Feier des Jahrestages
der
Eröffnung der Hochschule in Bern
gehalten
Dr. Ph. Fr. Wilh. Vogt,
Professor der Medicin und d. Z. Rector.
Bern /
gedruckt bei Carl Stämpfli.
1835 .
Hochachtbare Versammlung!
Es ist eine eben so alte als löbliche Sitte bei Hochschulen,
den wiederkehrenden Jahrestag ihrer Einweihung
und Eröffnung durch eine öffentliche Feier zu begehen.
Eine neue Aera beginnt gewissermassen in jedem Staate,
der es seiner Pflicht und Ehre angemessen hält durch
höhere, dem gegenwärtigen Standpunkt der menschlichen
Cultur angemessene und darum zeitgemässe Unterrichtsanstalten
die wissenschaftliche Ausbildung seiner Bürger
zu fördern. Mit der Erkenntniss der Nothwendigkeit
solcher Unterrichtsanstalten und ihrer Gründung nämlich
ist der befriedigende Standpunkt der ganzen Staatsentwicklung
erreicht, wo dieselbe die geistige Cultur der
Staatsbürger richtig würdigend durch eine ehrenvolle
Stufe derselben auch selbstständig und selbstthätig eingreifen
will in den Gang der Geistescultur der ganzen
civilisirten Welt, um auch in dieser Beziehung nicht
mehr in einer gewissen Abhängigkeit vom Auslande zu
stehen. Darum auch muss wohl der Tag der Eröffnung
einer neuen, dem Bedürfniss der Zeit entsprechenden
Hochschule in Bern, durch deren Gründung die würdigen
Vertreter unb Führer dieses Freistaates sich um
ihr Vaterland ein Verdienst erwarben, das noch die
späteste Nachwelt immer dankend anerkennen wird, als
einer der wichtigsten Tage für die Culturgeschichte dieses
Freistaates sowohl, als der ganzen Schweiz betrachtet
werden. Also ziemt es sich auch wohl diesen Tag durch
eine öffentliche Feier hier zu begehen, damit einerseits
die Hochschule selbst an den Tag lege, wie sehr sie ihre
eigne Wichtigkeit richtig erkennend ihre grosse und schöne
Aufgabe würdig zu lösen beflissen ist; anderseits aber auch
das Volk und seine Erwählten in einem solchen Zeichen
des Lebens und Wirkens derselben den freudigen Fortgang
eines Institutes erblicken, das mit allen ihm verliehenen
Kräften darnach ringt, das Vertrauen zu rechtfertigen,
in welchem seine Gründung und stete Erhaltung
beschlossen und ausgeführt wurde. Indem daher die
Hochschule heute öffentlich auch dem grössern Publikum
mit dem erhebenden und lohnenden Bewusstsein, dass ihre
Leistungen und Bestrebungen schon in der kurzen Zeit
einer Jahresfrist den Erwartungen entsprochen haben,
welche man mit Recht an sie machen kann, unter die
Augen tritt, muss sie sich wohl freuen eine so zahlreiche .
und ausgezeichnete Versammlung zur Verherrlichung
ihres Festes hier zu finden. Sie entnimmt daraus den
Beweis der Theilnahme und des Anklanges, der ihr
im ganzen Publikum zu Theil wird; — sie schöpft
daraus die Hoffnung, dass der Sinn im Volke und
seinen würdigen Vertretern, durch welchen sie ins Leben
gerufen wurde, auch ihr ferneres glückliches Gedeihen
und Blühen nach Möglichkeit fördern wird, und dass
der Same, den sie ausstreut, einen wirthbaren und fruchtbaren
Boden findet, wodurch allein die Lösung ihrer
grossen Aufgabe möglich wird. Diese Feier kann daher
nicht ohne inneren Lohn für die Mitglieder der Hochschule
seyn, und wird auch zugleich den Eifer der Lehrer
und Schüler anfeuern, rüstig auf der bisherigen Bahn
fortzuschreiten zum grossen Ziele.
Es ist eine längst bestätigte Wahrheit, dass die Kraft
eines Volkes nicht bloss in seiner Zahl und seinen materiellen
Mitteln, sondern auch in seiner Intelligenz
wesentlich beruht. Wohl eine Zeit lang kann die rohe
materielle Gewalt die Intelligenz unterdrücken und gefangen
halten; — allein wie der freie und höher entwickelte
menschliche Geist den Körper beherrscht, so wird
auch immer wieder das geistige Uebergewicht über die
rohe Gewalt sich erheben und die Masse beherrschen.
Nach dem Stande der Intelligenz und der geistigen
Cultur achtet und misst man darum den Stand eines
Volkes und eine würdevolle, zur Anerkennung seiner
Kraft nöthigende Stellung kann ein Staat im Verhältniss
zu andern nur dadurch einnehmen, dass sein
Volk in geistiger Cultur nicht zurückstehe. Wo daher
die materiellen Mittel eines Staates nicht ausreichen
andern das Gegengewicht zu halten, muss er um so
mehr in höherer Intelligenz die Stütze seiner Selbstständigkeit
suchen. Die gesammte Schweiz, umschlossen
von grösseren Staaten, die an materiellen Mitteln und
Zahl ihrer Völker ihr weit überlegen sind, kann daher
ihre Selbstständigkeit nur durch Intelligenz behaupten
und nur durch die höhere geistige Cultur ihres Volkes
sich sicher stellen von der Abhängigkeit von ihren Nachbarstaaten
. Soll sie aber ihre geistige Cultur nur dem Auslande
verdanken, und diesem darin sich nachschleppen
ohne eine selbstständige auf die Nachbarstaaten wieder
stärker zurückwirkende Entwicklung der Intelligenz ihres
Volkes, so wird schon dadurch eine gewisse Abhängigkeit
erzeugt und die respektirte Stellung zernichtet, die sie
im Kreise der übrigen europäischen Staaten einzunehmen
berufen ist. Sie hat aber um so mehr dieses Gewicht
ihrer innern Selbstständigkeit nöthig, da ihre Regierungsverfassung
eine republikanische ist, während im übrigen
Europa nur Monarchien bestehen, mit Ausnahme einzelner
Städte und kleinerer Gebiete, die zwar eine republikanische
Verfassung dem Namen nach, aber nicht jene
Unabhängigkeit haben, die eine Republik wesentlich fordert.
