Doch die Gefahr einer staatlichen Wissenschaftsverwaltung ist keineswegs gebannt, weder in den Kantonen noch beim Bund. Und sie könnte sich gerade unter dem Stichwort des «New Public Management» wieder neu verstärken.

Das New Public Management sieht für die vom Staat getragenen Institutionen einen Leistungsauftrag vor. Das ist an sich durchaus in Ordnung. Der Staat hat das Recht, für das Geld, das er in seine Universität steckt, auch eine entsprechende Leistung zu verlangen. Das ist im übrigen so neu auch wieder nicht. Einen Leistungsauftrag hat die Universität Zürich schon heute, er steht in den ersten Paragraphen des Unterrichtsgesetzes

und der Universitätsordnung zu lesen. 3 Doch der Begriff «Leistungsauftrag» kann auch missbraucht werden, sei es im Sinne unsachgemässer Eingriffe in die Universität oder einer ebenso schädlichen neuen Form staatlicher Wissenschaftsverwaltung. Die knappe Formulierung des New Public Managements: Der Leistungsfinanzierer bestimmt, was zu tun sei, und der Leistungserbringer befinde dann über das Wie, ist in bezug auf die Universität zu überdenken. Denn die Universität ist — bei allem Respekt gegenüber dem Staat sei dies gesagt —in ihrer Sache primär nicht dem Staat, sondern der Wissenschaft verpflichtet.

Ich kann hier die Ergebnisse der auf uns zukommenden Diskussionen um den Leistungsauftrag nicht vorwegnehmen und will auch nicht den Teufel an die Wand malen. Doch an diesem Punkt wird es um den Kern der Universität gehen. Es wird sehr darauf ankommen, wer diesen Leistungsauftrag formuliert und wie und aus welchem Geist heraus er (oder sie) das tut. Je nachdem kann die Universität aufblühen —oder auch verwelken. Hier wird es zur Nagelprobe kommen, ob das New Public Management der Universität hilft oder ihr schadet.

Dabei ist mit Nachdruck festzuhalten: Die Universität hat nicht nur einen Leistungsauftrag von ihren Trägern, sondern auch einen Leistungsauftrag aus ihrer Geschichte, aus ihrer eigenen Wahrnehmung der Gegenwart wie auch aus den Ansprüchen, die sich aus der Wissenschaft selbst ergeben. Das ist vom Staat zur Kenntnis zu nehmen und bei der Formulierung seines Leistungsauftrages zu berücksichtigen. Die Universität hat schon einen Leistungsauftrag, bevor der Staat einen solchen formuliert.

Zudem erinnere ich daran, dass das New Public Management synonym zum Leistungsauftrag auch von der Leistungsvereinbarung spricht. Die Leistungsvereinbarung bedarf der Zustimmung durch den Leistungserbringer. Auf diesen Begriff der Leistungsvereinbarung wird die Universität pochen müssen.

3. Wirkungsorientierung

Das New Public Management zielt auf eine wirkungsorientierte Verwaltungsführung. «Wirkung» definiert das New Public Management als das Verhältnis von Ergebnis und Aufwand, d. h. als das Verhältnis von Kosten und Nutzen, oder —in seiner Sprache formuliert —als value for money. In der Sache geht es um die Orientierung des staatlichen Handelns an der Wirtschaftlichkeit und der Zweckmässigkeit, und das Kriterium für die Effektivität, die Wirkung, ist der Markt. 4

Die wissenschaftliche Arbeit einer Universität zielt primär auf Erkenntnis. Natürlich hoffen wir, dass die Erkenntnis auch Wirkungen in

unserer individuellen und gesellschaftlichen Lebenswirklichkeit entfalte und ihr Nutzen bringe. Doch wieviel Zeit liegt oft zwischen der Erkenntnis und der Wirkung, die sie ausübt, und wie viele Erkenntnisse bleiben wirkungslos —ohne dass sie dadurch falsifiziert würden. Welche Erkenntnis Wirkungen ausübt und welche nicht, lässt sich nicht zum voraus sagen. Und die Geschichte lehrt, dass viele Erkenntnisse formuliert wurden, für die die Zeit noch nicht reif war, die erst später ihre Früchte trugen.

Ebenso offen ist die Frage nach den Wirkungen der universitären Lehre. Wo sind sie zu fassen? In den Examina? Wohl nur zu einem geringen Teil. Es kann Jahre dauern, bis ein Studium seine Wirkung entfaltet. Die Wirkungen einer Universität sind nur schwer ermittelbar.

