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Kapitel 

1. Frauenfrage und Frauenstudium.

Rectoratsrede
gehalten am Stiftungstag der Hochschule zu Bern,
den 15. Nov. 1873.
Von
Prof. Dr. H. v. Scheel 1).

Geehrte Frauen und Herrn, Werthe Kommilitonen! Das begonnene Semester hat, wie Ihnen Allen bekannt, eine eigenthümliche Veränderung im Personalbestand der Studierenden unserer Hochschule mit sich gebracht; eine Veränderung, die alle Betheiligten mit mehr oder weniger Bedenken, Viele mit Widerstreben haben geschehen sehn. Sie wissen, g. A., ich meine die Aufnahme von 21 weiblichen Studierenden zu 4 aus dem vorigen Semester übernommenen in die medizinische Fakultät, welche, bis auf eine, von der Schwesteruniversität Zürich an die unsrige geflüchtet sind.

Damit ist die in der neusten Zeit so viel besprochene Frage des Frauenstudiums auch unserer Universität als praktisch zu lösendes Experiment vorgelegt; und wir sind dringend veranlasst uns Rechenschaft zu geben, wie wir uns zu demselben verhalten sollen; um so mehr als die Ansichten über diese Sache auch in unseren Kreisen weit auseinander gehn, und wir noch am Anfang dieser Bewegung stehn; wobei die Stellung der Oberbehörde und der Universität zu derselben eine solche ist, dass es sehr wohl angehn würde, sie zu hemmen und die neue Erscheinung nicht zu einer regelmässigen werden zu lassen, falls wir nämlich durch eine gründliche prinzipielle Betrachtung der Sache zu der Ueberzeugung geführt würden, dass es besser sei, den weiteren Zudrang weiblicher Studenten abzuwehren.

Ich glaube deshalb, geehrte Anwesende, dass Zeitpunkt und Gelegenheit nicht günstiger sein könnten, um eine Erörterung dieser uns Alle interessirenden Frage an dieser Stelle vorzunehmen; und ich will demnach versuchen, die Gesichtspunkte, welche bei der Frage des Frauenstudiums in Betracht kommen so vollständig wie möglich, aber doch in derjenigen Kürze darzulegen, welche die einer Rectoratsrede zugemessene Frist erheischt.

Unsere Hochschule, g. A., ist von dem Andrang studierender Frauen in diesem Semester, man darf wohl sagen, einigermaassen unvorbereitet getroffen worden, trotzdem schon in den vorgehenden Semestern einige Medizinerinnen bei uns waren. — In einem früheren Falle nämlich, wo der Zutritt zum Studium ausnahmsweise einer Frau gestattet wurde, fiel der Versuch so ausnehmend glücklich aus, dass damit ein günstiges Vorurtheil für einige später kommende Damen geschaffen war. Man glaubte auch diese nicht zurückweisen, sondern — immer noch ausnahmsweise — zulassen zu dürfen; so dass der Bestand im vorigen Semester auf 5 gestiegen war. Man glaubte oder hoffte, dass eine irgend beträchtliche Vermehrung der Studentinnen nicht eintreten werde; und da keinerlei Unzukömmlichkeiten durch diese ungewohnte Zuhörerschaft sich ergaben, fühlte man sich nicht veranlasst, in eine prinzipielle Erörterung der Frage des Frauenstudiums einzutreten; und durfte dem in der sozialen Politik früher so angesehenen, gegenwärtig freilich etwas stark discreditirten Grundsatze des Laisser faire huldigen. Selbst als der bekannte Ukas erschien, welcher den Russinnen das Studium in Zürich verbot, glaubte man nicht, dass viele jener Studentinnen zu uns herüber kommen, sondern meinte, dass sie sich vielmehr bewogen finden würden, die schweizerischen Universitäten überhaupt zu meiden. Ja, noch bis zum Beginn dieses Semesters konnte man an dieser Meinung festhalten; und die von Zeit zu Zeit auftauchenden Gerüchte, als würde unsere Hochschule von weiblichen Studenten überschwemmt werden, waren viel zu unbestimmt und ohne greifbare Grundlage, als dass man sich zu besonderen Maassregeln hätte bewogen finden können; etwa um eine allzuplötzliche Vermehrung der Studentenzahl zu verhindern, für die dann in den praktischen Uebungen in den medizinischen und naturwissenschaftlichen Fächern Mangel an Raum und Material eingetreten wäre. — Jene Gerüchte haben sich denn auch als übertrieben herausgestellt, wenn auch nicht als völlig grundlos; denn, wie erwähnt: es sind 20 Medizinerinnen aus Zürich zu uns gekommen, übrigens sämmtlich mit den besten Zeugnissen versehn; und ausserdem ist noch ein Mitglied des schönen Geschlechts nach Absolvirung ihrer Studien am

Petersburger Frauenlyceum bei uns eingetreten, so dass jetzt beinahe ein Sechstheil der Medizin Studierenden weiblichen Geschlechts ist 1a). —. Die Oberbehörde ist dadurch veranlasst worden, einige provisorische Bestimmungen über die Aufnahme von Frauenzimmern in die Hochschule zu erlassen, und den Senat mit Prüfung der ganzen Frage resp. Stellung von Vorschlägen zu beauftragen; so dass also auch äusserlich eine zwingende Veranlassung vorliegt, sich über die Sache prinzipielle Rechenschaft zu geben. — Suchen wir dies nunmehr zu thun.