Der unvereinbare Gegensatz nämlich zwischen
Republik und Monarchie, die Geneigtheit der Völker ihre
von der Natur begründeten gerechten Ansprüche auf Freiheit
geltend zu machen und in einer Republik wieder zu
gewinnen, somit also den Zwang der Monarchie abzuschütteln,
lassen die Schweiz von den Monarchien Europas
als das Land betrachten, wo die Keime zu ihrem dereinstigen
möglichen Untergang liegen. Daher das Streben
dieser Monarchien nicht allein durch Abschliessung
des Verkehrs mit der Schweiz das Eindringen politischer
Aufklärung in das Volk und das Bestreben desselben,
seine unveräusserlichen Rechte wieder zu gewinnen,
abzuhalten, sondern auch dieses einzige europäische Land
wirklicher Freiheit in grössere Abhängigkeit zu stellen und
es endlich ganz unter ihren Scepter zu bringen, damit
sie mit der Auslöschung der Freiheit hier den eigenen
Bestand sich sichern. Nicht die besondere geographische
Lage der Schweiz, nicht die Unzugänglichkeit ihres
Gebietes und seine leichte Vertheidigung, nicht die
erprobte Tapferkeit ihrer Bewohner und ihr materieller
Wohlstand werden ihr eine unabhängige Stellung sichern,
wenn nicht zugleich durch die Intelligenz und geistige
Cultur ihres Volkes sie sich Achtung und Anerkennung
schafft.
Braucht also schon die Schweiz zur Begründung ihrer
Stellung gegen das Ausland eine Achtung gebietende
Stufe der geistigen Cultur, so wird diese noch um so
mehr ihr nöthig, wenn sie in sich selbst ihre freie ächt
republikanische Verfassung behaupten will. Monarchische
Staaten finden es nicht selten angemessen, durch alleinige
Befriedigung der materiellen Bedürfnisse das in Geistesblindheit
unterdrückte Volk auch darin zu erhalten und
damit zu beruhigen, dass es nicht in Folge politischer
und religiöser Aufklärung seine natürlichen Rechte erkenne
und in Anspruch nehme; damit keiner dort, belehrt
über gemeinsame Interessen und mehr verlangend als
Befriedigung seiner körperlichen Bedürfnisse, Gemeinsinn
hege und so mit der geistigen sich vereinigend auch
eine materielle Gewalt sich bilde, welche den Bestand
der Monarchien gefährden könnte. Dort will man drum
jeden nur auf seine eigenen Interessen beschränken und
zurückweisen und die Intelligenz des Volkes in gewissen
Gränzen halten; — dort sollen die Wissenschaften nicht
völlig frei von jeder Fessel seyn und Gemeingut des
Volkes werden; — sondern sie sollen, nur den Zwecken
der Monarchien dienend, das Eigenthum einer Gelehrten-
und Beamten-Kaste seyn, die lediglich von den Monarchen
abhängig eben so gut die Monarchie stützt und .
unterhält, wie sie selbst nur in derselben ihr Bestehen
finden kann. — Ganz anders dagegen verhält es sich in
einem republikanischen Staate. Sein Bestehen gründet
sich nicht auf blinden Gehorsam seiner Bürger gegen
die leitenden Behörden und ein Staatsoberhaupt; —
sondern geistige Aufklärung und Einsicht kann bei beiden
erst das gegenseitige Verhältniss begründen, welches zum
geregelten Gange und guten Bestehen des Staats erfordert
wird. Geistige Cultur ist somit hier die Seele der
Ordnung, womit die Räder der Staatsmaschine in einander
greifen müssen. Sie allein ist im Stande den Privategoismus,
diese Wurzel alles Unheils, bei den einzelnen
Staatsbürgern zu entfernen und die dadurch mögliche
innere Zersplitterung und Entzweiung des Volkes zu
verhüten; — sie allein vermag den wahren Gemeinsinn
zu wecken und zu nähren, der nur im Wohle des Ganzen
sein eigenes erblickt und darum immer bereit ist,
letzteres dem erstern zu opfern. Solchen auf geizige
Aufklärung und Einsicht gegründeten Gemeinsinn bedarf
eine Republik, in welcher keiner ihrer Bürger eine Nulle
ist, die nur hinter andern Zahlen etwas gelten kann, —in
welcher nicht die Existenz einer Geld- oder Adelsaristokratie,
oder sonstige Vorrechte der Geburt einem
grössere Ansprüche verleihen, als dem andern, sondern
wo jeder ursprünglich gleiche Rechte geniesst und nur der
höhere Grad von geistiger und sittlicher Cultur und
wahrer Bürgertugend allenfalls Vorzüge und grössere
Achtung begründen können.
So wie aber nun also durch Intelligenz die Säulen
sich bilden, die jede Republik, so wie auch die unsrige
insbesondere stützen und tragen müssen, so ist auch die
republikanische Staatsverfassung gerade wieder diejenige,
in welcher die volle Möglichkeit der freiesten geistigen
Entwicklung und die vielseitigste und allgemeinste Anregung
dazu gegeben ist. Hier besteht keine Fessel für
den freien geistigen Verkehr, für den freien Austausch
der Ideen; — hier wo nur die Erwählten des Volkes
des Staates Ruder lenken, und nur auf gegenseitiger
Einsicht und gegenseitigem Vertrauen zwischen ihnen
und dem Volke die Stellung gegründet ist, welche sie
einnehmen, wird die geistige Entwicklung in keine besondere
Richtung gezwängt und damit kein Hemmschuh ihrem
Fortgang angelegt. Hier wo nur höhere geistige Cultur
und Gesittung dem einzelnen eine Auszeichnung in
der Gesellschaft geben kann, und einem jeden die Laufbahn
offen steht, die er für sein Leben sich wählen will,
muss auch ein regeres geistiges Bestreben und ein emsigeres
Verlangen nach vielseitiger und vollständiger Geistesbildung
sich finden.