Im Vergleich mit der Universität hat es die industrielle Ausbildung, Forschung und Entwicklung leichter und schwerer zugleich. Sie wird zuerst an ihren Wirkungen gemessen. Denn sie steht im harten Wettbewerb des Marktes: Besser müssen die Produkte werden, schneller und kostengünstiger verfügbar. Das Ziel der industriellen Forschung ist nicht primär die Erkenntnis, sondern das Ergebnis, und die Wirkung ihrer Anstrengungen spiegelt sich in Marktanteilen und Bilanzen.

In den Hochschulen liegen die Dinge anders. Erkenntnis, Studium, Bildung, Kultur sind keine «Produkte» im marktwirtschaftlichen Sinn. Es sind vielmehr geistige Grössen, die zwar auch «vermarktet» werden können, ihrer Sache nach aber weit über das Markt-Paradigma hinausgehen. Und einer Universität muss es in allererster Linie um diese Sache gehen. Eine Universität, die ihre Arbeit nur noch am Markt ausrichten wollte, verlöre ihre Seele.

Erkenntnis, Studium, Bildung, Kultur tragen ihren Lohn zunächst in sich selbst, auch wenn sie (noch) keine monetär bezifferbaren Wirkungen entwickeln. Es ist alte Tradition, dass gerade den Universitäten Freiräume für solche nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten «wirkungslose» Erkenntnisse zugestanden werden. Und das muss auch so bleiben: Wo es keinen Raum für sogenannt wirkungslose Erkenntnisse mehr gibt, wird es auch kaum mehr wirkungsvolle geben.

Dass es so schwierig ist, die Wirkung einer Universität zu erfassen, ist nicht zu beklagen. Denn eben darin liegt die wichtigste Aufgabe und die grösste Wirkung einer Universität: verlässliche Grundlagen zu legen für eben jene Zukunft, die wir noch nicht kennen. Dass darin ein eminenter gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Nutzen liegt, steht ausser Frage und wird auch von den Ökonomen immer wieder unterstrichen. Und die grosse Zahl der Studierenden zeigt, dass auch der private Nutzen eines Universitätsstudiums hoch veranschlagt wird. Doch die Wirkung der Universität zeigt sich erst morgen oder übermorgen.

Im Blick auf die Universität schliesst die streng marktbezogene Wirkungsorientierung des New Public Managements in der Sache und in den Fristen zu kurz. Es gibt Dinge unter der Sonne, die nicht einfach den Prinzipien des Marktes folgen.

4. Leistungsmessung

Auffälligerweise spricht das wirkungsorientierte Management nicht von Wirkungsmessung, sondern von Leistungsmessung. Das hat nach dem eben Gesagten seinen guten Grund. Das New Public Management würde sagen: Output ist nicht gleich Outcome. Ich sage es auf deutsch: Leistung ist das, was wir erbringen, Wirkung ist das, was unsere Leistung bewirkt. Und das sind oft genug zwei sehr unterschiedliche Dinge. Wer hat denn schon die Wirkung seiner Leistung — oder auch nur schon seines alltäglichen Handelns —in seiner Hand?

Lassen sich so die Wirkungen nicht zuverlässig messen, so versucht man wenigstens die Leistung zu messen. Denn leistungsorientiert soll das New Public Management sein. Kennzahlen, Benchmarking, Input/Output-Relationen und ähnliche Kriterien der Leistungsmessung gehören zu dessen selbstverständlichem Inventar.

Nun, leistungsorientiert soll und will auch die Universität sein, auch sie bedarf der Qualitätskontrolle. Doch welches sind die ihr angemessenen Kriterien?

Es ist bemühend —und oft auch traurig — zu sehen, wie sich selbst Universitätsangehörige, vor allem aber Bildungspolitiker, unbesehen, kritiklos und oft naiv einfach an das halten, was zufälligerweise in Zahlen ausdrückbar ist: an die Zahl der Publikationen, der Vorträge an Kongressen, der Zitationen, der Preise und Auszeichnungen, an das Ausmass der eingeworbenen Drittmittel.

Natürlich stehen hinter diesen Zahlen Leistungen. Doch die Qualität dieser Leistungen ist an den Zahlen noch lange nicht ablesbar. Man muss die Publikationen schon lesen, nachsehen, wie ein Autor zitiert wird, wo deren Aufsätze erschienen und an welchen Kongressen die Vorträge gehalten worden sind, wie es zu den Auszeichnungen und Preisen kam und aus welchen Gründen die Drittmittel so hoch oder so niedrig sind.