Die nächste Veranlassung, g. A., des Eintritts einer grösseren Anzahl von Studentinnen in unsere Hochschule liegt, wie aus dein soeben Mitgetheilten hervorgeht, in der Vertreibung einer Menge von Russinnen aus Zürich, das bisher die einzige europäische Universität war, wo die Frauen einen erheblichen Prozentsatz der Studierenden ausmachten. Wenn wir mit Rücksicht darauf die Frage nur vom Standpunkte unserer Hochschule auffassen wollen, so könnte man meinen, dass wir es hier nur mit einer vorübergehenden Erscheinung zu thun haben, etwa hervorgerufen durch eine Modelaune emancipationssüchtiger Damen, die schnell verschwinden werde, wie sie gekommen. Man könnte denken, dass wir uns in Folge dessen gar nicht die Mühe einer prinzipiellen Lösung zu geben brauchten, und das Phänomen ruhig an uns vorüber gehn lassen dürften; zumal die Studienlustigen Damen nur Ausländerinnen seien, und unter den Töchtern des Landes sich noch so gut wie gar kein Bedürfniss in dieser Richtung kund gegeben habe. Freilich, g. A., wenn die Sache sich so verhielte, dann wäre es, meiner Ansicht nach, überhaupt eine unzeitige Nachgiebigkeit, die Pforten der Hochschule den Damen geöffnet zu haben, um ihrem, gar nicht auf tiefen und ernsten Beweggründen beruhendem Verlangen entgegenzukommen. Dann hätte man von vorn herein sich weigern müssen, hier ein Versuchsfeld für diesen neuen weiblichen Thätigkeitskreis zu eröffnen. — Indessen, g. A., dem ist nicht so; sondern das Drängen der Frauen zu den höheren, bisher mit seltenen Ausnahmen ausschliesslich von Männern betriebenen Studien hat unstreitig seine tiefern und dauernden Gründe, die in unserer ganzen Kulturbewegung wurzeln. — Allerdings, der augenblickliche plötzliche Zuwachs von Studentinnen hei uns ist ein zufälliger, und ihre Zahl wird sich gewiss wieder verringern, wenn der besondere Grund fortfällt. Aber, wir können andrerseits auch nicht unbemerkt lassen; wie sich das Begehren nach Theilnahme der Frauen an den Universitätsstudien nicht nur in Zürich und

bei uns, sondern an sehr vielen Hochschulen, und zwar von Jahr zu Jahr allgemeiner und nachdrücklicher geltend macht; und dass die thatsächlich noch geringe Zahl der Studentinnen an den europäischen Universitäten (in Amerika existiren bereits eigene Frauenhochschulen) nicht sowohl in der mangelnden Nachfrage als in der vielfach noch verweigerten Erlaubniss und Erschwerung des Eintritts begründet ist; und wir müssen auch zugeben, dass die bisherigen Gewohnheiten und Vorurtheile unserer Gesellschaft die betreffenden Wünsche in sehr vielen Fällen nicht zum Ausdruck kommen lassen, trotzdem, wie Keinem von Ihnen, g. A., unbekannt sein kann, gerade in denjenigen Volksschichten, die für die Frage des Frauenstudiums vorzugsweise in Betracht kommen: dem sogenannten Mittelstande das Bedürfniss nach Erweiterung des weiblichen Arbeitskreises ein tief empfundenes ist. — Dies weist uns darauf hin: Erstens, dass wir es hier nicht mit einer vorübergehenden Erscheinung zu thun haben, sondern mit einer solchen, die gründliche Forschung nach ihren Ursachen und ihrer Berechtigung erfordert; Zweitens, dass wir uns in Behandlung derselben nicht nur nach unsern momentanen Lehr- und Lernbedürfnissen zu richten haben, sondern dass wir von unserm Standpunkt als dem einer allgemeinen Bildungs- und Kulturanstalt ausgehn müssen; — Und ganz von selbst ergiebt sich dabei, dass wir an das Frauenstudium nicht ernsthaft denken können, ohne zugleich an seine Consequenzen, insbesondere die Ausübung der betreffenden Berufsarten durch Frauen zu denken, und dass wir die Berechtigung des einen nicht ohne die des andern zu beurtheilen vermögen.

Einer solchen ernsten und umfassenden Prüfung der Sache dürfen wir uns also nicht entziehn; und das um so weniger, als wir aus dem Verhalten anderer Hochschulen in dieser Frage keineswegs eine für uns maassgebende Regel ableiten können; denn: nicht nur ist, trotz der Gleichartigkeit der Verfassung und Zwecke der Universitäten das Verfahren derselben verschieden, indem die einen Frauen zulassen, die andern nicht; nicht nur sind innerhalb ihrer Lehrkörperschaften die Ansichten sehr getheilt; sondern man scheint auch bei der Entscheidung der Frage fast überall nur darauf Rücksicht genommen zu haben, ob man die Aufnahme von Frauenzimmern ohne einige Störung des gewohnten Studienganges durchführen zu können glaubte oder nicht 2);

und man liess sich dabei auch wohl durch den zufälligen Ausfall eines ersten Versuchs bestimmen; während es doch nöthig ist. sich über die wirkliche Berechtigung und innere Nothwendigkeit des Frauenstudiums Rechenschaft zu gehen, und danach den Entscheid und Einrichtungen zu treffen. — Mithin haben wir, wenn wir zu einem für unser dauerndes Verhalten dem Frauenstudium gegenüber maassgebenden Resultat kommen wollen, nach drei Seiten hin zu prüfen; Erstens: die Gründe, durch welche die Erscheinung veranlasst ist; Zweitens: das Wesen und die Zulässigkeit des Frauenstudiums an sich; Drittens: die Consequenzen desselben. die wir mit ihm annehmen oder ablehnen müssen.