In einer Republik nun sieht unsere Hochschule mit
der schönen Aufgabe, Licht nach allen Seiten zu verbreiten
durch den Unterricht in allen Wissenschaften und
die weitere Förderung derselben; — die freie geistige
Cultur eines freien Volkes und den Standpunkt seiner
Intelligenz auf die Höhe des Jahrhunderts zu führen,
so dass es Ehre und Achtung geniesse in den Augen
seiner Nachbarvölker. Wie indess bei jedem menschlichen
Wirken und Streben zur Lösung einer bestimmten Aufgabe
vieles von der Gunst oder Ungunst der äussern
Verhältnisse abhängt, so auch können wieder mancherlei
innere und äussere Bedingungen die Erreichung ihres
Zieles der Hochschule erleichtern oder erschweren. Soll
sie nämlich unter der ihr im republikanischen Staate an
sich gegebenen Möglichkeit kräftig aufblühen und in einer:
gedeihlichen Wirksamkeit die Früchte tragen, die man
mit Recht von ihr erwartet, so muss sie vor Allem
Männer besitzen, die ausgezeichnet durch Talent und
Gelehrsamkeit, mit der Gabe zu lehren auch das Streben
vereinigen, die Wissenschaft nach Kräften zu fördern
und den ernsten Willen bethätigen, ihren schönsten und
grössten Lohn nur in dieser Förderung der Wissenschaften
und des Unterrichtes zu suchen. Die grosse Ausbreitung
der Wissenschaften gegenwärtig und der hohe Stand
der geistigen Cultur und Intelligenz der Völker überhaupt
lässt es nicht mehr zu, dass ein Lehrer alle oder
mehrere Zweige seiner Wissenschaft so umfasse, dass er
darin einen dem gegenwärtigen Standpunkt der Höhe
der einzelnen Disciplinen angemessenen Unterricht ertheilen
und darin selbst forschend und weiterschreitend auch
seine Schüler dazu anfeuern könnte. Es müssen darum
an einer Hochschule, die auf das vielsagende Prädicat
einer wohlbesetzten Ansprüche machen will, auch für die
einzelnen Fächer der Wissenschaften Lehrer bestellt seyn,
von denen es bewährt ist, dass sie auf der höchsten Stufe
des besondern Faches der mit Riesenschritten voraneilenden
Wissenschaften stehen, und dass sie selbstthätig und
rüstig mitwirken an der Emporbringung und Bereicherung
derselben und nicht bloss mühsam den Fortschritten
anderer darin folgen. Solche Männer müssen darum
aber sich auch ganz ihrer Wissenschaft widmen und mit
ungetheilter Kraft und Thätigkeit ihr allein angehören.
Wenn auch der wissenschaftliche Dilettantismus einen
gebildeten Mann zieren kann, der einem andern, als dem
gelehrten Berufe folgend, seine Musestunden damit ausfüllt,
so fordert man doch vom Gelehrten und tüchtigen
Lehrer, dass die Wissenschaft ihm mehr sey als unterhaltender
Zeitvertreib in müssigen Stunden. Mit Ernst
und Liebe soll er der hehren Göttin dienen und diesen
Dienst nicht betrachten, wie der Taglöhner sein Tagwerk,
damit er in Freude seiner Berufserfüllung obliege
und darin nicht müde werde. Wenigstens die wichtigsten
Fächer alles menschlichen Wissens müssen mit solchen
Männern besetzt seyn, wenn die Hochschule im Stande
seyn soll ihrem Zwecke zu genügen. Denn wollte man
von dem Gedanken ausgehen, es sey hinreichend nur
für das nächste Bedürfniss zu sorgen und wollte man
darum nur das vorzugsweise berücksichtigen, was zunächst
im praktischen Leben gebraucht werden kann, so wäre
nur kleinliches Stückwerk im Unterricht die unabwendbare
Folge, wodurch nur eine praktische Abrichtung für
manche Lebenszweige, aber keine vielseitige und gründliche
akademische Bildung erzielt werden könnte. Wie
gegenwärtig die einzelnen Fächer der Wissenschaften
ineinandergreifen und eines das andere gegenseitig hebt
und stützt, könnte die Ausführung der Idee, nur für
das notwendigste im alltäglichen Leben zu sorgen, die
schönsten Zwecke der Hochschule zernichten; — denn
dadurch würde eben die gründliche wissenschaftliche Bildung
unmöglich, welche die Hochschule zu erzielen suchen
muss, soll sie anders den Geist verbreiten, der zur sittlichen
und geistigen Veredlung des Volkes führt, und
sollen Männer aus ihren Hörsälen hervorgehen, die
ganz dein wichtigen Werke gewachsen sind, diese Veredlung
zu fördern.
Gerade dieses Ineinandergreifen der verschiedenen
wissenschaftlichen Fächer und die Nothwendigkeit, dass
der Unterricht nicht Stückwerk, sondern ein Ganzes sey ,
dem kein Glied fehle, erheischt auch wieder, dass die
Hochschule ein wahrhafter Verein der Lehrer sey, in
welchem vorzüglich harmonisches Zusammenwirken statt
finde und gegenseitige Anregung und Aufmunterung
nicht fehle. Ein Glied der Hochschule muss dem andern
in die Hände arbeiten; — keines darf darum vereinzelt
stehen, wenn sein Unterricht sich passend an den der
Uebrigen anschliessen soll. Freundlicher Austausch der
Ideen im Umgang, Besprechungen über den Unterricht,
gegenseitige Unterstützung im Lehrfache sowohl, wie in
wissenschaftlichen Arbeiten fördern daher die Wirksamkeit
der Hochschule, während Zurückziehung Einzelner
aus dem Kreise der Uebrigen und Beschränkung auf
sich selbst allein die Kräfte zersplittern.