Eine der ältesten Grundregeln von Texteditionen lautet: testes non numerantur sed ponderantur, «die Zeugen (und die Zeugnisse) sind nicht zu zählen, sondern zu gewichten». Das gilt auch für die Beurteilung wissenschaftlicher Leistungen. Wissenschaftliche Leistungen lassen sich ihrem Wesen nach nicht nach Zahlen messen, sie müssen beurteilt werden. Es geht nicht um Enumeration, nicht um Aufzählung, sondern um Evaluation, um Auswertung.

Zählen und aufzählen kann jeder, doch Evaluation setzt Fachkenntnisse voraus; mehr noch: Evaluation ist selbst ein wissenschaftlicher Vorgang —denken Sie etwa an die Arbeit des Forschungsrates des Schweizerischen Nationalfonds. Das ist manchen Wissenschaftsverwaltern ein Dorn im Auge: Kollegen beurteilen Kollegen. Doch das liegt in der Natur der Sache. Auch die Qualität einer statischen Berechnung kann nur der Fachmann

beurteilen. Und das System funktioniert: Der Nationalfonds steht bei allen Forschern in hohem Ansehen.

Dieser innerwissenschaftliche Kontrollmechanismus funktioniert auch weit über dieses eine Beispiel hinaus. Wissenschaftler kennen die wissenschaftliche Qualifikation ihrer Kollegen meist sehr gut. Das ist auch der Grund dafür, dass auch höchstqualifizierte externe Experten bei Evaluationen oft nur das bestätigen, was wir ohnehin schon wissen.

Doch das lässt sich nicht in Zahlen fassen. Im Gegenteil: Die Orientierung am Messbaren allein kann zu erheblichen Fehlurteilen und zu Fehlsteuerungen von Ressourcen führen.

Ähnliches gilt für die Evaluation der Lehre, die in der Regel standardisierten didaktischen Kriterien folgt. Natürlich erwarten wir von einem Universitätslehrer, dass er seine Lehre didaktisch verantwortet. Doch auch hier darf das qualitative Element nicht vergessen werden. Was bringt die beste didaktische Methode, wenn die Sache nicht stimmt? Als Student habe ich von einem wissenschaftlich höchstqualifizierten Professor am meisten profitiert, der alles andere als ein Meister der Didaktik war. Wir hatten erst seine Publikationen durchzuackern, bis wir verstanden, was er uns in der Vorlesung zu bieten hatte. Aber dann verstanden wir es.

Denn auch bezüglich der Beurteilung der Lehre waltet oft der Ungeist des Zählens: als ob eine hohe Zahl der Abschlüsse zwingend ein Qualitätsausweis der Lehre wäre; vielleicht ist sie auch nur das Zeichen niedriger Anforderungen oder zu geringer Selektion. Und wir wissen alle, dass auch die Zahl der Hörer in einer Lehrveranstaltung nicht nur von der Qualität der Lehre abhängig ist.

Ein New University Management hätte gegenüber dem New Public Management zwingend den Begriff der Leistungsmessung zu streichen und ihn durch den der Leistungsbeurteilung zu ersetzen.

5. Output-Finanzierung, Benchmarking

Eine besondere Bedeutung bekommen Zahlen naheliegenderweise im Bereich der Hochschulfinanzierung. Was ist die Leistung einer Universität wert? Was soll sie kosten, was darf sie kosten? Und: Soll die Leistung der Universität den Finanzrahmen bestimmen oder umgekehrt der Finanzrahmen deren Leistung?

Das New Public Management sieht für die Finanzierung staatlicher Verwaltungen und Betriebe eine Umkehrung des derzeitigen Finanzierungsmodus vor. Die bisherige Input-Finanzierung soll einer Output-Finanzierung weichen. Ein Schulhaus soll nicht mehr nach seinen Kosten subventioniert werden, sondern nach der Zahl der darin unterrichteten

Schüler, ein Hallenbad nach der seiner zahlenden Besucher. Damit soll die Effizienz des Mitteleinsatzes erhöht — und gleichzeitig Geld gespart werden.

Dieses Verfahren erscheint vor allem Finanzpolitikern als attraktiv auch für die Universität. Und wieder geht es um Zahlen und ums Messen: gemessen werden soll der «Output» einer Universität an der Zahl der Studienabschlüsse.