Unsere erste Frage: g. A.. ist also die: Welches sind die Gründe des Frauenstudiums?

G. A. Jeder. der mit der sozialen Bewegung der Gegenwart und den Forderungen; die von den verschiedenen Schichten der Gesellschaft iii Folge derselben gestellt werden, auch nur oberflächlich vertraut ist, weiss sehr wohl, dass das Begehren der Frauen nach Zulassung zu höheren Studien, höherer Vorbildung und entsprechenden Stellungen durchaus nicht die einzige soziale Forderung ist, welche von denselben resp. mi Namen derselben gestellt wird; sondern dass wir es mit einem ganzen Kreis von Forderungen zu thun haben, die sich theils auf die rechtliche und politische, theils auf die wirthschaftliche Stellung der Frauen beziehen; die einerseits eine Ausbreitung der weiblichen Thätigkeit, andrerseits eine Beschränkung der Ausnutzung weiblicher Kräfte, namentlich sofern diese dem Familienleben Eintrag thut, bezwecken; und dass die Gesammtheit dieser Fragen die Frauenfrage ausmacht 3), welche wiederum nur ein Theil derjenigen Forderungen und Fragen ist, die sich unter dem Namen: »Soziale Frage« zusammenfassen lassen. — Sowie nun diese ganze Soziale Frage in ihrer modernen Gestalt entstanden ist durch die Umwälzung unserer wirthschaftlichen Zustände seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, in Verbindung mit der durch die grosse französische Revolution eingeleiteten Veränderungen unserer wirthschaftlichen und politischen Gesetzgebung, — und

dies mit verhältnissmässig geringen Modificationen in allen Ländern alter Civilisation — so beruht auch die Frauenfrage und mit ihr die des Frauenstudiums auf den Veränderungen der wirthschaftlichen Stellung der Frauen in der neuern Zeit 1). — Welches sind aber diese Veränderungen? — Um sie zu erkennen, müssen wir auf die Stellung der Frau in der früheren Wirthschaftsperiode zurückblicken.

Ehe durch die Entwicklung des Maschinen- und Verkehrswesens diejenige Form der Volkswirthschaft, die man Naturalwirthschaft zu nennen pflegt, in welcher der Waarenaustausch sich noch wenig entwickelt und die Erwerbsthätigkeit in der Familien- und Hausindustrie ihren Schwerpunkt hatte, zu derjenigen Stufe fortgeschritten war, auf der wir uns jetzt befinden, zur sogenannten Geldwirthschaft, wo dem Gelde als Vermittler des Umsatzes von Waaren und Diensten die herrschende Rolle zufällt, die Fabrik- und Grossindustrie sich einer immer grösseren Anzahl von Arbeitskreisen bemächtigt, und vermöge einer täglich complicirter sich gestaltenden Arbeitstheilung jeder nur einen verschwindenden Theil der Güter produzirt, aus denen sich sein Einkommen zusammensetzt; ehe dies geschah, also um es kurz zu sagen im Mittelalter (das sich freilich vom Standpunkte des Nationalökonomen aus viel weiter in die Neuzeit hinein erstreckt als es z. 8. der Literarhistoriker anzunehmen pflegt, und zum Theil noch in dieses Jahrhundert hineinreicht), da gestaltete sich der Arbeitskreis der Frauen ganz anders als heut. Damals wurde ein bei weitem grösserer Theil des Produktionsprozesses, welcher zur Herstellung der Bedürfnisse eines Haushalts nöthig ist, im Hause selbst und durch Glieder der Familie ausgeführt; ein bedeutend grösserer Theil, als jetzt selbst in den conservativsten bäuerlichen Familien der Selbstthätigkeit zufällt: Im Hause wurde die Kleidung gesponnen, gewoben, verfertigt; Wäsche, Seife, Lichter und eine Menge Kleinigkeiten, die wir jetzt im Laden zu kaufen oder auswärts besorgen zu lassen pflegen, waren Produkte des eigenen Haushalts; für Erziehung und Unterricht der Kinder war noch nicht durch öffentliche Anstalten so umfassend gesorgt; und die geräumigeren Wohnungen, sowie das Hineinragen des Landlebens und der Ackerwirthschaft in die Städte erlaubten selbst dem Städter einen personenreicheren Haushalt zu führen, und einen Theil der ihm nöthtigen Rohprodukte an Thieren und Vegetabilien selbst zu ziehn. Diese

Thätigkeiten fielen naturgemäss zu einem sehr grossen Theile den weiblichen Familiengliedern zu, und der häusliche Arbeitskreis der Frauen war daher sehr gross und vielseitig, so dass dieselben, verheirathet oder unverheirathet, ältere und jüngere, nur in verhältnissmässig seltenen Fällen genöthigt waren, sich einen Erwerb ausser dem Hause zu suchen, da es innerhalb desselben Verwendungen genug für ihre Fähigkeiten und Kräfte gab. — Damals war auch den Frauen des städtischen Mittelstandes, der für unsere Frage vorzüglich in Betracht kommt, eine Stellung und Thätigkeit gegönnt, welche die Idealisten der Frauenfrage ihnen heut vergeblich zurückwünschen. — Ich brauche Ihnen, g. A., diesen Zustand nicht weiter auszumalen; er ist Ihnen durch Ueberlieferung genugsam bekannt. und von Kulturgeschichtsschreibern, wie Gustav Freitag, Riehl u. A. anziehend genug geschildert.