Da nur selten irdische Glücksgüter sich mit Talent
und Gelehrsamkeit, sowie mit der ernsten Neigung vereinigen,
das ganze Leben nur der Wissenschaft zu weihen,
so müssen auch die Lehrer der Hochschule vom Staate in
eine Lage versetzt werden, dass sie nicht mit Sorgen
und Noth zu kämpfen haben, sondern mit freudigem
Muthe ganz ihrem Berufe sich hingeben können. Erwartet
man von ihnen, dass sie ihre Wissenschaft nicht
als die melkende Kuh betrachten und zur Sicherung
ihrer Existenz nur um des baaren Lohnes willen arbeiten,
oder gar andere unwissenschaftliche Erwerbsquellen
suchen, so muss man ihnen eine sorgenfreie und zugleich
ehrenvolle bürgerliche Stellung im Staate sichern. Männern,
denen man das Höchste im Staate, die geistige und
sittliche Veredlung des Volkes, denen man das heiligste
der Familien, die Unterrichtung und Ausbildung der
heranwachsenden Generation anvertraut, gebührt wohl
auch eine äussere Stellung, welche ihnen Ansehen und
Achtung gibt. Soll der Lehrer im richtigen Verhältniss
zu den Schülern stehen und von ihnen der Pietät gewürdigt
werden, die er zu einer durchgreifenden Wirksamkeit
bedarf; — soll der Gelehrte sich nicht in nutzlosen
Grübeleien verlieren, sondern auch im Leben selbst
wieder stehen und wirken; — soll er endlich nicht bloss
durch den Unterricht und den Lohn dafür an den Ort
seines Wirkens sich gebunden fühlen, sondern ihn als
seine eigentliche Heimath betrachten und von wahrer
Vaterlandsliebe beseelt seyn, so muss auch seine bürgerliche
Stellung von der Art seyn, dass er sich heimisch
fühle. Steht er nur als Fremder unter Fremden;
fesseln ihn keine andern und schönern Bande als der
Erwerb durch sein Amt, wie kann er da mit dem Volke
und seinen Bedürfnissen vertraut werden, wie kann man
da höhere und allgemeinere Interessen, als seine persönlichen
bei ihm erwarten? Zahllos sind die Beispiele
von in der Wissenschaft ausgezeichneten Männern, welche
die bedeutendsten persönlichen Opfer brachten aus wirklicher
Liebe zu der Stellung, die man an dem Orte
ihres Lebens und Wirkens ihnen bereitet hatte. Die
Bemühung sich den Besitz solcher Männer zu sichern auf
jede mögliche Weise, damit sie nicht wie Zugvögel weiter
ziehen, wenn anderwärts ihnen eine bessere Existenz geboten
wird, lohnt sich daher immer auf's schönste.
Sollen gelehrte Bildungsanstalten und durch sie die
Wissenschaften gehörig zur Blüthe kommen, so darf
ferner auch nicht gefragt werden, welches Land die Männer
erzeugte, die zu den höhern Lehrstellen gewählt werden.
Auch hier hat das Beispiel mehrerer monarchischer Staaten
bereits gezeigt, dass ein Abschliessen gegen das Ausland
in dieser Beziehung den Fortschritt der wissenschaftlichen
Cultur nur hemmt, während da, wo man nur die Tüchtigkeit
und Vorzüglichkeit der Männer, nicht aber ihre
Heimath in die Waagschaale legte, immer ein reges
wissenschaftliches Leben, erzeugt durch gegenseitige Nacheiferung
sich entfaltete. Wo nicht ein Ferment unmittelbar
einwirkt und die geistige Gährung anregt, bleibt
leicht die Masse auf dem Punkte ruhig stehen, den durch
die Wirksamkeit ihrer Elemente allein sie erreichte.
Durch die wissenschaftliche Aufklärung hat sich ein Band
der Völker über die ganze civilisirte Welt verbreitet
und wenn auch die Wissenschaft überall etwas nationales
an sich trägt, so kann doch kein Volk mehr in ihr eine
ehrenwerthe Stellung behaupten, wenn es nicht auch
die Fortschritte andrer Völker darin sich aneignet. Geschieht
diese Aneignung lebendig und unmittelbar, so
wirkt es mehr als der todte Buchstabe, der nur erst
durch den rechten Gebrauch Leben erhalten kann. Wie
daher nicht die Geburt, sondern nur die persönlichen
Leistungen in den Wissenschaften ein Bürgerrecht erwerben
können, so können auch sie nur allein die wahre
Richtschnur abgeben, die bei Besezung der akademischen
Lehrfächer zu befolgen ist. Freie Concurrenz bei Besetzung
der Lehrstellen bleibt daher ein wesentliches Element
für die Blüthe einer Hochschule, und für den
Fortschritt der wissenschaftlichen Cultur durch dieselbe.
Immer aber bleibt dabei die Bedingniss, dass die nach
diesem Grundsatz vereinten Elemente auch gegenseitig
sich durchdringen, verschmelzen und auf einander wirken,
ohne welches Zusammenwirken kein Produkt möglich
wird; dass also kein Band der Vereinigung, kein Motiv
der gegenseitigen Verbrüderung fehle.