Dazu kann ich nur wiederholen, was ich schon andernorts formuliert habe: Eine Hochschulfinanzierung nach Abschlusszahlen könnte nur dann funktionieren, wenn die Zulassung zur Universität wie an amerikanischen Spitzen-Universitäten auf einer strengen Eintrittsprüfung beruhte. An unseren europäischen Universitäten, die anders strukturiert sind, bei denen eine Drop-Out-Rate von 30 bis 40 Prozent notorisch und aktenkundig ist, wo anerkannt ist, dass die Selektion durch die Mittelschule nicht zureichend ist, und wo wir gerade von den Bildungs- und Finanzpolitikern zu selektiven Zwischenprüfungen gedrängt werden, hier kann dieses System nicht funktionieren. Denn diese Selektion kostet Geld, und wenn wir sie durchführen müssen, muss dies auch abgegolten werden. Dass dabei Effizienzverluste eintreten, ist unbestritten, doch die liegen im System. Zudem kann es in niemandes Interesse liegen, die Universitäten in die Versuchung zu führen, durch eine zusätzliche Senkung der Anforderungen nur um des lieben Geldes willen die Abschlussquoten zu erhöhen.

Wird es so, da eine Änderung der Rahmenbedingungen nicht in Aussicht steht, bei einer Finanzierung nach Studentenzahlen bleiben müssen, bleibt die Frage, um welche Beträge es bei dieser Finanzierung gehen soll. Dafür beruft man sich heute, im Zeitalter des New Public Managements, gern auf das Stichwort «Benchmarking».

Im Rahmen des New Public Managements bezeichnet Benchmarking, das sogenannte «Messstab»-Verfahren, eine Methode, mittels derer sich ein Unternehmen anhand bestimmter Kosten- und Leistungsdaten mit ähnlich strukturierten Unternehmungen vergleicht, dann den «besten» Anbieter ermittelt und schliesslich von ihm als einem Vorbild lernt. In diesem Sinne ist das Benchmarking nicht zuerst ein Mittel des Finanzmanagements, sondern des Qualitätsmanagements, ausgerichtet auf eine Erhöhung der Effizienz und damit einer besseren Stellung im Wettbewerb.? Das Konzept leuchtet ein, allerdings wird auch von New Public Managern eingeräumt, dass es nicht leicht zu realisieren sei.

Trotzdem hat sich der Begriff «Benchmarking» in der derzeitigen Debatte über die Hochschulfinanzierung festgesetzt, allerdings in einer gegenüber der reinen Lehre des New Public Managements erheblich heruntertransformierten Gestalt.

Dies sieht, auf die Universität bezogen, dann ungefähr so aus:

1. Vergleichen wir die Kosten an der Universität X pro Studierenden, pro Jahr und pro Fakultät mit den entsprechenden Zahlen der anderen Schweizer Universitäten.

2. Nehmen wir die billigste Variante. An ihr könnten wir uns als Vorbild orientieren.

3. Kontrollgedanke: Die billigste Universität muss ja nicht die beste sein. Also:

4. Nehmen wir die teuerste.

5. Kontrollgedanke 2: Die teuerste ist ja auch nicht unbedingt die beste. Also:

6. Nehmen wir den Durchschnitt aller Hochschulen. Dann sind wir am wenigsten anfechtbar.

Das ist nur leicht karikiert. Aber Sie werden sehen: So wird die Argumentation verlaufen. Sie ist am ehesten politikverträglich. Doch dass «Durchschnitt» oft auch gleichbedeutend ist mit «Mittelmass», wird vergessen. Hier müssten wir mehr Phantasie entwickeln. (In Klammern bemerkt: Die Universität Zürich ist, nach diesen Massstäben gerechnet, im Vergleich mit den anderen Schweizer Universitäten mit Medizin — Bern, Basel, Lausanne und Genf —die billigste, d. h. die kostengünstigste.)

6. Leistungsvereinbarung —Globalbudget

Sind wir bei den Finanzen, ist zum Schluss noch einmal zurückzukommen auf die Leistungsvereinbarung. Denn im Rahmen des New Public Managements steht die Leistungsvereinbarung in engem Zusammenhang mit dem Globalbudget.

Der grosse Vorteil des Globalbudgets liegt darin, dass der Geldgeber darauf verzichtet, seinen Beitrag an die empfangende Institution auf Einzelkonten aufzuteilen. Im Idealfall wird auch die Abgrenzung zwischen Personal-, Sach- und Investitionsmitteln nicht von aussen festgelegt. Dadurch wird, in unserem Falle, die Universität frei in der Allokation der Mittel, was eine unabdingbare Voraussetzung für einen effizienten Mitteleinsatz darstellt.

Innerhalb der Universität bestehen allerdings Vorbehalte gegenüber dem Globalbudget. Man befürchtet, dass ein Globalbudget von den politischen Instanzen leichter gekürzt werden kann als ein detailliertes Budget — und vor allem ohne die politische Verantwortung für den entsprechenden Leistungsabbau übernehmen zu müssen. Gleichzeitig erwartet man grössere Schwierigkeiten, bei neuen Aufgaben Sonderfinanzierungen oder Budgeterhöhungen erhalten zu können.