Mit der neuen Industrieentwicklung wurde das aber nun allmälig anders: Mit den Fortschritten der Arbeitstheilung fiel ein grosser Theil jener Verrichtungen der Handwerks- und Fabriksindustrie anheim, wurde nicht nur der Hausarbeit, wie z. B. das Spinnen und Weben, sondern vielfach auch den Frauen entzogen, wie z. B. Bäckerei, Schneiderei, Seifenfabrikation. Durch die Concentration des städtischen Lebens wurden Landleben und ländliche Verrichtungen aus den Städten hinausgedrängt; das Anwachsen der Städte vertheuerte und verengerte den Wohnungsraum und damit den Platz für nicht mehr vollbeschäftigte weibliche Familienglieder; die Bedürfnisse des Lebens wurden verfeinerter und complizirten. so dass die häusliche Kunstfertigkeit für sie nicht mehr genügte. Und so sehen wir allmälig die Frauenarbeit aus dem Hause, und die Frauen aus ihren Arbeitskreisen hinausgedrängt.

Hierzu kommt nun noch die gerade für die städtischen Mittelklassen wachsende Schwierigkeit des Heirathens, resp. das häufigere und längere Ledigbleiben als früher; wodurch gleichfalls ein Ueberschuss weiblicher Kräfte erzeugt wird. Das Vorhandensein dieses Uebelstandes ist notorisch, und die Ursachen davon sind theils in der unzweckmässigen Erziehung der Frauen zu suchen, theils darin, dass den Männern nicht nur durch die heutigen Erwerbsverhältnisse das Heirathen erschwert, sondern durch mannigfache Einrichtungen und Gewohnheiten der Neuzeit das Ledigbleiben erleichtert wird. Auf einen, von Andern öfter versuchten statistischen Nachweis der abnehmenden Heirathsfrequenz der mittleren Stände in unsern Kulturländern müssen wir verzichten, da das Material nirgends genügt, nur aus einer Combination

der statistischen Zahlen über den Civilstand. die Berufsklassen und Altersklassen die gewünschten Data zu berechnen. Wir müssen uns, beim unzweifelhaften Vorhandensein der eben angeführten Gründe, mit der Notorietät der Thatsache begnügen.

Alle diese Gründe wirken nun also auf die Auflösung des Familienlebens, die Vernichtung der alten Art des Haushaltens, auf das Freiwerden weiblicher Arbeitskräfte, und die Nöthigung, neue Thätigkeiten für die Frauen, und zwar ausserhäusliche zu suchen; und somit auf Bethätigung der Frauen im öffentlichen wirthschaftlichen Leben, gleich den Männern.

In den sogenannten untern Klassen ist eine solche wirthschaftliche Gleichstellung beider Geschlechter, theils aus ähnlichen, theils aus andern Gründen, auf deren Besprechung wir hier nicht eintreten können, längst in grösstem Maassstabe durchgeführt; und zwar so, dass sie ihrerseits wieder ein Mittel zur Zerrüttung des Familienlebens dieser Klassen und zu einer ganz kulturfeindlichen Ausbeutung der weiblichen Arbeitskräfte geführt hat, so dass dort eine Wiederverengerung zwar nicht des Frauenarbeitskreises, wohl aber der Arbeitsthätigkeit dringend erwünscht scheint. — Und wie die wirthschaftliche Nothwendigkeit, in diesen Klassen zu einer ausgedehnten Theilnahme beider Geschlechter in sehr vielen Arbeitszweigen geführt hat, (der übrigens auch eine fast völlige Gleichheit der geistigen Bildung zur Seite geht), so drängt die Entwicklung der wirthschaftlichen Verhältnisse einen immer grösseren Theil der Gesellschaft auf diese Bahn hin, und übt einen immer stärkeren Einfluss auch auf die Frauen der Mittelklassen, und zwar selbstverständlich am stärksten auf die der städtischen Mittelklassen. — Und wo dieser Zwang vorliegt, da ist das Heraustreten der Frauen aus der Familie zum Zweck selbständigen Erwerbes natürlich durchaus gerechtfertigt; und nicht nur zu entschuldigen, sondern auch zu unterstützen 5).

Nun aber entsteht die Frage: welche Erwerbszweige sollen und können von diesen Frauen ergriffen werden? — Ueber die Beantwortung derselben hätte ein Streit gar nicht aufkommen können, wenn man nicht andere Gesichtspunkte wie bei den entsprechenden Verhältnissen der untern Klassen geltend machen zu müssen geglaubt hätte;