Ausser diesen Bedingungen darf aber den höhern
wissenschaftlichen Bildungsanstalten und den Männern die
an ihnen wirken auch nicht die Freiheit fehlen, die man
längst als die akademische bezeichnete und selbst unter
Regierungsmaximen bestehen liess, die der Freiheit im
Allgemeinen nichts weniger als günstig waren. Die
Prärogative und Immunitäten, welche man den alten
Hochschulen andrer Länder vor Jahrhunderten bei ihrer
Stiftung verlieh, beweisen zur Genüge, dass man schon
damals, wo man noch überhaupt auf einer niedrigern
Stufe der politischen und religiösen Aufklärung stand,
dieses Lebenselement der höhern Lehranstalten richtig
erkannte und würdigte. Es würde daher nur zur Schande
unsers Jahrhunderts gereichen, wenn man jetzt noch
sogar selbst hinter diese Zeit zurückschreiten und damit
zur frühern Finsterniss die Aufklärung zurückzudrängen
versuchen wollte. Volle Denk-, Rede- und Pressfreiheit
gehört vor Allem dazu, wenn der menschliche Geist in
seinem Gebiete sich frei bewegen und sein volles Leben
äussern soll. Die geistige Aufklärung verträgt keinen
Zwang, auch nicht einmal in einzelnen Zweigen des
Denkens und der Mittheilung, ohne dass damit nachtheilig
auf ihren Fortschritt im Ganzen zurückgewirkt
wird. Darum auch muss der akademische Lehrer und
Gelehrte ganz ohne geistige Fesseln und auch nicht einmal
in Kleinigkeiten sich beengt fühlen, wenn er der
fortschreitenden Aufklärung ganz dienen soll. Frei und
unverholen muss er in der würdevollen Art, wie es
dem gebildeten Gelehrten geziemt, über Alles reden und
schreiben, über Alles seine Ansicht fassen und aussprechen
dürfen, ohne befürchten zu müssen, darum einer direkten
oder indirekten Missbilligung zu unterliegen oder damit
einer Gehässigkeit oder sonstigen Unannehmlichkeit sich
bloss zu stellen. Schlimmer noch als der offen ausgesprochene
Zwang aber ist jene heimliche Beschränkung
und Gefangennehmung des Geistes und seiner Wirkung,
welche sich dadurch äussert, dass die Staatsregierung alle
ihr zu Gebote stehenden Mittel benutzt, um an dem
Gängelbande einer kleinlichen Beaufsichtigung die Lehrer
zu führen und sie auch in den unbedeutendsten Dingen
die Zügel einer obern Lenkung fühlen zu lassen, wie
diess besonders in manchen kleinern monarchischen Staaten
der Fall ist. Hiedurch wird jene ängstliche Abmessung
und Wägung aller Worte und Handlungen und
zugleich der Unmuth und Ecke! erzeugt, der jeder freudigen
Thätigkeit im Lehramte Feind, die Lehrer nöthigt,
sich ganz in die engen Gränzen der Erfüllung ihrer eingegangenen
Verpflichtungen zurückzuziehen. Am schlimmsten
aber endlich ist es gewiss, wenn politische oder religiöse
Verketzerung ihr unheilvolles Spiel treibt, wenn
politische oder religiöse Spaltungen alle Duldsamkeit
verscheuchen und dadurch alle Einheit im Wirken gestört
wird, welche der Hochschule zur Erreichung ihrer Zwecke
unerlässlich ist. Denn so gewiss es von Nachtheil wäre,
wenn man bei dem akademischen Lehrer nur seine politischen
oder religiösen Ansichten, weniger aber seine Tüchtigkeit
in der Wissenschaft erwägen wollte, so sicher
würde es zum Unheil führen, wenn die Glieder der
Hochschule ihre erste Pflicht, rein nur der Wissenschaft
zu dienen, aus den Augen verlören und nur einem Alles
zersplitternden Faktionsgeist huldigten.
Wenn aber nun auch an einer Hochschule ein Verein
von Männern sich findet, wie wir als eine zeitgemässe
Forderung es erkannten; — wenn sie auch begabt ist
mit der Stellung und den Freiheiten die wir näher bezeichneten,
und somit ihrem Wirken ganz das Feld geöffnet
ist, so bedarf sie doch noch weiterer Hülfsmittel zu ihren
Leistungen. Wissenschaftliche Sammlungen, Apparate,
Institute und Lokale zum Unterricht dürfen nicht fehlen,
wenn dieser Unterricht erfolgreich seyn und der Lehrer
in seinen wissenschaftlichen Forschungen nicht gehemmt
seyn soll. So Vieles und Grosses auch der Geist allein
vermag, so bedarf er doch wieder materieller Mittel,
wenn er ganz seine Wirksamkeit entfalten soll. Werfen
wir einen Blick auf auswärtige Hochschulen und fragen,
woher sie ihren Glanz, ihren wohlbegründeten dauernden
Ruf, ihre grosse Wirksamkeit haben, so werden wir immer
finden dass es nicht die Männer von Gewicht und
ihre äussern Verhältnisse allein sind, die hier leuchten,
sondern auch ihre Unterrichtsanstalten. Fragen wir darnach,
warum dort Grosses geleistet werden konnte in den
Wissenschaften, so sind es die wissenschaftlichen Hülfsmittel,
die den Gelehrten zu freier Benutzung zu Gebote
standen, welche so schöne Resultate erzielen halfen. Es
kann daher keinem Zweifel unterliegen, dass vollständige
Büchersammlungen für alle Fächer der Wissenschaften,
reich ausgestattete physikalische, mechanische und naturhistorische
Cabinette, Sternwarten, chemische Laboratorien,
anatomische Anstalten und Sammlungen, klinische
Institute u. s. w. die mächtigsten Mittel sind, um den
Unterricht durch Anschauung lebendig und praktisch für's
Leben zu machen, und zugleich den Lehrern die Möglichkeit
geben, jeder wissenschaftlichen Forschung auch vollständig
genügen zu können. Je reicher die Dotation
solcher Anstalten ist, um so besser; — denn mit jedem
Tage eilt die Wissenschaft voran und wie sich ihr Umfang
und ihre Ausdehnung mehrt, wächst auch das Material
sowohl für das bereits in derselben Geleistete, als wie
auch das Bedürfniss für den Fortschritt. Was in dieser
Beziehung Noth thut, kann nur der richtig ermessen
und schätzen, der in dem einzelnen Zweige der Wissenschaft,
zu welcher das Material gehört auch ganz umfassend
auf der Höhe unserer Zeit steht, und als selbstständiger
Forscher zu beurtheilen weiss, was zum Weiterschreiten
erfordert wird. Dass aber der Einzelne nicht
im Stande sey, diese Hülfsmittel selbst sich vollständig
zu schaffen, wenn nicht zufällig grosse Glücksgüter ihm
zu Gebote stehen, die er ohne Rücksicht auf seine Nachkommen
nur seinen wissenschaftlichen Zwecken opfern
kann, ist von selbst klar und es muss daher die Munificenz
des Staates, treu dem Grundsatze, dass wer den
Zweck will auch die Mittel nicht scheuen dürfe, in's
Mittel treten. Doch was würde die Munificenz des
Staates, was würde der Reichthum der Sammlungen
und Anstalten hier helfen, wenn nicht zugleich die freiere
Benutzung derselben dem Lehrer und Schüler gesichert
wäre? — So sehr es gefordert wird zu bewahren und
zu bewachen, dass nicht Muthwille oder Frevel das mühsam
Erworbene zerstöre, so muss doch die kleinliche Furcht,
dass das einmal Gesammelte zu Grunde gehen könne,
den Gebrauch nicht hemmen; — denn nicht bloss zum
Anschauen, auch zum Gebrauch für wissenschaftliche
Zwecke müssen die Sachen bestimmt seyn, und zerstört
dieser daran etwas, so muss man bedenken, dass die
Wissenschaft und der Unterricht auch ihre Opfer fordern.