Diesen Ängsten, die keineswegs bloss aus der Luft gegriffen sind, stellt das New Public Management das Korrelat von Leistungsvereinbarung und Globalbudget gegenüber. Denn das New Public Management geht davon aus, dass der zentrale Inhalt der Leistungsvereinbarung gerade

darin besteht, Leistung und Finanzierung in ein ausgeglichenes Verhältnis zu bringen. Eine Änderung im Leistungsauftrag hätte dann auch eine Änderung der Finanzierungsvereinbarung zur Folge und umgekehrt.

Diese gegenseitige Entsprechung von Leistung und Finanzierung war denn auch eines der vordringlichen Postulate unseres Reformvorhabens. Schon in unserem ersten Konzeptpapier formulierten wir: «Die an die Universität herantretenden Aufgaben und die ihr zur Verfügung gestellten Ressourcen sind in ein sachgerechtes Verhältnis zu bringen». 6 Die Antwort der Regierung darauf lautete damals, im Jahre 1993: «Der im Konzept vertretene Grundsatz, dass die Mittel dem Auftrag zu entsprechen hätten und auf der Basis von bildungspolitischen Grundsätzen festzulegen seien, genügt wohl kaum». 7

Mit der skizzierten Komplementarität von Leistungsvereinbarung und Globalbudget verspricht uns das New Public Management heute das Gegenteil. Und wir hören die Botschaft wohl — doch gibt es auch genügenden Grund zum Glauben? Es wird sich weisen müssen, ob sich das New Public Management in diesem Punkt wirklich bewährt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren

Einleitend habe ich angedeutet, wo und inwiefern Universitätsreform und New Public Management konvergieren, und im Hauptteil versuchte ich, einige Themenbereiche zu skizzieren, in denen Universitätsreform und New Public Management miteinander in Konflikt geraten könnten. Die Diskussion über das Verhältnis von Universitätsreform und New Public Management ist —nicht nur an unserer Universität, sondern in der gesamten Hochschullandschaft der Schweiz —in vollem Gang. So waren denn meine Ausführungen mehr auf eine Auslegeordnung der Problembereiche ausgerichtet als auf konkrete Lösungen. Diese müssen noch gefunden werden.

Sicher aber ist: Die Gefahr von Konflikten besteht. Das New Public Management ist und bleibt ein verwaltungs- und marktorientiertes Konzept, und die Arbeit einer Universität ist anders ausgerichtet.

Dennoch muss es nicht notwendig zu Konflikten kommen. Dafür sind aber mindestens zwei Einsichten unabdingbar, die komplementär akzeptiert werden müssen:

1. Seitens der Universität muss das Bewusstsein dafür wachsen, dass sich der Betrieb der Universität mehr als bisher auch an betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten orientieren muss. Dies gilt für die Universität als ganze, aber auch für die einzelnen Fakultäten und Institute und die Universitätsverwaltung.

Dies kommt auf der einen Seite als Anforderung von aussen auf uns zu. Wir werden nüchtern zu erwägen haben, wo diese Ansprüche berechtigt sind und wo sie den spezifischen Bedingungen der Universität zuwiderlaufen.

(Forschung und Lehre sind keine «Markt-»produkte, und wenn wir die Studierenden ernst nehmen und ihnen wirklich ein «Studium» ermöglichen sollen, sind sie nicht einfach unsere «Kunden».)

Auf der anderen Seite kommt dieser Anspruch aber auch als interne Herausforderung, in eigener Sache, auf uns zu. Wir müssen vermehrt die Verantwortung für Leistung und Effizienz nicht nur in unserer wissenschaftlichen Arbeit, sondern auch im Einsatz der uns zur Verfügung stehenden Mittel übernehmen. Wenn wir dies nicht selbst tun, werden es andere für uns tun, und das können wir nicht anstreben wollen.

2. Seitens der Politik muss das Bewusstsein dafür wachsen, dass die Universität keine Verwaltung und auch kein Produktionsbetrieb ist, sondern eine Wissenschafts- und Bildungsinstitution. In ihrem Kernauftrag, der Lehre und der Forschung, findet das Markt- und Verwaltungsparadigma des «New Public Management» sehr schnell seine Grenzen. Die Universität muss nach ihren spezifischen Zielen und Aufgaben behandelt und beurteilt werden.

Das New Public Management ist zu begrüssen, doch es muss zwingend durch ein breit abgestütztes New University Management ergänzt werden.


Die Universität Zürich auf dem Weg zum «New University Management». (Bild: upd und Werner Hauser)