und wenn die Sachlage nicht insofern eine andere gewesen wäre, als hier eine Gleichheit der Bildung beider Geschlechter fehlte, resp. erst herzustellen war und noch ist. Und gerade über diesen letzten Punkt: ob die Bildung, welche die Männer der höheren und mittleren Klassen besitzen, für Frauenzimmer überhaupt erreichbar, passend und anzustreben sei, hat sich ein noch nicht geschlichteter Streit erhoben; während doch andrerseits Niemand leugnen kann, dass für die Frauen des Mittelstandes die zwingende Nothwendigkeit vorliegt, sich neue Erwerbszweige zu suchen; und dass sie die für die Angehörigen ihrer Klasse üblichen nicht ergreifen können, ohne sich vorher die entsprechende Bildung angeeignet zu haben. — Und während dieser Streit noch fortdauert, und auch die Meinungen und Gefühle der unmittelbar interessirten Kreise selbst getheilt sind, ist es den Frauen nur hie und da gelungen, sich eine freiere Stellung im Erwerbsleben zu erringen: Ein Arbeitskreis, der als ein naturgemässer wohl noch von keinem Vernünftigen ihnen abgesprochen worden ist, derjenige der Erzieherinnen und Lehrerinnen ist namentlich durch Vermehrung der privaten Vorbildungsanstalten in immer grösserem Maassstabe durch die Frauen occupirt, zum Theil sogar überfüllt, und bietet ein meist sehr unerquickliches Dasein; dann ist es ihnen in neuerer Zeit in mehreren Ländern ermöglicht worden, im Post- und Telegraphendienst mit den Männern in Concurrenz zu treten; und eine Anzahl von gemeinnützigen Frauenvereinen lässt es nicht an energischen Bemühungen fehlen, Frauen der Mittelklassen für den kaufmännischen und gewerblichen Beruf tauglich zu machen. — Und wir finden, dass überall wo die Frauen in das öffentliche Erwerbsleben eintreten, das Publikum sich schnell an die neue Erscheinung gewöhnt und damit zufrieden ist. Warum sollte man auch eine Frau nicht ebensogern im Telegraphenbureau oder im Kaufladen mit Männern gemeinsam arbeiten sehn als bei der viel härteren Arbeit auf dem Felde oder gar bei der geistig wie körperlich viel ungesunderen in der Fabrik? — Oder, haben die oberen und mittlern Klassen es mehr wie die untern zu fürchten, wenn die Schranken zwischen den Geschlechtern nicht mehr so streng aufrecht erhalten werden können?

Diese Erweiterung des Arbeitskreises geht aber langsam, und namentlich was die Einrichtung entsprechender Bildungsanstalten für das weibliche Geschlecht betrifft, mit sehr geringer Unterstützung seitens der öffentlichen Gewalten vor sich; und der Mangel an zweckmässigen Einrichtungen, wie die den früheren Verhältnissen entspringende Scheu vor dem Heraustreten in die Oeffentlichkeit halten viele Frauen von

demselben zurück, und lassen sie in oder ausser der Familie weiter vegetiren, theils halb unthätig, theils einen kargen Lohn als Existenzzubusse erwerbend. und denjenigen Frauen schlimme Concurrenz machend, die ganz von ihrer Arbeit leben wollen und müssen. — Daraus entstehen dann ungesunde Verhältnisse und moralische Nothstände und neue Fragen, die wir hier nicht zu berühren brauchen 6).

Inzwischen aber wächst die Noth um würdige und lohnende Beschäftigungen der Frauen im Mittelstande fortwährend; und dazu tritt nun noch eine für die Beantwortung unserer Frage sehr zu beachtende Erscheinung. — Ich meine nämlich, g. A. die fortwährende Erleichterung und Verbreiterung der allgemeinen Bildung, und die Ausdehnung des Interesses an den öffentlichen Angelegenheiten, welche durch das moderne Verkehrswesen, die Literatur und Tagespresse und die politischen Einrichtungen der Neuzeit herbeigeführt werden. — Die Wissenschaft lebt nicht mehr in ihrer früheren Zurückgezogenheit, sondern lässt ihre Früchte immer weiteren Volkskreisen und in immer grösserem Maassstab zukommen; und so ist es auch mit dem Antheil ani politischen und überhaupt öffentlichen Leben; und mit dieser Verallgemeinerung der geistigen und politischen Kultur wächst auch fortwährend das Bedürfniss danach. — Ist es nun wohl glaublich oder möglich, dass sich diese Bewegung auf die Männer beschränke? Gewiss nicht! Sie durchdringt das ganze Volk, und, verhältnissmässig stärker als die untern, die höheren, wohlhabenderen Schichten, und erstreckt sich natürlich auch auf die Frauen. Diese empfangen und begehren auch wieder gleichfalls einen grösseren Antheil an diesem Kulturleben, und in Folge dessen auch an den betreffenden Anstalten und Stellungen. Und unwillkürlich werden Gesellschaft und Staat dazu gedrängt, mehr Bildungsanstalten zu schaffen und sie auch dem weiblichen Geschlecht zugänglich zu machen; wie das bereits bei den Elementarschulen geschehen ist. Und mit der Zunahme der Bildung wachsen naturgemäss die Möglichkeit

einer Gleichstellung von Männern und Frauen so wie die Ansprüche der letzteren auf dieselbe. Und daraus folgt die immer energischer auftretende Forderung der Frauen nach Gleichberechtigung im Kulturstreben und im Kampf ums Dasein; und speziell für die Frauen der Mittelklasse folgt daraus ein Hinaufdrängen in diejenigen höheren Berufsarten, welche bisher nur Männern zugänglich waren. Dass aber dies Verlangen ein natürliches sei, wird nicht leicht Jemand leugnen können, wenn die Nothwendigkeit der Erweiterung des weiblichen Arbeitskreises, wie wir es gethan zu haben glauben, bewiesen ist, und wenn zugegeben werden muss, dass man den Frauen, welche die Fähigkeit zu Höherem in sich fühlen, nicht ohne Weiteres zumuthen kann, dass sie nur nach niederen Beschäftigungen streben sollen.