Wie manche herrliche und reiche Sammlung, wie manche
treffliche Apparate und Anstalten finden sich nicht auf
manchen Hochschulen, von denen der Freund der Wissenschaften,
so sehr ihn auch die Anschauung erheitern kann,
doch beklagen muss, dass sie brach und nutzlos liegen,
ohne der Wissenschaft den Dienst zu leisten, den sie ihr
leisten könnten!
Sind nun bei einer Hochschule alle die erwähnten
Bedingnisse erfüllt, so fehlt ihr nur noch eins, und zwar
das Wichtigste für ihre gedeihliche Wirksamkeit; nämlich
der wirthbare und fruchtbare Boden auf den sie ihren
Samen ausstreut zur Keimung, Blüthe und Fruchttragung.
In der aufwachsenden Generation muss sie
das Streben nach Unterrichtung, den Durst nach wissenschaftlicher
Aufklärung und in der erwachsenen Bevölkerung
die Pfleger und Beförderer dieses Geistes der
Jugend finden, wenn man ihr Wirken an ihren Früchten
erkennen soll. Viel, sehr viel kann zwar die Hochschule
selbst thun zur Urbarmachung ihres Bodens durch eigne
Bearbeitung; sie kann den Geist der Jugend wecken und
nähren und diess fleissige Bestreben von ihr wird auch
von der Einsicht der erwachsenen Generation nicht verkannt
und nach Kräften gefördert werden. Allein wenn
ihr Werth und ihre Wichtigkeit im Staate nicht richtig
von den ältern Staatsbürgern gewürdigt wird, wenn
Vorurtheile ihr entgegenwirken, kleinliche Menschlichkeiten
ihrem Streben böse Absicht unterlegen und andere
feindliche Elemente ihr Hindernisse bereiten, so vermag
auch oft her kräftigste Wille und die angestrengteste
Thätigkeit nicht zu siegen. .
Werfen wir nun einen flüchtigen Blick prüfend
zurück auf das Jahr des Bestandes der jungen Hochschule
und fragen, was ist erfüllt worden von den
vielen grossen und schwierigen Bedingnissen, sowie von
den Leistungen, die gegenwärtig von einer eigentlichen
Hochschule gefordert werden müssen, so kann die Antwort
nur eine höchst erfreuliche seyn und muss die schönsten
Hoffnungen für die Zukunft erregen. Erwägt man,
dass alles Menschliche in einer fortschreitenden Entwicklung
erst zur Vollkommenheit reifen kann und nichts als
vollendet wie mit einem Zauberschlage ins Leben treten
kann, so wird der richtige Beurtheiler kein Ideal höchster
Vollkommenheit im Beginnen der Hochschule schon
fordern, sondern wie billig nur nach der Zeit, die ihr
zu ihrer Entwicklung gegeben ist, und nach dem, was
schon bei ihrer Gründung geleistet ward, sein Urtheil
bemessen. Sieht man hin auf die fast unermessliche
Grösse der Bedürfnisse eines solchen Instituts bei dem
gegenwärtigen Stande der Intelligenz und der Wissenschaften,
die auch erst im Laufe der Zeit eine Befriedigung
finden können, so wird man auch in dieser Beziehung
die Forderungen nicht überspannt stellen. Bedenkt
man endlich die grosse Schwierigkeit in der Erfüllung
dieser Bedürfnisse, ihre Abhängigkeit von Umständen,
Verhältnissen und Gelegenheiten, die oft nicht erstrebt,
sondern mitunter vom glücklichen Zufall nur gewährt
werden können, so werden billige Erwartungen auch
hier sich nicht getäuscht sehen. Wird also vom richtigen
Standpunkte aus geprüft und geurtheilt, wird durch die
Vergleichung mit andern Hochschulen, denen eine weit
längere Zeit zu ihrer Entwicklung und Ausbildung schon
gegeben war, dieses Urtheil begründet, so dürfen das
Volk und seine Vertreter, sowie ihr Werk, die Hochschule,
gerechter Anerkennung gewiss seyn. Kaum ein
Jahr des Bestandes der letztern ist vergossen und schon
kann sie ohne Anmassung und ohne Schamröthe neben
die bedeutendern ihrer Schwestern sich stellen. Wenn
auch schon die hier Statt findende Stellung der Universität
in einem republikanischen Staate ihr in vollem
Masse die zu ihrem Gedeihen nothwendigen Freiheiten
sicherte, welche man in monarchischen Staaten mit jedem
Tage mehr zu beschränken bemüht ist; — wenn auch schon
die vormals bestandene Akademie viele treffliche Männer,
wahre Zierden einer Hochschule, und manche wohl ausgestattete
wissenschaftliche Anstalten und Hülfsmittel darbot,
so blieb doch noch viel zu thun übrig, um wahrhaft
zeitgemäss die Hochschule hinzustellen. Mit wahrer Munificenz
bewilligte der Grosse Rath dieses Freistaates, sich
selbst ehrend durch die richtige Erkennung und Würdigung
der Bedeutsamkeit einer Hochschule, die Mittel zu
ihrer Gründung und Erhaltung. Das Volk und seine
Erwählten sprachen sich bei mehreren Gelegenheiten und
auch im Laufe dieses Jahres auf eine eklatante Weise
dahin aus, dass es ihnen heiliger Ernst sey, die Hochschule
in ein Verhältniss zu stellen, dass ihr künftiges
Aufblühen und ferneres Gedeihen nicht mehr zweifelhaft
seyn kann. Gewiss werden das Volk und seine Vertreter
diesen sie ehrenden Sinn, der sich bisher so schön bewährte,
auch in der Zukunft bethätigen und fernerhin
dieses Institut nach Kräften unterstützen und fördern.