Freilich, g. A., ergeben sich nun in der Sache wieder neue Schwierigkeiten, wenn man zu dem Gesichtspunkte der Nothwendigkeit und der Berechtigung des Strebens der Frauen nach Erweiterung ihres Arbeitskreises noch den der Befähigung hinzunimmt. — Man kann nämlich sehr wohl im Allgemeinen jene beiden ersten Fragen bejahen, aber doch sagen, es sei nicht möglich, den Frauen den Zutritt zu den höheren Berufsarten, die eine wissenschaftliche Bildung voraussetzen, zu gestatten, weil sie dazu nicht fähig seien, weil das wohlberechtigte Streben nach diesen Berufskreisen mithin doch zu keinem dauernden Resultate, und weder eine Verbesserung des Looses der Frauenzimmer noch für die Gesammtheit Nutzen bringen könne. —

Es wird Ihnen, g. A. nicht unbekannt sein, dass es eine Menge von Leuten giebt, die in dieser Weise argumentiren; und zwar bringen dieselben folgende Gründe vor, die jedoch vor einer ernsten Prüfung unmöglich bestehn können; und deren Widerlegung sogleich hinzuzufügen. uns nicht schwer werden dürfte. Erstens nämlich stützt man sich auf die Ergebnisse der Naturlehre, und sucht aus dem Gewicht und der Konstruktion des weiblichen Gehirns im Verhältniss zu dem des Mannes zu beweisen, dass demselben nicht die nöthige Denkfähigkeit inne wohne. Nun steht mir über den Werth dieser Forschungen allerdings kein Urtheil zu, indess ist doch bekannt. dass jenen wissenschaftlichen Autoritäten ebenso schwer wiegende gegenüberstehn, welche die Begründung dieser Behauptung für völlig unzureichend erklären und insbesondere den Schluss von der Gehirnmasse auf die Denkfähigkeit als einen sehr voreiligen zurückweisen. — Zweitens behauptet man. dass die physischen und Gesundheitsverhältnisse der Frau jene Berufszweige wenigstens zum Theil verbieten würden, weil z. B. bei manchen medizinischen Operationen mehr Kraftaufwand gefordert werde

als die Frau aufbieten könne, dass ausserdem sie ihrer körperlichen Konstitution und öfteren Krankenfälligkeit wegen zu häufigen Unterbrechungen in der Berufsausübung ausgesetzt sei und dergl. m. Ich glaube, dass man diesen Einwand sehr wohl mit dem Hinweis darauf entkräften kann, dass in den sogenannten untern Klassen die Frauen schon längst und sehr häufig es den Männern gleich thun, und so schwere körperliche Arbeiten verrichten, wie sie in den höheren Berufsständen selten vorkommen dürften. Es würde also hier nur auf die Ausbildung der Muskelkraft ankommen. Drittens weist man dann, von physiologischen Beweisen absehend, auf die allgemeine geistige Inferiorität der Frauen hin, auf ihre notorische Unfähigkeit, den Männern gleich intensiv logisch zu denken und objectiv zu urtheilen. Diese Behauptung scheint mir nun gegen die Sache selbst gar nichts zu beweisen. Denn. geben wir selbst einen Augenblick zu, sie sei wahr (was freilich Damen gegenüber peinlich genug ist!), kann man und muss man nicht sagen, dass bis auf den heutigen Tag die Bildungs- und Erziehungsanstalten für das weibliche Geschlecht ungleich mangelhafter sind wie für das männliche. und dass der Versuch: den Frauen dieselbe geistige Disciplin beizubringen, erst gemacht werden muss, ehe er für fehlgeschlagen gelten kann? — Ich will mich in diesem Punkte sogar des Vortheils begeben, auf glänzende geistige Leistungen von Frauen aus alter und neues Zeit hinzuweisen, die sich als Aerzte, Gelehrte, Künstler und Politiker ausgezeichnet haben; es wäre ein Leichtes, eine grosse Sammlung solcher geschichtlichen Zeugnisse zu Gunsten der Frauen anzuführen 7); aber ich will gern zugehen, dass dies Alles Ausnahmserscheinungen gewesen sind, welche ebendesshalb der Mit- und Nachwelt besonders auffallen, und dass nur ausnahmsweis günstige Umstände ihre Existenz zu Wege brachten. Ich sage vielmehr einfacher: das Experiment ist für die grosse Masse noch nicht gemacht; man hat noch nicht versucht. den Frauen dieselben Bildungsmittel von vorn hinein und von unten herauf darzubieten; und behaupte nur, dass angesichts des wirthschaftlichen und sozialen Nothstandes das Experiment wird angestellt werden müssen, und die Frauen berechtigt sind, die Anstellung desselben und den Aufwand der nöthigen Kosten zu verlangen.