Ganz eingehend in diesen hochachtbaren Sinn des
Volkes widmeten die Behörden der jungen Hochschule
ihre volle Aufmerksamkeit. Mit weiser Einsicht und
Umsicht wurden die dargebotenen Mittel auf die zweckmässigste
Weise verwendet. Emsig bestrebte man sich
mit Hintansetzung jeder kleinlichen menschlichen Rücksicht
nur den Nutzen der Hochschule zu fördern und ihr
Aufblühen zu sichern. Diese bisher bewiesene Gesinnung
der Behörden, diesen Eifer in der Bethätigung derselben
hier öffentlich rühmend anzuerkennen und dafür ihnen
im Namen der Hochschule den wärmsten Dank zu zollen,
ist mir eine eben so angenehme wie angelegentliche Pflicht.
Stets wird die Mit- und Nachwelt ihrem Verdienste
Ehre zollen. Die Bemühungen, für die Hochschule
Männer zu gewinnen, auf deren Besitz Bern stolz seyn
kann, waren mit gutem Erfolg gekrönt. Nur die Tüchtigkeit
in der Wissenschaft und keine andere Rücksicht
waltete bei ihrer Erwählung. Verdiente Lehrer erhielten
schon im Laufe dieses Jahres die Beförderung und
Anerkennung welche ihren Besitz der Hochschule sichert.
Wo noch Lücken in der Besetzung der wichtigsten Fächer
der Wissenschaften sich allenfalls finden, ist man bemüht
auf's Beste sie auszufüllen und bereits sind in dieser
Beziehung mehrfache Einleitungen getroffen, die den
Erfolg versprechen, dass die Hochschule bald einer
vollständigen Besetzung sich rühmen kann. Die schon
vorhandenen wissenschaftlichen Locale, Anstalten und
Sammlungen hat man erweitert und vervollkommnet.
Neue wurden begründet, wo die bisherigen nicht ausreichten.
Ein Gebäude für die Anatomie ist erstanden,
dessen Grossartigkeit und Zweckmässigkeit auch die strengsten
Forderungen befriedigt und mit den schönsten Anstalten
der Art in Europa wetteifern kann. Das chemische Laboratorium
hat ein besseres Local und zweckgemässere Einrichtung
erhalten. Eine Sammlung chirurgischer Instrumente
und Bandagen ist angelegt und für ihre weitere Vervollkommnung
eine Dotation bestimmt worden. Zur Förderung
des klinischen Unterrichtes hat man Assistenten bestellt,
und zur Erweiterung der klinischen Anstalten und zweckmässigeren
Einrichtung derselben bereits Einleitung getroffen.
Für zweckgemässeste Benutzung wissenschaftlicher Hülfsmittel
ist überall Sorge getragen. Wo solche Thatsachen
redend zeugen, muss jeder versichert seyn, dass die
hohen Behörden es an Wachsamkeit auf die Bedürfnisse der
Hochschule nicht fehlen lassen und deren Befriedigung aus
allen Kräften unterstützen. Sind auch jetzt noch manche
Wünsche nicht erfüllt, so ist das von den Behörden bis
jetzt bethätigte Streben dafür bürgend, dass die nächstfolgende
Zeit sie realisiren wird, wenn nicht unübersteigliche
Hindernisse entgegen stehen.
Die Hochschule selbst hat ihre Aufgabe richtig erkennend
sich eifrig bemüht, das in sie gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen.
Sie bildete einen wahren Verein für die Wissenschaft,
in welchem Alles lebhaften Anklang fand, was aus
die Pflege der Wissenschaften und des Unterrichtes Beziehung
hatte und in welchem die gegenseitige Achtung der Lehrer
die Eintracht sicherte, aus welcher allein ein schönes
und kräftiges Zusammenwirken hervorgehen konnte.
Das Bestreben hierdurch den Flor und die Würde der
Anstalt zu begründen und zu heben, bildete gleichsam
die Seele des Ganzen. Der Fleiss und der Eifer der
Lehrer, ihren Beruf vollständig zu erfüllen liess überall
sich bemerken. Kein, nur irgend wichtiger, .Zweig
menschlichen Wissens wurde vermisst in den Unterrichtsankündigungen
und eine grössere Zahl von Vorlesungen
wurde gehalten, als billige Forderungen nur verlangen
konnten. Und nicht bloss innerhalb des engern Kreises
der Hörsäle regte sich diese Thätigkeit; — auch Schriften
von Lehrern, die eben so ehrend für ihre Verfasser,
wie auszeichnend für die ganze Hochschule sind, gaben
der ganzen civilisirten Welt ein rühmliches Zeugniss von
ihrer Wirksamkeit. Dass man auch auswärts solche Verdienste
für die Förderung der Wissenschaften zu schätzen
wisse, haben erst kürzlich rühmliche Anerkennungen hiesiger
Lehrer von auswärtigen Hochschulen bewiesen.
Nicht minder haben wir aber auch zu loben, dass dieses
thätige Streben der Lehrer auch von den Schülern
durch Fleiss belohnt wurde. Dem lebhaften Eifer, sich
gründliche und vielseitige wissenschaftliche Bildung zu
erwerben, und Alles nach Möglichkeit zu benutzen, was
hierfür geboten war, haben wir es zu danken, dass fast
sämmtliche Vorträge zahlreich besucht und schöne Fortschritte
bemerkt wurden. Dabei gewahrte man den Anstand
und die Sittlichkeit im Betragen, die Achtung
und Pietät gegen die Lehrer, die den ächten Jünger
der Wissenschaft auszeichnen müssen. —
So hat also ein Jahr des Bestehens der Hochschule
sattsam bewährt, dass sie erfülle, was bei ihrer Gründung
und Eröffnung verheissen wurde. Nur überspannte
Erwartungen, nach unerreichbaren Idealen bemessen,
können jetzt schon andere sichtliche Früchte verlangen.
Es liegt aber in der Wirksamkeit einer Hochschule, dass
nicht schnell ihre anderweitigen Früchte reifen können,
wenn sie anders eine gründliche Dauer haben sollen.