Und nun. g. A. käme noch eine letzte Gruppe von Einwänden,

die mir aber einer ernsten Prüfung noch viel weniger Stand halten zu können scheinen, wenn sie gleich bei denen, welche die ganze Frage verneinen möchten, sehr beliebt sind. Ich meine nämlich die, welche da sagen, das Heraustreten der Frauen ins öffentliche Leben sei unschicklich und unweiblich; die ganze Sache führe nicht nur zu lächerlichen Konsequenzen — denn man müsste auf diesem Wege auch schliesslich zu weiblichen Soldaten und Officiren kommen — sondern auch zur Zerstörung aller Zucht und Sitte und der sozialen Ordnung. Diese Leute, g. A. haben freilich darin Recht, dass durch das Einschlagen jener neuen Bahn Manches von der altgewohnten Lebensgestaltung verloren gehen, und ein Theil von dem, wie soll ich sagen — Duft oder Firniss? verwischt werden wird, der in den höheren Klassen auf dem Verhältniss der Geschlechter zu einander lag und noch liegt; und dies wird geschehen theilweis wohl zum Schaden, theilweis aber hoffentlich auch zur Veredelung des Verhältnisses, wenn sich Liebe und Achtung mit der auf gleicher Bildung und gleichem Streben beruhender Freundschaft verbindet. Was aber das Lächerliche betrifft, so theile ich nicht die Besorgniss, dass die Frauen der Neuzeit wie die der alten Germanen das Bedürfniss empfinden werden, mit in das Feld zu ziehen, oder dass man sie der allgemeinen Wehrpflicht wird unterwerfen wollen; davon dürften schon die Kosten, welche unsere modernen männlichen Heere bereits verursachen, zurückschrecken. — Und, ob wir uns nicht sehr leicht daran gewöhnen könnten, Frauen in öffentlichen Civilstellungen zu sehen, selbst in hohen Beamtungen, das scheint mir kaum fraglich, wenn man es doch schon jetzt nicht lächerlich findet, dass Frauen in den Reihen der Regenten der grössten und mächtigsten Reiche auftreten. Wenn Frauen als Könige und als Tagelöhner es den Männern gleich thun, warum nicht als Aerzte, Richter, Verwaltungsbeamte? —

Freilich, g. A. ich für meine Person bin ebenso weit, wie wohl die Meisten unter uns, entfernt, Solches zu wünschen, und mich so recht in solchen Zustand hinein denken zu können; aber ich glaube, dass es auf Grund unserer wirthschaftlichen und sozialen Entwickelung eben nöthig sein wird, unsere Anschauungen in diesen Dingen zu ändern; und ich glaube, wenn wir uns die Frage vorlegen, ob es unpassender sei, dass die Frauen wie Männer arbeiten, oder dass sie wegen Mangel eines genügenden Arbeitskreises Noth leiden, die Antwort nicht wohl zweifelhaft sein kann. — Und somit scheinen auch diese Bedenken nicht stichhaltig.

Und nun, g. A., denke ich, haben wir durch diese Erörterungen über den hier behandelten Theil der Frauenfrage die nöthige Grundlage zur Beantwortung unserer speziellen Frage: das Frauenstudium betreffend, gewonnen. Wenn Ihnen nämlich das Angeführte hinreichend erscheint, nun die Zulassung der Frauen zu den höheren Berufsarten zu begründen, so ist dann auch die Frage des Frauenstudiums, weil dieses als Vorbereitung voraufgehn muss, bejaht. — Man kann nicht das Eine wollen ohne das Andere. Und es wird nun nicht nöthig sein, vorn speziellen Standpunkt des Unterrichtswesens oder der Universität aus Gründe für die Möglichkeit und Nützlichkeit des Frauenstudiums beizubringen und die dagegen vorgebrachten, welche zum grössten Theil mit denen gegen die höhere Berufsausübung überhaupt zusammenfallen, weitläufiger zu widerlegen. Denn: soweit sie nicht mit jenen zusammenfallen, sind sie unserer prinzipiellen Bejahung gegenüber ganz untergeordneter Natur und unstichhaltig; wie schon bei einer kurzen Erwähnung derselben erhellen wird: Erstens nämlich sträubt man sich gegen Zulassung der Frauen zu Universitäten, indem man Raummangel vorschützt, und sagt, dass bei den praktischen Uebungen, wie sie besonders in den medizinischen Wissenschaften gehalten werden, die Damen den. »eigentlichen« Studenten den Platz fortnehmen, und sie dadurch an ihren Studien behindern. Es leuchtet ein, dass man sich dabei auf den von uns nicht zu billigenden Standpunkt stellt, dass das Frauenstudium weniger berechtigt sei als das Männerstudium. Und der Einwand wird auch nicht stichhaltiger, wenn man sagt: man wolle Inländerinnen gegenüber sich wohl in (las Unvermeidliche fügen, sehe aber nicht ein, warum man sich zum Versuchsfelde für Ausländerinnen hergeben solle. — Da aber nun alle unsere Universitäten, und zwar zu ihrem eigenen Heile auch insofern einen kosmopolitischen Charakter haben, dass sie männliche Ausländer zulassen, wie kannen sie sich dann gegen Ausländerinnen abschliessen? — Zweitens behauptet man, namentlich wieder mit Beziehung auf die praktisch-medizinischen Uebungen, das Studium einzelner Zweige der Wissenschaft müsse das weibliche Zartgefühl so verletzen, dass das Frauenstudium dadurch unnatürlich und unstatthaft erscheine. Man kann darauf nur erwiedern, dass dies eine reine Gefühlssache ist, die man mit sich auszumachen den Frauen überlassen muss, welche sich zum Studium und zu öffentlichen Thätigkeiten entschliessen, die dergleichen Situationen mit sich bringen; und dass man den Massstab der üblichen Gefühle nicht da anlegen kann, wo es sich um den Ernst der Wissenschaft handelt. Drittens aber hält man entgegen die mangelhafte Vorbildung der Frauenzimmer für