Der Geist, der von ihr ausgehen und allmählig das
Volk durchdringend leuchten soll, bedarf einer längeren
Zeit zu seiner Entfaltung. Nur der Keim zu seiner
kräftigen Entwicklung kann jetzt erst in die Jugend
gelegt werden und allmählig mit ihr erwachsen. Sehen
wir aber, wie hier es sich nachweisen lässt, dass dieser
Keim nicht auf unwirthbaren Boden gefallen ist, sondern
bereits Wurzeln geschlagen hat; — sehen wir, wie er
gepflegt wird von dem Volke und seinen Erwählten, so
können wir gewiss seyn, dass er nicht verdorret, sondern
eine künftige Zeit seine Blüthe schauen und seine Früchte
erndten wird. Sie also, meine verehrten Commilitonen
und Schüler, sind es, die den Samen, den wir willig
und reichlich ausstreuen, hauptsächlich empfangen und
seinen Wachsthum befördern sollen; sie sind zunächst die
Organe, an welchen sich die Wirksamkeit der Hochschule
verbreiten und bewähren soll. Sie sind die Hoffnung
der Hochschule, der Behörden und des Vaterlandes, auf
die sich täglich die Blicke Aller richten, um zu schauen,
ob sich die Erwartungen bewahren, die man bei der
Gründung der Hochschule und ihrer Förderung hegte.
Darum gerade möchte ich zum Schlusse Ihnen noch
recht warm an's Herz legen, Ihr Ziel mit ernstem
Willen zu erfassen und darnach zu streben, dass Sie dereinst
auch der Stolz und die Zierde des Vaterlandes
genannt werden mögen. Mühsam zwar ist der Weg
zu diesem Ziele und voller Klippen und Schwierigkeiten — aber
wer könnte besser wissen, als gerade Sie, dass
dem rüstigen Bergsteiger kein Fels zu hoch, keine Klippe
zu steil ist, sondern dass gerade diese Mühen, die sich
vor ihm aufthürmen, weit entfernt ihn abzuschrecken,
ihn vielmehr anfeuern die Höhe zu erklimmen und dort
den Genuss zu erndten, den sie biethet. Dem Menschen
ist nichts unerreichbar, wenn mit Kraft und Muth
ernster Wille und Beharrlichkeit sich vereinigen. Der
ächte Jünger der Wissenschaft tritt darum nicht zurück
vor Schwierigkeiten; sie spornen vielmehr seine Kraft
und Thätigkeit, Ruhm und Ehre darin zu suchen, sie
zu überwinden. Darum nur vorwärts den Blick und
nicht beim Beginnen der Bahn schon muthig und müde
geworden; — am Ziele erwartet ein Lohn den rüstigen
Ringer, dessen Genuss ihm die süsseste Befriedigung
gewährt. Bei dem gegenwärtigen Höhepunkte und dem
Umfang der Wissenschaften kann es keiner zu einem
erklecklichen Ziele bringen, der nicht alle Kraft darauf
verwendet, nicht ganz und ungetheilt sich ihnen widmet
und sie nicht allein zu seiner Lebensaufgabe macht.
Von Stufe zu Stufe führt der Weg zu dieser Höhe,
von denen keine übersprungen werden darf, wenn nicht
fühlbare Lücken bleiben sollen, die eine spätere Zeit nicht
ausfüllen kann. Keiner wähne daher, die Höhe leichter
und kürzer erreichen zu können, wenn er vorgreifend etwa
in der Mitte die Bahn beginne. Nur Stückwerk erndtet
er dann und steht nicht sicher und fest, wenn er auch bis zu
einer gewissen Stufe hinauf gekommen ist. Wenn darum
auch jetzt noch kein Maturitätsgesetz demjenigen, der
die Hörsäle der Universität besuchen will, eine bestimmte
Vorbildung vorschreibt, so werden Sie selbst doch schon
überzeugt seyn, dass nur der mit gutem Erfolge die
höhern wissenschaftlichen Studien betreiben kann, der
schon in seiner geistigen Ausbildung dazu den gehörigen
Grund gelegt und damit sich die Möglichkeit geschafft
hat, nicht bloss den wissenschaftlichen Expositionen der
Lehrer gehörig folgen, sondern auch selbständig die
Wissenschaft in sich ausbilden zu können. Nicht allein
das Erlernte aber ist es, was den gründlich wissenschaftlich
gebildeten Mann auszeichnet, sondern eben
diese Selbstständigkeit, die er in den Wissenschaften erlangt
hat, die Freiheit, womit er das Material derselben
beherrscht, das eigentliche Eigenthum, was er darin sich
erworben und nicht von andern erborgt hat. Um zu diesem
Standpunkt zu gelangen, müssen philologische, schönwissenschaftliche,
geschichtliche, mathematische und philosophische
Studien vorausgehen und dem Geiste erst die
Vorbildung und Uebung gehen, ohne welche das Fortschreiten
unmöglich ist. Diese Studien kann keiner
missen; der überhaupt einmal auf wissenschaftliche Bildung
Ansprüche machen will, keiner der in den Tempel
der Wissenschaften ganz eintreten und dort eine würdige
und ehrenvolle Stelle demnächst einnehmen will. Nur
wer dadurch vorbereitet und eingeweiht die Hörsäle
der Universität besucht, wird den höheren Stand in der
Wissenschaft erreichen und nicht bloss das zu erhaschen
suchen, was demnächst nur einen Erwerb und in klingender
Münze allein den Lohn seiner Mühe ihm bietet.
Die Wissenschaft wird ihm die hehre Göttin werden,
die er um ihrer selbst willen liebt, die ihm einen höhern
und schönern Lohn in seinem Innern spendet, und die
ihm die süsse Befriedigung gewährt, nicht als Stümper
vor seinem innern Richter und vor der Welt zu erscheinen.
So möge denn ein gütiges Geschick dieser unter
günstigen Anspielen entstandenen und mit den reichlichsten
Aussichten auf ferneres glückliches Gedeihen ausgestatteten
Hochschule auch ein weiteres Erwachsen und Erstarken
verleihen! Möge sie den Geist, der in ihr waltet, auch
ferner nähren und pflegen und ihn ausstralen auch
über die Grenzen ihres Vaterlandes, damit, was unsere
Augen leider nicht mehr sehen werden, der Stand der
Aufklärung und Civilisation überall erreicht werde, der
die Barrièren zwischen Völker und Völker fallen macht
und in ganzer Sympathie sie vereinigt! Möge die
Schweiz und ihr Streben zur Erreichung dieses Standes
der allgemeinen Cultur von der Mit- und Nachwelt
nicht verkannt und das Scherflein nicht übersehen werden,
was Bern dazu beiträgt!