den höheren wissenschaftlichen Bildungsgang. Hierzu ist zu bemerken: Vorerst: man soll selbstverständlich, sowohl was Vorbereitung als was das Maass der Kenntnisse und geistigen Schulung anlangt von Frauen ebensoviel verlangen wie von den Männern. Dann, wenn und wo man. wie bei uns, von den Männern keinen besonderen Nachweis von Vorbildung für den Eintritt in die Universität verlangt, so ist nicht einzusehen, wie man ihn von Frauen verlangen will. Ob jenes praktisch ist und nicht dem Studium selbst wie auch den Dozenten schaden könne, ist eine für sich zu erörtende Frage, welche das Frauenstudium speziell nichts angeht. Sicher ist, dass der Universitätslehrer eine gewisse höhere Vorbildungsstufe bei seinen Vorträgen voraussetzen muss, und sich unter dieses Niveau nicht herabbegeben darf, welches ja auch bei den Studenten immer dadurch aufrecht erhalten werden kann, dass für die späteren Examina der Nachweis höherer Vorbildung gefordert wird. Dass aber Frauenzimmer einer systematischen Uebung des Geistes unfähig seien, ist, wie vorhin schon erörtert, unbewiesen; und wo sich ein Mangel zeigt, da soll man die Vorbildungsanstalten verbessern, und nicht mangelnde Bildungsfähigkeit mit mangelnder Bildung verwechseln.

Ich glaube, g. A., es sind damit die Einwände erschöpft, die man gegen das Studium der Frauen im Besonderen erhebt. — Nun bleibt aber immer noch die Frage, ob dieses Studium in Gemeinschaft mit Männern, also auf unsern schon bestehenden Universitäten zulässig sei, oder ob man besondere Frauenuniversitäten errichten solle.

Denn die halbe Meinung Einiger: man solle die Frauen auf unsern Hochschulen zwar zulassen, aber nicht als ordentliche Studentinnen, sondern als Auscultantinnen; scheint mir kaum einer ernsthaften Erwähnung zu bedürfen, weil das ja nichts Anderes heissen würde, als die Hochschulen mit, so zu sagen: wilden Studentinnen belasten, denen es unmöglich wäre, durch den vorschriftsmässig geordneten Studiengang und Absolvirung der Prüfungen ihre Studien fürs spätere Leben zu verwerthen.

Was nun aber jene Meinung betrifft, so scheint mir, abgesehen von den praktischen Schwierigkeiten der Errichtung besonderer Frauenuniversitäten, welche doppelte Kosten, doppelte Lehrkräfte und doppeltes Lehrmaterial erfordern würden, dass: wenn man für später gleiche und gemeinschaftliche Berufsausübung von Männern und Frauen will, man auch gegen eine ebensolche Berufsausbildung keine Bedenken haben darf; und es möchte wohl unbegründet sein, gerade für die Collegia die Trennung der Geschlechter durchzuführen. die man ausserhalb derselben und nach der Studienzeit nicht aufrecht erhalten kann.

— Es ist eben wohl nur das Neue der ganzen Erscheinung, das den Gedanken solcher Trennung eingab. — Anders liegt die Sache freilich da, wo wie in England und Amerika die Universitäten höhere mit Pensionat verbundene Gymnasien sind. —

Somit, g. A. dürfte uns diese Prüfung der Frage des Frauenstudiums, die ich nach allen wichtigen Punkten hin jetzt beleuchtet zu haben glaube, zu dem Endergebniss führen: dass durch die Nothwendigkeit einer Erweiterung des Arbeitskreises der Frauen, namentlich derjenigen des Mittelstandes, auch das Frauenstudium eine berechtigte Forderung der Gegenwart sei, und sich auch die der Zulassung der Frauen zu unsern Universitäten nicht wohl abweisen lasse.

Schliesslich aber, um uns die Tragweite dieser Forderung ganz deutlich zu machen, müssen wir uns noch vergegenwärtigen, dass dieser Schritt, einmal gethan, dreierlei Consequenzen mit sich bringt, die sich denen mit Nothwendigkeit aufdrängen, welche bis zu diesem Punkt gegangen sind: Erstens: die Zulassung der Studirten Frauen zu den Prüfungen, und, falls sie dieselben bestehn, in Folge dessen: Zweitens auch zu den Anstellungen, Aemtern, Berufsarten, auf welche jene ein Recht geben; und Drittens: die Ertheilung des politischen Stimmrechts 8) und des activen wie passiven Wahlrechts, nicht nur der studirten Frauen, sondern Aller, welche eine gleiche geistige Bildung und einen gleichen Arbeitskreis mit den Männern haben.

Diese Consequenzen hier noch näher, als schon durch die früheren Erörterungen geschehn, zu beleuchten, darauf muss ich verzichten; und ich muss bekennen, dass ich gern verzichte; denn nur mit innerem Widerstreben eröffnet man sich und Anderen diese Perspective in eine neue soziale Ordnung; und thut es nur, gedrängt durch die Ueberzeugung, dass die ältere zu sehr erschüttert ist, als dass ihre Grundlage: die Familienwirthschaft in noch vollkommener Gestaltung wieder hergestellt werden könnte.